Keine Rückkehr zum Zustand vor dem 7. Oktober

Die Beendigung des Krieges und Fortschritte für den Frieden sind eine dringende Realität

Von Alon-Lee Green und Rula Daood

Bild: Aktivisten der Basisbewegung »Standing Together« hängen Plakate in Hebräisch und Arabisch auf mit der Aufschrift »Wir werden das gemeinsam durchstehen«. Foto: Standing Together

Ein Jahr ist seit dem 7. Oktober 2023 vergangen, als die Hamas brutal zivile Städte und Dörfer innerhalb Israels, nahe dem Gazastreifen, angriff und unsere Regierung mit einem noch brutaleren Krieg antwortete, der unser Land immer tiefer in Schmerz und Elend stürzt. Die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen übersteigt 40 000 – darunter mehr als 15 000 Kinder. Da der Mangel an Nahrungsmitteln und medizinischer Grundversorgung weiter zunimmt, entwickelt sich eine humanitäre Katastrophe. Innerhalb Israels werden weiterhin Hunderttausende von Zivilisten aus ihren Städten nahe der Süd- und Nordgrenze evakuiert, wegen der ständigen Raketen- und Drohnenangriffe seitens der Hisbollah und der Hamas. Im Libanon führt die israelische Armee nun einen totalen Krieg, indem sie sowohl die Hauptstadt Beirut bombardiert als auch Bodentruppen entsendet, um den südlichen Teil des Landes einzunehmen.

Während der Krieg andauert, wächst die Unzufriedenheit mit der Regierung von Benjamin Netanjahu. Eine kürzlich vom privaten TV-Nachrichtensender i24news durchgeführte Meinungsumfrage zeigt, dass eine Mehrheit von 52 Prozent ein Abkommen zur Geiselfreilassung befürwortet, das ein Ende des Krieges und einen vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen einschließt. Weitere Meinungsumfragen zeigen, dass die Parteien, aus denen sich derzeit Netanjahus Koalition zusammensetzt, voraussichtlich ihre Mehrheit verlieren würden, wenn heute Neuwahlen angesetzt würden.

Forderung nach Geiselabkommen reicht nicht

Standing Together – als die führende Basisbewegung, die jüdische und palästinensische Bürger Israels organisiert und mobilisiert, um sich für Frieden, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einzusetzen – interveniert regelmäßig bei den Anti-Netanjahu-Protesten auf den Straßen. Jedes Wochenende demonstrieren Zehntausende in den Großstädten und fordern einen Geiselaustausch. Wir betonen, dass dies nur erreicht werden kann durch die Beendigung des Krieges, den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und die Beendigung des Tötens von Unschuldigen.

Doch die bloße Forderung nach einem Geiselabkommen zur Beendigung des Krieges ist zwar dringend und notwendig, aber nicht ausreichend. Das seit mehr als zwanzig Jahren in der israelischen Politik vorherrschende Paradigma, das sowohl von Mitte-Rechts als auch von Mitte-Links geteilt wird, lautet: »den Konflikt verwalten«. Nicht nur Netanjahu, sondern auch diejenigen, die ihn abzulösen bereitstehen, scheinen zu glauben, dass die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts keine dringende Notwendigkeit ist, und dass die jahrzehntelange Militärherrschaft über Millionen von Palästinensern in den besetzten Gebieten, die keine Staatsbürgerschaft haben und denen grundlegende Rechte verweigert werden, auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden kann.

Der israelisch-palästinensische Konflikt kann nicht »verwaltet« werden.

Der Bankrott dieser Idee wurde nach dem 7. Oktober deutlich. Der israelisch-palästinensische Konflikt kann nicht »verwaltet« werden. Dies ist lediglich ein Rezept für weitere 7. Oktober, für weitere Kriege, Aggressionen und Eskalationen, die den Verlust vieler unschuldiger Menschenleben zur Folge haben werden. Vielmehr gilt es, die grundlegende Wahrheit zu erkennen: Es gibt Millionen von Palästinensern in diesem Land. Keiner von ihnen geht irgendwo hin. Und es gibt Millionen von Juden in diesem Land. Keiner von ihnen wird irgendwo hingehen. Die einzige Hoffnung auf Schutz und Sicherheit liegt in einem israelisch-palästinensischen Friedensabkommen, das die Besatzung beendet, dem palästinensischen Volk sein Recht auf nationale Selbstbestimmung in einem unabhängigen Staat an der Seite Israels zugesteht und die Rechte beider Völker auf ein Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit zu leben.

Keine Rückkehr zur Vorkriegsrealität

Diese sehr grundlegende Wahrheit wird vom politischen Establishment in Israel infrage gestellt. Vor kurzem hat die Knesset (das israelische Parlament) eine Resolution angenommen, die sich gegen die Gründung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels ausspricht. Diese Resolution erhielt nicht nur die Unterstützung von Mitgliedern von Netanjahus rechtsextremer Koalition, sondern auch unter den Oppositionsparteien. Eine Mehrheit von 68 der insgesamt 120 Knesset-Mitglieder stimmte für die Resolution. Dazu gehörten die zentristische Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Jair Lapid und sogar der ehemalige Sicherheitsminister Benny Gantz, dessen Partei in den Umfragen zulegt und der als möglicher nächster Premierminister gilt. Nur neun Abgeordnete stimmten gegen die Resolution, was zeigt, dass das politische Establishment in Israel immer noch hofft, zum Status quo ante bellum zurückzukehren, also zum Zustand vor dem Krieg, in dem den Palästinensern die Eigenstaatlichkeit verweigert wird.

Deshalb müssen wir jetzt die Vorstellung in Frage stellen, dass wir einfach zur Vorkriegsrealität zurückkehren und »den Konflikt verwalten«. Dies ist ein Rezept für eine Katastrophe, aber die Politiker sind nicht bereit, dies zu erkennen. Wir brauchen eine breite Friedensbewegung, die ihre Selbstgefälligkeit in Frage stellt. Eine Bewegung, die die Idee verbreitet, dass der einzige Weg, die Zukunft und die Rechte beider Völker langfristig zu sichern, nur möglich ist durch einen israelisch-palästinensischen Frieden, der die Besatzung beenden würde. Auf der Grundlage dieser Perspektive arbeiten wir von »Standing Together« innerhalb unserer Gesellschaft, um Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften um unsere gemeinsamen Interessen herum zu organisieren, um eine neue Mehrheit aufzubauen, die eine progressive gesellschaftliche und politische Umgestaltung unseres Landes ermöglicht. Wir arbeiten im Lichte des Mottos unserer Bewegung: »Wo es Kampf gibt, gibt es Hoffnung«.

Alon-Lee Green und Rula Daood sind nationale Ko-Direktoren von »Standing Together«.

Erstveröffentlicht im nd v. 7. 10. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185801.standing-together-keine-rueckkehr-zum-zustand-vor-dem-oktober.html?sstr=Standing|together

Wir danken für das Publikationnsrecht.

Die Ökonomie – ausradiert

In Israel leidet die Wirtschaft unter dem laufenden Krieg, in Gaza ist sie verschwunden

Von Stephan Kaufmann

Bild: unicef.uk

Israel zahlt einen hohen ökonomischen Preis für die Kriege im Nahen Osten. Die Staatsschulden steigen immer weiter und die Wirtschaftsleistung wächst kaum noch. In den palästinensischen Gebieten wiederum ist die Ökonomie im freien Fall – und in Gaza ist sie de facto ausgelöscht worden. »So etwas haben wir in der ganzen Geschichte des Städtewesens noch nicht gesehen«, sagte Mark Jarzombek, Architekturprofessor am Massachusetts Institute of Technology, der die Geschichte des Wiederaufbaus Europas nach dem Zweiten Weltkrieg studiert hat. »In Gaza sind nicht nur physische Infrastrukturen zerstört, sondern die grundlegenden Institutionen einer Gesellschaft.«

Sparprogramme für den Krieg

Die israelische Regierung schätzt, dass die laufenden Kriege bis Ende 2025 rund 66 Milliarden Dollar kosten werden. Das entspricht zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Israels, wobei in dieser Summe die Ausweitung der Kämpfe im Libanon noch nicht enthalten ist. Um den Krieg zu finanzieren und die Wirtschaft zu stützen, erhöht die israelische Regierung ihre Neuverschuldung; dieses Jahr könnte sie auf fast acht Prozent des BIP klettern. Finanzminister Bezalel Smotrich stellt die Bevölkerung daher auf Sparprogramme ein, Sozialleistungen und Gehälter werden eingefroren. Die Ausgaben für den Krieg dagegen »werden nicht begrenzt«, sagte Smotrich diese Woche. »Denn ohne Sieg wird es keine Sicherheit geben und ohne Sicherheit keine Wirtschaft.«

Insgesamt aber sieht es so aus, als könne sich Tel Aviv die Konflikte ökonomisch leisten: Die Schuldenquote ist mit 70 Prozent des BIP moderat. Die Arbeitslosenrate ist auf 2,8 Prozent gefallen und laut Smotrich wird die Wirtschaftsleistung Israels dieses Jahr noch um rund ein Prozent wachsen, nächstes Jahr sogar wieder um 4,4 Prozent.

Katastrophal ist hingegen die Lage in den palästinensischen Gebieten. Das zeigt ein Bericht der Weltbank vom September 2024, der sich auf Daten der palästinensischen Statistikbehörde bezieht. Laut diesen Daten schrumpft die Wirtschaftsleistung nicht nur – tatsächlich kann von »Wirtschaft« in Palästina nicht mehr die Rede sein.

Im ersten Quartal 2024 lag das BIP der gesamten palästinensischen Gebiete – Gaza und Westjordanland – ein Drittel unter dem Stand ein Jahr zuvor. Im Westjordanland brach die Wirtschaftsleistung um ein Viertel ein, vor allem wegen der anhaltenden Kämpfe mit israelischen Siedlern und den zahlreichen Maßnahmen, mit denen die israelische Regierung Produktion und Handel im Westjordanland behindert. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ist quasi pleite, da ihr zustehende Einnahmen aus Zöllen und Steuern von der israelischen Regierung zurückgehalten werden und die PA dadurch etwa zwei Drittel ihrer Finanzmittel verliert. Damit droht ein »Systemzusammenbruch«, so die Weltbank.

Im Gazastreifen wiederum erlaubte die israelische Blockade bereits vor dem jüngsten Krieg den Einwohnern lediglich ein Leben am Existenzminimum. Bis 2022 war die Wirtschaftsleistung auf den Stand von 1994 zurückgefallen. Mit dem Krieg ist nun der Rest der Wirtschaft verschwunden. Die palästinensische Statistikbehörde errechnet ein BIP-Minus von 86 Prozent.

Gaza ist unbewohnbar geworden

Mit dem Niedergang des Wirtschaftslebens sind die meisten Haushalte in Gaza ohne jede Einkommensquelle, erklärt die Weltbank. Fast die gesamte Bevölkerung lebe in Armut. Die meisten Unternehmen sind beschädigt oder zerstört, die Belegschaften sind auf der Flucht. Die verbleibende wirtschaftliche Aktivität findet im informellen Sektor statt: Basisgüter werden auf dem Schwarzmarkt verkauft, wo sich die Anbieter – insbesondere im Transportgewerbe – die katastrophale Situation zunutze machen, um die Preise zu erhöhen. Lebenswichtige Güter waren im August 250 Prozent teurer als ein Jahr zuvor.

Im Agrarsektor von Gaza ist laut Weltbank der Ertrag von 63 Prozent aller Anbauflächen gesunken. 350 000 Einwohner – 15 Prozent der Bevölkerung – haben so gut wie keinen Zugang zu Nahrungsmitteln mehr. 95 Prozent der Haushalte schränken ihre Nahrungsaufnahme ein, zwei von drei Haushalten nehmen nur noch eine Mahlzeit pro Tag zu sich, und »90 Prozent der Kinder unter zwei Jahren leiden unter extremer Nahrungsmittelarmut«, so die Weltbank.

Den Menschen mangelt es nicht nur an Geld. Dem Krieg sind die grundsätzlichen materiellen Voraussetzungen einer Gesellschaft zum Opfer gefallen. Das Bildungssystem ist kollabiert, seit Oktober 2023 erhält keines der 625 000 Schulkinder mehr Unterricht. Laut Schätzungen sind etwa 95 Prozent aller Schulen zerstört oder beschädigt. Das Gleiche im Gesundheitssystem: Die Zerstörung der Wasser- und Energieversorgung sowie ein Mangel an Generatoren haben 80 Prozent der Primärversorgungszentren funktionsunfähig gemacht. Gaza ist unbewohnbar geworden.

Ein Wiederaufbau – für den sich bislang keine Geldgeber finden – würde eine komplette Erneuerung der Infrastruktur bedeuten. Allein die Beseitigung der Schuttmassen dauert Jahrzehnte. Angesichts der umfassenden Zerstörungen, so das Palästinensische Institut für Wirtschaftsforschung (MAS), »hat das Konzept einer ›wirtschaftlichen Erholung‹ jede Bedeutung verloren«.

Erstveröffentlicht im nd v. 8.10. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185744.krieg-in-nahost-die-oekonomie-n-ausradiert.html?sstr=Kaufmann

Wir danken für das Publikationsrecht.

Friedensdemo 3. Oktober – Rede IG Metall Jugend und Hiphop Internationale

Friedensdemo 3. Oktober – Joshua Müller von der IG METALL JUGEND gegen Wehrpflicht und Militarismus

„Von der Schule an die Front?“ oder auch „nur“ zur Wehrübung. Überall gibt es für die Jugend Werbung für die Bundeswehr. Joshua Müller von der IG Mrtall Jugend (Frankfurt a.M.) sagt deutlich , was er von der allgegenwärtigen militaristischen Umgarnung für sich und seine jungen Freund:innen hält. Absolut gar nichts. Für die Bildung in Kriegstüchtigkeit scheint es im Gegensatz zu allem anderen auch keine Haushaltskrise zu geben. „Wir brauchen keine Bundeswehr an unseren Bildungseinrichtungen!“ Und: “ Wir brauchen keine neuen Militär Forschungsprojekte an unseren Unis.“ Die Menschheit brauche besseres, als in ihre gegenseitige Zerstörung zu investieren. Wir sehen aktuell, wie die jungen Soldat:innen in der Ukraine massenhaft auf den Schlachtfeldern sterben. Wir brauchen keine Wehrpflicht, bei der wir an den Waffen ausgebildet werden. „Wir schiessen nicht auf unsere Kolleg:innen. Wir müssen dafür kämpfen, dass keine Jugendlichen auf dieser Welt dazu gezwingen werden, mit der Waffe in der Hand auf den Schlachtfeldern dieser Welt zu sterben.“

Hiphop Internationale

Die in Deutschland geplanten Mittelstreckenraketen seien kein Beitrag für unsere Sicherheit, sondern im Gegenteil eine ernsthafte Bedrohung. Die gegenseitige Eskalation in Nahost sei ein Wahnsinn, der sofort enden müsse. „Damit es Frieden geben kann, muss die isrealische Armee sich aus GAZA, Westjordanland und Libanon zurückziehen.“ „Ich stehe fest zum Selbststbestimmungsrecht aller Völler, im Gegensatz zur Bundesregierung, die weiter an Kireg und Aufrüstung festhält.“

„Während wir Schüler:innen, Student:innen und Auzubildende kaum über die Runden kommen, weil unsere Bafögsätze und Ausbildungsvergütungen nicht mehr zum Leben ausreichen. flliessen Immer mehr Gelder ungebremst in die Militarisierung.“ Die Folgen von Militarismus und internationaler Konfrontationspolitik tragen mit dazu bei, dass die soziale Basis für die meisten Jugendlichen -gerade auch im Metallbereich- erodiert und ein selbstbestimmtes Leben immer weniger möglich wird.

Wir haben nichts gemein mit den Kriegstreibern und -profiteuren weder in unserem Land nochnirgendwo sonst. Unsere Feinde sind weder Migrant:innen noch die Menschen jenseit der europäischen Grenzen. „Meine Solidarität gilt allen JUGENDLICHEN weltweit.“ Seht das ganze Video zu Joshuas Rede …… Voll passend zu Joshuas Rede die HipHop Internationale ..

Siehe unsere weitere Berichterstattung zur Friedensdemo am 3.Oktober:

* Free Palestine 3. Oktober

* Internationalismus und Antimilitarismus sind untrennbar

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