„feministisch, solidarisch, gewerkschaftlich“ – Heraus zum Frauenkampftag (1)

Ein breites feministisches, stadtpolitisches und gewerkschaftliches Bündnis ruft zur Demonstration am Internationalen Frauentag auf.

Gemeinsam sind wir stark! Komm am 8. März 2025 mit Kolleginnen, Freundinnen, Nachbar*innen und Familieauf die Straße!
Treffpunkt: 8. März 2025 12:30 Uhr, Oranienplatz, Abschlusskundgebung vor dem Roten Rathaus

„feministisch, solidarisch, gewerkschaftlich“

Wir gehen auf die Straße für eine friedliche Welt, in der alle Menschen gleiche Chancen und Rechte haben – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung oder anderen Zuschreibungen. Wir müssen Druck machen. Denn seit Jahrzehnten steht die Daseinsvorsorge unter Druck. Investitionen fehlen und eine neue Kürzungswelle rollt auf uns zu – auf Kosten von Bildung, Mobilität, Gesundheitsversorgung und sozialer Infrastruktur. Es fehlen Mittel für Gewaltprävention, Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen. Mit der Schuldenbremse zementiert der Staat diese Politik, obwohl sie unsere Zukunft gefährdet.

Rechte Kräfte nutzen die Folgen von Kürzungspolitik und gesellschaftlicher Spaltung, um ihre Hetze zu verbreiten. Sie bekämpfen die Rechte von uns Frauen, queeren Personen, Migrant*innen und Geflüchteten und machen uns zu Sündenböcken für Missstände, die ganz andere Ursachen haben.

Wir brauchen ein Ende dieser Schuldenbremse und eine wirksame Erbschafts- und Vermögenssteuer. Wir brauchen ein Gemeinwesen, das alle trägt: Niemand darf durch das soziale Netz fallen. Wir brauchen Gute Arbeit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.

  • Umverteilung von Sorgearbeit und Arbeitszeiten, die zum Leben passen!
  • Besseren Schutz vor sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt, auch am Arbeitsplatz!
  • Entgeltgleichheit und gute Löhne durch Tarifbindung auf hohem Niveau – überall!
  • Solidarität mit streikenden Kolleg*innen!
  • Diskriminierungsfreie Bildung und Chancengleichheit!
  • Gleichstellung in der Transformation und eine geschlechtergerechte Wirtschafts- und Finanzpolitik!
  • Bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales!
  • Weg mit dem § 218!

Das gute Leben für alle ist möglich – wenn wir es gemeinsam erkämpfen. Ob für sexuelle Selbstbestimmung oder Löhne, die für ein gutes Leben reichen. Unsere Alternative heißt Solidarität!

Rechten Spaltungsversuchen und Hass stellen wir Solidarität und Vielfalt entgegen. Der 8. März ist unser Tag, um zu zeigen: Wir sind viele und wir kämpfen für eine gerechte Zukunft.

Kommt mit uns auf die Straße – für eine feministische Zukunft und ein solidarisches Jetzt!

hier zum Flyer des Bündnisses

Hier: wie der soziale Kahlschlag zur Finanzierung der militärischen Hochrüstung vor allem auch Frauen trifft!

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Unsere Anmerkungen

In Berlin findet zum Frauenkampftag eine große Vielfalt an Veranstaltungen statt.

Wir vom Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin würden uns wünschen, dass sich die vielfältigen emanzipatorischen Aktivitäten zum Frauenkampftag mehr zusammenfinden. Überlappend zur Demonstration des stadtpolitischen und gewerkschaftlichen Bündnisses findet auch dieses Jahr wieder (2024 mit 14 000 Teilnehmern das größte Event) die Demonstration Down with Imperialist Feminism statt. Besonderer Kritikpunkt ist der zunehmende Missbrauch des Begriffs „Feminismus“ als false flag für imperialistische Ziele, wie ihn nicht zuletzt die Ampelregierung praktiziert hat. „Emanzipatorisch“ kann aber doch nur bedeuten, gegenüber der eigenen Instrumentalisierung wachsam zu bleiben. Sozial und solidarisch muss einschließen: für umfassende Selbstbestimmtheit für ALLE, aber auch konsequent antirassistisch und internationalistisch ohne imperial gesteuerte Ausgrenzungen!

Wir erinnern an den langandauernden Kampf um den Erhalt der Friedensstatue Ari in Berlin Moabit.

ARI ist ein Symbol gegen sexualisierte Gewalt von Frauen in Kriegen, das ganz konkret an die dunkelsten Kapitel imperialistischer deutscher Aussen- und Kriegspolitik und der faschistischen Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland erinnert. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, aber auch die Grüne Bezirksbürgermeisterin Remlinger von Berlin Mitte, liessen und lassen nichts unversucht, um das „Symbol dieser Erinnerung an schändlichste Frauenpeinigung unter Mitverantwortung des deutschen Imperialismus“ zu entfernen. Es geht in Zeiten der „Kriegstüchtigkeit“ eben darum, die Stimmen der Opfer, wenn sie die eigene Kriegspartei oder verbündete Nationen betreffen, zum Schweigen zu bringen. Die Weste der eigenen Verantwortlichen und Täter soll „weiss“ bleiben. Insbesondere der Koreaverbnd e.V. und die südkoreanischen Trostfrauen lassen dieses Schweigen nicht zu. Ihre Forderung, „die Friedensstatue Ari muss bleiben“ gehört auf den Frauenkampftag in Berlin ebenso dazu wie die Rechte der Palästiner:innen oder der Jezid:innen, die wieder abgeschoben werden sollen!

Krieg bedeutet, dass alle Demütigungen und Gewalt an Frauen auf eine grausame Spitze getrieben werden. Systematische sexuelle Gewalt an Frauen wird in jedem hegemonial betriebenen Krieg auf allen Seiten zur Zermürbungsstragie des militärischen Gegners eingesetzt oder geduldet. Frauen und Kinder leiden in Kriegen ganz besonders, das zeigt sich nicht nur in Gaza, sondern auch in der Ukraine – auf beiden Seiten der Front. Wer mit all den betroffenen Frauen, aber auch für sich selbst in der Zukunft umfassend solidarisch sein will, muss auch dem zunehmenden Kriegskurs die Stirn bieten!

Der Koreaverbnd e.V. veranstaltet am 8.März von 12 Uhr bis 13 Uhr eine „Mahnwache zum Frauenkampftag 2025 „ARI“ GEGEN GEWALT: 1 MAL IST 1 MAL ZU VIEL!“

#Unkürzbar – Wer die „große“ Politik „rechts“ liegen lässt kann nicht erfolgreich kämpfen!

„Die Weltlage gibt wenig Inspiration für Gedanken, die nicht hinunterziehen“, schreibt das Handelsblatt zum heutigen Wahltag und trifft damit sicher die Stimmung von vielen.
Ein winzig kleines Mosaiksteinchen in dieser Weltlage, aber eben auch konzentrierter Ausdruck wie in einem Brennglas für die Betroffenen ist die unsägliche Kürzungspolitik des Berliner Senats.

Gestern demonstrierten dagegen bis zu 10 000 Menschen. Ein breites Bündniss aus sozialen Verbänden und Gewerkschaften hatte dazu aufgerufen. Auch wir vom Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin hatten mobilisiert.

Die Zahl der Teilnehmer blieb für Berliner Verhältnisse überschaubar und erreichte nicht einmal die Zahl der einen oder anderen Palästina-Solidaritätsaktion in dieser Stadt. Trotz der Breite der Betroffenen und existenziellen Bedeutung ihrer Forderungen.

Vom Berliner Senat wurde vollkommen unbeeindruckt wenige Tage vor der Demonstration die Fortsetzung und sogar Verschärfung seiner Kürzungspolitik für 2026 und Folgejahre angekündigt. Ist das frech? Nein. Denn solange zuviele dem Narrativ Glauben schenken, ein geopolitischer Konfrontationskurs mit all seinen ökonomischen Verwerfungen und volle Kraft für eine großmachtpolitische Option seien alternativlos, können die Poliker:innen ohne große Befürchtungen die Kettensäge zücken, um unsere Lebensstandards und Lebensgrundlagen zu rasieren. Wählt doch -frei nach Bert Brecht- noch die Mehrheit „der Kälber ihre Schlächter selber“.

Der Deutsche Aktienindex DAX ist seit Anfang des Jahres um fast 20 Prozent angestiegen! Wer Aktonär ist kassiert. Wer arbeitet muss sich mit gar nichts oder Brosamen zufrieden geben, die nicht mal die wieder anziehende Inflation ausgleichen. Ökonomisch findet weltweit ein Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Unternehmenssteuern statt. Märkte werden angesichts des geopolitischen Konfrontationskurses abgeschottet. Unternehmen wandern immer dorthin, wo sie am lukrativsten verdienen können! Menschen in Deutschland aber fürchten wieder um ihre Arbeitsplätze in der Industrie und den mit ihr verbundenen Dienstleistungsbereichen. Und wenn die Wirtschaft schrumpft und der Staat die Unternehmenssteuern senkt, dann werden die Kassen für die öffentliche Daseinsvorsorge knapp. Das merken unsere kämpfenden Verdi-Kolleg:innen in der aktuellen Tarifrunde. Das kriegen Beschäftigte der Sozialarbeit, in Kultur und Bildung jetzt besonders zu spüren.

Gekürzt wird überall, ausser es geht um Kriegstüchtigkeit. Oder es geht um die direkte Bedienung von Kapitalinteressen.

Carlo Masala, Bundeswehrprofessor und und inzwischen von einigen auch als Sprachrohr der „Kriegsbesessenen in Deutschland“ bezeichnet, setzt zum Wahlsonntag in einem Interview mit dem Handelsblatt eine neue Grenzmarke von 6 Prozent vom BIP für das Projekt „Kriegstüchtigkeit“:

Wenn Sie eine Sicherheitsarchitektur schaffen wollen, in der die Europäer ohne die bisherige Unterstützung der USA klarkommen, dann reden wir eher über vier bis sechs Prozent. Und genau das passiert ja gerade. Es ist übrigens nicht Trump, der diese neue Weltordnung beschwört. Das hat schon unter Barack Obama begonnen.  Der hat das natürlich viel freundlicher formuliert. Aber in der Substanz hat schon er den Europäern gesagt: Macht mehr, ansonsten sind wir weg.

Die neue Marke 6 – ganz salopp aus der „Mitte“ der Gesellschaft präsentiert – geht in Richtung Zweidrittel des gegenwärtigen Bundeshaushalts, die allein für die Militarsierung ausgegeben werden sollen. Das übersteigt selbst die von der AfD übernommene Forderung Trumps in Höhe von 5 Prozent. Ukrainehilfen oder die Anteile für die avisierten 700 Milliarden Sondervermögen für Europa nicht inbegriffen.

Wie soll da noch eine „solidarische“ Finanzierung für Soziales, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Klimaschutz zustande kommen?

Das alles für eine mit wenig Fakten unterlegte Erzählung, dass Russland die europäischen Natoländer in etwa 5 Jahren angreifen würde. Russland, ein Land, das derzeit ökonomisch auf dem Level Italiens steht und trotz Kriegswirtschaft gerade mal ein Viertel fürs Militär ausgibt wie alle europäischen Natostaaten ohne die USA zusammen. Unglaublich. In der Presse wird immer mehr Hoffnung auf die erstarkende deutsche Rüstungsindustrie gesetzt, die zur Wachstums- und Arbeitsplatzmaschine würde. Wer meint, dass in der Rüstungsindustrie der Großteil der sonst wegfallenden Arbeitsplätze kompensiert werden könnte, sitzt einer faustdicken Illusion auf. Ein Vertrauensmann der IG Metall, selbst bei Rheinmetall beschäftigt, meinte: “ Mit Panzer kann man nicht in Urlaub fahren, Artilleriegeschosse kann man nicht essen und mit Bomben keine Alten versorgen! Und Krieg macht uns am Ende Alle alle!“ Gilt er denn nicht mehr der traditionelle Gewerkschaftsslogan? „Ohne Frieden ist alles nichts!“

Wer diese von Militarisierung und zunehmend libertär durchtränkte „große“ Politik „rechts“ liegen lässt kann nicht für soziale, ökologische und kulutrelle Anliegen erfolgreich kämpfen!

Wer den Kampf gegen einen militärisch industriell unterfütterten Großmachtkurs nicht führt, spielt nicht zuletzt Rechtskurs und AFD in die Hände. Wer Meinungen dazu unterdrücken will oder sogar palästinasolidarische Beschäftigte, wenn sie auf die geopolitischen Ereignisse in ihrer Heimat hinweisen, ausgrenzt tut das erst recht. Ignoranten unter den Funktionären in unseren Bewegungen muss dazu die Rote Karte gezeigt werden. Sie erweisen uns allen einen Bärendienst.

Stellungnahme Workers 4 Palästina

Der Protest gegen die Kürzungen im Sozialen und in der Kultur ist richtig und wichtig. Es ist wichtig das Thema von Aufrüstung, Waffenexperten und Kriegen auf diese Demos zu bringen. Denn es sind politische
Entscheidungen, wofür Geld ausgegeben wird und wofür nicht. Die Ordner:innen der Gewerkschaften haben es verboten, Sprüche zu rufen, die auf den Genozid im Gazastreifen aufmerksam machen. Die Begründung dafür war wirklich frech. Man würde sich nicht spalten lassen, und würde es nicht akzeptieren dass Dinge skandiert werden, die nichts mit dem Thema der Demo zu tun haben. Man solle den Sozialarbeiter:innen zuhören, die über Kürzungen reden. Das ist eine Farce, denn gerade den Sozialarbeiter:innen die auf das Sterben in Gaza aufmerksam machen wird nicht zugehört. Sie verlieren ihre Jobs und es werden Projekte und Vereine eingestampft, die wichtige Schutzräume für migrantische Menschen bieten.
Auch der Jugend werden ihre Schutzräume und Möglichkeiten zur niedrigschwelligen Freizeitgestaltung genommen. Dafür sollen sie ,,morgen“ zum Wehrdienst gezwungen werden. Das spaltet wirklich.
Der Kampf gegen die Kürzungen braucht eine antirassistische antiimperialistische Perspektive. #unkürzbar #palestine #genocide

Titelbild Collage Peter Vlatten, Foto Kurt W.

Wahlkampf – gefährliches Blendwerk statt Zukunft – Ein Beispiel

Der Bundestagswahlkampf hat sich zu einem gefährlichen Schaukampf entwickelt, bei dem von den realen ökonomischen, sozialen, friedenspolitischen und ökologischen Problemen des Großteils der Bevölkerung abgelenkt wird. Insbesondere Fokussierung und Umgang mit dem Thema Migration sind ein Irrsinn. Heribert Prantl seziert dies in dem folgenden Kommentar am Beispiel einer einzigen zur Abstimmung gestellten Forderung der Merz CDU, deren konsequente Umsetzung nicht nur zur „menschenunwürdigen“ Beschädigung betroffener Migranten, sondern zu einer grotesken Selbstschädigung von uns allen führen würde.

Morgen, einen Tag vor der Wahl findet in Berlin eine Großdemonstration gegen die Kürzungspolitik des Berliner Senats statt. Gekürzt wird überall, ausser es geht um Kriegstüchtigkeit. Übt Euer demokratisches Wahlrecht am Sonntag aus, aber belasst es nicht dabei, artikuliert vor allem auch Eure eigentlichen Interessen kontinuierlich auf der Straße und in den Betrieben! Und vergesst nicht: „Ohne Frieden ist alles nichts!“ Solidarität mit uns allen – nicht zuletzt auch mit Migranten – ist die Voraussetzung dafür! (Peter Vlatten)

Es geht um 220’808 Menschen, Herr Merz!

Heribert Prantl / 13.02.2025, INFOsperber

Kanzlerkandidat Friedrich Merz tut, als ob es nur das Thema Asyl und Migration gäbe. Doch nicht einmal da kennt er sich aus.

Ich bin jetzt seit 35 Jahren Journalist. Das sage ich deswegen, weil ich in all dieser Zeit einen solchen Wahlkampf in Deutschland noch nicht erlebt habe. Es ist ein Wahlkampf, der so tut, als gäbe es kein anderes Thema ausser Asyl und Migration. Dem Fünf-Punkte-Migrationsplan des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ist es gelungen, den Wahlkampf zu monopolisieren und den Eindruck zu erwecken, die Umsetzung einer Reihe von extremen und extremsten Forderungen sei der Schlüssel zur Lösung der wichtigsten Probleme in Deutschland. Das Gegenteil ist richtig.

Exemplarisch lässt sich das zeigen an folgender Merz-Forderung, die üblicherweise nur in verkürzter Darstellung wiedergegeben wird, aber ungeheuerlich ist: «Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuss sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss daher signifikant erhöht werden.»

Menschen, die in Deutschland geboren sind

In den Diskussionen wird bisweilen so getan, als seien damit nur Straftäter gemeint. Aber das stimmt nicht. «Vollziehbar ausreisepflichtig» sind in Deutschland (zum Stichtag 31. Dezember 2024) 220’808 Menschen. Zu den vollziehbar Ausreisepflichtigen zählen nämlich auch alle Personen mit einer sogenannten Duldung. Darunter sind solche, die schon Jahrzehnte in Deutschland leben und arbeiten oder eine Ausbildung machen – sogar solche, die hier geboren sind.

Zu diesen Ausreisepflichtigen zählen nicht nur abgelehnte Asylbewerber, sondern auch Menschen im sogenannten Overstay, also zum Beispiel Studierende, Arbeitnehmer oder Touristen, deren Visum abgelaufen ist. Die Duldung kann darauf basieren, dass die Ausreise zwar rechtlich, aber nicht faktisch vollziehbar ist, zum Beispiel wegen der Zustände, die im Heimatland herrschen, oder wegen einer gravierenden Erkrankung.

Falscher Eifer

Wörtlich genommen bezieht sich die Haftdrohung im Merz-Migrationsplan auf all diese Menschen. Und dann folgt, wie das gehen soll: «Der Bund wird die Länder dabei unterstützen und schnellstmöglich alle verfügbaren Liegenschaften, darunter leer stehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung stellen.»

Der Eifer der CDU-Wahlkämpfer bezieht sich also nicht, wie es angesichts der dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt geboten wäre, auf den Bau von Sozialwohnungen, sondern auf den Bau von Haftplätzen. Leerstehende Kasernen sollen nicht in Wohnungen, sondern in Knäste verwandelt werden.

Wer dies fordert und so formuliert («vollziehbar Ausreisepflichtige müssen unmittelbar in Haft genommen werden»), hat entweder keine Ahnung von der Materie oder ist im Rechtsextremismus zu Hause.

Irrwitzige Verhaftungswelle

Und selbst wenn mit den unmittelbar zu verhaftenden Personen «nur» diejenigen gemeint sein sollten, die ihre Duldung nicht verlängert haben (sogenannte «unmittelbar Ausreisepflichtige») wären das 43’200 Menschen – und es ginge eine irrwitzige Verhaftungswelle durch das Land. Man bräuchte allein für sie eine Zahl von Abschiebehaftplätzen, die 60 Prozent der gesamten derzeitigen Gefängniskapazitäten in Deutschland ausmachen. Wer soll das bezahlen? Woher soll das Personal kommen?

Solche Forderungen des Merz-Migrationsplans sind also entweder kenntnislos, leichtfertig oder irrwitzig. Es wäre gut, wenn die Wahlkampfsendungen der zwei nächsten Wochen noch Seriosität, Praktikabilität, Lebenstauglichkeit, Brauchbarkeit und Zweckmässigkeit in den Wahlkampf pumpen könnten.

Es gäbe auch andere Themen

Brachliegende Themen gäbe es genug: die Lebensmittel- und die Energiepreise, den unbefriedigenden Zustand der Schulen und Bildungseinrichtungen. Die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt, den brachliegenden sozialen Wohnungsbau, die zum Teil trostlosen, miserablen und desaströsen Verhältnisse in der Pflege alter Menschen.

Im Jahr nach dem grossen Grundgesetzjubiläum wäre es vielleicht angebracht, Grundrechte für eine alternde Gesellschaft zu entwickeln, Grundrechte, die den pflegebedürftigen alten Menschen zur Seite stehen.

Das erste Gebot könnte so aussehen: Jeder pflegebedürftige Mensch muss seine Mahlzeiten in dem Tempo erhalten, in dem er sie kauen und schlucken kann. Es wäre gut, wenn auch diese vermeintlich kleinen Dinge zu einem Wahlkampf gehören würden. Im Jahr 2030 werden fünfeinhalb Millionen Menschen solche Fürsorge brauchen. Schon heute fehlen mindestens 200’000 Pflegekräfte. In einigen Pflegeheimen machen Pflegekräfte mit Migrationshintergrund bis zu 40 Prozent des Personals aus.

Der Artikel ist zuerst erschienen am 13.02.2025, INFOsperber, angeregt durch unsere Partnerseite Pressenza. Wir danken für die Publiktionsrechte

Titelfoto, Jochen Gester

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