Erfolg beim Drogeriemarkt dm: Geschäftsleitung zieht Anträge im Kündigungsversuch gegen den Betriebsratsvorsitzenden zurück

Von Jessica Reisner

Die großen und expandierenden Biosupermärkte dm und Alnatura verkaufen umweltfreundliche Produkte. Sie investieren auch einiges an Geld, damit sich die Kund:innen in den Verkaufräumen wohl fühlen. Doch in einer Hinscht ist ihr Mangement wie andere auch gnadenlos rückwärts gewandt. Gegen die Gründung von Betriebsräten laufen sie Sturm und, ist die Gründung nicht zu verhindern, stehen die gewählten Interessensvertreter:innen unter Dauerbeobachtung. Ihr Geschäftsleitungen sind immer auf der Suche, Vorwände zu finden, sie wieder loszuwerden. Unsere Kolleg:innen von arbeitsunrecht.de können gerade einen Erfolg der Beschäftigten vermelden. Der Drogeriemarkt dm hat einen Rückzieher gemacht. (Jochen Gester)

Bild: Collage Jochen Gester

Imageschaden befürchtet? Verhandlung am LAG Köln entfällt

Die Drogeriekette dm wollte es eigentlich drauf anlegen: das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sollte nach dem Willen des Unternehmens am 31. Januar 2025 die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden des Verteilzentrums in Weilerswist bei Köln ersetzen.

Am Donnerstag, den 30. Januar 2025 zog dm überraschend alle Anträge zurück. Wir freuen uns sehr für den Betriebsratsvorsitzenden Michael Betke, dessen böswillige Kündigungsversuche damit erst einmal vom Tisch sind. Glückwunsch auch an Rechtsanwalt Dustin Koehler von der Kanzlei Silberberg Lorenz, der das Mandat für Michael inne hatte!

Sechs Kündigungsgründe – alle grober Unfug?

Gleich sechs, zum Teil nachgeschobene, und unserer Einschätzung nach mühsamst konstruierte Kündigungsgründe hatte dm vor Gericht präsentieren wollen. Offensichtlich besann man sich im letzten Moment eines Besseren. Vielleicht weil der zu erwartende Image-Schaden aufgrund des großen öffentlichen Interesses zu groß gewesen wäre?

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht hatte Michael gegen das Union Busting bei dm solidarisch unterstützt. Der engagierte dm-Betriebsratsvorsitzende hat arbeitsunrecht FM am 19. September 2024 bei ein Interview gegeben. Auch das hatte dm zum Anlass genommen, einen nachgeschobenen Kündigungsgrund zu konstruieren. Selbstverständlich mobilisierten wir in der Folge auch zum Verhandlungstermin am 31.01.2025. Unser Interview steht bei Freie-Redios.net zur freien Verbreitung und weiteren Verwendung bereit: Interview mit Michael Betke (in der Sendung arbeitsunrecht FM #13/24 ab Minute 28:25) 


Aus erster Hand informiert sein? Profis lesen Emails.
Jetzt den kostenlosen Email-Newsletter der aktion ./. arbeitsunrecht ► bestellen


Mit offensichtlich arg zusammengeschustertem Unfug als Kündigungsgrund haben weder Union Buster in Unternehmen noch in Wirtschaftskanzleien ein Problem. In der Regel dürften die Macher der Schriftsätze selbst nicht an ihren Erfolg vor Gericht glauben. Was aber keine Rolle spielt. Denn das Ziel ist es, durch ganze Wellen an Klagen und Verfahren maximalen Druck auf Lohnabhängige und ihre Familien aufzubauen.

Alles für den Profit: Aggressives Management dominiert dm

Michael arbeitet bereits seigt 25 Jahren bei dm. Das Lager in Weilerswist ist zwar hochmodern, die Anforderungen an die Angestellten aber dennoch gewaltig. Bis zu 10 km laufen manche von ihnen pro Arbeitstag und bewegen dabei bis zu 1,5 Tonnen an Material, erzählt Michael im Interview. Und das im 3-Schicht-Betrieb.

Über 2000 Angestellte sind in Weilerswist tätig, für die der aktive Betriebsrat unter Michaels Vorsitz schon erhebliche Verbesserungen erstreiten konnte, die es in den einzigen anderem beiden Lagern dieser Größenordnung nicht geben soll. Unter anderem ging der Weilerswister Betriebsrat gegen ungleiche Bezahlung gleicher Arbeit vor. Die Schichtplanung wurde auf Drängen des Betriebsrates günstiger gestaltet, die Urlaubsplanung verbesser und Zuschläge erhöht.1 dm, das sollte man wissen, ist nicht einmal tarifgebunden. Die Bezahlung in Anlehnung an den Verdi-Tarif für die Branche erfolgt freiwillig durch das Unternehmen, kann den Angestellten also auch leicht entzogen oder selektiv vergeben werden. (Etwa kann man Neueingestellte ausschließen oder bestimmte Berufsgruppen etc.)

Dazu kommen rund 170 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die aber laut Michael oft nur sehr kurz eingesetzt werden. Vermutlich, weil Einstellungen mitbestimmungspflichtig sind. Unternehmen können dieses Mitbestimmungsrecht aber leicht umgehen. Wenn das Leiharbeitsverhältnis beendet ist, bevor ein Gericht überhaupt dazu entscheidet, ob das Mitbestimmungsrecht verletzt wurde, ist der Vorgang hinfällig. Dazu kommt, wie immer: Belässt man Arbeiter*innen nur kurzzeitig im Betrieb, gibt es kaum eine Chance für gewerkschaftliche Organisierung.

Union Busting-Dienstleister Gleiss Lutz

Um gegen Michael vorzugehen und damit den ganzen Betriebsrat zu schwächen beauftragte dm die Union Busting-Kanzlei Gleiss Lutz. (Was ist Union Busting?) Anwältinnen und Anwälte  dieser Kanzlei beteiligten sich schon mehrmals am aggressiven Vorgehen gegen Betriebsräte oder Betriebsratsgründer, unter anderem bei:

Teure Wirtschaftskanzleien lassen ihre Klienten kräftig bluten. Milliardärserben und Unternehmen der Größenordnung dm sind für sie lohnende Melkkühe. Interesse an Deeskalation gibt es praktisch nicht. Stattdessen überziehen diese Hardcore-Anwält*innen Betriebsräte und Lohnabhängige mit zentimeterdicken Schriftsätzen. Gelder sind schließlich vorhanden. Damit werden ganz nebenbei auch Arbeitsgerichte vorsätzlich überlastet. Langwierige Verfahren sollen zermürben. Sie spielen fast immer dem Management und selten den Betroffenen in die Karten.

Mit solidarischer Öffentlichkeit gegen Antidemokraten

Es ist nicht zwingend davon auszugehen, dass das Union Busting bei dm in Weilerswist mit dem Zurückziehen der zuletzt anhängigen Klage wirklich erledigt ist. Schließlich war es nicht der erste erfolglose Kündigungsversuch gegen Michael. Und der Druck auf die Belegschaft soll durchgehend erheblich sein. Dieser wird unter anderem mit sogenannten Dialogveranstaltungen aufrecht erhalten in denen die Belegschaft mit Standortschließung bedroht und zur Denunziation aufgerufen werden soll.

Der aktuelle Vorgang zeigt, welch enorme Kraft solidarische Öffentlichkeitsarbeit entfachen kann. Der Erfolg millionenschwerer Werbekampagnen kann in kürzester Zeit zunichte sein, wenn schlagkräftige Akteure antidemokratisches Vorgehen von Unternehmen skandalisieren.

Vorsitzender der Geschäftsführung der Drogeriemarktkette ist Christoph Werner, eines der sieben Kinder und Erbe des Firmengründers und Multi-Milliardärs Götz Werner.23 Eigentum verpflichtet (zumindest laut Grundgegesetz). Erbe offenbar nicht.


Quellen

1 workwatch: dm – Der Drogist mit der Keule: Fünf gescheiterte fristlose Kündigungen gegen Betriebsratsvorsitzenden, 31.08.2024, abgerufen 31.01.2025 https://www.work-watch.de/2024/08/dm-der-drogist-mit-der-keule-fuenf-gescheiterte-fristlose-kuendigungen-gegen-betriebsratsvorsitzenden/

2 wikipedia zu Christoph Werner, abgerufen 31.01.2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Werner_(Unternehmer)

3 Stern: 18-jähriger dm-Erbe aus Baden-Württemberg ist der jüngste Milliardär der Welt, 09.04.2021, https://www.stern.de/wirtschaft/kevin-david-lehmann–dm-erbe-ist-juengster-milliardaer-der-welt-30470130.html


Schön, dass Sie da sind!

Der Verein aktion ./. arbeitsunrecht e.V. stellt alle Inhalte kostenfrei und ohne Werbung zur Verfügung. Wir sind unabhängig von Stiftungen, Parteien, Gewerkschaften und staatlicher Förderung. Helfen Sie uns dabei, sorgenfrei über die Runden zu kommen!

Damit wir auch in Zukunft unbequeme Nachrichten verbreiten können: Bitte spenden Sie! !

Entnommen aus dem newsletter von arbeitsunrecht.de

Wir danken für das Publikationsrecht und freuen uns mit den Kolleg:innen über den Erfolg.

Die Volkswagen-Krise: Wer gewinnt, wer verliert?

Die Aktionäre bekamen in den letzten Jahren erhebliche Dividenden, das Geld fehlt jetzt, die Beschäftigten müssen daher einen Reallohnrückgang in Kauf nehmen.

Von Christian Kreiß

Bild: IG Metall Wolfsburg. Screenshot.

Die Krise bei Volkswagen bleibt in den Schlagzeilen. Laut einem Medienbericht vom 15. Januar soll es bei den Beschäftigten von VW Lohnkürzungen geben, wenn sich die Krise weiter zuspitzt.[1] Oder werden vielleicht – laut Berliner Zeitung am 16. Januar – gar VW-Werke von Chinesen aufgekauft?[2]

Im Dezember hatten sich die IG Metall und das Management von Volkswagen darauf geeinigt, dass es 2025 keine Lohn- und Gehalterhöhungen geben würde. Im Gegenzug werde es aber auch keine Werksschließungen geben. Bis 2030 sollen demnach 35.000 Jobs wegfallen. Das entspricht gut 5 Prozent der konzernweit etwa 684.000 Beschäftigten 2023.[3] Aber es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben.[4]

Dividendenzahlungen von VW

Angesichts der ausbleibenden Lohnerhöhung 2025 oder der eventuell gar kommenden Lohnkürzungen bei weiterer Zuspitzung der Krise soll nun ein Blick auf die Dividendenzahlungen in der jüngeren Vergangenheit geworfen werden.

In den letzten vier Jahren, 2020 bis 2023 wurden insgesamt 24,707 Milliarden Dividenden ausgeschüttet (inklusive einer Sonderdividende 2023 von 9,6 Milliarden Euro).[5] Im Durchschnitt der letzten vier Jahre beschäftigte der VW-Konzern etwa 673.500 Mitarbeiter. Die Lohn- und Gehaltssumme betrug in diesen vier Jahren ungefähr 45,2 Milliarden Euro jährlich, der durchschnittliche Jahreslohn pro Beschäftigten etwa 67.200 Euro.[6]

Teilt man die durchschnittlichen jährlichen Dividendenzahlungen der letzten vier Jahre (6,175 Mrd. Euro) durch die Zahl der durchschnittlichen Beschäftigten (673.500), erhält man etwa 9.170 Euro pro Jahr pro Mitarbeiter. Anders ausgedrückt: wäre die Dividende an diejenigen gezahlt worden, die arbeiten, statt an die Aktionäre, die meist sehr weit weg wohnen und das Unternehmen selten oder nie betreten, hätte jeder Beschäftigte jedes Jahr 9.170 Euro oder 13,6 Prozent mehr verdient. Allen arbeitenden Menschen bei VW wurden in den letzten vier Jahren jedes Jahr etwa 9.170 Euro bzw. 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um ihn an die Aktionäre zu überweisen.

Dieses Geld – insgesamt knapp 25 Milliarden Euro – fehlt jetzt. Dividenden verlassen das Unternehmen und stehen nicht mehr als Reserve oder für Investitionszwecke zur Verfügung. Dafür müssen die Beschäftigten jetzt den Gürtel enger schnallen und auf eine Lohnerhöhung verzichten, weil es VW schlecht geht.

Wer bekommt die Dividenden? Wem gehört VW?

Damit stellt sich die Frage: Wer bekam eigentlich die knapp 25 Milliarden Euro Dividendenzahlungen in den letzten vier Jahren? Die Aktionäre. Wer sind die Aktionäre? Die Aktionärsstruktur bei VW sieht folgendermaßen aus:[7] 31,9 Prozent Porsche Automobil Holding SE, 20 Prozent institutionelle Anleger Ausland, Qatar Holding 10 Prozent, Land Niedersachsen 11,8 Prozent, Privataktionäre/ Weitere 24,1 Prozent, institutionelle Anleger Inland 2,3 Prozent. Da die Dividendenzahlungen für Stamm- bzw. Vorzugsaktien in den letzten vier Jahren praktisch identisch waren, braucht man hier also kaum zu unterscheiden.

Nehmen wir zur Illustration den größten, einflussreichsten und daher wichtigsten Hauptaktionär, die Porsche Automobil Holding SE. Sie besitzt 31,9 Prozent aller Aktien des Volkswagen-Konzerns. Da sie aber einen Großteil der Vorzugsaktien innehat, hat die Holding 53,3 Prozent der Stimmrechte bei Volkswagen. Das Land Niedersachsen hat 20 Prozent der Stimmrechte, Qatar Holding 17 Prozent.

Wem gehört die Porsche Automobil Holding SE?

Wem gehört die Porsche Automobil Holding SE? Laut Geschäftsbericht 2023[8] gehören 50 Prozent aller Aktien den Familien Porsche und Piëch, und zwar alle Stammaktien, die allein stimmberechtigt sind. Die beiden Familien haben also das alleinige Sagen bei der Porsche Holding und sie erhalten normalerweise 50 Prozent aller Dividenden.

An die Porsche Holding flossen in den letzten vier Jahren von VW etwa 7,9 Milliarden Euro Dividenden (ca. 31,9 Prozent der 24,707 Milliarden Euro Dividendenzahlungen). Davon die Hälfte, also gut 3,9 Milliarden Euro gingen letztlich an die beiden in Österreich wohnenden Familien Porsche und Piëch.

Von 2020 bis 2023 wurden also den etwa 673.000 Beschäftigten bei Volkswagen im Durchschnitt jedes Jahr etwa 9.170 Euro oder 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um den beiden Familien Porsche und Piëch 3,9 Milliarden Euro zukommen zu lassen, sowie den übrigen, normalerweise sehr wohlhabenden Aktionären[9] 20,8 Milliarden Euro Dividenden auszuzahlen (Ausnahme Land Niedersachsen, die davon knapp drei Milliarden bekamen).

Für 2025 ist geplant, eine Dividende auf Vorzugsaktien in Höhe von 9,06 Euro, dasselbe wie für 2024, auszuschütten.[10] Das wären etwa 1,868 Milliarden Euro. Die Vorzugsaktionäre brauchen also nicht auf ihre erwerbslosen, Nicht-Arbeits- oder leistungslosen Einkommen zu verzichten. Die Beschäftigten hingegen bekommen trotz anziehender Inflation (in Deutschland im Dezember 2024 2,6 Prozent)[11] keine Lohnerhöhung, verdienen somit real weniger als im Vorjahr.

Fazit

VW gehört von den Stimmrechten her zu 53,1 Prozent der Porsche Automobil Holding. Die Holding gehört von den Stimmrechten her zu 100 Prozent den beiden Familien Porsche und Piëch. Beide sind daher die wahren Chefs von Volkswagen. Sie haben das Sagen, sie haben die absolute Mehrheit auf der Hauptversammlung von VW.[12]

Von der Kapitalseite her gehören der Porsche Automobil Holding 31,9 Prozent aller Aktien von VW. Sie bekommt daher in der Regel knapp ein Drittel aller VW-Dividenden. Die Porsche Holding gehört von der Kapitalseite her zu 50 Prozent den beiden in Österreich wohnenden Familien Porsche und Piëch. Die beiden Familien bekamen daher in den letzten vier Jahren knapp 16 Prozent aller VW-Dividendenzahlungen. Das waren etwa 3,9 Milliarden Euro.

Von 2020 bis 2023 wurden den etwa 673.000 Beschäftigten bei Volkswagen im Durchschnitt jedes Jahr etwa 9.170 Euro oder 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um den beiden Familien Porsche und Piëch 3,9 Milliarden Euro und den übrigen, in der Regel sehr wohlhabenden Aktionären (Ausnahme Land Niedersachsen, die davon knapp drei Milliarden bekamen) etwa 20,8 Milliarden Euro zukommen zu lassen.

Das Geld fehlt jetzt im Unternehmen. Daher müssen die Beschäftigten nun auf Lohnerhöhungen verzichten, einen Reallohnrückgang auf sich nehmen und den Gürtel ein wenig enger schnallen.

Ist das gerecht? Macht das ökonomisch Sinn? Wollen wir das wirklich?

Fußnoten

[1] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/wenn-sich-vw-krise-weiter-zuspitzt-das-ist-der-interne-notfallplan-des-autokonzerns/

[2] Berliner Zeitung 16.1.2025: Brisant: Chinesen wollen VW-Werke in Dresden und Osnabrück kuufen – jetzt reagiert Volkswagen: https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/brisant-chinesen-wollen-vw-werke-in-dresden-und-osnabr%C3%BCck-kaufen-jetzt-reagiert-volkswagen/ar-AA1xklmK?ocid=BingNewsSerp

[3] Geschäftsbericht VW 2023: file:///C:/Users/00413/Downloads/Y_2023_d.pdf

[4] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/vw-tarifunde-ig-metall-werkschliessungen-100.html

[5] Eigene Berechnungen, Geschäftsbericht VW 2023

[6] Eigene Berechnungen, Geschäftsberichte VW 2023 und 2021

[7] Geschäftsbericht VW 2023, Aktionärsstruktur zum 31.12.2023

[8] https://www.porsche-se.com/investor-relations/finanzpublikationen

[9] Vgl. Kreiß, Christian, Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019) oder Das Ende des Wirtschaftswachstums (2023), die Bücher können komplett kostenlos hier als pdf heruntergelden werden: https://menschengerechtewirtschaft.de/

[10] https://hauptversammlungs-termine.de/dividende-volkswagen/

[11] https://tradingeconomics.com/germany/inflation-cpi

[12] Allerdings hat das Land Niedersachsen eine Sperrminoriät durch das sog. VW-Gesetz und kann damit bestimmte Grundsatzentscheidungen verhindern: https://de.wikipedia.org/wiki/VW-Gesetz

Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor für BWL mit Schwerpunkt Investition, Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von acht Büchern: Das Ende des Wirtschaftswachstums – Die ökonomischen und sozialen Folgen mangelnder Ethik und Moral (2023); Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD). Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Mitglied bei ver.di und Christen für gerechte Wirtschaftsordnung. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de

Erstveröffentlicht im Overton Magazin
https://overton-magazin.de/hintergrund/wirtschaft/die-volkswagen-krise-wer-gewinnt-wer-verliert/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Es geht los – Tarifkampf im Öffentlichen Dienst – Berlin

Am 23. Januar 2025 trafen sich Kolleginnen und Kollegen der verd.i aus den Berliner Betrieben vor der Hauptverwaltung der Berliner Stadtreinigung (BSR) in Tempelhof.

Anlass waren die diesjährigen Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst, die am Folgettag, den 24. 01.25, in Potsdam begannen.

Mehrere hundert Kollegen und Kolleginnen von der Berliner Stadtreinigung (BSR), der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) / BT, den Wasserbetrieben und der Krankenhausbewegung (Vivantes) hatten sich zu diesem „Berliner Tarifauftakt“ versammelt. Um sich Gehör zu verschaffen! Immer wieder wurde skandiert: „Wir sind die Gewerkschaft!“

Unter ihnen Aktivisten von „Berlin steht zusammen“, einer Initiative, die ein Bündnis von Sozialen Protesten (Verkehr, Klima, Kürzungen in den öffentlichen Haushalten) und betrieblichen/gewerkschaftlichen Bewegungen anstrebt.

Dass die Versammlung in der Ringbahnstraße vor der Hauptzentrale der BSR stattfand hatte seine besonderen Gründe.

Zum einen ist die BSR einer der am besten gewerkschaftlich organisierten verd.i Betriebe in Berlin und traditionell sehr kampfstark. Die Kollegen und Kolleginnen überreichten dem Personalvorstand der BSR (in anderen Betrieben Arbeitsdirektor genannt), Martin Urban, die Forderung aus den Reihen der BSR: 10 % mehr Lohn, mindesten 500 Euro mehr im Monat! Diese Forderung unterstützen weit mehr als die Hälfte aller Beschäftigten, zum Teil bis zu 70 Prozent allein von der Straßenreinigung. Diese Forderung liegt deutlich über dem, was als Grundlage für die Tarifverhandlungen am 24. Januar von ver.di auf den Tisch gelegt wird (8 %, mindestens 350 Euro).

Zum zweiten nimmt der Personalvorstand der BSR eine zentrale Funktion auf der „Arbeitgeberseite“ (KAV, Kommunaler Arbeitgeberverband) bei den Tarifverhandlungen ein. Die Kollegen und Kolleginnen wollten es sich nicht nehmen lassen, ihre von der Basis getragene wesentlich höhere Forderung direkt zu präsentieren. Dem Personalvorstand sollte unmittelbar klar gemacht werden, dass es in den Betrieben brodelt und keine Bereitsschaft für „faule Kompromisse“ mehr besteht.

Der „Berliner Tarifauftakt“ – organisert vor allem von den Vertrauensleuten und Betriebsgruppen aus den verschiedenen Bereichen – dauerte fast zwei Stunden als „Verlängerte Mittagspause“. Die Stimmung: kämpferisch, aufmüpfig, widerständig! Die Botschaft: „Wir alle wollen zusammenstehen über alle Bereiche hinweg!“ Auf den T-Shirts aufgedruckt „Reden, Klatschen, leere Versprechungen – Wir haben die Schnauze voll ! Wir sind streikbereit!“

Die Kolleg:Innen der verschiedenen Versorgungsbereiche wiesen selbstbewusst darauf hin: „Wir sind es, die diese Stadt am Laufen halten und einen guten Job machen.“ Die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge – sei es den öffentlichen Nahverkehr, die Rettungsdienste, sei es die Patientenversorgung, die Altenpflege oder die Kinderbertreung, die Wasserwirtschaft oder die Straßenreinigung, damit Berlin nicht im Dreck erstickt – dürfe nicht zerstört und kaputt gespart werden.

Die Kolleg:innen nehmen kein Blatt vor den Mund. „Ich glaube schon, dass genug Geld vorhanden ist und wir immer nur auf Sparflamme gehalten werden. Wenn es so weitergeht, dann werden unsere Betriebe so nicht mehr funktionieren, weil wir zu Tode gespart worden sind.“ Die Arbeitseinkommen halten schon lange mit der Inflation nicht mehr Schritt. Insbesondere die hohen Energiepreise fressen am Lebensstandard. „Hier in den Großstädten geht schon mindestens ein Drittel des Einkommens für die Miete drauf.“

Redeportfolio, Tarifauftakt Öffentlicher Dienst Berlin, 23.1.2025, Peter Vlatten

Der Zusammenhang von allgemeiner politischer Wetterlage und den Tariferwartungen wurde in fast allen Gesprächen und Reden deutlich. Es geht um mehr als bloße Einkommenssteigerungen, es geht auch um die Verteilung des Reichtums. Die Beschäftigten sind es leid, dass ihre Einkommen wegschmelzen wie der Schnee in der Sonne, während die Zahl der Suppereichen und Milliadäre ständig ansteigt. Sie sind es leid, unter immer unzumutbareren Bedingungen ihre Arbeit verrichten zu müssen, damit die Profite steigen. Und sie sind immer weniger bereit, die Folgekosten einer desaströsen Politik – wie zum z. B. extreme Rüstungsausgaben, Krankenhausschließungen, Wohnungsnotstand, marode Infrastruktur- zu tragen.

Das beste Medizin gegen Personal- und Versorgungsnotstände ist: gute Einkommen, zumutbare Arbeitsbedingungen und Wertschätzung aller Mitarbeiter:innen unabhängig von ihrer Herkunft!

In einem Redebeitrag hieß es: „Wer sich bei den anstehenden Verhandlungen auf einen „rein betriebswirtschaftlichen Argumentationsrahmen“ einlässt, der wird verlieren, weil ihm die Argumente ausgehen werden.“ Es wird darauf ankommen, dass die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen in den richtigen Zusammenhang gestellt werden. Ständige Steuererleichterungen für Großverdiener sind nicht mehr akzeptabel. Militarisierung und eine Handelskriegspolitik verschlingen Unsummen öffentlicher Gelder und heizen die Inflation an. Wenn zum Beispiel die Rüstungsindustrie wieder extreme Gewinne verzeichnen kann, dann muss gefragt und gesagt werden, wer von solchen Verhältnissen profitiert. Wenn die Mieten einen Großteil des Einkommens zu Gunsten von Aktienhaltern aus Hedgefonds ausmachen, dann müssen die Gewerkschaften innerhalb und außerhalb der Betriebe dafür mobilisieren, dass diesen der Garaus bereitet wird.

Viele haben den Eindruck, die Krisen des Kapitals ausbaden und den Buckel fur Profite und internationale Konfliktabenteuer hinhalten zu sollen. Damit muss Schluss sein!

Der Wind wird in den nächsten Jahren rauer. Sorgen wir dafür, dass er diesmal den Profiteuren von sozialer Ungleichheit und Armut ins Gesicht weht. „Zusammen geht mehr“!

Ab Montag wird bei der BVG gestreikt - damit es besser wird für Beschäftigte und Verkehrssteilnehmer!

Fotos und Videomaterial von beteiligten Gewerkschaftskolleg:innen, wir danken für die Überlassung, Text und Videocollage redigiert Peter Vlatten

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung