Ampel-Aus: Vorwärts in die Vergangenheit?

Mit dem Ampel-Aus stehen wir vor der Wahl zwischen national-konservativer Konterrevolution und echter links-grüner Politik

Von Klaus Dörre

Bild: Screeshot Collage Christian Lindner

Das Ende der Ampel-Koalition in Berlin fällt mit zwei Ereignissen zusammen, deren politische Bedeutung kaum zu überschätzen ist: dem Comeback Donald Trumps und der Prognose des EU-Beobachtungsprogramms Copernicus, dass die 1,5-Grad-Schwelle bei der Erderhitzung 2024 »ziemlich sicher« überschritten wird.

Beginnen wir mit den Berliner Ereignissen. Ungeachtet der öffentlich ausgetragenen Fehde um den Stil des Koalitionsbruchs gilt: Das Ampel-Aus war überfällig. Die Dreier-Allianz hatte sich anfangs als Koalition präsentiert, die bei der Umsetzung der Agenda 2030, auf die sich die Weltstaatengemeinschaft geeinigt hatte, eine Vorreiterrolle beanspruchte. Aussichten auf grünes Wachstum und eine ökologisch erneuerte Wirtschaft einten Koalitionäre, die allerdings gegensätzliche Strategien verfolgten. Grüne und SPD setzten auf einen Staat, der Märkte als ideeller Gesamtkapitalist selbst schafft. Das geht nicht ohne Planung und vor allem nicht ohne öffentliche Investitionen in Milliardenhöhe, die mit der Schuldenbremse nicht zu realisieren sind.

Die FDP favorisierte hingegen das politische Arsenal eines marktgetriebenen Finanzkapitalismus. Ließen sich die programmatischen Gegensätze anfangs noch überbrücken, traten sie mit dem Ukraine-Krieg, dem Wegfall von billigem russischen Gas, der Inflation und den Wohlstandsverlusten vor allem der unteren Einkommenshälfte offen hervor. Fortan wirkte die FDP wie eine Opposition auf der Regierungsbank. Wahlpolitisch ist ihr das schlecht bekommen: Die Freidemokraten müssen trotz unverhältnismäßig großer medialer Präsenz um ihre parlamentarische Existenz fürchten.

Deshalb hat sich die Führungsriege der FDP mehrheitlich zu einem Befreiungsschlag entschlossen, der – zu Recht – zu einer politischen Richtungsentscheidung aufruft. Das Lindner-Papier für eine »Wirtschaftswende Deutschland« ist tatsächlich eine Scheidungsurkunde, deren Umsetzung Grünen und SPD die politische Selbstaufgabe abverlangt hätte. Die FDP will die Unternehmenssteuern senken und Investitionen in Bundeswehr, Infrastruktur und Digitalisierung durch Einsparungen beim Klimaschutz und beim Bürgergeld ermöglichen. An die Stelle einer »vertikalen Industriepolitik« soll eine marktbasierte, technologieoffene Angebotspolitik treten. Die besondere Förderung erneuerbarer Energien soll beendet werden, die vermeintliche »Überregulierung« etwa durch ein Tariftreue- und ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gestoppt und die Arbeitszeit verlängert werden. Beim Klimaschutz soll Deutschland nicht länger »Vorreiter«, sondern »Vorbild« sein, unter anderem durch »Abschaffung von unnötigen klimapolitischen Regulierungen und Subventionen« und Auflösung des Klima- und Investitionsfonds (KTF).

Das Lindner-Papier plädiert letztendlich für eine sozial-ökologische Konterrevolution. Es ist prokapitalistisch, aber in wichtigen Aussagen nicht mehr neoliberal. Zwar entspricht es der alten Utopie des Kapitals, der zufolge eine möglichst regelungsfreie Wirtschaft ein Optimum an Wachstum und Wohlstand garantiere. Aber es ruft zugleich nach einem starken Staat. Das gilt neben den Rüstungsplänen vor allem für das ohnehin rigide Migrationsregime, das laut Lindner-Papier weiter verschärft werden soll. Wie Grenzkontrollen und Abschreckung von Migranten zu einem Wirtschaftsmodell passen, das zumindest innerhalb der EU auf Freizügigkeit und grenzüberschreitender Mobilität beruht, bleibt ein Geheimnis der FDP-Führungsriege. Kein Wunder, dass der Verkehrsminister mit seinem Parteiaustritt der Lindner-Crew indirekt staatspolitische Verantwortungslosigkeit bescheinigt.

Um es klar zu sagen: Was die FDP-Führungsriege vorschlägt, bedeutet eine Annäherung an eine national-konservative Politik, die große Schnittmengen nicht nur mit der Merz-Söder-Union, sondern auch mit der AfD enthält. Darin liegt die eigentliche politische Herausforderung: Gelingt einem national-konservativen Block, dessen inhaltliche Grenzen zur extremen Rechten immer durchlässiger werden, der Sprung an die Macht? Oder kommt es zu einer echten Nachhaltigkeitswende, die klarstellt, dass Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt bei Ausblendung sozialer Gerechtigkeit nicht zu haben sind?

Statt verpassten Chancen zur Einigung hinterherzutrauern und zu postulieren, dass eine Einigung selbst unter Wahrung der Schuldenbremse möglich gewesen wäre, wie Robert Habeck argumentiert, sollte die gesellschaftliche und politische Linke innerhalb wie außerhalb der Regierung die anstehende Richtungsentscheidung ernst nehmen.

Dazu wäre im ersten Schritt zu korrigieren, was vor allem für die Grünen einen Genickbruch bedeutete. Die grüne Politik leidet nicht nur an einem Vermittlungsproblem, und längst nicht alle Fehler sind auf die Führungsschwäche des Kanzlers zurückzuführen. Das Hauptproblem der rot-grünen Koalitionäre ist, so die Wahrnehmung vieler, dass sie ökologische Nachhaltigkeitsziele unter Ausblendung sozialer Gerechtigkeit betrieben haben. Wo ist das Klimageld geblieben? Welche Sicherheitsgarantien gibt es für jene, die beim Umbau der Industrie ihre Jobs verlieren werden? Wie verhalten sich Krieg und geplante Aufrüstung zu ökologischer Nachhaltigkeit? Diese Fragen haben die rot-grünen Koalitionäre unbeantwortet gelassen. Nicht das sozial-ökologische Umbauprogramm mit seinen Themen ist ihr Hauptproblem, sondern die Inkonsequenz, mit der sie es vorangetrieben haben.

Deshalb liegt die Chance einer linken Opposition jenseits von Rot-Grün nicht in der Vermeidung oder gar in der affektgesteuerten Abwertung ökologischer Zielsetzungen, wie sie sich auch beim BSW findet. Für ökologische Großgefahren wie den Klimawandel gilt: Werden sie zeitweilig verdrängt, schlagen sie etwa in Gestalt von Wetterextremen umso heftiger auf die Gesellschaften auch der reichen Länder zurück. Die Unwetter, die in der spanischen Region Valencia Hunderte das Leben kosteten, deuten die Zustände an, wenn wir – wie gegenwärtig wahrscheinlich – auf ein 2,4- oder gar ein 2,8-Grad-Erderhitzungsszenario zusteuern.

Was AfD, CDU/CSU und FDP wollen, bedeutet unnötigen Zeitverlust und höhere Kosten für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Die Neue Volksfront in Frankreich hat trotz aller internen Streitigkeiten gezeigt, was dem entgegenzusetzen ist: »Tax the Rich!« und Nutzung der Einnahmen für den sozial-ökologischen Umbau lautet ihr Programm, mit dem sie als Siegerin aus den zurückliegenden Parlamentswahlen hervorgegangen ist. Dass der gesellschaftliche Reichtum auch in Deutschland gerechter verteilt werden könnte, meint hierzulande nahezu jeder und jede. Doch kaum jemand glaubt, der Linken könnte eine Umverteilung von den Stärksten zu den Schwachen wirklich gelingen. Deshalb konnte die extreme Rechte die Oben-unten-Konflikte in Auseinandersetzungen zwischen »Innen« und »Außen«, zwischen »autochthoner« Bevölkerung und vermeintlich integrationsunwilligen Migranten umdeuten.

Ethnisierende Deutungen der sozialen Frage sind in Teilen der Bevölkerung inzwischen fest verankert. Umso wichtiger ist, dass diese mittels besserer Politik allmählich wieder an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Linke kann nur erfolgreich sein, wenn sie sich zur politischen Trägerin einer Nachhaltigkeitsrevolution macht, die ökologische und soziale Zielsetzung gleich gewichtet. Eine solche Zielsetzung ist die einzig zukunftstaugliche Antwort auf jene Weltordnung, die mit Donald Trump neu entstehen wird.

Dem erwartbaren Neomerkantilismus der USA und der geplanten Exportoffensive Chinas – wieder einmal – allein mit den Kräften des Marktes begegnen zu wollen, ist lächerlich. Die CO2-Bepreisung, wie sie Liberale und Konservative befürworten, bietet Anschauungsunterricht: Sind die CO2-Preise zu niedrig, haben sie für Unternehmen keine Lenkungswirkung; sind sie zu hoch, belasten sie vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten und treiben diese in die ausgebreiteten Arme der ökologischen Konterrevolution.

Dagegen hilft nur eine linke Politik, die utopischen Überschuss mit politischem Realismus verbindet. Dazu gehört, dass gängige Feindbilder korrigiert werden. Die Linke jenseits der Ampel hatte sich lange auf einen grünen Kapitalismus eingeschossen, dessen Verwirklichung nun in den Sternen steht. Das hat die transformierende Linke unfähig gemacht, die radikale Rechte im tagespolitischen Geschäft erfolgreich zu bekämpfen. Dass die AfD bei den zurückliegenden EU- und Landtagswahlen jeweils mit Abstand stärkste Arbeiterpartei wurde, ist ein Alarmsignal. Werden die Signale gehört, dann kann die Zukunft – wenn auch noch nicht bei den kommenden Bundestagswahlen und keineswegs zwingend innerhalb bestehender Parteigrenzen – links-grün sein.

Erstveröffentlicht im nd v. 9./10.11
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186639.regierungskrise-ampel-aus-vorwaerts-in-die-vergangenheit.html?sstr=Klaus|D%C3%B6rre

Wir danken für das Publikationsrecht.

Die Autoindustrie in der Systemkrise

Der sozialökologische Umbau ist nicht nur ökologisch, auch ökonomisch unverzichtbar

Von Stephan Krull

Bild: IG Metall

Die Krisen in der Autoindustrie kommen regelmäßig, die Abstände verkürzen sich und die Krisen werden heftiger. Wie auch jetzt wieder geht es um Konkurrenz, um Märkte und Marktanteile, um den Aufbau und dann auch wieder die Zerstörung von Kapazitäten in geschrumpften Teilmärkten. Die Krisen tragen die Tendenz zur Vernichtung von Konkurrenten und kleinere oder größere Schritte zur Monopolisierung in sich. Die Schließung des Opel-Werkes in Bochum und des Ford-Werkes in Saarlouis sind Beispiele für das erstere, die Bildung des Stellantis-Konzerns mit Peugeot, Citroën, Opel, Fiat und Chrysler eines der Beispiele für Konzentration. In den zurückliegenden fünf Jahren wurden über 60 000 Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie verlagert oder vernichtet, viele Standorte aufgegeben.

Die Krise ist in erster Linie eine Krise der Arbeitsplätze, keine Krise der Profite. Die Gewinne vom zurückliegenden Jahr bei Volkswagen (22 Milliarden), Mercedes (15 Milliarden) und BMW (12 Milliarden) summieren sich auf 49 Milliarden Euro, die Gewinnrücklagen der drei Konzerne auf gut 250 Milliarden Euro.

Um es am Beispiel von Volkswagen deutlich zu machen: Es geht mitnichten um Verluste, wie das Unternehmen öffentlich behauptet und eilfertige Journalisten gerne weitergeben. Den Eigentümer:innen und den Managern reicht eine Umsatzrendite von 3,5 Prozent bei der Marke Volkswagen nicht aus, sie wollen 6,5 Prozent. Bei einem Umsatz von gut 100 Milliarden Euro geht es also nur um die Frage, ob 3,5 Milliarden oder 6,5 Milliarden Euro Profit erzielt werden.

Gewinn 2023Gewinnrücklage
VW 22. Mrd Euro147 Mrd. Euro
Mercedes 15 Mrd. Euro21 Mrd. Euro
BMW 12 Mrd. Euro85 Mrd Euro

Ein reales Problem sind natürlich die Überkapazitäten, die mit großem Aufwand geschaffen wurden – vor kurzem wollte der VW-Konzern nach dem Vorbild von Tesla eine „Gigafactory“ für neue Luxusfahrzeuge in Wolfsburg bauen (Trinity) – heute geht es um Massentlassungen und Werksschließungen.

Absatzkrise

Die Fahrt im andauernden Rückwärtsgang begann mit dem gigantischen Abgasbetrug im Jahr 2016 – seitdem sinkt die Nachfrage in Deutschland und in Europa. Hinzu kommt die Etablierung mehrerer neuer und technologisch fortgeschrittener Player aus China. Und natürlich spielen die Kriege und globalen Konkurrenzen, spielen die aggressiven Weltverhältnisse, die Hochrüstung und der Abbau von Sozialstaatlichkeit, die Debatte um den Antriebswechsel zu E-Autos und die stockende Infrastruktur dafür eine wichtige Rolle bei der Nachfrage nach Autos.

Der Absatz von Volkswagen, BMW und Mercedes ist nach 40 Jahren guter Geschäfte in China dramatisch eingebrochen. Die weltweite Produktion von Pkw sank von 73 Millionen im Jahr 2017 auf 55 Millionen im Jahr 2020 und stieg wieder auf 67 Millionen im Jahr 2023. Im selben Jahr wurden in Europa 2 Millionen Autos weniger abgesetzt als noch fünf Jahre zuvor – das entspricht der Kapazität von vier sehr großen Autofabriken oder dem weltweiten Absatz von Audi und Peugeot zusammengenommen. Das trifft jedoch besonders einen Volumenhersteller wie Volkswagen, dem der Absatz von ca. 500 000 Fahrzeuge in der Bilanz fehlt. Luxus verkauft sich demgegenüber immer noch ganz gut.

Klimakrise

Seit einigen Jahren ergibt die Gleichzeitigkeit von Klimakrise und Konflikt um die Zukunft der Automobilität und von hunderttausenden Arbeitsplätzen eine explosive Mischung. Der allgemeine Rechtsruck, die hohe Zustimmung für die Höcke-Partei in den Autoclustern von Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen ist überaus besorgniserregend. Es besteht die Gefahr eines verkehrspolitischen Backlash, der die Klimakrise verschärft, Milliarden an Mitteln vergeudet und weitere Arbeitsplätze gefährdet.

Fortgesetzter Autobahnneubau und die aberwitzigen Subventionen, die in die Autoindustrie fließen, sind eine Umverteilung von unten nach oben. Viele Menschen sind mangels eines guten öffentlichen Verkehrs noch auf Autos angewiesen, jedoch sinken Pkw-Dichte und Emissionen mit dem Haushaltseinkommen. Anstatt sich auf die Forderungen der Mehrheiten im Land wie Tempolimit und den Abbau von Subventionen einzulassen, kungelt die Regierung mit der Autoindustrie und verstärkt noch die autozentrierte Politik. Selbst der Abschied vom Verbrennungsmotor wird von antiökologischen Kräften wie der FDP, der CSU und dem BSW immer wieder von neuem infrage gestellt. Dadurch kommen Klimaschutz und Mobilitätswende unter die Räder bzw. unter den Asphalt.

Dabei können im Schienenfahrzeugbau, bei der Bahn und in den Betrieben des ÖPNV hunderttausende Arbeitsplätze neu entstehen, wenn diese Betriebe Planungssicherheit erhalten. Zu gewinnen sind gute Arbeit, gutes Leben und eine lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen. In diesem Prozess gilt es, den Beschäftigten Sicherheit zu geben, auch durch gesetzlich garantierte Fort- und Weiterbildung, eine Jobgarantie und ein Transformationsgeld.

Sofortprogramm für den ökologischen Umbau

Das Geld für die Konversion der Autoindustrie ist da.

Konversion ist die Alternative zu verschärfter Konkurrenz, Sozialabbau, Massenentlassungen und Werksschließungen: Keine Subventionen für die Autoindustrie, stattdessen ein Sondervermögen des Bundes von 200 Milliarden Euro und eine Gewinnabschöpfung bei den Autokonzernen für Verkehrswende, Ausbau der Infrastruktur, Aufbau von Kapazitäten für Schienenfahrzeuge und smarte Busse.

Breite Bündnisse für Klimaschutz und Verkehrswende. Bessere Arbeit und gutes Leben für alle!

Ver.di und Fridays for Future streiten zusammen für den Ausbau des ÖPNV und für bessere Arbeitsbedingungen der hier Beschäftigten; Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände haben das «Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende» gegründet; die Klimagerechtigkeitsbewegung streut Sand in das Getriebe von Autopräsentationsmaschinen wie der IAA. Forderungen nach einem Umbau der Industrie und einer Verkehrswende in Stadt und Land ergänzen sich.

Das ermöglicht neue Allianzen für die sozial-ökologische Transformation. Es gibt gemeinsame Verlautbarungen von Gewerkschaften, Umweltverbänden und Kirchen, ihnen wird jedoch zu wenig Nachdruck verliehen – vor allem in der Praxis der Gewerkschaften, aber auch der Linken. Der gesellschaftlichen Linken kommt die große Verantwortung zu, den vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Ökologie und Arbeitsplätzen aufzulösen und die berechtigten Interessen der Beschäftigten an guter Arbeit und gutem Leben mit der Verkehrswende zu verbinden.

Jüngst haben mehrere Studien gezeigt, welch großes Potenzial für gute Arbeit in einer konsequenten Mobilitätswende liegt (Spurwechsel, Fraunhofer/m-five). Großen Arbeitskräftebedarf gibt es im Schienenfahrzeugbau, bei den Bahn- und ÖPNV-Betrieben. Rechnet man dazu den Arbeitskräftebedarf, der sich aus dem nötigen Ausbau des Care-Sektors ergibt und berücksichtigt man die beschäftigungspolitischen und gesellschaftlichen Potenziale einer Arbeitszeitverkürzung hin zur 28-Stunden-Woche, dann wird deutlich, dass es viel zu gewinnen gibt.

Das setzt aber voraus, dass Gewerkschaften und Linke die Impulse der Verkehrswendeinitiativen konsequent aufgreifen. Es setzt zudem voraus, dass die Gewerkschaften ihr politisches Mandat zugunsten einer sozial-ökologischen Transformation wahrnehmen. Und es setzt voraus, dass die vielen guten Ansätze und Überlegungen, die von Beschäftigten in der Autoindustrie selbst ausgehen, nicht länger vom jeweiligen Management weggefegt, sondern von Wissenschaftler:innen, Gewerkschaften und linker Politik aufgegriffen, standortübergreifend gebündelt und offensiv in die gesellschaftspolitischen Debatten eingebracht werden.

Die Anzahl der Autos auf unseren Straßen muss drastisch reduziert werden – vor allem in den größeren Städten mit ausgebautem öffentlichem Verkehr. Die Lücken im ländlichen Raum können durch Fahrservices, Rufbusse und Carsharing als Teil einer integrierten Verkehrsplanung und staatlicher Daseinsvorsorge gefüllt werden. Dazu braucht es eine verlässliche Investitionspolitik in den öffentlichen Verkehr. Kostengünstige und langfristig kostenlose öffentliche Mobilität ist ein sozial-ökonomisches Grundrecht.

Worum es jetzt gehen sollte:

1. den Aufbau von regionalen Transformationsräten aus Gewerkschaften, regionaler Politik, Umwelt- und Verkehrsverbänden, Energie- und Verkehrswendeinitiativen.Sie haben die Aufgabe, gesellschaftliche Foren zu initiieren und direkten Einfluss auf die sozial-ökologische Transformation der Produkte in der gesamten Mobilitätsindustrie zu nehmen. Zu fördern sind sie, wie auch die regionalen Transformationsräte, aus dem Zukunftsfonds Automobil.

2. die Forcierung und Unterstützung lokaler Initiativen und Bündnissen für die sozial-ökologische Transformation von Autoindustrie und Mobilität.

3. den Auf- und Ausbau (gemeinwirtschaftlicher, demokratischer) Unternehmen, die die Lücken in der derzeitigen Mobilitätsindustrie für den smarten Bus-, Schienen- und Güterverkehr füllen, das ergibt eine sinnvolle Kompensation von wegfallenden Arbeitsplätzen. Ergänzend: die Vergesellschaftung von Unternehmen, die die Verkehrswende blockieren nach Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes.

4. eine Reform von Straßenverkehrsordnung und -gesetz, sodass Kommunen ermächtigt werden, sozial-ökologische Maßnahmen wie Tempolimits, Busspuren und anderes mehr zu beschließen und umzusetzen.

5. eine europäische Industriepolitik zum Aufbau einer europäischen Mobilitätsindustrie für den so notwendigen Bau von Bussen und Schienenfahrzeugen. Die Möglichkeit der Direktvergabe für den ÖPNV und die Bahn muss weiterhin erhalten bleiben.

Das sind Vorschläge des Gesprächskreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Zukunft von Auto, Umwelt und Mobilität.

Eine so verstandene Verkehrs- und Mobilitätswende ist Teil einer am Bedarf orientierten Transformation von Produktion und Dienstleistungen in unserem Land. Es gilt, die Ökonomie vom Kopf auf die Füße zu stellen, sozial-ökologisch schädliche Aktivitäten zurückzubauen und menschliche Kreativität und gesellschaftliche Ressourcen in den Dienst des guten Lebens zu stellen. Die Mobilitätswende ist Baustein und Ergebnis einer solchen Transformation.

Stephan Krull

https://stephankrull.info

Erstveröffentlicht in der SoZ 11 November 2024
https://www.sozonline.de/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Stopp der Verbrennung von Kohle, Erdgas, Öl und Holz im Heizkraftwerk Moabit – Vorbereitungstreffen zum Umweltaktionstag!

Einladung zum Bündnis- und Vorbereitungstreffen für den Internationalen Umweltaktionstag 16.11.2024

am 29.10.2024 , 18:00 Uhr in der Lübecker Straße 42 , Berlin Moabit

„Anlässlich der diesjährigen sogenannten „Weltklimakonferenz“ COP29 im November in Baku ruft die Umweltgewerkschaft in Moabit nach dem Prinzip „Global denken und regional handeln“ wieder zur Beteiligung am Internationalen Umweltaktionstag auf.


Auch dieses Jahr werden wieder unzählige Menschen über den ganzen Globus verteilt auf die Straßen gehen, um sich dem Protest gegen die Zestörung der natürlichen Lebensgrundlagen zugunsten der Profitwirtschaft anzuschließen. Als Umweltgewerkschaft unterstützen wir seit vielen Jahren diese Proteste international und auch hier in Moabit und möchten auch dieses Jahr gegen Umweltverbrechen, Greenwashing und gegen die Lügen rechter „Klimawandelleugner“ auf die Straße gehen.


Gerade angesichts der teilweise bereits in Gang gesetzten irreversiblen Prozesse bei der Entfaltung der globalen Umweltkatastrophe brauchen wir eine weltweite Bewegung die gemeinsam für eine neue Gesellschaft streitet und dabei konstruktiv und solidarisch um die Form dieser Gesellschaft ringt. Letztes Jahr hat sich hier in Moabit das Bündnis ‚Zukunfts-Kraftwerk Moabit‘ gegründet, dass wir gerne wieder beleben möchten. Auch wenn mit der Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes und in diesem Zusammenhang auch des Kraftwerks Moabit ein Schritt hin zu einer auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichteten Energiepolitik getan ist. So ist damit noch lange keine Erneuerbare Energieversorgung gewährleistet.

Vorschlag für Forderungen:

  • Umweltschutz, gerechte Löhne und sichere Arbeitsplätze – der notwendige Strukturwandel zur Rettung der Umwelt darf nicht auf die Belegschaften abgewälzt werden. Für ein politisches Streikrecht!
  • Kreislaufwirtschaft statt Greenwasching und Profitgeierei – dazu gehört eine zu 100% wirklich erneuerbare Energieversorgung.
  • Wirksame Schutzmaßnahmen vor Extremwetterereignissen wie Fluten und Dürren angesichts der begonnenen Umweltkatastrophe

Alle Menschen, die sich ehrlich und solidarisch für ein Ende der globalen Umweltzerstörung einsetzen möchten und die antifaschistische Grundhaltung teilen, sind herzlich eingeladen mitzumachen.

Kommt dazu, bringt Ideen, (Kultur- und/oder Rede-)Beiträge, Freunde und Bekannte oder auch einfach Euch selbst mit.“

Kontakt: G. Schnabel, zukunftskraftwerkmoabit@alguna.org

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