Diffamiert wegen Kritik an Israels Kriegsverbrechen- während Waffenlieferungsbefürworter toleriert werden – Im Gespräch mit Ulrike Eifler

Interview: etos-Medien-Redaktion

Bild: Kind in Gaza – Foto: Hosny Salah

Ulrike Eifler ist eine der klarsten Stimmen innerhalb der Linken, wenn es um Kritik an Israels Kriegsverbrechen und der Entrechtung der Palästinenser geht. Seit zwei Tagen wird sie nun von rechten Israelsupportern, wie auch von Teilen ihrer eigenen Partei angegriffen, wir haben mit ihr über Palästina-Solidarität, die Haltung der Linken und ihr Engagement gegen Kriege gesprochen.

Etos.media: Ulrike, du wirst aktuell in den sozialen Medien gerade massiv angegriffen. Was wirft man dir vor?

Ulrike Eifler: Man wirft mir vor, dass ich die „Auslöschung Israels“ fordern, dass ich „Antisemitismus“ vertreten und dass ich für die „Endlösung der Judenfrage“ stehen würde.

Etos.media: Stimmt das?

Ulrike Eifler:Natürlich nicht. Es sind Diffamierungen und Versuche, eine palästinasolidarische Position zu delegitimieren.

Etos.media: Wie kommt es dazu?

Ulrike Eifler: Ich habe vor einigen Tagen unter dem Hashtag FreePalestine einen Tweet mit einer Grafik auf der Kommunikationsplattform X abgesetzt. Darauf war der Umriss Palästinas Israels zu sehen, gefüllt mit Händen in den Farben Palästinas. Daneben stand „All united for free Palestine“.

Etos.media: Und deswegen wirft man dir Antisemitismus vor?

Ulrike Eifler: Ja, weil man argumentiert, Israel in den Farben Palästinas stünde für die Auslöschung des Staates Israel. Diese Unterstellung weise ich zurück. Sie ist infam und niederträchtig. Ich bin seit 35 Jahren in der Friedensbewegung aktiv und kämpfe als Gewerkschafterin tagtäglich gegen Ungerechtigkeit, die den Menschen meiner Klasse widerfährt. Die Auslöschung Israels war nie meine Position und sie ist es bis heute nicht.

Etos.media: Wie interpretierst du die Grafik, die du gepostet hast?

Ulrike Eifler: Für mich zeigt sie vor allem das unfassbare Leid in Gaza, im Westjordanland und dass – was häufig vergessen wird – in Israel auch Palästinenser leben. Im Gazastreifen, im Westjordanland, in Ostjerusalem und sie werden derzeit überall angegriffen, nicht „nur“ in Gaza, auch wenn es dort mit Abstand am schlimmsten ist.. Es herrscht im ganzen Land eine Pogromstimmung. Mir ging es darum, auf die hungernden, traumatisierten und sterbenden Kinder aufmerksam zu machen und auf die Verzweiflung ihrer Eltern. Das muss endlich ein Ende haben. Was den Palästinensern derzeit angetan wird, ist ein unverzeihliches Verbrechen.

Etos.media: Kann man von einem Genozid sprechen?

Ulrike Eifler: Natürlich kann man das und das muss man auch, um die ganze Dramatik dieser Situation zu erfassen. Das ist kein Krieg zwischen zwei Kriegsparteien. Netanyahu hat vor einigen Tagen den Befehl zur vollständigen Auslöschung des Gazastreifens gegeben. Seit Wochen stehen 3.000 Lastwagen mit Nahrungsmitteln an der Grenze zu Gaza und werden von den israelischen Behörden nicht durchgelassen. Über 60.000 Menschen wurden durch die Bombardierungen der letzten eineinhalb Jahre getötet. Der Rest verhungert jetzt. Für mich ist das Genozid, und ich weiß mich mit dieser Position an der Seite der Vereinten Nationen.

Etos.media: Wie gehst du mit dem ganzen Shitstorm um?

Ulrike Eifler: Es gibt ja zum Glück nicht nur Shitstorm, sondern auch sehr viel Solidarität von Genossinnen und Genossen und auch von Personen und Zusammenhängen außerhalb meiner Partei. Das berührt mich derzeit am meisten. Aber ich finde es auch irritierend, dass einige Mitglieder meiner Partei in diesen Post die Auslöschung Israels hineininterpretieren, statt das Leid in Gaza darin zu sehen.

Etos.media: Der Parteivorstand der Partei Die Linke, dessen Mitglied du ja selbst bist, hat gestern einen Beschluss gefasst, der sich indirekt von dir distanziert. Was löst der in dir aus?

Ulrike Eifler: Ich finde ihn skandalös: Die gesamte „antideutsche Gemeinde“ dieser Republik fällt über mich her. Der Verfassungsschutz wird auf mich gehetzt. Mir wird mit Anzeigen gedroht. Mitglieder der Linken diffamieren mich in der Öffentlichkeit. Und das politische Führungsgremium meiner eigenen Partei fragt nicht, ob man mich unterstützen könne, sondern entsolidarisiert sich von mir.

Etos.media: Hat es denn Versuche gegeben, den Unmut in einem persönlichen Gespräch zu klären?

Ulrike Eifler: Ich bekam einen Anruf von Ines Schwerdtner, konnte den Anruf aber nicht entgegennehmen. Daraufhin schrieb sie mir, die BILD-Zeitung hätte angerufen und auch andere Journalisten würden „wegen des Tweets Sturm klingen“. Sie bat mich, den Post zu löschen, was ich ablehnte. Auch in der Chatgruppe des Parteivorstandes gab es einige Unterstellungen und die Bitte, den Tweet zu löschen. Ich erklärte, warum ich das politisch anders sehe und lehnte ab.

Etos.media: Also hat es keinen Versuch gegeben, mit dir zu reden?

Ulrike Eifler: Nein. Meine Weigerung löste dann diesen Dringlichkeitsantrag aus, der gestern im Parteivorstand in meiner Abwesenheit beschlossen wurde. Als Gewerkschafterin bin ich es gewohnt, Probleme auf Augenhöhe miteinander zu klären. Dieses autoritäre Anweisen von Löschungen, weil einem eine politische Meinungsäußerung nicht gefällt, finde ich ehrlich gesagt ziemlich befremdlich.

Etos.media: Jetzt hat dich auch der Bundesgeschäftsführer Janis Ehling via X öffentlich gebeten, die Partei zu verlassen. Wirst du dieser Aufforderung nachkommen?

Ulrike Eifler: In keinem Falle. Ich finde es richtig, dass der Parteivorstand sich von der Position, Israel solle ausgelöscht werden, distanziert. Das sehe ich ganz genauso. Der Unterschied zwischen mir und der Mehrheit im Parteivorstand ist allerdings, dass mein Tweet diese Position nicht widerspiegelt.  Es irritiert mich, dass Meinungsverschiedenheiten nicht ausgetragen oder zumindest ausgehalten werden können, sondern in Verbote, Anweisungen und Ausschlussforderungen münden. Ich finde, so geht man in einer selbstbewussten und stolzen sozialistischen Partei nicht miteinander um.

Etos.media: Du wirst also trotz dieser Entsolidarisierung weiter Parteimitglied bleiben?

Ulrike Eifler: Ich kämpfe, seit ich in dieser Partei bin, darum, dass Die Linke eine Partei an der Seite der arbeitenden Klassen wird. Militarisierung und Aufrüstung sind auf vielen Ebenen ein frontaler Angriff auf meine Klasse. Deshalb bin ich in der Friedensbewegung aktiv und werbe in den Gewerkschaften dafür, dass sie sich dort stärker einreihen. Gewerkschaften können ihre Umverteilungskämpfe nur im Frieden erfolgreich führen. Sie sind zwingend auf eine Atmosphäre der Entspannungspolitik angewiesen. Ich möchte, dass Die Linke die Friedensfrage stärker als bisher thematisiert und damit den Gewerkschaften den Rücken stärkt. Die Partei zu verlassen, nur weil dem Bundesgeschäftsführer meine Position nicht passt, steht wirklich in keinem Verhältnis zu der Aufgabe, gemeinsam mit meinen Genossinnen und Genossen in der Linken für starke Friedenspositionen zu streiten. Der Rückhalt, den ich gerade erfahre, zeigt mir, dass das relevante Teile der Partei so sehen.

Etos.media: Auch in Bezug auf Gaza?

Ulrike Eifler: Besonders in Bezug auf Gaza. Vor allem viele junge Genossinnen und Genossen haben sich über das Leid in Gaza politisiert und sind über diese Frage zur Linken gekommen. Sie sind der radikalste, beste und am schärfsten unterdrückteste Teil der Friedensbewegung. Die Linke hat junge und ältere Mitglieder, Genossen aus der Palästina-Solidarität und Genossen, die ihre politischen Wurzeln in der Friedensbewegung der 1980er Jahre haben. Wer bringt diese beiden Generationen, diese beiden Friedensbewegungen zusammen, wenn nicht Die Linke? Wir haben eine strategische Verantwortung, wenn wir verhindern wollen, dass die Führungseliten dieser Welt den Planeten in Schutt und Asche legen.

Etos.media: Wieso distanziert sich die Linke von dir, während sie zu jenen schweigt, die die Bombardierung Gazas, die Besatzungspolitik oder Waffenlieferung an Israel verteidigen?

Ulrike Eifler: Die Frage müsstest du an jene richten, die gestern dem PV-Beschluss zugestimmt haben. Aber auch ich stelle mir natürlich die Frage, warum wir als Partei, die geopolitische Doppelstandards ablehnt, innerparteilich immer wieder auf diese zurückfallen. Wir lassen es als Parteipluralismus durchgehen, wenn Mitglieder – und glücklicherweise sind sie in der Linken in der Minderheit – mit IDF-Flagge posieren, Waffenlieferungen an Israel gutheißen oder die Explosion der Pager an den Körpern libanesischer Zivilisten feiern. Aber Genossen, die die Aushungerungs- und unmenschliche Vertreibungsstrategie im Gaza-Streifen nicht mehr aushalten und kritisieren, wird vorgeworfen, sie würden unter dem Deckmantel der Palästina-Solidarität die Vernichtung jüdischen Lebens fordern. Mir ist kein einziger solcher Fall bekannt, und ich finde, diese Doppelstandards müssen endlich ein Ende haben, wenn wir ein glaubwürdiger Teil der Friedensbewegung sein wollen. Wir haben uns mit dem Parteitag im Oktober des letzten Jahres zu neuen Ufern aufgemacht. Revolutionäre Freundlichkeit war das Stichwort. Dinge intern diskutieren, nicht öffentlich. Räume für strategische Debatten schaffen. Im gegenseitigen Respekt. Das sollten wir machen, statt Genossen, die einem rechten Shitstorm ausgesetzt sind, im Regen stehen zu lassen.

Etos.media: Könnte es sein, dass die Distanzierung von deiner Israel-Position auch etwas mit deinem grundsätzlichen friedenspolitischen Engagement zu tun hat?

Ulrike Eifler: Wir leben in Zeiten, in denen die Presse unkritisch berichtet, dass nirgendwo in Europa so viele Minderjährige für die Bundeswehr rekrutiert werden wie in Deutschland. Wir erleben, die Militarisierung der Daseinsvorsorge. Nachdem über Jahrzehnte unsere öffentliche Infrastruktur finanziell ausgetrocknet wurde, wird sie nun militarisiert. Das heißt schleichend erhält die Bundeswehr Zugriff auf die zivile Gesundheitsversorgung, was zu Lasten der medizinischen Versorgung der breiten Bevölkerung gehen wird. Wir erleben, dass nicht etwa die Automobilindustrie im Sinne einer kollektiven Verkehrswende ökologisch umgebaut wird, sondern die Strategie der Bundesregierung darauf abzielt, durch die Expansion der Rüstungsindustrie eine industrielle Monostruktur aufzubauen, die uns abhängig macht von realem Kriegsgeschehen. Gegen all das braucht es eine laute, starke Friedensbewegung auf der Straße. Dafür stehe ich. Und ich weiß natürlich, dass die friedenspolitischen Positionen in der Partei immer auch der Streitpunkt zwischen dem antimilitaristischen Flügel und den Reformern war  – mal weniger, mal mehr stark ausgetragen. Vor diesem Hintergrund könnte die Distanzierung von mir tatsächlich auch als Abrechnung mit meinen friedenspolitischen Positionen verstanden werden.

Ulrike Eifler

Etos.media: Könntest du das konkreter erläutern?

Ulrike Eifler: Aus meiner Sicht besteht die Gefahr, dass Die Linke in den Prozess einer wachsenden Establishmentisierung hineinrutscht. Die Berufung auf den Verfassungsschutz im Kampf gegen die AfD, wohl wissend, dass der VS rechte Strukturen in der Vergangenheit mitfinanziert hat, könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieser Prozess bereits begonnen hat. Auch die Unterstützung für die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler war für mich Ausdruck dessen. Ich weiß, dass in der Fraktion über den gemeinsamen GO-Antrag mit den anderen Parteien politisch gerungen wurde und dass das Abstimmungsverhältnis sehr knapp war. Aber mein Gefühl ist, Teile der Partei versuchen, Die Linke mit Blick auf Regierungs- und Bündniskonstellationen stärker an das politische Establishment heranzurücken, an ein Establishment, das für Krieg und Aufrüstung steht. Ein enger Kontakt mit der Friedensbewegung, die ja mit ihren Forderungen nach einem Ende der Bombardierungen und Waffenlieferungen, nach Abrüstung und einer Stärkung von Diplomatie und Entspannungspolitik der Gegenentwurf zur Merz-Regierung ist, stört da vielleicht.

Etos.media: Woran liegt diese Establishmentisierung?

Ulrike Eifler: Aus meiner Sicht fehlt uns und der gesamten politischen Linken die Vision von einer glaubwürdigen, inspirierenden und gewinnenden gesellschaftlichen Alternative. Die Vision von einer sozialistischen Gesellschaft, in der wir alle frei und gleich miteinander leben können. Eine solche Vision zu haben, hat die Arbeiterbewegung immer gestärkt. Jetzt erleben wir, dass sich Krisenprozesse ineinander verschränken und dadurch weiter verschärfen. Es gibt offenbar keine Lösung dieser Krisendynamik. Im Gegenteil, wir steuern auf Krieg und Faschismus zu. Das heißt also, in einer Zeit, in der der Kapitalismus in seiner größten, existenziellen Krise steckt, können wir nicht sagen, was wir stattdessen wollen, um den Menschen Hoffnung zu geben. Um das Leck zu füllen, versuchen wir uns auf den Kampf gegen den Faschismus zu konzentrieren. Das ist im Grundsatz richtig, aber es ist wichtig zu verstehen, dass der Aufstieg des Faschismus Ergebnis der Krisendynamik und Ergebnis der Defensivposition der Arbeiterbewegung ist. Das heißt, es ist zwingend die Aufgabe der Linken, die Arbeiterbewegung zu stärken und dazu auch eine Vision für eine gerechte, friedliche und ökologische Gesellschaftsalternative zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen. Vor allem aber ist es die Aufgabe der Linken, den Protest gegen das Establishment aufzubauen – gegen jene, die Klimakrise, Aufrüstung und Sozialabbau vorantreiben.

Etos.media: Aber tut Die Linke das nicht?

Ulrike Eifler: Viele Genossinnen und Genossen tun das und das ist richtig und gut so. Als Partei tun wir es in meinen Augen allerdings noch zu zögerlich. Aus meiner Sicht würde es die Partei noch mehr stärken, wenn wir nicht an Merz appellieren würden, er solle den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken über Bord werfen und mit uns zusammenarbeiten. Wir sollten nicht vergessen: Er war es, der im Januar die Zusammenarbeit mit der AfD suchte. Mir fehlt wirklich die Fantasie für gemeinsame Abstimmungen mit Merz. Deshalb Schluss mit dieser Debatte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Fraktionsvorsitzende der europäischen christlich-demokratischen Parteien, Manfred Weber, kürzlich sagte, man müsse in Europa auf Kriegswirtschaft umstellen – notfalls mit Mehrheiten von rechts. Für mich zeigt das: Der Kampf gegen den Aufstieg des Faschismus und der Kampf gegen den Krieg gehören zusammen. Deshalb sage ich auch hier klar: Es würde Die Linke stärker als Friedenspartei profilieren, wenn wir noch lauter und noch deutlicher ein Ende des Genozids in Gaza fordern und die Bundesregierung mit der klaren Erwartungshaltung konfrontieren würden, alle Waffenlieferung an Israel sofort einzustellen.

Etos.media: Liebe Ulrike, wir wünschen dir für diese Auseinandersetzung viel Erfolg und danken dir für das Gespräch.

Erstveröffentlicht in der etos v. 9.5. 2025
https://etosmedia.de/politik/diffamiert-wegen-kritik-an-israels-genozid-waehrend-waffenlieferungsbefuerworter-toleriert-werden-im-gespraech-mit-ulrike-eifler/

Wir danken für das Publikationsrecht.

GEW-Gewerkschaftsag fasst wegweisenden Beschluss zu Nahost

Bild: pixabay

Wir freuen uns auf dieser Website einen wichtigen Erfolg im öffentlichen Widerspruch gegen die staatlich verordnete Ableugnung des Genozids in Gaza dokumentieren zu können. Und es ist nicht zu erwarten, dass diese Neuigkeit eine weite mediale Verbreitung erfahren wird. (Jochen Gester)

Beschluss des Gewerkschaftstags der GEW Hamburg am 7. Mai 2025

Unterstützung der Petition„Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!“

  1. Die GEW Hamburg unterstützt aktiv die Petition „Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!“ (Text siehe unten), die von namhaften NGOs wie CARE Deutschland e.V., IPPNW Deutschland, medico international, NRC Flüchtlingshilfe Deutschland, Oxfam Deutschland e.V., pax christi, Deutsche Sektion e.V. und dem Weltfriedensdienst e.V. initiiert wurde.
  2. Die GEW Hamburg initiiert und unterstützt öffentliche Kundgebungen und Demonstra- tionen, die auf die Durchsetzung der in der Petition formulierten Ziele gerichtet sind.

Text der Petition

Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!

Wir fordern von der Bundesregierung:

  1. sich entschiedener für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen und den Schutz der Zivilbevölkerung einzufordern;
  2. alle Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern zu verweigern, wenn die Gefahr besteht, dass sie völkerrechtswidrig eingesetzt werden;
  3. von Israel mit deutlich mehr Druck die sofortige Beendigung der völkerrechtswidrigen Blockade und den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe einzufordern;
  4. wirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit der völkerrechtswidrige Siedlungsbau durch Israel sowie Gewaltakte von Siedler:innen beendet werden;
  5. im Sinne des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs vom 19. Juli 2024 die schnellstmögliche Beendigung der völkerrechtswidrigen Besatzung einzufordern;
  6. die internationale Gerichtsbarkeit und die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen aktiv zu unterstützen;
  7. sich für die Freilassung aller Geiseln und unrechtmäßig Festgehaltenen einzusetzen;
  8. das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen und die Kriminalisierung von grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit Palästina/Israel zu beenden.

Begründung

Im aktuellen Krieg sind über 40.000 Menschen in Palästina und über 1.200 Menschen in Israel getötet worden. Hinzu kommen mindestens 92.000 Verwundete und unzählige Vermisste sowie eine tiefe Traumatisierung. Diese Gewalteskalation muss gestoppt werden. Insbesondere die Zivilbevölkerung in Gaza leidet unter der katastrophalen Situation, verursacht durch die wiederholte Vertreibung von fast zwei Millionen Menschen in ihrem eigenen Land, die Blockade von humanitärer Hilfe, die Sperrung der Strom- und Wasserversorgung sowie ein massives Ausmaß an Zerstörung. Die UN spricht von einer Hungersnot und einem medizinischen Notstand. Die Situation in Gaza ist keine Folge einer Naturkatastrophe, sondern von willkürlicher Gewalt und gezielter Blockade. Die politische Reaktion der Bundesregierung auf diese Situation muss sich grundlegend ändern.

Die Petition wurde initiiert von:

CARE Deutschland e.V. IPPNW Deutschland medico international
NRC Flüchtlingshilfe Deutschland
Oxfam Deutschland e.V.
pax christi, Deutsche Sektion e.V. Weltfriedensdienst e.V.

Sie wird außerdem unterstützt von:

Oxfam Deutschland e.V.
pax christi, Deutsche Sektion e.V. Weltfriedensdienst e.V.
Arbeitskreis Palästina Brühl-Battir
Arbeitskreis Palästina der Lokalen Agenda 21 in Stadt und Kreis Neuwied Ärzte der Welt e.V.
Bielefelder Nahost-Initiative Bremer Friedensforum
Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. Church and Peace
Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V.
Deutsche Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) Forum Ziviler Friedensdienst
Frauen wagen Frieden
Freunde von Sabeel Deutschland e.V. Handicap International e.V. Humanistische Union Deutschland
Initiative zur Förderung der Beziehung zwischen Nürnberg und Nablus e.V. (INNA) Internationale Liga für Menschenrechte
International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) Israelis für Frieden
Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland Kölner Friedensforum
Kooperation für den Frieden
Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. Nahostgruppe Mannheim
Offenbacher Friedensinitiative Ohne Rüstung Leben
Palästina Initiative Region Hannover Partnerschaftsverein Bonn-Ramallah e.V.
SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. Solidarität International
Terre des Hommes Deutschland
Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem e.V.

https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-einen-gerechten-frieden-in-gaza-waffenexporte- stoppen-hilfsblockade-beenden

„Die IHRA-Definition ist Israels diplomatischer ›Iron Dome“

Ist die Staatsräson der uneingeschränkten Unterstützung Israels angesichts der brutalen Bilder aus Gaza noch glaubwürdig aufrechterhaltbar? Selbst die FAZ lässt jetzt Zweifel verlauten: „Die Linke hat sich gegen die in Deutschland übliche Definition von Antisemitismus gestellt und damit viel Kritik auf sich gezogen. Tatsächlich zeigt die Partei, dass sie jüdischen Pluralismus respektiert. Andere sollten ihrem Beispiel folgen.[1] Die Linke hat recht: Deutschland braucht neue Antisemitismus-Definition Andererseits lassen Berlins Regierender CDU Bürgermeister Wegner und seine SPD Innensenatorin jeden Ansatz berechtigter Kritik an Israel von den Cops niederprügeln. (Peter Vlatten)

Der israelische Historiker Amos Goldberg spricht von »Genozid« in Gaza und stellt sich hinter den Antisemitismus-Beschluss der Linkspartei.

Amos Goldberg, ist Historiker und Professor am Department für Jüdische Geschichte und zeitgenössisches Judentum an der Hebrew University von Jerusalem. Sein Forschungsschwerpunkt ist seit vielen Jahren die Untersuchung des Holocausts.

Interview Raul Zelik, 18.05.2025, ND

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster hat dieser Tage erklärt, dass die Partei Die Linke mit der Übernahme der »Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus« (JDA) dem linken Antisemitismus Tür und Tor öffne. Was sagen Sie als Historiker und Holocaust-Forscher dazu?

Ich würde die Bemerkung von Herrn Schuster, die er mittlerweile hoffentlich bereut, lieber ignorieren. Die eigentliche Frage ist meiner Ansicht nach eine ganz andere, nämlich: Was ist in Deutschland los, dass eine derart haltlose und unverantwortliche Aussage einfach hingenommen wird? Wie kann ein Jude so vielen anderen Juden, die die Jerusalemer Erklärung unterstützen, Antisemitismus unterstellen? Herr Schuster und der politische Diskurs in Deutschland unterscheiden offenbar zwischen »guten Juden« wie Herrn Schuster und »schlechten Juden« wie mir – also zwischen legitimen Formen des Jüdisch-Seins und falschen, illegitimen. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass ich als Jude und Israeli – ein Land, in dem mein ganzes Leben verbracht habe – meine jüdische Identität in den Werten der Jerusalemer Erklärung reflektiert sehe und damit nicht allein bin. 375 Wissenschaftler – die meisten von ihnen Juden – haben die JDA unterzeichnet, und es gibt viele Juden in Deutschland und der Welt, die so denken wie wir. Und ich benötige auch keine Genehmigung von Herrn Schuster dafür. Aus meiner Sicht hat sich Die Linke mit der Übernahme der JDA zur stolzen deutsch-üdischen Tradition des Humanismus und der kritischen Reflexion bekannt, wie sie von Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Kurt Tucholsky und vielen anderen repräsentiert wird. Wie Sie vermutlich wissen, haben wir dieser Tage einen offenen Brief an Die Linke geschickt, der von 50Forschern, von denen die meisten jüdisch sind, unterzeichnet wurde und in dem wir die Entscheidung der Partei unterstützen. Herr Schuster repräsentiert eine andere jüdische Tradition, die ebenfalls legitim, aber sehr viel konservativer und reaktionärer ist.

Die israelische Regierung befürwortet die Antisemitismus-Definition der „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA). Warum ist dieser Definitionsstreit so wichtig?

Aus israelischer Perspektive besteht die Funktion der IHRA-Definition darin, Israel vor Kritik abzuschirmen. Der israelische Philosoph Adi Ophir hat es einmal so ausgedrückt: Die IHRA-Definition ist Israels diplomatischer »Iron Dome« (das israelische Luftabwehrsystem, Anm.d.Red.). Israel und seine Unterstützer haben enorme Schwierigkeiten, ihre Politik gegen die Palästinenser zu rechtfertigen. Besatzung, Siedlungsbau, Annexion, Apartheid und ethnische Säuberungen durch Staat, Armee und Siedler, wie sie seit Jahren die Realität in der West Bank prägen, oder die genozidale Tötung von Menschen wie jetzt in Gaza lassen sich durch nichts rechtfertigen. Deshalb versucht man, die Debatte auf die Frage des Antisemitismus umzulenken. Anstatt darüber zu sprechen, was gerade geschieht, diskutieren wir, ob es antisemitisch ist, darüber zu sprechen, was gerade geschieht. Das ist der große »Erfolg« der IHRA-Definition. Ansonsten aber macht sich Israel keine großen Gedanken um Antisemitismus. Im Gegenteil: Das Land verbündet sich bereitwillig mit den antisemitischen Parteien der globalen Rechten, solange diese die Politik Israels unterstützen. Der Erste, der Elon Musk nach seinem Hitler-Gruß verteidigte, war der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Und vor einem Monat veranstaltete Israel die sogenannte »Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus« und lud derart rechtsextreme Personen ein, dass selbst die bedingungslosen Israel-Unterstützer Felix Klein und Volker Beck ihre Teilnahme absagen mussten.

Es geht heute nicht um Israels »Existenzrecht«. Das Land besitzt eine der mächtigsten Armeen der Welt und hat gegenwärtig keine Feinde, die seine Existenz infrage stellen könnten.

In der Debatte geht es immer wieder um das »Existenzrecht Israels« – gemeint ist seine Existenz als mehrheitlich jüdischer Staat. Für wie wichtig halten Sie das Konzept? Es betont den Schutz jüdischen Lebens, aber verstellt die Debatte über einen plurinationalen Staat oder die Idee einer Konföderation.

Ich muss Ihnen widersprechen. Es geht heute nicht um Israels »Existenzrecht«. Israel existiert und ist stärker als je zuvor. Das Land besitzt eine der mächtigsten Armeen der Welt und hat gegenwärtig keine Feinde, die seine Existenz infrage stellen könnten. Also geht es um etwas grundlegend Anderes – nämlich um Israels Recht zu annektieren, zu besetzen, zu töten und internationales Recht zu brechen. Sehr konkret bedroht ist heute hingegen das Existenzrecht der Palästinenser. Sie laufen Gefahr, umgebracht oder vertrieben zu werden, sie leben unter Besatzung und Apartheid und erleiden jetzt einen Genozid. Die »Jerusalemer Erklärung« ermöglicht es uns, über diese drängenden Fragen offen zu diskutieren. Auch die JDA garantiert die vollen individuellen und kollektiven Rechte der Juden in Israel. Gleichzeitig verschließt sie aber nicht die Möglichkeit, über Konfliktlösungen nachzudenken – darunter auch über solche, für die sich Israel grundlegend verändern müsste. Also zum Beispiel die Gründung eines einzigen Staates für alle Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer oder einer palästinensisch-israelischen Konföderation. Diese Debatte ist heute wichtiger denn je. Im Unterschied zur IHRA-Definition kriminalisiert die JDA diese Vorschläge nicht als antisemitisch.

Sie haben die Kriegführung Israels in Gaza schon früh scharf kritisiert. Inzwischen wird offen über eine Vertreibung der Palästinenser debattiert. Worauf zielt das alles ab?

Wenn man die UN-Definition von 1948 zugrunde legt, dann findet meiner Meinung nach in Gaza ein Genozid statt. Es gibt auch eine wachsende Übereinstimmung von Historikern und Rechtsexperten in dieser Frage. Israels Premierminister und andere prominente Regierungsmitglieder haben mehr als einmal erklärt, dass ihr Ziel darin besteht, Gaza unbewohnbar zu machen und so viele der dort verbleibenden Palästinenser zu vertreiben wie möglich. Trump hat das mit seinem »Riviera-Plan« unterstützt. Leider ermöglicht Deutschland diese Verbrechen, während es gleichzeitig »Nie wieder« predigt.

In den letzten Jahren gab es eine Annäherung Israels an die fundamentalistischen Golf-Despotien. Das alles scheint kein religiöses Problem zu sein.

Ich bin kein Experte für den Mittleren Osten, aber Saudi-Arabien scheint die Idee einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel aufgegeben zu haben, und für die USA scheint die Normalisierung keine Voraussetzung mehr zu sein, um gute Geschäfte mit den Golfstaaten zu treiben. Andererseits haben viele arabische Länder und vor allem die Golfstaaten die Palästinenser wieder einmal verraten. Es ist schwer vorherzusagen, worauf das alles hinausläuft.

Als Holocaust-Forscher und Historiker haben Sie sich Ihr ganzes Leben mit den deutschen Verbrechen an jüdischen Menschen beschäftigt. Wie lautet Ihre Lehre daraus und was sollte man in der deutschen Debatte stark machen?

Man muss wirklich kein Holocaust-Experte sein, um zu wissen, was heute gesagt werden muss: »Stoppt dieses Gemetzel! Stoppt das Aushungern von Kindern!« Stoppt en Genozid! Allein gestern wurden mindestens 143 Palästinenser in Gaza getötet. Das sind einfache menschliche Imperative, die als garantiert gelten sollten. Aber ich will trotzdem zwei Antworten geben: Erstens wurde nach 1945 ein internationales Rechtssystem errichtet, das derartige Gräueltaten verhindern sollte. Ich erwarte von Deutschland, dass es Israel und Donald Trumps USA nicht dabei unterstützt, dieses System völlig zu zerstören. Es ist eine Schande, wenn Kanzler Merz erklärt, er werde Möglichkeiten finden, um Israels Premierminister Netanjahu trotz des ISGH-Haftbefehls nach Berlin einzuladen. Deutschland hat das Römische Statut unterzeichnet und muss Netanjahu verhaften. Für mich ist das Verhalten der Bundesregierung unbegreiflich. Meine zweite Antwort hat mit den Zeugen zu tun. Einer der moralischen Imperative, die sich aus der Holocaust-Forschung ableiten, lautet, dass wir den Opfern zuhören müssen. Das ist eine universelle moralische Verpflichtung. Wir müssen die palästinensischen Berichte aus Gaza hören, wir müssen die fürchterlichen Bilder anschauen und darauf reagieren. Die palästinensische Position sollte endlich ein integraler Bestandteil der öffentlichen Debatte werden.

Der Beitrag von Raul Zelik ist zuerst erschienen am 18.5.2025 im ND, wir danken für die Publikationsrechte

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Titelfoto: Peter Vlatten

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