Konversion als Strategie zur Bewältigung der Krise des Automobil- und Zuliefersektors?

Anknüpfungspunkte und Hürden für arbeitnehmergetriebene Produktionsumstellungen

Veranstaltung mit Katharina Keil am Mittwoch, 13. November, um 18:00 Uhr / IG Metall-Haus, Raum E01, Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin

Von Hans Köbrich

Bild: Peter Vlatten

Als VW die Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung kündigte, kam es wie ein Paukenschlag, weil damit die, bei VW besonders gepflegte, Sozialpartnerschaft aufgekündigt wurde. Aber längst steht das Thema Zukunft der Autoindustrie bzw. Zukunft unserer Mobilität weit oben auf der Agenda.

Die IG Metall setzt sich für eine Verkehrswende ein, die mehr ist als ein bloßer Wechsel der Antriebstechnik auf Elektro. Die Forderung nach und die Förderung von Elektroautos stieß bald an ihre Grenzen. Geplante Absatzahlen wurden nicht erreicht, der Import technologisch entwickelter Fahrzeuge aus China (u.a. auch von VW, BMW und Daimler) nach Deutschland tun das ihre dazu. Dazu kommt das viele Zulieferer die Gunst der Stunde nutzen und mit schlankem Fuß ihr Produktion in low-cost Regionen verlagern.

Vor dem Hintergrund der ökologischen Vielfachkrise und der immer deutlicher zutage tretenden Krise der deutschen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer, hat die Diskussion zu möglichen Konversionsprojekten innerhalb des Sektors insbesondere in linken gewerkschaftlichen Kreisen erneut an Fahrt aufgenommen. Demokratische Konversion, das heißt die demokratisch organisierte Produktionsumstellung nach sozial-ökologischen Kriterien, würde eine zukunftsorientierte strategische Neuausrichtung erlauben, die sowohl drohender Deindustrialisierung als auch dem umweltzerstörerischen „weiter-so“ des automobilen Konsens entgegentritt.

Die IG Metall könnte hier an ihre seit den1970ern gesammelte Konversionserfahrung anknüpfen. Warum ist Konversion also kein zentraler Bestandteil der Strategiediskussion in Gewerkschaft und Betrieben? In Ihrem Vortrag wird Katharina Keil zunächst auf historische Konversionsbestrebungen im deutschen Kontext und die gewerkschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik eingehen, die als Anknüpfungspunkte für die heutige Debatte dienen können. Im zweiten Schritt wird sie Anhand der Ergebnisse Ihrer Studie zur aktuellen strategischen Ausrichtung der IG Metall sowie des Kampfs gegen Stellenabbau bei Mahle erläutern, wo Ansatzpunkte und Hindernisse für eine Konversionsstrategie liegen.


Zur Person: Die sozial-ökologische Ökonomin Katharina Keil ist Doktorandin an der Universität Lausanne. Sie forscht zum Wandel der deutschen Autoindustrie angesichts der ökologischen Vielfachkrise und der Rolle von Gewerkschaften und Arbeiter*innenvertretungen für einen sozialen und ökologischen Umbau der Industrie.

Veranstalter: Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin

Von Ari wie Frieden über Halloween wie „Horror Is real“ bis Warnstreik wie Zukunft!

Die Ereignisse überschlagen sich.

Heute soll die Friedenstatue Ari in Berlin Moabit endgültig entfernt werden.

Die konkrete Erinnerung an die Hässlichkeiten des Krieges, wenn sie in eigener Verantwortung oder durch Verbündete geschehen, ist in Zeiten der „Kriegsertüchtigung“ unerwünscht. Gerade wenn es um die Gewalt gegen Frauen in Kriegen geht. Es könnte doch zu sehr daran erinnern, was aktuell in Gaza geschieht. Da kennen Politiker vom Schlage des Regierenden Berliner CDU Bürgermeister Wegner kein Pardon. Er wie auch die willfährige Grüne Bezirksbürgermeisterin möchten das leidige Thema jetzt wohl endgültig hinter sich bringen. Machen wir Ihnen dabei einen Strich durch die Rechnung.

Der Koreaverband ruft erneut breit zur Solidarität auf:

24-Stunden-Mahnwache: Wir stehen hinter Ari! 01.November von 0 bis 24 Uhr, an der Friedensstatue, Bremer Str. 41, 10551 Berlin

Am 31.10., dem Stichtag für die geforderte Entfernung der Friedensstatue, werden wir ab Mitternacht 24 Stunden lang bei Ari wachen. Dafür suchen wir Unterstützer*innen, die bereit sind, in 2-Stunden-Schichten vor Ort zu sein und damit ein deutliches Zeichen zu setzen: Ari lässt sich nicht ohne weiteres entfernen. Für warme Getränke, Speisen, Schlafsäcke und Sitzmöglichkeiten ist gesorgt, und auch die Nachbarschaft ist herzlich eingeladen, vorbeizukommen und die Mahnwache mit Besuchen oder kleinen Beiträgen zu unterstützen. Interessierte können sich hier anmelden und uns eine E-Mail an: mail@koreaverband.de senden. 

Berlin, steh mutig hinter Ari!

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie über diese 24-Stunden-Wache berichten und gemeinsam mit uns ein Zeichen für Frieden, Menschenrechte und gegen sexualisierte Gewalt setzen.

Warnstreiks in der Metallindustrie

Die IG Metall hat diese Woche breit zu Warnstreiks aufgerufen. Heute große Protestkundgebung vor der Böblinger Kongresshalle vor den Verhandlungen in Südwest.

Über 2.000 junge IG Metaller:innen haben in Böblingen  mit starker Stimme und viel Energie für ihre Forderungen demonstriert. Unter dem Motto "170 € sonst gibt's Saures!" haben sie klar gemacht, dass ihnen leere Versprechungen nicht reichen. Sonst gibt es Streik!

Die Kapitalseite hat sich bei der dritten Verhandlungsrunde bisher nicht bewegt und ist bei ihren absolut mickrigen Angeboten vom letzten Mal stehen geblieben. Angesichts der Schere, die sich in den letzten Jahren zwischen sinkenden Arbeitseinkommen und in schwindelnde Höhen kletternden Gewinnen aufgetan hat, eine Unverschämtheit. Die Konzernkassen sind prall gefüllt. Nach Jahren üppiger Dividendenzahlungen. Eilmeldung heute: „die Inflation zieht wieder deutlich an.“

Mehr noch. Es soll wohl der Poker bei VW abgewartet werden, wo statt auf die Tarifforderungen einzugehen der Spieß umgedreht wird und – unter der Drohkulisse von massivem Arbeitsplatzabau – 20 Prozent Lohn- und Gehaltseinbußen von der Belegschaft abverlangt werden!

Es geht schlicht darum: Wer zahlt? Zahlen wir Beschäftigen und ggfs. die Allgemeinheit über den Staat die Kosten einer Überproduktionskrise, für die Folgen geopolitischer Verwerfungen und für die gewaltigen Investitionen für die notwendige Transformation? Da der Staat aufgrund der Zeitenwende kein Geld mehr übrig hat, wird uns die Last besonders treffen. Oder muss das Kapital dafür mal tiefer in die üppig gefüllten Profittaschen der Konzerne greifen und auf höhere Ausschüttungen verzichten? Und wird die Transformation über E-Mobilität hinaus zu einer echten Verkehrswende gestaltet, mit für die Gesellschaft nützlicher Produktion und dadurch zukunftsfähigeren Arbeitsplätzen?

Die aktuelle Warnstreikwelle erreicht heute wohl ihren Höhepunkt. Das Handelsblatt meldet „Alles im Normalbereich. Business as usual“. Die Gegenseite hofft, dass sich die Beschäftigten durch die Hiobsbotschaften am Ende doch noch den Schneid abkaufen lassen.

Jedem Kollegen und jeder Kollegin sollte aber klar sein: es ist eine riesen Illusion, dass mit Lohnverzicht Arbeitsplätze gerettet werden könnten. Jeder Euro auf Seiten des Kapitals geht unkontrolliert dorthin, wo er weiter weltweit den größten Profit abwirft. Da spielen unsere Arbeitsplätze oder nachhaltige gesellschaftliche Entwicklungsziele nur eine untergeordnete Rolle bzw das Bauernopfer.

E-Mobilität ist weder ausreichend für zukunftsfestere Arbeitsplätze noch um Flutkatastrophen wie heute in Valencia verhindern zu helfen. 
Waffenlieferungen über alles

Wir helfen inzwischen die „halbe“ Welt „kriegstüchtig“ machen. Nach Israel jetzt auch intensiver wieder die Türkei!

Es fallen alle Hemmungen seitens Deutschlands, die Türkei mit Waffen aller Art zu beliefern, mit denen jetzt flächendeckend die Kurdengebiete völkerrechtswidrig bombardiert werden. Darunter auch viele zivile Infrastrukturen. Darunter auch Rojawa und Kobani, wo einst der entscheidende Kampf gegen den Islamistischen Staat ausgefochten wurde. Für Deutschland wird wohl immer wahrer: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich weiter ungeniert.“

Die Opfer auf allen Seiten, ob Kurden oder Palästinenser, Koreaner sollten sich zusammenschliessen.

Von den vielen Protestveranstaltungen greifen wir nur eine auf. Der Protest der Beschäftigten im Gesundheitsbereich vor der Charité am Sonntag gegen die systematische Zerstörung von Einrichtungen und Personal in Gaza.

Gesundheitseinrichtungen und und medizinisches Personal dürfen weder in Gaza noch igendwo sonst zu Kriegszielen werden! Mehr zur Kundgebung hier!

Dieses Poster steht an vielen Orten öffentlich in Vietnam

Heute ist Halloween! Vielen ist für Gruselfez nicht zumute. „Horror Is real“ genug in Nahost! Geht lieber zur Ari Nachtwache und verscheucht die Schergen von Wegner. Oder zur nächsten propalästinensichen Demonstration.

Fotos: Titelbild, Bild 1,3,4 Peter Vlatten, Bild 4 Warnstreiklogo IG METALL SW, Bild 7 Catrin Karras Vietnam

Die Autoindustrie in der Systemkrise

Der sozialökologische Umbau ist nicht nur ökologisch, auch ökonomisch unverzichtbar

Von Stephan Krull

Bild: IG Metall

Die Krisen in der Autoindustrie kommen regelmäßig, die Abstände verkürzen sich und die Krisen werden heftiger. Wie auch jetzt wieder geht es um Konkurrenz, um Märkte und Marktanteile, um den Aufbau und dann auch wieder die Zerstörung von Kapazitäten in geschrumpften Teilmärkten. Die Krisen tragen die Tendenz zur Vernichtung von Konkurrenten und kleinere oder größere Schritte zur Monopolisierung in sich. Die Schließung des Opel-Werkes in Bochum und des Ford-Werkes in Saarlouis sind Beispiele für das erstere, die Bildung des Stellantis-Konzerns mit Peugeot, Citroën, Opel, Fiat und Chrysler eines der Beispiele für Konzentration. In den zurückliegenden fünf Jahren wurden über 60 000 Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie verlagert oder vernichtet, viele Standorte aufgegeben.

Die Krise ist in erster Linie eine Krise der Arbeitsplätze, keine Krise der Profite. Die Gewinne vom zurückliegenden Jahr bei Volkswagen (22 Milliarden), Mercedes (15 Milliarden) und BMW (12 Milliarden) summieren sich auf 49 Milliarden Euro, die Gewinnrücklagen der drei Konzerne auf gut 250 Milliarden Euro.

Um es am Beispiel von Volkswagen deutlich zu machen: Es geht mitnichten um Verluste, wie das Unternehmen öffentlich behauptet und eilfertige Journalisten gerne weitergeben. Den Eigentümer:innen und den Managern reicht eine Umsatzrendite von 3,5 Prozent bei der Marke Volkswagen nicht aus, sie wollen 6,5 Prozent. Bei einem Umsatz von gut 100 Milliarden Euro geht es also nur um die Frage, ob 3,5 Milliarden oder 6,5 Milliarden Euro Profit erzielt werden.

Gewinn 2023Gewinnrücklage
VW 22. Mrd Euro147 Mrd. Euro
Mercedes 15 Mrd. Euro21 Mrd. Euro
BMW 12 Mrd. Euro85 Mrd Euro

Ein reales Problem sind natürlich die Überkapazitäten, die mit großem Aufwand geschaffen wurden – vor kurzem wollte der VW-Konzern nach dem Vorbild von Tesla eine „Gigafactory“ für neue Luxusfahrzeuge in Wolfsburg bauen (Trinity) – heute geht es um Massentlassungen und Werksschließungen.

Absatzkrise

Die Fahrt im andauernden Rückwärtsgang begann mit dem gigantischen Abgasbetrug im Jahr 2016 – seitdem sinkt die Nachfrage in Deutschland und in Europa. Hinzu kommt die Etablierung mehrerer neuer und technologisch fortgeschrittener Player aus China. Und natürlich spielen die Kriege und globalen Konkurrenzen, spielen die aggressiven Weltverhältnisse, die Hochrüstung und der Abbau von Sozialstaatlichkeit, die Debatte um den Antriebswechsel zu E-Autos und die stockende Infrastruktur dafür eine wichtige Rolle bei der Nachfrage nach Autos.

Der Absatz von Volkswagen, BMW und Mercedes ist nach 40 Jahren guter Geschäfte in China dramatisch eingebrochen. Die weltweite Produktion von Pkw sank von 73 Millionen im Jahr 2017 auf 55 Millionen im Jahr 2020 und stieg wieder auf 67 Millionen im Jahr 2023. Im selben Jahr wurden in Europa 2 Millionen Autos weniger abgesetzt als noch fünf Jahre zuvor – das entspricht der Kapazität von vier sehr großen Autofabriken oder dem weltweiten Absatz von Audi und Peugeot zusammengenommen. Das trifft jedoch besonders einen Volumenhersteller wie Volkswagen, dem der Absatz von ca. 500 000 Fahrzeuge in der Bilanz fehlt. Luxus verkauft sich demgegenüber immer noch ganz gut.

Klimakrise

Seit einigen Jahren ergibt die Gleichzeitigkeit von Klimakrise und Konflikt um die Zukunft der Automobilität und von hunderttausenden Arbeitsplätzen eine explosive Mischung. Der allgemeine Rechtsruck, die hohe Zustimmung für die Höcke-Partei in den Autoclustern von Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen ist überaus besorgniserregend. Es besteht die Gefahr eines verkehrspolitischen Backlash, der die Klimakrise verschärft, Milliarden an Mitteln vergeudet und weitere Arbeitsplätze gefährdet.

Fortgesetzter Autobahnneubau und die aberwitzigen Subventionen, die in die Autoindustrie fließen, sind eine Umverteilung von unten nach oben. Viele Menschen sind mangels eines guten öffentlichen Verkehrs noch auf Autos angewiesen, jedoch sinken Pkw-Dichte und Emissionen mit dem Haushaltseinkommen. Anstatt sich auf die Forderungen der Mehrheiten im Land wie Tempolimit und den Abbau von Subventionen einzulassen, kungelt die Regierung mit der Autoindustrie und verstärkt noch die autozentrierte Politik. Selbst der Abschied vom Verbrennungsmotor wird von antiökologischen Kräften wie der FDP, der CSU und dem BSW immer wieder von neuem infrage gestellt. Dadurch kommen Klimaschutz und Mobilitätswende unter die Räder bzw. unter den Asphalt.

Dabei können im Schienenfahrzeugbau, bei der Bahn und in den Betrieben des ÖPNV hunderttausende Arbeitsplätze neu entstehen, wenn diese Betriebe Planungssicherheit erhalten. Zu gewinnen sind gute Arbeit, gutes Leben und eine lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen. In diesem Prozess gilt es, den Beschäftigten Sicherheit zu geben, auch durch gesetzlich garantierte Fort- und Weiterbildung, eine Jobgarantie und ein Transformationsgeld.

Sofortprogramm für den ökologischen Umbau

Das Geld für die Konversion der Autoindustrie ist da.

Konversion ist die Alternative zu verschärfter Konkurrenz, Sozialabbau, Massenentlassungen und Werksschließungen: Keine Subventionen für die Autoindustrie, stattdessen ein Sondervermögen des Bundes von 200 Milliarden Euro und eine Gewinnabschöpfung bei den Autokonzernen für Verkehrswende, Ausbau der Infrastruktur, Aufbau von Kapazitäten für Schienenfahrzeuge und smarte Busse.

Breite Bündnisse für Klimaschutz und Verkehrswende. Bessere Arbeit und gutes Leben für alle!

Ver.di und Fridays for Future streiten zusammen für den Ausbau des ÖPNV und für bessere Arbeitsbedingungen der hier Beschäftigten; Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände haben das «Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende» gegründet; die Klimagerechtigkeitsbewegung streut Sand in das Getriebe von Autopräsentationsmaschinen wie der IAA. Forderungen nach einem Umbau der Industrie und einer Verkehrswende in Stadt und Land ergänzen sich.

Das ermöglicht neue Allianzen für die sozial-ökologische Transformation. Es gibt gemeinsame Verlautbarungen von Gewerkschaften, Umweltverbänden und Kirchen, ihnen wird jedoch zu wenig Nachdruck verliehen – vor allem in der Praxis der Gewerkschaften, aber auch der Linken. Der gesellschaftlichen Linken kommt die große Verantwortung zu, den vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Ökologie und Arbeitsplätzen aufzulösen und die berechtigten Interessen der Beschäftigten an guter Arbeit und gutem Leben mit der Verkehrswende zu verbinden.

Jüngst haben mehrere Studien gezeigt, welch großes Potenzial für gute Arbeit in einer konsequenten Mobilitätswende liegt (Spurwechsel, Fraunhofer/m-five). Großen Arbeitskräftebedarf gibt es im Schienenfahrzeugbau, bei den Bahn- und ÖPNV-Betrieben. Rechnet man dazu den Arbeitskräftebedarf, der sich aus dem nötigen Ausbau des Care-Sektors ergibt und berücksichtigt man die beschäftigungspolitischen und gesellschaftlichen Potenziale einer Arbeitszeitverkürzung hin zur 28-Stunden-Woche, dann wird deutlich, dass es viel zu gewinnen gibt.

Das setzt aber voraus, dass Gewerkschaften und Linke die Impulse der Verkehrswendeinitiativen konsequent aufgreifen. Es setzt zudem voraus, dass die Gewerkschaften ihr politisches Mandat zugunsten einer sozial-ökologischen Transformation wahrnehmen. Und es setzt voraus, dass die vielen guten Ansätze und Überlegungen, die von Beschäftigten in der Autoindustrie selbst ausgehen, nicht länger vom jeweiligen Management weggefegt, sondern von Wissenschaftler:innen, Gewerkschaften und linker Politik aufgegriffen, standortübergreifend gebündelt und offensiv in die gesellschaftspolitischen Debatten eingebracht werden.

Die Anzahl der Autos auf unseren Straßen muss drastisch reduziert werden – vor allem in den größeren Städten mit ausgebautem öffentlichem Verkehr. Die Lücken im ländlichen Raum können durch Fahrservices, Rufbusse und Carsharing als Teil einer integrierten Verkehrsplanung und staatlicher Daseinsvorsorge gefüllt werden. Dazu braucht es eine verlässliche Investitionspolitik in den öffentlichen Verkehr. Kostengünstige und langfristig kostenlose öffentliche Mobilität ist ein sozial-ökonomisches Grundrecht.

Worum es jetzt gehen sollte:

1. den Aufbau von regionalen Transformationsräten aus Gewerkschaften, regionaler Politik, Umwelt- und Verkehrsverbänden, Energie- und Verkehrswendeinitiativen.Sie haben die Aufgabe, gesellschaftliche Foren zu initiieren und direkten Einfluss auf die sozial-ökologische Transformation der Produkte in der gesamten Mobilitätsindustrie zu nehmen. Zu fördern sind sie, wie auch die regionalen Transformationsräte, aus dem Zukunftsfonds Automobil.

2. die Forcierung und Unterstützung lokaler Initiativen und Bündnissen für die sozial-ökologische Transformation von Autoindustrie und Mobilität.

3. den Auf- und Ausbau (gemeinwirtschaftlicher, demokratischer) Unternehmen, die die Lücken in der derzeitigen Mobilitätsindustrie für den smarten Bus-, Schienen- und Güterverkehr füllen, das ergibt eine sinnvolle Kompensation von wegfallenden Arbeitsplätzen. Ergänzend: die Vergesellschaftung von Unternehmen, die die Verkehrswende blockieren nach Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes.

4. eine Reform von Straßenverkehrsordnung und -gesetz, sodass Kommunen ermächtigt werden, sozial-ökologische Maßnahmen wie Tempolimits, Busspuren und anderes mehr zu beschließen und umzusetzen.

5. eine europäische Industriepolitik zum Aufbau einer europäischen Mobilitätsindustrie für den so notwendigen Bau von Bussen und Schienenfahrzeugen. Die Möglichkeit der Direktvergabe für den ÖPNV und die Bahn muss weiterhin erhalten bleiben.

Das sind Vorschläge des Gesprächskreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Zukunft von Auto, Umwelt und Mobilität.

Eine so verstandene Verkehrs- und Mobilitätswende ist Teil einer am Bedarf orientierten Transformation von Produktion und Dienstleistungen in unserem Land. Es gilt, die Ökonomie vom Kopf auf die Füße zu stellen, sozial-ökologisch schädliche Aktivitäten zurückzubauen und menschliche Kreativität und gesellschaftliche Ressourcen in den Dienst des guten Lebens zu stellen. Die Mobilitätswende ist Baustein und Ergebnis einer solchen Transformation.

Stephan Krull

https://stephankrull.info

Erstveröffentlicht in der SoZ 11 November 2024
https://www.sozonline.de/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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