Arbeiten die Deutschen zu viel?

Man kann die Frage über die Arbeitsbelastung genau anders herumstellen als Friedrich Merz, und damit vom Kopf auf die Füsse stellen. (Peter Vlatten)

Von Suitbert Cechura, 28.Mai 2025 , gewerkschaftsforum.de

Diese Frage stellt sich hierzulande natürlich niemand, obgleich die Produktivität der Arbeit ständig steigt und die Krankheitsstatistiken der Krankenkassen die negativen Gesundheitsfolgen der Arbeit dokumentieren. Stattdessen sind die Medien voll von Äußerungen von Industriellen, Politikern und Journalisten, dass die Deutschen zu wenig arbeiten. Was ist da eigentlich der Maßstab, an dem das zu viel oder zu wenig gemessen wird?

Die Produktivität der Arbeit steigt ständig

Diese Tatsache wird eigentlich von niemandem bestritten. Das heißt ja nichts anderes, dass für die Herstellung der verschiedenen Güter immer weniger Zeit aufgewandt werden muss. Um die Menschheit mit dem notwendigen zum Leben oder auch Annehmlichkeiten zu versorgen, braucht es also immer weniger Arbeit. Warum also die Forderung nach Mehrarbeit? Auch das ist kein Geheimnis: Es geht eben nicht um die Versorgung der Menschen mit einem Dach über den Kopf, Essen, Kleidung, Kultur und Urlaub, sondern alles ist Mittel des Geschäfts, Mittel, um aus Geld mehr Geld zu machen. Und für diesen Zweck gibt es nie ein Genug, sondern dieser Zweck ist maßlos und daher kann es nie genug lohnende Arbeit geben. Deshalb gibt es auch die Forderung nach ständigem Wachstum.

Vom Standpunkt der Versorgung könnte es auch reichen, wenn alle Menschen ausreichend versorgt und vergnügt sind, dass nicht die Wirtschaft, sondern die Freizeit wachsen könnte. Nicht so im Kapitalismus. Technische Neuerungen dienen daher auch nicht der Entlastung derer, die arbeiten, sondern sind ein Mittel in der Konkurrenz um Marktanteile, in der die Billigkeit der Produkte Konkurrenzvorteile verschafft. Billigkeit heißt eben auch, dass die Kosten für die Arbeitskräfte ebenfalls billig zu sein haben. Viel Arbeit für wenig Geld ist daher die ständig gültige Devise.

Das Wachstum der Wirtschaft in Deutschland stockt

Ein Zustand, der Wirtschaftsbossen, Politikern, Medien und Gewerkschaftern keine Ruhe lässt. Wirtschaftsbosse haben ein unmittelbares Interesse an der Vermehrung ihres Reichtums. Die Politik ist davon abhängig, dass in dem von ihr regierten Land möglichst viel Wachstum stattfindet, an dem sie sich durch Steuern bedienen kann. Und das umso dringlicher, da sich Deutschland auf einen Krieg vorbereitet, der jetzt schon viel kostet. Die Medien begleiten die Politik kritisch, ob ihr Handeln auch vom Erfolg für Deutschland gekrönt ist. Arbeitnehmer sind vom Gang des Geschäfts abhängig, das gilt Gewerkschaftern nicht als Übel, sondern sie haben es zum Anlass genommen, sich mehr um das Wohl von Unternehmen als um das ihrer Mitglieder kümmern.

Wenn nun alle Parteien ein Mehr an Arbeit von denen fordern, die arbeiten müssen und nicht von der Arbeit anderer leben, dann kann einem dies auch zu denken geben. Schließlich verzichten viele Großunternehmen gerade auf die Beschäftigung einer erheblichen Zahl ihrer Mitarbeiter. Entlassungen im großen Stil bei VW, Thyssen-Krupp, Siemens, ZF, Schäffler, Bosch, Ford usw. füllen die Titelseiten von Zeitungen. Mit der Forderung nach Mehrarbeit ist offensichtlich etwas anderes gemeint, als dass deutschen Unternehmen die Beschäftigten ausgehen würden. Gedacht ist bei dieser Forderung wohl an etwas anderes: Mehr Arbeit fürs gleiche oder weniger Geld. Das soll die Arbeit lohnender machen und die Gewinne für die Unternehmen wieder sprudeln lassen. Und dies Anliegen stößt in der deutschen Öffentlichkeit auf weitgehende Zustimmung und keinerlei Kritik.

Die nationale Einigkeit

Angestoßen wurde die Debatte im letzten Jahr von Wirtschaftsvertretern wie dem Telekom-Chef Tim Höttges . Die Politiker ließen sich nicht zweimal bitten mit vorne dran der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und so fand die Forderung denn auch Eingang in den Koalitionsvertrag. Und auch die Gewerkschaft Verdi wollte sich dieser Forderung nicht verschließen und hat im Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes einer Verlängerung der Arbeitszeit zugestimmt.

Als nun der neue Kanzler vor wenigen Tagen dies als seine Forderung bekräftigte, gab es auch gleich eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dieser Forderung Objektivität verleihen sollte.  Die Medien griffen diese Studien sofort begierig auf (Spiegel, Bild am Sonntag 18.5.2025, rtl-aktuell 18.5.2025). Bloß Zahlen sprechen nicht für sich, wie sie erhoben und in welches Verhältnis sie gesetzt werden spricht jedoch Bände: „Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat mit Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit  und Entwicklung  (OECD) berechnet, wie viele Stunden in den einzelnen Ländern je Einwohner im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) gearbeitet wurde.“ (BamS) Wenn die Stunden aller Menschen einer bestimmten Altersgruppe unterschiedslos zusammengezählt werden, dann heißt dies, dass diese Alterspopulation für eines da ist, ob Männlein, Weiblein, Jugendlicher oder Alter: zum Arbeiten zum Wohle der Nation. Erstellt wurde eine Rangliste, geordnet nach der Stundenzahl  in den einzelnen Ländern, in der Deutschland auf einem der letzten Plätzen rangiert.

Als Erfolgsmeldung für die Deutschen gilt dies allerdings nicht, wenn sie  weniger arbeiten müssen und mehr Freizeit haben. Schließlich ist der Erfolg Deutschlands nicht der Erfolg der Deutschen in Sachen Freizeit. Die Rangliste soll für die Konkurrenzsituation der einzelnen Länder stehen in Sachen Gewinn ihrer Unternehmen.  Und weil die Studie erstellt wurde, um den Anspruch auf Mehrarbeit zu untermauern, ist es auch völlig unerheblich, was die betreffenden Arbeitnehmer in den einzelnen Stunden leisten. Da werden Äpfel und Birnen zusammengezählt. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ein Auto von Hand zusammengeschweißt wird oder durch einen Roboter. Im ersten Fall braucht es eine ganze Mannschaft, diese wird ihren Lohn los und überflüssig, wenn es reicht, dass ein Mensch die Roboter beaufsichtigt. Eine teure Investition, die sich durch die Lohneinsparungen schnell lohnt.

An der Bestimmung des Personenkreises, deren Arbeitsstunden wie auch immer berechnet wurden, fällt auf, dass es für die Untersuchung unerheblich scheint, wie lange Kinder oder Jugendliche sich in der Ausbildung befinden. Schließlich lernen sie ja, statt zu arbeiten, wozu sie offenbar da sind. Jede nicht geleistete Arbeitsstunde ist in dieser Rechnungsweise ein Minus.

Ein Ergebnis stößt allerdings auf, dass die Deutschen in den letzten Jahren nicht weniger gearbeitet haben. So antwortet der IW-Arbeitsmarktexperte  Holger Schäfer auf die Frage von Bild am Sonntag „Haben wir früher mehr gearbeitet?“: „Im Vergleich zu den 1970er Jahren arbeiten wir weniger, aber seit der Wiedervereinigung arbeiten wir tendenziell immer etwas mehr.“ (BamS) Das hindert allerdings einen Kanzleramtsminister Thorsten Frei in einem Artikel gleich neben der Darstellung der Studie nicht daran, das glatte Gegenteil zu behaupten: „Ungeachtet der Tatsache, dass es bei uns viele Menschen gibt, die sehr leistungsstark sind und sich reinhängen, ist die Pro-Kopf-Arbeitszeit der Deutschen in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach unten gegangen.“ (BamS) So frei gehen Politiker eben mit der Wahrheit um und ihre Behauptungen werden zu Fakten. Wenn Studien nicht in allen Belangen das hergeben, was die Politik gerne hätte, dann ist die Politik so frei, sich die Fakten selber zu erfinden, und die Medien sind so frei, jedes Geschwätz von Politikern als Fakten zu verbreiten.

Die Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht sich denn auch gleich gefordert, ihrem Kollegen beizuspringen und zu überlegen, wie Mütter schneller wieder in Arbeit gebracht werden können (SZ 19.5.2025) – zwar haben diese Mütter reichlich zu tun, aber Arbeit ist nicht gleich Arbeit, es geht eben immer um lohnende Arbeit für andere.

Der Autor:

Suitbert Cechura ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut. Er arbeitete lange im Bereich der beruflichen Eingliederung junger Menschen mit Behinderung. Er hat mehrere Bücher geschrieben. Sein letztes Buch heißt „Unsere Gesellschaft macht krank – Die Leiden der Zivilisation und das Geschäft mit der Gesundheit“ und ist 2018 im Tectum Verlag erschienen.

Der Beitrag erschien auf https://overton-magazin.de/
und wird mit freundlicher Genehmigung des Autors und gewerkschaftsforum.de hier abgedruckt.

Titelbild: Bild: © Peggy_Marco @ pixabay.com / Bearbeitung L.N.

Mit Kanzler Merz von der Wohlstandsgesellschaft zur Militärmacht

Von Rob Kenius

Bundeswehr-Werbung. Bild: bundeswehr.karriere.de

Europa hat seit Jahrzehnten drei Militärmächte: England, Frankreich und Russland. Deutschland war 80 Jahre lang keine Militärmacht. Und obwohl Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hat und noch kein Friedensvertrag geschlossen wurde, hat die Bundesrepublik Deutschland einen rasanten Aufstieg hingelegt: das sogenannte Wirtschaftswunder. Doch damit ist es jetzt vorbei.

Mehr als 50 Jahre lang ging es den Menschen in Deutschland deutlich besser als denen in den drei militärisch mächtigeren Staaten. Das ist nicht reines Glück und auch kein Zufall. Das Wohlergehen basierte darauf, dass die Wirtschaft nicht mit einem Militärapparat konkurrieren musste, der viel Geld, Fachkräfte und viel Aufmerksamkeit der Regierenden an sich zieht und Prioritäten beansprucht.

Das Militär suggeriert Politikern, dass es wichtiger sei als alles Wohlergehen der Bevölkerung, weil es immer um Sieg oder Niederlage gehe. Diese Argumentation setzt Krieg als Normalzustand voraus, der im Frieden schon beginnt und mit Sicherheit dann auch kommt. Aber unser Wirtschaftswunder hat gezeigt, dass ohne kriegerische Politik der Friede sehr lukrativ ist und nicht von außen bedroht wird. Konzentration auf Wirtschaft und Zusammenleben kommt dem Leben näher als die ständige Abschöpfung von Geld, Material und Intelligenz für die fragwürdige Option, irgendwann oder auch bald wieder einen Krieg führen zu können. Diese seligen Zeiten sind für Deutschland jetzt vorbei.

Vorbei ist auch, Zufall oder nicht, der mit Glück erreichte Konsens im Parlament, dass der Bundeskanzler, einschließlich Angela Merkel, in jeder Legislaturperiode im ersten Wahlgang gewählt wurde. Friedrich Merz leitet auch da eine neue Ära ein: Er ist ins Kanzleramt gestolpert, obwohl oder gerade weil jeder weiß, dass er besonders Großes vor hat: Er will Kanzler und der Chef einer Militärmacht sein.

Die Weichen sind gestellt. Merz hat schon erreicht, dass die größte Schuldenaufnahme in der Geschichte der BRD beschlossen wurde, an erster Stelle um drastisch aufzurüsten. Er will allem Anschein nach mit England und Frankreich gleich ziehen und vielleicht, mit der wirtschaftlichen Stärke im Rücken, England und Frankreich bald übertreffen. Das zeigt sich schon daran, dass Deutschland sich der Friedensbereitschaft der USA großspurig widersetzt.

Wenn Herr Merz nicht bereits 1,98 Meter groß wäre, könnte man von Größenwahn sprechen, aber das Umgekehrte ist der Fall. Er ist für ein starkes Ego groß genug, nicht klein und kompakt wie Napoleon, der als Feldherr äußerst erfolgreich war, dann aber dem Größenwahn verfallen ist. Er hat sich selbst zum Kaiser gekrönt und, wie später Hitler, Russland angegriffen.

Bei der enormen Körperlänge von 1,98 Metern, kann es aber sein, dass Merzens Gehirn nicht immer ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist, es zeigen sich doch merkliche Denkschwächen. Friedrich Merz hat den Schwenk vom Finanzjongleur zum verantwortlichen Politiker und schließlich zum Kanzler, der dem Wohl des Volkes verpflichtet sein soll, intellektuell nicht bewältigt. Da ist zu wenig Flexibilität und keine kreative Leistung. Es häufen sich Fehlschlüsse und und es zeigt sich der Mangel an einem grundlegenden Update.

Das Projekt, von der Wohlstands-Nation auf Militärmacht umzuschalten, benötigt Russland als Feindbild, jedenfalls wird es in allen Narrativen zur deutschen Aufrüstung so dargestellt. Dabei ist Russland nur dann Deutschlands Feind gewesen, wenn es von hier aus angegriffen wurde. Russische Soldaten haben Deutschland schließlich von der Nazidiktatur befreit, sie haben sich unter großen Verlusten bis Berlin durchgekämpft und Adolf Hitler und Joseph Goebbels, samt dessen Familie, in den Selbstmord getrieben.

Erst, als nach der Einkesselung um Stalingrad und der Schlacht von Kursk der Krieg Ende 1943, bereits verloren war, sind US-Soldaten 1944 in der Normandie gelandet. Alle Erzählungen, welche die USA als großen Befreier darstellen, ändern nichts an der historischen Tatsache, dass Nazideutschland (Hitler) den Zweiten Weltkrieg an erster Stelle gegen die Sowjet-Union (Stalin) verloren hat.

Durch den deutschen Überfall sind mehr als 25 Millionen Sowjet-Menschen zu Tode gekommen, die meisten davon russische Soldaten, trotzdem hat Michail Gorbatschow in die Wiedervereinigung Deutschlands eingewilligt. Für eine tiefe Feindschaft Deutschlands gegenüber Russland gibt es absolut keine Gründe. Alle Argumente beziehen sich nur auf den Einmarsch der Russen in die Ukraine, den mag man zwar verurteilen, aber ihn als Angriff auf Deutschland, Europa und die westlichen Werte zu definieren, ist Schwachsinn oder Propaganda oder beides. Und es ist eindeutig die Sicht der USA, insbesondere die des gescheiterten Präsidenten Joe Biden.

Das Feindbild Russland ist ein US-Import, genau wie das vorherrschende Finanzsystem, in dem Friedrich Merz groß und erfolgreich geworden ist. In den USA ist das Feindbild Russland ein Relikt aus dem Konkurrenzkampf der Systeme, der 40 Jahre lang die Gemüter dort erhitzt hat. Mit der Politik von Michail Gorbatschow, der Auflösung der SU und der Abkehr vom der kommunistischen Ideologie war dieser Kampf und die Vision von der drohenden Weltrevolution de facto beendet.

Vielen US-Amerikanern scheint dies entgangen zu sein, kein Wunder bei der Entfernung. Man hat im starren Feindbild einfach SU durch Russland ersetzt und weiter gerüstet, gedroht und die Nato noch 30 Jahre gegen Russland erweitert, bis zum zweitgrößten europäischen Land Ukraine mit seinen undurchsichtigen Machtverhältnissen und einer 2.300 km langen Grenze zu Russland.

Friedrich Merz ist konform mit der US-Finanzwelt und der atlantischen Politik, die Russland als Feindbild hoch gehalten hat. Dazu ist im Milieu der Hochfinanz nicht viel Nachdenken erforderlich, im Gegenteil, es ist der einfachste Konformismus in der vertrauten Umgebung der feudalen Finanzmacht. Doch mit dem Wiedereinstieg in die deutsche Spitzenpolitik, hätte der Kanzlerkandidat Merz umdenken müssen.

Kandidat Merz hätte damit beginnen sollen, sein Fachwissen über das Finanzsystem zu Gunsten der Wählerinnen und Wähler der CDU einzusetzen. Zum Beispiel mit der Erkenntnis, dass Staatsschulden zu Gunsten der Geldgeber angelegt sind und die Bevölkerung eines Landes über Generationen benachteiligen, weil die Menschen, besonders die jungen, die Tilgung samt Zinsen über Steuern aufbringen müssen.

Als Kenner der Finanzwelt müsste Friedrich Merz auch wissen, wie man über Steuern und Abgaben an das Geld kommt, das in Händen der Geldbesitzer in solchem Überfluss vorhanden ist, sich das Geld also nicht zu borgen, sondern mit Steuern und Abgaben zu holen. All das hätten wir, als positiv denkende Menschen, von Herrn Merz als Kanzler, mit Recht erwarten können.

Doch mit der trickreichen Schuldenaufnahme, noch vor der Machtergreifung, hat uns Herr Merz gezeigt, dass er den Übergang vom Finanzjongleur zum Volksvertreter in seinem weit oben sitzenden Kopf nicht vollzogen hat und er sich weiterhin so verhält wie ein leitender Angestellter des Finanzsystems.

Deutsche Staatsschulden sind ein Leckerbissen für das Finanzgeschäft. Rüstung ist eine Finanzspritze für die US-Wirtschaft und für den Aktienmarkt, den bekanntlich Merzens ehemaliger Arbeitgeber Black Rock dominiert. Dabei kommt also nichts Kanzlermäßiges heraus, sondern nur die Fortsetzung atlantischer Denkgewohnheiten mit Schwerpunkt auf das Billionen-Geschäft der Kredite.

Für Deutschland ist es das Ende des Wirtschaftswunders zu Gunsten einer überflüssigen vierten europäischen Militärmacht. Wenn Herr Merz denkt, Deutschland könne hier die Nr. 1 werden, hat er sich getäuscht, da hilft auch der mit Worten so zackige Verteidigungsminister Pistorius nichts. Frankreich und England werden das nicht zulassen, sie haben Atomwaffen und Deutschland hat nicht mal einen Friedensvertrag mit ihnen.

Wir werden durch die Politik von Merz, Klingbeil und Pistorius und den devot agierenden Parteien von der europäischen Wirtschafts-Nation Nr. 1 zur Militär-Mittelmacht Nr. 4 in Europa herabgestuft.

Die Wirtschaft kann dann mit der Merz-Methode sogar ein wenig wachsen, weil ja die Militärausgaben in das Bruttosozialprodukt hinein gerechnet werden und dann kommt, rein rechnerisch, ein Wachstum zustande, obwohl die zivile Wirtschaft schrumpft, die Leute ärmer, die Lebensmittel und das Wohnen teurer werden. Aber das merkt dann keiner, weil die staatstragenden Medien das Merzsche Wirtschaftswachstum pflichtgerecht verkünden werden.

Aber, verdammt nochmal, nein! Deutschland darf nicht das Land der gehorsamen Mitläufer und leichtgläubigen Dummen sein und bleiben. Was Friedrich Merz sich bisher schon geleistet und weiterhin noch vor hat, geht mehr als zwei Meter zu weit. Es wird sündhaft teuer, besonders für die kommenden Generationen, es ist brandgefährlich und dabei, trotz SPD, völlig unsozial. Das kann auch von den staatstragenden Medien nicht schöngeredet werden.

Lasst uns jetzt konkret überlegen, was außerhalb von Parteien und Parlament dagegen zu tun ist!

Rob Kenius betreibt die systemkritische Webseite https://kritlit.de sowie den Podcast 9min Denksport auf kritlit.de und auf spotify https://open.spotify.com/show/1l0nCpNcXZmfAIMjwB0tOK

Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 8.5. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/mit-kanzler-merz-von-der-wohlstandsgesellschaft-zur-militaermacht/

Wir danken für das Publikationsrecht

Die Linke als Klassenpartei

Die Turbulenzen um die Rolle der Linken bei der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler diese Woche haben zu heftigen kontroversen Debatten in der linken Bewegung geführt. Wir berichteten. Hier ein weiterer wertvoller Grundsatzbeitrag zum Diskurs, welchen Kurs die Partei die Linke einschlagen soll. Der Beitrag bewertet den Leitantrag, der auf dem Parteitag Ende der Woche zur Beschlussfassung vorliegt. Aus meiner Sicht wären bei der Kritik 3 Punkte zur Kennzeichnug der imperialen Klasseninteressen in der aktuellen Situation stärker hervorzuheben. Erstens strebt das deutsche Kapital an, europäische Führungsmacht zu werden. Zweitens strebt das deutsche Kapital an, mittels einer europäischen Großmachtpolitik seine geopolitischen Interessen mit der erforderlichen Abgressivität zur Geltung bringen zu können. Drittens wird dazu ein militärisch industrieller Komplex aufgebaut, dessen Interessen in Zukunft zunehmend bedient werden müssen. (Peter Vlatten)

Was bedeutet dieser Anspruch und wie ihm gerecht werden?

Die Linke hat die Nahtod-Erfahrung überlebt. Sie hat im Februar nicht nur den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft, sondern vor allem einen Zustrom zehntausender Mitglieder. Überall entstehen neue Strukturen der Partei, überall wollen neue Mitglieder aktiv werden, um den Vormarsch der AfD, die Militarisierung der Gesellschaft und die zu erwartenden Angriffe der Merz-Klingbeil-Regierung auf die Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten zu stoppen. Das ist eine riesige Chance.

Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher und Linke-Mitglied, SOL 7. Mai 2025

Es weht ein frischer Wind in der Linken und die vielen tausend Neumitglieder mischen die Partei hoffentlich gehörig auf. Jedoch haben die letzten Wochen auch gezeigt, dass die Lehren aus der Existenzkrise, in die Die Linke geraten war, noch nicht gezogen wurden und die Gefahr besteht, dass die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden.

Was bedeutet Klassenpartei?

Der dem im Mai stattfindenden Bundesparteitag vorliegende Leitantrag erhebt den Anspruch, Die Linke zu einer Klassenpartei zu machen. Das ist ein großer Fortschritt im Vergleich zu Debatten der Vergangenheit, wo die Kategorie Klasse entweder in Frage gestellt wurde oder aber nicht als die zentrale Kategorie für Sozialist*innen betrachtet wurde. Doch welche Schlussfolgerungen sollten sich aus diesem Anspruch ergeben?

Klasse gegen Klasse

Partei einer Klasse zu sein bedeutet, anzuerkennen, dass die Interessen der Klasse, die man vertreten möchte, nur im Kampf gegen eine andere Klasse durchgesetzt werden können, bedeutet also den Klassenkampf anzuerkennen. Im Klassenkampf muss die arbeitende Klasse eine selbständige Position einnehmen. Sie braucht von der herrschenden, kapitalistischen Klasse und ihren staatlichen Institutionen unabhängige Organisationen und eine davon unabhängige politische Programmatik. Das geht darüber hinaus, dass man in der Frage von Löhnen und Arbeitsbedingungen für möglichst gute Standards eintritt. Es geht darum, in allen gesellschaftlichen Fragen die Klasseninteressen zu formulieren und zu vertreten.

Der Leitantrag, der zum Chemnitzer Parteitag vorliegt, wird dem in vielen Punkten nicht gerecht, auch wenn er im Vergleich zu ähnlichen Papieren der Vergangenheit einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Eigentumsfrage

Klassenpolitik bedeutet also, die Herrschaft einer Klasse über eine andere Klasse zu überwinden. Folglich sollte sie die Quelle dieser Herrschaft aufdecken und einen Weg aufzeigen, diese versiegen zu lassen. Die Quelle der Macht der kapitalistischen Klasse ist ihr Eigentum an Produktionsmitteln. Der Leitantrag wirft die Eigentumsfrage jedoch so gut wie gar nicht auf. Weder angesichts des Arbeitsplatzabbaus in der Industrie, noch hinsichtlich der nötigen Umstellung der Produktion auf eine nachhaltige Produktionsweise und ebensolche Güter, noch hinsichtlich der Macht der privaten Banken und Finanzinstitute wird die Frage der Überführung in öffentliches Eigentum aufgeworfen. Nicht einmal die von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ popularisierte Forderung nach der Enteignung großer Immobilienunternehmen hat es in den Leitantrag geschafft, offenbar will die Führung der Linkspartei sich hier auf die Forderung nach einem Mietendeckel beschränken. 

Regierungsbeteiligung

Eine unabhängige Klassenposition wird konterkariert, wenn man in Regierungsbündnisse mit prokapitalistischen Parteien eintritt und mit diesen gemeinsam dann die kapitalistischen Verhältnisse verwaltet. Die Linke hat eine lange und traurige Geschichte solcher Regierungsbündnisse mit SPD und Grünen. Sie haben überall dazu geführt, dass sie sich an Maßnahmen gegen die Arbeiter*innenklasse beteiligt und viel Unterstützung verloren hat. Zuletzt haben die Vertreter*innen der Linken in den Landesregierungen von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat für die Aufhebung der Schuldenbremse zur grenzenlosen Finanzierung der Aufrüstung der Bundeswehr, aber in den Monaten zuvor auch für Waffenlieferungen an die Ukraine und, im Fall von Mecklenburg-Vorpommern, auch für das so genannte Sicherheitspaket der Bundesregierung gestimmt. In Bremen hat Die Linke Haushaltskürzungen zugestimmt. Dies wird im Leitantrag nicht kritisiert.  Regierungsbündnisse mit prokapitalistischen Parteien werden stattdessen aber in einem Nebensatz als Selbstverständlichkeit abgehandelt. Das bedeutet, dass aus den vergangenen Krisen der Linken nicht die nötigen Lehren gezogen wurden und die Gefahr besteht, dass diese sich wiederholen werden. Jetzt schon wird in der Berliner Linken darüber diskutiert, im kommenden Jahr wieder eine Koalition mit SPD und/oder Grünen im Berliner Senat (die dortige Landesregierung) zu bilden – doch selbst wenn Die Linke als stärkste Kraft eine solche Regierungskoalition bilden würde, ändert das nichts daran, dass dort nur prokapitalistische Politik umsetzbar wäre (wie Thüringen zeigt)

Sozialismus

Die Klassenherrschaft überwinden zu wollen, bedeutet für die Überwindung des Kapitalismus und die Einführung einer sozialistischen Demokratie einzutreten. Auch wenn Die Linke sich als sozialistische Partei bezeichnet, sucht man den Begriff „Sozialismus“ im Leitantrag vergeblich. Stattdessen wird als Zielsetzung „Verteidigung des Sozialstaates und in die Wirtschaft eingreifenden Staates“ benannt. Das schürt die Illusion, man könne ohne eine Überwindung der kapitalistischen Profitwirtschaft, die sozialen und ökonomischen Missstände überwinden. 

Fazit

Die Linke hat aufgrund des Mitgliederzustroms eine große Chance, einen Beitrag zur Bildung einer sozialistischen Massenpartei von Arbeiter*innen und Jugendlichen zu leisten. Sol-Mitglieder beteiligen sich solidarisch und konstruktiv am Aufbau der Partei. Wir wollen gleichzeitig einen Beitrag zur selbstkritischen Aufarbeitung der Krisen der Vergangenheit leisten und treten für einen Kurswechsel in Richtung einer tatsächlich sozialistischen Klassenpartei ein. 

Titelbild: CC BY 2.0, Die Linke via Flickr

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