Politischer Missbrauch von Gedenkfeiern hat Hochkonjunktur – ein eklatanter Fall!

Der Missbrauch von Gedenkveranstaltungen – demnächst wieder anlässlich des Tags der Befreiung vom Nationalsozialismus – feiert in Deutschland Hochkonjunktur. Besonders dreist: neben der Instrumentalisierung des Gedenkprogramms werden große Teile der Opfer, deren Nachfolger oder offizielle Vertreter diffamiert oder sogar ausgeladen.

Ein oft gesehenes Transparent auf Demonstrationen in Berlin trifft ins Schwarze: „One Genocide does not justify another„. Die Instrumentalisierung des Holocaust zur Rechtfertigung neuer Verbrechen gegen Menschen- und Völkerrecht erreicht anlässlich der diesjährigen Holocaust Gedenkfeiern in Deutschland einen oftmals sarkastischen Höhepunkt. Selbst Nachkommen der Opfer und den Zionismus kritiserenden Jüd:innen wird dabei das Recht auf ungestörte Erinnerung, Mahnung und Trauer gestohlen.

Hier die Öffentliche Erklärung und Stellungnahme der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ zur Vereinnahmung einer solchen Gedenkveranstaltung in Niedersachsen – unterzeichnet von mehr als 20 „jüdischen“ Organisationen! (Peter Vlatten)

Politisch instrumentalisierte Gedenkfeier in Bergen-Belsen

Link zum Original mit englischer Version, 22. April 2025

Am 27. April veranstalten die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten und der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen eine Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen.

Überlebende und ihre Nachkommen werden daran teilnehmen, um die Erinnerung an die Gräueltaten wach zu halten. Viele haben erst später im Leben ihr Schweigen gebrochen und ihre Aussagen niedergeschrieben, um zu versuchen, ihre Erlebnisse in einer ganz anderen Welt zu verarbeiten. Auch wenn die persönlichen Gründe für ihre Teilnahme unterschiedlich sind, haben sie alle ein kollektives Trauma in sich getragen und geerbt, das durch Gedenkveranstaltungen wie diese zu heilen versucht werden muss.

Anfang April gaben die Organisator:innen schließlich ein detailliertes Programm bekannt, das Lord Vernon Coaker, Staatsminister im britischen Verteidigungsministerium, und Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland, als Redner vorsieht. (Update: Seitdem haben die Briten Coaker durch die Vize-Premierministerin Angela Rayner ersetzt.)

Die Anwesenheit dieser beiden Männer, die in offizieller Funktion sprechen, hat bei einer Holocaust-Gedenkfeier absolut nichts zu suchen.

Der Besuch des Ortes dieser dunklen Geschichte ist für die Überlebenden und ihre Nachkommen ein Schritt zur Aufarbeitung ihrer zerbrochenen Familiengeschichten. In erster Linie macht die Entscheidung der Organisator:innen, diese beiden Staatsvertreter einzuladen, die Gedenkveranstaltung zu einem politischen Instrument. Das ist eine Beleidigung für diese Familien, die in ihrer zerbrechlichsten Lage zusammenkommen werden.

Die Veranstaltung wird offenbar auch mit einer Wiedergabe von „Hatikva“, der israelischen Nationalhymne, abgeschlossen, was eine zionistische Einbettung verspricht. Die Organisator:innen scheinen zu erwarten, dass die jüdischen Teilnehmenden den Status Israels als Vertreter des jüdischen Volkes und der Überlebenden der Gräueltaten umstandslos anerkennen. Dies ist eine überraschende Annahme, die jüdische Personen als vereinten politischen Block betrachtet und nicht als Individuen mit der gleichen Komplexität und den gleichen Rechten wie andere Bürgerinnen und Bürger, die in vielen Ländern leben und unterschiedliche Ansichten über ihre Beziehung oder Nicht-Beziehung zu Israel haben. Alle Teilnehmenden sollten den Raum haben, auf eigene Weise zu trauern und zu gedenken. Indem die Organisator:innen den Teilnehmenden diese Redner aufzwingen, provozieren sie stattdessen schmerzhafte Assoziationen und erheben die Stimme eines Vertreters eines Staates, der derzeit genozidale Gewalt ausübt.

Abgesehen von dem persönlichen Affront, der darin besteht, dass die Zeremonie auf zynische Weise in ein Instrument der Staatskunst verwandelt wird, gibt es folgende Gründe, warum es unangemessen ist, den oben genannten Rednern eine Plattform zu bieten:

Anschuldigungen gegen Israel wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Am 26. Januar 2024 stellte der Internationale Gerichtshof fest, dass „eine reale und unmittelbare Gefahr besteht, dass die Rechte der Palästinenser in Gaza, die durch die Völkermordkonvention geschützt sind, irreparabel beeinträchtigt werden“. Er stützte sich dabei auf die Art des israelischen Verhaltens bis zu diesem Zeitpunkt und auf Erklärungen israelischer Beamter. Der IGH hat in dem von Südafrika gegen Israel angestrengten Verfahren wegen angeblicher Verstöße gegen die Völkermordkonvention im Gazastreifen bereits dreimal Eilanträge gestellt.

Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen des Kriegsverbrechens des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Mord, Verfolgung und anderen unmenschlichen Handlungen während des Gaza-Krieges erlassen.

Die Beteiligung eines offiziellen Vertreters der israelischen Regierung angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe gegen sie ist an und für sich schon eine Verhöhnung des Zwecks des Gedenkens und der Trauer um die Opfer des Völkermordes.

Der Holocaust-Revisionismus israelischer Beamter und die Allianz mit der europäischen extremen Rechten

Israel ist seit Jahren ein Bündnis mit der europäischen extremen Rechten eingegangen, um seine diplomatischen und geopolitischen Ziele zu fördern. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat wiederholt den Holocaust-Revisionismus legitimiert, um im Gegenzug herzliche Beziehungen zu Staatsoberhäuptern wie Ungarns Viktor Orban zu pflegen, die mit der israelischen Regierung eine fremdenfeindliche und rassistische Politik u. a. gegenüber Arabern und Muslimen teilen.

Das jüngste Beispiel dieser für beide Seiten vorteilhaften Beziehung zeigte sich bei Netanjahus jüngstem Staatsbesuch in Ungarn, wo er für Fotos mit Orban posierte und feierte, wie die jüdische und die ungarische „Geschichten sich treffen und die große Allianz beginnen, die sich nun entwickelt hat“.

In derselben Rede lobte der israelische Premierminister Ungarns „prinzipientreue Haltung“ zum Internationalen Strafgerichtshof, aus dem Ungarn ankündigte, es werde ihn verlassen – eine eklatante Gegenleistung für Israels Entscheidung, Ländern wie Ungarn zu erlauben, ihre Verantwortung für die Auslöschung jüdischen Lebens in Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs herunterzuspielen.

Ron Prosors Verleumdung von Gegnern, einschließlich Nachkommen von Überlebenden

Als wären die obigen Ausführungen nicht schon Grund genug, Vertreter:innen des Staates Israel keine Plattform zu bieten, verweisen wir auf das beschämende Verhalten von Herrn Prosor im täglichen deutschen Kontext.

Als israelischer Botschafter in Deutschland ist Prosor für eine ständig wachsende Litanei abscheulicher Äußerungen über Araber, Palästinenser und Juden, die anders denken als er, verantwortlich. Prosor übt einen beträchtlichen Einfluss auf eine deutsche Regierung und Institutionen aus, die in allen jüdischen Angelegenheiten bereits auf eine sklavische Ehrerbietung gegenüber Israel eingestellt sind.

Prosor, der in der israelischen Botschaft in Berlin das Sagen hat, hat kürzlich aktiv dazu beigetragen, dass der israelische Philosoph und Enkel von Holocaust-Überlebenden, Omri Böhm, von seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora ausgeladen wurde.

Seine Botschaftverglich daraufhin die Einladung Boehms mit „einer Einladung an Bashar al-Assad, einen Vortrag über Menschenrechte zu halten“. Die Rede, die Böhm gehalten hätte, kann hier nachgelesen werden. Wir heben nur einen kurzen Auszug hervor:

Eine Welt, in der eine Wiederholung von Buchenwald überall möglich ist, ist eine Welt, in der sie überall möglich ist, auch gegen Juden.


Diese Hetzkampagne gegen einen Juden, der die universellen Lehren für die Menschheit aus dem Holocaust hervorhebt, ist zu einem vorhersehbaren Merkmal der offiziellen israelischen Reaktionen auf Kritik geworden, ganz gleich aus welcher Richtung. Deutsche Behörden und Institutionen sind in vielen Fällen diesem Beispiel gefolgt und haben die Taktik der Bösgläubigkeit nachgeahmt, indem sie Israel und das Judentum sowie Israelkritik und Antisemitismus in einen Topf geworfen haben. Damit verharmlosen sie das Verständnis der Öffentlichkeit für Antisemitismus und entwerten die Bedeutung des Holocausts.

Im Gegenteil, die Geschichte zeigt dass jedes Zeitalter das Potential zum Faschismus in sich trägt. Auf jedem Kontinent, in jeder Kultur, jeder Religion, in jedem Land und in jedem Menschen schlummert ein zerstörerisches Potenzial für das Entflammen autoritärer und faschistischer Orientierungen. Faschismus agiert da, wo Machthabende, auf die eine oder andere Art und Weise, unliebsamen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit und Fähigkeit des Selbstausdrucks, des Gesehen- und Beachtet-Werdens systematisch vorenthalten.

Wie andere wortgewandt festgestellt haben, hat die israelische Botschaft in Deutschland „jahrzehntelange Mainstream-Diskussionen darüber, warum wir uns an den Holocaust erinnern sollten“, wegen seiner universellen Lehren und Bedeutung aktiv zurückgewiesen.

Die Anwesenheit von Ron Prosor bei dieser Veranstaltung ist daher ein Affront gegenüber dem Gedenken an die Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren Angehörige in einem intimen Rahmen des Gedenkens zusammenkommen werden.

Unangemessenheit der Einladung eines Redners aus dem britischen Verteidigungsministerium

Das Vereinigte Königreich ist zwar ein weniger bedeutender Lieferant der völkermörderischen israelischen Kriegsmaschinerie als die USA und Deutschland und hat mit der Aussetzung einiger Exportlizenzen für Israel einige positive Schritte unternommen, aber es hat kein vollständiges Embargo verhängt und ist weiterhin an der Lieferkette wichtiger Teile für die F-35-Kampfjets an Israel beteiligt, obwohl Großbritannien einräumt, dass die Gefahr besteht, dass diese unter Verletzung des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden. Es führt auch Aufklärungsflüge durch, um Israel mit Informationen zu versorgen.

Die Teilnahme eines offiziellen Vertreters des Vereinigten Königreichs, geschweige denn eines Ministers mit Verteidigungsressort, hat bei dieser Veranstaltung nichts zu suchen und steht im Widerspruch zu dem Ziel, der Opfer des Völkermords zu gedenken.

Zusammenfassung

Über die verachtenswerte und zynische Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens durch die israelische Führung, die jeden Kritiker angreift, während sie gleichzeitig Allianzen mit der modernen extremen Rechten schmiedet, ist bereits genug gesagt worden. Es genügt zu sagen, dass ihre Anwesenheit den Teilnehmenden an der Gedenkfeier nur schadet. Ihre Reden werden die Teilnehmenden nur entfremden und spalten, anstatt ihnen zu ermöglichen, sich um den Zweck zu versammeln, für den sie da sind.

Die Organisator:innen hätten eine andere Vorgehensweise wählen können: Überlebende und nur Überlebende auf die Bühne zu bringen, wie es bei der Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau Anfang dieses Jahres der Fall war.

Schon jetzt fordern wir die Organisator:innen auf, dies zu überdenken. Stellen Sie nicht diese beiden offiziellen Vertreter des Staates auf die Bühne. Lassen Sie den Raum für Überlebende, Familienangehörige und alle anderen Teilnehmenden, die in gutem Glauben da sind.

Sollte es zu keiner Änderung des Programms kommen, vermuten wir, dass Teilnehmende, die die hier beschriebenen Bedenken teilen, sich gezwungen sehen könnten, den Fokus des Tages individuell wieder auf das zu richten, was er eigentlich sein sollte: das Gedenken an die Opfer und die Ehrung der Überlebenden des von Nazi-Deutschland begangenen Völkermords.

Unterzeichnende Organisationen:

AJAB – Anti-Zionist Jewish Alliance in Belgium
Boycott from Within (Israeli citizens for BDS)
International Jewish Anti-Zionist Network-Canada
Israelis Against Apartheid
Jewish Network for Palestine (UK)
Jewish Voices for a just Peace (Norwegen)
Jewish Voice for Labour (UK)
Jews Against the Occupation „48 (Australien)
Jews for Palestine – Ireland
Jews for Just Peace 5784 (Dänemark)
Jews Say No (USA)
Judeobolschewiener*innen (Österreich)
Judeus pela Paz e Justiça (Portugal)
Judíes x Palestina (Argentinien)
Judíes por una Palestina Libre (Mexiko)
Kollektiv Doykait (Switzerland)
MARAD, Collectif juif décolonial (Schweiz)
Not in Our Name (Österreich)
SAJFP – South African Jews for a free Palestine
Sh“ma Koleinu – Alternative Jewish Voices of Aotearoa New Zealand
Tsedek! (Frankreich)
​​​​​​​UJFP – French Jewish Peace Union

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, Original mit englischer Version, 22. April 2025

Titelfoto: Peter Vlatten

Die Welt als Wille & Wahnvorstellung

Der Besuch von EU Vizepräsidentin Kaja Kallas in Aserbaidschan. Wahre Realsatire und Krönung von Doppelmoral und Dummheit. Geopolitische Staatsräson führt zu abenteuerlichen Kapriolen. Hier die beissende öffentliche Erklärung von Martin Sonneborn, Vorsitzender von Die Partei und EU Abgeordneter, 23.April 2025. (Peter Vlatten)

Die Welt als Wille & Wahnvorstellung

In der EU-Kommission sind, wie sich gerade wieder einmal deutlich zeigt, nicht nur geopolitische & ökonomische Genies angestellt, sondern auch echte Werte-Champions. Und deshalb reist Ihre estnische EU-Außenmaus K. Kallas, während sich in Armenien der 1915 vom Osmanischen Reich begangene Völkermord zum 110. Mal jährt, ins benachbarte Aserbaidschan, um die Freundschaft zu einer genozidalen Öl-Diktatur zu pflegen, die es nach Maßgabe ihrer eigenen Werte gar nicht geben dürfte. (Die Freundschaft natürlich.)

Nicht genug, dass Aserbaidschan 2020 das seit Jahrtausenden von Armeniern bewohnte Bergkarabach – mit Hilfe durchgeknallter syrischer Kopfabschneider (jetzt in Syrien an der Macht) & israelischer Drohnen – ethnisch gesäubert hat.

Aliyev, dem die Kallas – immer wieder erschütternd bildungs- und ethikfern – nun in Ihrem Namen die (blutige) Flosse schüttelt, hat mittlerweile ein bedeutenderes kulturelles Erbe zerstört als der IS. Muss man erst mal schaffen!
Von den 110 armenisch-christlichen Kirchen in Arzach & Nachitschewan, deren großer Teil bis ins 4. Jahrhundert zurückreicht, haben die Aserbaidschaner, deren Staat nicht älter ist als das Rezept von Coca Cola, ganze 108 rückstandsfrei ausradiert.

Im geopolitischen Kampf um die Verteidigung dieser & ähnlicher Werte steht das aserbaidschanische Regime, das zusammen mit dem Irren von Bosporus an der Wiedererweckung eines großosmanischen Turkreiches arbeitet, übrigens auf einer deutlich anderen Seite als die ihrem Feindbild Russland aufs Verbittertste verschriebene EU: „Russland kann sich auf Aserbaidschan verlassen.“ (ntv) Das Gas, das Aserbaidschan an die EU weiterverkauft, kauft es in Russland ein. Und die „strategische Partnerschaft“ zwischen Gazprom und dem aserb. Staatskonzern Socar wird gerade weiter ausgebaut.

Was aus der EU einen filmreifen Trottel macht, der so fortwährend wie freudestrahlend eine Schusssalve nach der anderen auf sein eigenes (ökonomisches) Knie abfeuert.

Dass die EU sich zum Schaden ihrer Bürger und ihrer Wirtschaft in der Vorstellung eingerichtet hat, in der es einen moralischen, geopolitischen & wirtschaftlichen Sinn ergibt, Gas aus Russland nur mehr anzunehmen, wenn ein noch repressiveres, noch unfreieres und wahrlich genozidales Diktatorenregime dem Rohstoff seinen Gewinnaufschlag hinzugesetzt hat, können nur noch Leute nachvollziehen, die was am Kopf haben. Wir jedenfalls nicht. Diese EU ist ein Fall für 1 Arzt!

PS: In Sachen Demokratie, Presse & bürgerliche Freiheiten liegt unser Wertepartner Aserbaidschan noch weit hinter Russland. Stabil.

PPS: Seit nunmehr 550 Tagen sitzen 23 Geiseln widerrechtlich im Gefängnis in Baku, darunter Arzachs Präsident Bako Sahakyan und ein Dutzend Mitglieder seiner Regierung.

Wir danken wie immer Martin Sonneborn, wenn er ins Schwarze trifft und den satirischen Leckerbissen verbreiten können!

Titelbild: Collage Peter Vlatten

Wege zum politischen Streik – Veranstaltungsreihe

Wir sehen es immer wieder auch in anderen Ländern wie Frankreich und aktuell in der Türkei. Die größten politischen Massenbewegungen mit millionenfacher Beteiligung auf den Strassen benötigen die Untermauerung durch Streiks in den Betrieben und auch Büros. Nur so erhält die politische Bewegung den nötigen Biss, tut sie den Kapitalisten und deren Sachwaltern richtig weh. Nur so erhält sie ausreichend Schlagkraft, um am Ende erfolgreich zu sein und ihre Ziele zumindest teilweise durchzusetzen. Unerlässlich dafür: breite Verankerung der Bewegungen und Gewerkschaften in den Betrieben. Aber auch ein umfassendes Streikrecht und den poltischen Willen der Gewerkschaftsführungen, Streik als Waffe einzusetzen.

Praxis in Deutschland ist, dass selbst das Streikrecht in Tarifbewegungen immer mehr eingeschränkt wird. Sei es durch Friedenspflichten, sei es wie bei den jüngsten Tarifauseinandersetzungen in den öffentlichen Bereichen durch Schlichtungsprozedere, die zur Entschleunigung der Streikbewegungen führen, während hinter verschlossenen Türen faule Kompromisse ausgehandelt werden. Sei es durch gerichtliche Notdienstauflagen wie zuletzt bei CFM, die die Durchführung eines Streiks zur Farce werden lassen. Die neue Bundesregierung plant weitere Hindernisse gegen die einzig wirksame Waffe der Beschäftigten. Umso wichtiger, sich dem Thema zu stellen und Gegenmaßnahmen zu beratschlagen. Hierzu eine wichtige Veranstaltungsreihe.

Wege zum politischen Streik. Wohin mit der Gewerkschaft?

wir laden euch ganz herzlich zu unserer Veranstaltungsreihe Wege zum politischen Streik – Wohin mit der Gewerkschaft? in den Berliner Wedding ein. Der Generalstreik ist in Deutschland, anders als z.B. in Frankreich oder Spanien, keine gängige Praxis und der politische Streik vom Streikrecht nicht gedeckt. Doch viele Beispiele aus anderen Ländern zeigen, welche politische Macht Massenbewegungen mit dieser Praxis erlangen können. Um Streiks als politisches Instrument zu nutzen, braucht es aber mehr gewerkschafts- und sektorübergreifender Solidarität und eine breitere Akzeptanz in der Gesellschaft. Daher haben wir Aktive unterschiedlicher Gewerkschaften zum Gespräch über aktuelle Kämpfe und Strategien eingeladen. Wir wollen gemeinsam mit euch und unseren Gäst*innen über die notwendige Verbindung von gesellschaftspolitischen und gewerkschaftlichen Kämpfen diskutieren. Kommt also gerne vorbei und bringt eure Freund*innen und Genoss*innen mit!

Video interbrigadas zum Thema der Veranstaltung
Streiks in der Logistik – An der Pulsader des Kapitalismus. Einblick und gemeinsame Diskussion mit Boris B. von Verdi am 25.04.,18 Uhr, Interbüro ,Genter Str. 60 13353 Berlin.


Warenströme sind permanent in Bewegung, immer mehr Onlinehandel und ein globalisierter Weltmarkt zwingen einen unmenschlichen Rhythmus auf. Wie lässt sich Widerstand und Beschäftigtenmacht organisieren? Was zeigen uns Streiks bei Amazon und von LKW-Fahrer:innen in Gräfenhausen?


Politischer Streik in Deutschland -Verboten, aber notwendig. 09.05., 18 Uhr mit Wolfgang Däubler, Kiezhaus, Afrikanische Str. 74, 13351 Berlin

Der Generalstreik ist in Deutschland immer noch ein Tabu und gestreikt wird nur im Kontext von Tarifverhandlungen Wie können wir eine Atmosphäre schaffen, in der Streiks nicht mehr als Ausnahme, sondern als legitimes Mittel des Drucks wahrgenommen werden?
Seid dabei und diskutiert mit dem Rechtswissenschaftler Wolfgang Däubler über die rechtlichen und sozialen Herausforderungen des politischen Streiks in Deutschland.

Kein direkter ökonomischer Hebel -Wie sich wehren und organisieren in Erziehung und Bildung? Am 23.05., 18 Uhr, Interbüro,Genter Str. 60 13353 Berlin, mit Inés Heider (junge GEW)

Seit den 90er Jahren gibt es starke Kürzungen im Bildungs- und Erziehungsbereich. In Berlin gab es viele Streiks der GEW für einen Tarifvertrag, Gesundheitsschutz (kleinere Klassen, mehr Pädagog:innen), aber die letzten Berliner Regierungen ignorierten sie einfach. Meistens war der Widerstand dagegen schwierig, denn wem tut es weh, wenn Erzieher:innen und Lehrkräfte streiken? Wie kann trotzallem eine Strategie aussehen sich zu wehren und erfolgreich zu sein? Wie können Eltern, Schüler:innen und Studierende eingebunden werden?

Video interbrigadas zum Thema der Veranstaltung
Wilde Streiks auf Spargelhöfen?!-Momente für Arbeitskämpfe in der Landwirtschaft am 06.6.,18 Uhr, Interbüro , Genter Str. 60 13353 Berlin, mit Ben Luig (IG BAU & Interbrigadas)

Wilde Streiks auf Spargelhöfen?!-Momente für Arbeitskämpfe in der Landwirtschaft.
Am 15. Mai 2020 kam es bei einem Spargelhof in Bornheim bei Bonn zu einem wilden Streik von mehrals 100 Ermtearbeiterinnen. Mit der Unterstūtzung der FAU Bonn konnten die Streikenden ihre Forderungen durchsetzen. Dies ist ein Sonderfall,denn in der Landwintschaft in Deutschland wird selbst im Rahmen von
Tarifverhandlungen fast nie gestreikt.

Gesundheit vor Profit – ist doch klar!? 27.6., 18 Uhr, tba.mit zwei Pfleger:innen aus dem jüdischen Krankenhaus.

Krankenhäuser werden kaputt gespart und ökonomisiert. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist allen bewusst wie essenziell die Pflegeberufe sind. Ohne sie läuft nichts und die Krankenhauser können zu machen! Wie kann den miserablen Arbeitsbedingungen ein Ende gesetzt werden?
Wir diskutieren mit zwei Pflegerinnen aus dem jūdischen Krankenhaus, die von ihren Streikerfahrungen erzählen und deutlich machen, wie sehr wir eine Care-Revolution brauchen.

Arbeiter:innen aller Länder…- Internationale Solidarität in gewerkschaftlichen Kämpfen am 11.7., 18 Uhr, tba. mit Congreso de los Pueblos & Aprender Juntos im Anschluss Soli-Party mit Cumbia-Band.

Im Jahr 2021kam es zu einem landesweiten Generalstreik in Kolumbien als Folge von sozialen Protesten gegen Korruption, Steuererhöhungen und eine geplante
Gesundheitsreform. Genoss:innen des Congreso de los Pueblos (Kolumbien)und des
Aprender Juntos (Deutschland) berichten über die Rolle kolumbianischer
Gewerkschaften in der Organisation solcher Massenproteste und die Bedeutung der sektor- und gewerkschafsübergreifenden Solidarität. Wir diskutieren mit beiden Organisationen: Wie lassen sich gewerkschaftliche Kämpfe über Ländergrenzen hinweg unterstützen und was lässt sich auf eigene Kontexte übertragen?

hier der Link zu den Veranstaltungen

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