Lobby Arbeit für Israel – gestern, heute, morgen!

Veranstaltung 18. Oktober, 18 Uhr, Ort TBA

Israel hat seine Lobbyarbeit perfektioniert. Wer sich nicht instrumentalisieren lassen will, sollte ihre Mechanismen durchschauen.

Prof. Ilan Pappe wird einen Vortrag über „Lobbyarbeit für Israel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ halten. Außerdem wird er sein neues Buch dazu vorstellen.

Nach dem Vortrag gibt es eine offene Diskussion, Musik und Essen.

Prof. Ilan Pappe will give a lecture about lobbying for Israel in the past, present and future. He will also present his new book and there will be an open discussion, music and food after the lecture.

Prof. Ilan Pappe ist renommierter Autor und Historiker.

Veranstalter: Gaza Komitee, unframe

Die Lösung liegt auf der Hand: Ein Staat mit gleichen Rechten seiner Bürger*innen vom Fluss bis zum Meer

6.9. 2024

Von Sophia Deeg

Bild: Collage nach Bildvorlagen

Während in Gaza von der Würde des Menschen nichts mehr übrig gelassen wird und die Welt entsetzt zusieht, sich zugleich massiver zivilgesellschaftlicher Widerstand regti, machen sich Palästinenser*innen und Israelis für eine gemeinsame Perspektive stark. Ausgerechnet jetzt. Gerade jetzt.

Inzwischen gibt es auch in Deutschland immer mehr Menschen, die angesichts der horrenden Bilder und Nachrichten aus Gaza bestürzt sind.
Hören sie von der „Zwei-Staaten-Lösung“, die neuerdings wieder im Schwange ist, scheint ihnen die ein Ausweg im Sinne der Menschlichkeit, des friedlichen nebeneinander Lebensvon Israelis und Palästinenser*innen, die offenbar so tief verfeindet sind, dass eine andere „Lösung“ kaum vorstellbar erscheint.

Das Reden von einer „Konfliktlösung“ geht davon aus, dass zwei Bevölkerungen mit unterschiedlichen Interessen offenbar auf ewig im Clinch liegen, weil nicht in der Lage oder nicht willens sich zu einigen. Also sie besser trennen, jeder ein eigenes Territorium zukommen lassen. Doch diese „Lösung“ in Form von zwei Staaten, eines israelischen und eines palästinensischen ließ sich seit einigen Jahren nicht mehr verkaufen. Denn es war nicht zu übersehen, dass sich da einerseits ein Staat, anderseits eine Bevölkerung gegenüberstehen, wobei in der Welt, wie sie bisher felsenfest konstituiert ist, eine Bevölkerung ohne Staat quasi nichts ist. Israel, der Staat, der den Palästinenser*innen gegenübersteht – die auf die Westbank, Gaza, die Flüchtlingslager in Nachbarstaaten und in alle Welt zerstreut sind, ist mit allen Machtmitteln ausgestattet, die Staatlichkeit impliziert. Er herrscht in jeder Hinsicht über die Bewohner*innen und das gesamteTerritorium (Grenzen, Ökonomie, Ressourcen, Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung, Militär …) vom Jordan bis zum Mittelmeer, wobei er weder in den Zeiten des Oslo-Friedensprozesses noch irgendwann vorher oder nachher, weder unter linken noch unter rechten Regierungen diese Vorherrschaft in Frage gestellt hat, vielmehr massiv facts on the ground schuf und schafft, die zwei voneinander abgegrenzte, jeweils zusammenhängende Staatsgebiete für zwei souveräne Staaten sowieso nicht zulassen, nicht einmal mehr die Illusion davon.

Die Regierung Netanyahu nun zeichnet sich durch die schöne Offenheit ausii, den Palästinenser*innen den Anspruch auf einen eigenen Staat schlichtweg abzusprechen. Die Fiktion, die all die Jahre seit dem spektakulären Handschlag auf dem Rasen des Weißen Hauses der internationalen Gemeinschaft, friedfertig gesonnenen Israelis und vor allem Palästinenser*innen vorgegaukelt wurde, ist somit explizit zerstoben.

Die „Zwei-Staaten-Lösung“, die Pille, nach der u.a. die deutsche Regierung in ihrer blinden Ergebenheit gegenüber dem Staat Israel erneut greift, um sich und andere über das bekanntermaßen strukturell seit Jahrzehnten Angelegte, was in Gaza nun doch ein bisschen zu weit geht, hinwegzutäuschen, wird ihr nunmehr von Israel selber, dem Staat, dem man in allem treu ergeben ist, aus der Hand geschlagen. Anna Baerbock kann einem fast schon leidtun.
Seit Beginn des „Friedensprozesses“ von Oslo mit eben dieser „Zwei-Staaten-Lösung“ als Clou haben palästinensische und israelische Intellektuelle/Aktivist*innen festgestellt und sich darüber miteinander verständigt: dieser Prozess ist kein Friedensprozess sondern einer, der endlose Verhandlungen einläutete, die es der übermächtigen Seite, dem Staat Israel, ermöglichte, seine Ambitionen uneingeschränkt umzusetzen – ein Unterfangen, bei dem ihm Deutschland hilfreicher als jeder andere Verbündete zur Seite stand.

Was auf den ersten Blick erstaunen mag, ist der Umstand, dass dies durch die großzügige finanzielle Unterstützung der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) geschah. Somit konnte und kann diese für alles, wofür Israel als Besatzungsmacht gegenüber der besetzten palästinensischen Zivilbevölkerung verpflichtet ist, mit deutscher Hilfe aufkommen. So wird durch bundesrepublikanische Zuwendungen jederzeit wieder aufgebaut, was Israel an Infrastruktur im von der PA verwalteten Gebiet – ebenso wie im unter direkter Besatzung stehenden Territorium – regelmäßig zerstört. Mehr noch, auch für die Sicherheit der Besatzungsmacht (und der gewalttätigen Siedler*innen) kommt die Bundesrepublik seit jeher gerne auf. Die palästinensischen „Sicherheitskräfte“ werden mit deutscher Hilfe ordentlich ausgestattet und ausgebildet. Eingesetzt werden sie von der Autonomiebehörde, um gegen die womöglich aufbegehrende Bevölkerung vorzugehen, keineswegs um diese etwa vor der Gewalt der Siedler zu schützen. Kurz: Damit der Laden in den besetzten Gebieten im israelischen Sinne läuft, solange „Frieden“ und „Zwei-Staaten-Lösung“ angesagt sind, steht die Bundesrepublik finanziell und mit Rat und Tat bereit.
Bereits 1993, unmittelbar nach dem Handschlag zwischen Arafat und Rabin schrieb der palästinensisch-amerikanische Literaturwissenschaftler Edward Said: „Nachdem jetzt die Euphorie ein wenig verflogen ist, können wir das Abkommen zwischen Israel und der PLO mit dem erforderlichen kühlen Verstand näher ins Auge fassen. Dabei stellt sich heraus, dass die Übereinkunft viel unzulänglicher und für die meisten Palästinenser viel unausgewogener ist als es viele zu Anfang annahmen. Die vulgäre Inszenierung der Zeremonie am Weißen Haus, der demütigende Auftritt Arafats, als er der Welt für die Aufgabe der meisten Rechte des palästinensischen Volkes dankte, und die lachhafte Rolle Bill Clintons als römischer Imperator des 20. Jahrhunderts, der seine beiden Vasallen-Könige bei den Ritualen der Versöhnung und der Unterwerfung begleitet: All das konnte nur vorübergehend das tatsächlich unglaubliche Ausmaß der palästinensischen Kapitulation vernebeln.“iii

Die einzige Alternative für Edward Said: Koexistenz von Palästinenser*innen und Israelis in einem gemeinsamen Staat auf dem Gebiet des historischen Palästina:
„Ich sehe keine andere Möglichkeit als die, jetzt endlich das miteinander Teilen des Landes anzugehen, in dem wir zusammengeworfen sind, es auf genuin demokratische Weise miteinander zu teilen, was bedeutet: gleiche Rechte für jeden Bürger. Eine Versöhnung kann es erst geben, wenn beide Völker, beide Gemeinschaften des Leidens, begreifen, dass ihre Existenz eine säkulare Tatsache ist, mit der als solche umzugehen ist. (…)
In einem modernen Staat sind alle aufgrund ihrer Präsenz und, weil sie Rechte und Verantwortung teilen, Bürger dieses Staates. (…) Eine Verfassung und sich aus ihr ergebende Grundrechte sind somit Voraussetzung, um über Feld 1 des Konflikts hinauszugelangen, denn jede Gruppe hätte dasselbe Recht auf Selbstbestimmung.“iv

In diesem Sinne schreibt der israelische Historiker Ilan Pappé vor wenigen Jahren, dass das Versagen des Oslo-Prozesses, palästinensische Souveränität zu erreichen, von Beginn an in diesem angelegt war. „Oslo II schuf eine Geographie des Desasters, die es Israel ermöglichte, sich über weitere Teile Palästinas auszudehnen, während es die Palästinenser*innen innerhalb zweier Bantustans einschloss, oder, anders ausgedrückt, indem es die Westbank und den Gazastreifen in jüdische und palästinensische Gebiete aufteilte.

(…) Das Versagen von Camp David im Jahr 2000 war nicht das Ende eines Friedensprozesses. Einen solchen hat es nie gegeben, nicht, seit die zionistische Bewegung im späten 19. Jahrhundert in Palästina ankam. Vielmehr handelte es sich im Jahr 2000 um die offizielle Etablierung der Apartheid-Republik Israel. Bleibt abzuwarten, wie lange die Welt diese für legitim und tragbar hält oder ob sie akzeptiert, dass die de-Zionisierung Israels mit der Schaffung eines demokratischen Staates im gesamten historischen Palästina die einzige Lösung ist.“v

Spätestens angesichts des Genozids in Gaza akzeptiert die Welt (außerhalb Deutschlands) dieses Modell eines Apartheid-Staates und des Siedlerkolonialismus nicht mehr ohne weiteres, jedenfalls die Millionen Menschen, die seit dem vergangenen Oktober überall auf die Straßen gehen, Uni-Camps errichten, Parlamentarier*innen und Regierungen unter Druck setzen und auf vielfältige Weise deutlich machen, dass ein Waffenstillstand unerlässlich ist, aber auch jegliche „Lösung“ für danach nicht in der Tradition des verheerenden „Friedensprozesses“ stehen darf, dass es vielmehr um ein Ende von Apartheid und Siedler-Kolonialismus gehen muss. Das bedeutet: Frieden und Versöhnung kann es nicht auf der Grundlage von Kompromissen, sondern nur auf der “kompromisslosen“ Anerkennung und Implementierung gleicher Rechte geben.

Emblematisch für dieses Konzept stehen zwei Autoren/Aktivisten, der eine Palästinenser aus Gaza, der andere jüdischer Israeli: Haidar Eid und Jeff Halper. Ich greife diese beiden aus der langen Reihe der Palästinenser*innen und Israelis (und Juden*Jüdinnen) heraus, die sich im Laufe der Jahrzehnte für die Perspektive des gemeinsamen Staates eingesetzt und dazu publiziert habenvi. Nicht zufällig entsprechen sich die Titel ihrer jüngsten Publikationen als wären sie miteinander abgesprochen: Decolonizing the Palestinian Mindvii und Decolonizing Israel, Liberating Palestine: Zionism, Settler Colonialism and the Case for One Democratic Stateviii.

Wer es gewohnt ist, von „den beiden Seiten“ auszugehen, Israelis bzw. Israel vs. Palästinenser*innen bzw. Palästina, stutzt vielleicht für einen Augenblick und fragt sich: Welche Publikation ist die des Israelis, welche die des Palästinensers? In der Tat zeichnen sich beide durch eine konsequente Kritik der (angeblich) „eigenen Seite“ aus. Diese Unabhängikeit des Denkens ist eine Stärke, die sowohl Palästinenser*innen wie Haidar Eid, als auch diejenigen Israelis auszeichnet, die das zionistische Projekt genau begründet ablehnen und nicht nur die Politik der extremen Rechten kritisieren.

Haidar Eids Decolonizing the Palestinian Mind ist Ende 2023 erschienen, somit bereits überschattet vom Genozid in Gaza, den er selber dort überlebt hat, bis er, als Stimme aus Gaza äußerst gefährdetix, mit seiner Familie den Gaza-Streifen nach Südafrika verließ, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt.

Selbstverständlich geht Haidar Eid wie andere palästinensische und israelische Intellektuelle und Aktivist*innen davon aus, dass es um eine De-Kolonialisierung bzw. De-Zionisierung Palästina/Israels insgesamt als Perspektive gehen muss, doch dazu gehört für ihn auch, dass sich die Palästinenser*innen klamachen, welche Rolle bei der Aufrechterhaltung und Vertiefung des israelischen Kolonial- und Apartheidprojekts die Kollaboration aller palästinensischen Parteien der PLO sowie der Hamas spielen. Was Letztere angeht, verweist er auf das verheerende Bombardement des Gaza-Streifens zur Jahreswende 2008/2009 (von der IDF zynisch „Cast Lead“ betitelt), das eine Welle internationaler Solidarität auslöste, eine Situation, die von einer palästinensischen Führung „mit Prinzipien“ hätte genutzt werden müssen. Stattdessen seien deren Vertreter*innen – auch die der Hamas – nach Kairo zu Verhandlungen geeilt, und die Hamas versäumte es, in den auch damals schon einmal teilweise in Trümmern liegenden und abgeriegelten Gazastreifen einzuladen. Haidar Eid wirft der Hamas aber vor allem vor, dass sie sich schließlich wie alle anderen die längst desavouierte 2-Staaten-Lösung zu Eigen gemacht hat. Und schließlich:

„Die Erfahrung mit der Herrschaft der Hamas im Gaza-Streifen bietet ein Modell en miniature eines islamischen Staates, während die Westbank für einen auszurufenden Bantustan-„ Staat“ steht“x – wenn es nach der PA gehe. (Die steht im Übrigen derzeit auch bereit, unter der Ägide Israels und seiner Verbündeten Gaza mit zu verwalten, falls dies gewünscht wird.)

Unter der Herrschaft der Hamas sei Gaza einer ideologisch begründeten gesellschaftlichen Transformation unterworfen worden, so Haidar Eid, die vor allem die Rechte der Frauen weiter eingeschränkt habe.

Immer wieder formierten sich im Gaza-Streifen Bewegungen und Initiativen, vor allem junger Gazauis, darunter auch zahlreicher Frauen, die sich dagegen erhoben.xi Das zeigt, wie ungerecht die Berichterstattung in Deutschland und anderswo ist, wonach die Bevölkerung Gazas aus nichts weiter als fanatischen Hamas-Anhänger*innen und „unschuldigen Frauen und Kindern“, armen Opfern ohne eigene politische Agenda besteht.

Haidar Eid plädiert für eine Umwälzung der traditionellen palästinensischen Institutionen im Sinne einer Demokratisierung, was auch die Auflösung der in seinen Augen und denen vieler Palästinenser*innen diskreditierten PA (Autonomiebehörde) bedeute, die sich seit über zwei Jahrzehnten keiner Wahl mehr gestellt hat und ausschließlich zum Wohle Israels und der eigenen Leute funktioniere. Zudem beanspruche diese Behörde von Anbeginn an lediglich, die Palästinenser*innen in der (durch die israelische Siedlungs- und Landnahmepolitik) immer weiter reduzierten Westbank und von Gaza zu vertreten.

Mit Edward Said fordert er „Gleichheit oder nichts“ und beruft sich auf ihn, für den „ein umfassender Frieden“ bedeutet habe, dass „Israel, die kolonialisierende Seite, das Recht der Palästinenser*innen als Bevölkerung anzuerkennen“ habe, sowie „deren Recht auf Selbstbestimmung und Gleichheit à la Südafrika“ „in einem säkularen demokratischen Staat …, in dem ALLE Bürger*innen gleichbehandelt werden, unabhängig von ihrer Religion, ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe“.xii

Die Überlegungen von Haidar Eid gehen Hand in Hand mit denen von Jeff Halper, nicht von ungefähr. Beide sind Teil der One Democratic State Campaign (ODSC)xiii und beide überzeugt, dass eine solche gerade jetzt angesichts des Genozids in Gaza angezeigt ist. Wie Eid sieht Halper in der nationalen palästinensischen Bourgeoisie, die derzeit die palästinensischen Angelegenheiten mehr schlecht als recht verwaltet, so etwas wie die Karikatur dessen, was Fanon in Die Verdammten dieser Erde als die unterdrückenden, korrupten und bornierten Eliten in den vom Kolonialismus „befreiten“ Gebieten beschrieb, die mit der neo-kolonialen Bourgeoisie der Metropolen kooperiere.xiv

Doch sein Schwerpunkt als Israeli – oder, wie er in der Einleitung zu Decolonizing darlegt, als „Kolonialist, der sich verweigert, als Genosse im gemeinsamen Kampf“ – liegt auf der unerbittlichen Kritik (ca. die Hälfte des Buchs) des „Zionismus als siedlerkoloniale(m)Projekt“ mit verheerenden Implikationen. In der zweiten Hälfte kommt er zu dem, was er aus den ersten 100 Seiten als Perspektive für Palästinenser*innen und Israelis ableitet: die erforderliche und mögliche De-Kolonialisierung dessen, was sich im historischen Palästina mit internationaler Duldung und Unterstützung etabliert hat: ein Staat, wie Jeff Halper unter Berufung auf Mahmoud Mamdani, Lorenzo Veracini und andere darlegt, der strukturell teils Ethnokratie, teils Apartheidsystem und im Wesentlichen siedlerkolonial angelegt ist und sich vom Fluss bis zum Meer erstreckt.

Halpers zunächst utopisch anmutende Überlegungen zeichnen sich durch Pragmatismus und eine Schritt-für-Schritt-Genauigkeit aus, wobei er auch alle auf der Hand liegenden Einwände von palästinensischer wie von israelischer Seite bzw. die zu erwartende totale Ablehnung v.a. durch Israelis aber auch durch Palästinenser*innen zur Sprache bringt und durchaus nicht abtut. Dass Palästinenser*innen inzwischen nach Jahrzehnten der Kämpfe und des Leidens alle Hoffnung verloren haben, weiß er nur zu gut. Ebenso berücksichtigt er den naheliegenden Einwand, dass ein solches Unterfangen der De-Kolonialisierung und der Schaffung eines gemeinsamen Staates gleichgestellter Bürger*innen in Palästina/Israel vollkommen illusorisch sei, gerade jetzt … Er zeigt jedoch im Einzelnen die Bedingungen auf, unter denen dies dennoch möglich wäre und verdeutlicht, was zu tun ist – sehr viel! – um diese Bedingungen gemeinsam zu schaffen: durch eine zivilgesellschaftliche Bewegung von Palästinenser*innen, Israelis und anderen, die es in nuce bereits gibt und die nicht nur das – spätestens seit dem 7. Oktober unübersehbar – Unhaltbare und Unerträgliche dringend überwinden wollen. Es ist eine Bewegung, die auch die Umrisse eines Gemeinwesens, eines gemeinsamen Lebens, einer gemeinsamen Identität als Zielvorstellung vor Augen hat. Dabei kann er auf Überlegungen verweisen die dazu bereits innerhalb der ODSC konkretisiert wurden – selbstverständlich von Palästinenser*innen und Israelis gemeinsam – wobei Jeff Halper betont, dass die Kolonialisierten diejenigen sein müssen, die das letzte Wort haben.

In diesem Sinne abschließend Omar Barghouti, zitiert von Jeff Halper:
„Parallel zum Prozess der Beendigung der Ungerechtigkeit und der Wiederherstellung grundlegender palästinensischer Rechte und während Unterdrückungsverhältnisse abgebaut und koloniale Privilegien abgeschafft werden, muss gleichzeitig ein bewusster und genuiner Prozess vorangetrieben werden, der die Dichotomie zwischen der Identität der Unterdrückten und der des Unterdrückers auflöst, um die konzeptionellen Grundlagen für eine ethische Koexistenz im entkolonialisierten zukünftigen Staat zu schaffen. Nur dann kann das Ende der Unterdrückung eine gemeinsame Identität hervorbringen: die nach dem Zustand der Unterdrückung. Diese gemeinsame Identität sollte es ermöglichen, dass sich das Zusammenleben als Gleiche von indigenen Palästinenser*innen und indigenisierten Siedler*innen tatsächlich so gerecht, nachhaltig und friedlich wie möglich gestaltet.“xv

iSo dieser Protest US-amerikanischer Jüdinnen Und Juden von JVP gegen die Ansprache Netanyahus vor dem Kongress: https://www.jewishvoiceforpeace.org/2024/07/23/netanyahu-visit-release/

iihttps://www.faz.net/aktuell/politik/krieg-in-nahost/israel-netanjahu-lehnt-palaestinensischen-staat-ab-19460417.html

iiihttps://www.lrb.co.uk/the-paper/v15/n20/edward-said/the-morning-after

ivhttps://www.nytimes.com/1999/01/10/magazine/the-one-state-solution.html

vhttps://jacobin.com/2020/10/israel-peace-palestine-oslo-accords-plo; und ganz aktuell: https://www.commondreams.org/news/to-replace-this-apartheid-state-israeli-scholar-sees-hope-for-democratic-palestine

viDarunter (außer den bereits genannten): Ghada Karmi https://www.plutobooks.com/9780745348315/one-state/; Omar Barghouti: https://mondoweiss.net/2013/10/democratic-palestine-promising/; Mazin Qumsiyeh, https://thisweekinpalestine.com/a-path-to-peace/; Eitan Bronstein und andere von Zochrot: https://merip.org/2007/09/a-different-kind-of-memory/; Eric Hazan & Eyal Sivan: https://www.eyalsivan.info/index.php?p=elements1&id=66#&panel1-10; und als frühe Vortäufer u.a. Hannah Arendt, Martin Buber.

viihttps://johannesburgreviewofbooks.com/2024/02/29/this-book-is-being-published-while-gaza-where-i-live-is-being-annihilated-read-an-excerpt-from-decolonising-the-palestinian-mind-by-south-african-palestinian-author-haidar/

viiihttps://www.plutobooks.com/9780745343396/decolonizing-israel-liberating-palestine/

ixNicht nur Journalist*innen sind in Gaza seit dem 7.Oktober 2023 besonders gefährdet, auch andere in der Welt wahrgenommene Stimmen aus Gaza sind es, so Refaat Al-Areer, Dichter und Professor für anglophone Literatur, der Verbindungen in die USA und nach GB hatte: https://euromedmonitor.org/en/article/6014/Israeli-Strike-on-Refaat-al-Areer-Apparently-Deliberate#; zu den in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 durch die IDF zu Tode gekommenen Journalist*innen: https://cpj.org/2024/07/journalist-casualties-in-the-israel-gaza-conflict/

xHaidar Eid, Decolonizing the Palestinian Mind, S.75

xihttps://www.resurgence.org/magazine/article3405-gaza-youth-manifesto.html

xiiHaidar Eid, Decolonizing, S.39

xiiihttps://onestatecampaign.org/en/about-us/

xivJeff Halper, Decolonizing Israel, Liberating Palestine, S. 181-182

xvEbd.: S.188/189

Wir danken der Autorin für das Publikationsrecht.


			

Statt Waffenstillstand – totaler Krieg von Israel – wo endet das?

Selbst der Spiegel meldete am 6. September:

„Von schlimm zu katastrophal in weniger als einer Stunde

Nach mehr als zehn Monaten Krieg bricht die medizinische Versorgung in Gaza zusammen. Kinder sterben an einfachen Infekten, da Medikamente fehlen. Und die Evakuierungstaktik der Israelis verschärft das Problem erheblich. [1](https://www.spiegel.de/ausland/gaza-humanitaere-lage-von-schlimm-zu-katastrophal-in-nur-eine-stunde-a-dc4bbd1e-e5e8-4707-bbc2-82eeabaeeb3b

Die permanente israelische Aggression auf den Gazastreifen ging gestern in seinen 336. Tag in Folge. Die Bombardierungen und Luftangriffe dauern an, die Zahl der Opfer steigt, während die Notlage durch die anhaltende Vertreibung in den südlichen Gebieten des Küstenstreifens ihren Höhepunkt erreicht.

In den letzten Stunden wurden die Zelte der Vertriebenen in verschiedenen Gebieten des Gazastreifens, insbesondere im Zentrum, Norden und Süden, mit beispielloser Intensität und Härte angegriffen.

Einer von vielen Vorfällen: Israelische Flugzeuge bombardieren Zelte, die Flüchtlinge in einer Schule in Jabalia im Norden des Gazastreifens beherbergen!

Mit den perfiden Regelungen werden immer wieder Möglichkeiten für humanitäre Hilfe unterlaufen!

Die NZZ vom 6. September meldet, dass der Schweizer Chef Lazzarini des Uno-Hilfswerks UNRWA für die Palästinaflüchtlinge nicht mehr nach Israel und Gaza einreisen darf! Er ist nur das prominenteste Opfer eines neuen Visaregimes, das die UN HilfsOrganisation hindert, ihren so dringend benötigten Job zu machen. [2]https://www.nzz.ch/schweiz/unrwa-chef-lazzarini-darf-nicht-mehr-nach-israel-einreisen-was-bedeutet-das-ld.1847224

Ohne das Uno-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge gäbe es keine Nahrungsmittelversorgung für 1,9 Millionen Palästinenser auf der Flucht und keine Polio-Impfkampagne für Zehntausende Kinder, wie sie gerade im südlichen Gazastreifen anläuft.

Laut UNRWA haben letzten Monat fast eine Million Vertriebene im Süden von GAZA keine Lebensmittelrationen mehr erhalten. Schon 70 % aller Schulen wurden von der IDF dem Erdboden gleich gemacht!

Seit Wochen kommen die Verhandlungen über einen Waffenstillstand nicht von Fleck.

Die rechtsextremen Hardliner um Netanyahu beharren auf ihren Maximalforderungen, die nicht einmal von der Führung des israelischen Militärs mitgetragen werden. Und von der Mehrheit der israelischen Bevölkerung schon gar nicht. 100 Tausende demonstrieren gegen die Netanyahu Regierung.

Neokoloniale faschistische Träume von Rechts und Big Bussiness

Volle militärische Kontrolle auf Ewig und Schließung des Palästinenserhilfswerkes UNRWA. Das sind Netanyahus Minimalziele, die ein Waffenstillstand nicht durchkreuzen darf. Zwei seiner Minister gehen offen weiter. Sie wollen einen Großteil der Gaza-Bevölkerung in den Kongo umsiedeln. Im Gazastreifen sollen Juden leben. 200 Tausend „Araber“ als Billigarbeitskräfte reichen aus. [3]https://taz.de/Zukunft-des-Gazastreifens/!5980050/ Das israelische Geheimdienstministerium empfahl schon letztes Jahr in einem anderen Vertreibungsmodell die gewaltsame und dauerhafte Umsiedlung der 2,2 Millionen palästinensischen Bewohner aus Gaza auf die ägyptische Sinai-Halbinsel. [4]https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/vertreibung-aller-palaestinenser-aus-dem-gazastreifen-empfiehlt-das-israelische-regierungsministerium/

Längst haben Pläne konkret Gestalt angenommen, das palästinensische GAZA vollständig auszuradieren, sich die Ausplünderung der Rohstoffe für alle Zeiten zu sichern und auf dem zerbombten entleerten Land eine kapitalistisch konsumorientierte Megacity mit modernster Infrastruktur hochzuziehen. So hat eine Gruppe israelischer Geschäftsleute die Vision eines „Singapur des Nahen Ostens“ erdacht. Auch deutsche Konzerne und Investoren sollen sich beteiligen können. Trümmer und Schutt könnten sich hervorragend als Füllmatierial für die neuen Wolkenkratzer eignen. [5]https://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/globalpolitix-was-passiert-mit-gaza-102.html

Krieg, Gewalt und Besatzung in alle Richtungen

Israel hat schon vor Wochen die gesamte Grenzlandschaft zum Libanon einschließlich der wertvollen Olivenhaine durch international geächtetes Phosphorgas komplett verwüstet, unbetretbar und unpassierbar gemacht.

Sogenannte Präventivschläge heizen die explosive Spannung an. Auch am 6.9. haben Israelische Kampfflugzeuge mehr als 15 Abschussrampen und militärische Infrastruktur der Hizbullah-Miliz im Süden des Libanon attackiert. Die Provokationen können jederzeit zum grossen Krieg eskalieren.

Parallel etabliert Israel mit Außenposten neue Siedlungen im Westjordanland. Wöchentlich demonstrieren Palästinenser dagegen. Der Landraub zugunsten der radikalen Siedler schreitet in Schüben voran, bis wohl auch hier das letzte Land seinen palästinenschischen Bewohnern weggenommen ist.

Bis Freitag, den 6. September waren während der letzten israelischen Invasion in Städte und Gemeinden im Westjordanland 39 Menschen ermordet und 150 verletzt worden. Eine 26-jährige internationale Aktivistin, Aysenur Ezgi Eygi, eine US-Amerikanerin türkischer Abstammung, ist an diesem Morgen des 6. September ihren Verletzungen erlegen. Die Familie fordert eine unabhängige Untersuchung gegen die Besatzungsarmee. [6]https://youtu.be/nmEsbam-EgY?si=aFdSuUtfJd7sO7i8

Die Gesamtzahl der Todesopfer im Westjordanland liegt seit dem 7. Oktober 2023 bei 691. Über 5.700 Menschen wurden verletzt und über 10.400 Personen wurden inhaftiert.

Deutschland festgemauert in der „Staatsräson

Bundeskanzler Scholz auch jetzt wieder: „Deutschland steht an der Seite Israels.“ [7]https://www.deutschlandfunk.de/nahost-krieg-gazastreifen-zukunft-100.html

Kein Vernichtungskrieg, keine Menschenrechtsverletzungen, keine UN Beschlüsse oder Gutachten des IGH lassen Deutschland von seiner als Staatsräson deklarierten „bedingungslosen“ Unterstützung und militärischen Zusammenarbeit mit der zionistischen Politik Israels und der Netanyahu Regierung abrücken.

Die geäusserten Sorgen deutscher Politiker über die „humanitäre Katastrophe in GAZA“ wirken angesichts der praktizierten Rückendeckung heuchlerisch.

Deutschland steht international in der Kritik und isoliert mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur die Länder des globalen Südens, die BRICS Staaten, mehr als eine Drei-Viertel Mehrheit der UN Vollversammlung, sondern auch fast alle internationalen Gewerkschafts-, Menschenrechts- und humanitären Hilfsorganisationen sowie der internationale Gerichtshof – sie alle verurteilen das militärische Vorgehen Israels und klagen Israel des Völkermords und Bruchs von Menschenrecht und Völkerrecht an!

Im Inland sprechen sich in Umfragen schon lange bis zu 70% der deutschen Bevölkerung gegen das Vorgehen der israelischen Armee im GAZA aus. Trotz einer Dauerpropaganda über alle Mainstreamkanäle, bedingungslos aus Gründen der Staatsräson, verpflichtend aus dem Holocaust, an der Seite Israels stehen zu müssen. Inzwischen haben laut einer ZDF Erhebung 48 % der Deutschen kein Vetrauen mehr in diese Medienberichterstattung zu Nahost. Ein absoluter Negativrekord.
Deutschlands scheinheilige „Antisemitismus“-Argumentation steht am Pranger!

Deutschland versucht laut weit verbreitetem internationalen Urteil mit einer scheinheiligen „Antisemitismus“-Argumentation die Unterstützung einer rechtsradikalen zionistischen Regierung zu kaschieren. Die moralische Verpflichtung aus dem Holocaust könne aber einzig und allein nur sein: nie wieder Täter oder Mittäter solcher Barbarei zu werden.

Menschen- und Völkerrecht sind unteilbar! Niemand sei auserwählt oder keinem Staat gebühre „bedingungslose“ Unterstützung, wenn er sich über elementares Menschen- und Völkerrecht hinwegsetzt.

Wer sich im Inland der globalen Kritik an Israel und dem deutschen Staat anschliesst muss befürchten, als Antisemit diffamiert und ausgegrenzt zu werden. Menschenrechtler und selbst Jüd:innen und Israel:innen bekommen Repressalien und die Willkür der staatlichen Behörden in Deutschland zu spüren, wenn sie öffentlich die rechtsradikale zionistische Politik Israels verurteilen und für die Rechte der Palästinenser demonstrieren. Eine israelkritische Jüdin in Berlin soll inzwischen die am meisten verhaftete Person Europas sein.

Die Parteien wollen mit einer Bundestagsresolution ihren heuchlerischen Meinungsdruck verschärfen!

Geplant ist ein Bekenntnis der Bundestagsparteien zur sogenannten „International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Diese Erklärung soll zur offiziellen Grundlage des Kampfes gegen Antisemitismus in Deutschland gemacht werden. Wider besseren Wissens. Denn die IHRA wird inzwischen sogar von ihren Urhebern wegen der Möglichkeiten zur Instrumentalisierung zugunsten der israelischen Besatzungspolitik und eines faschistischen Zionismus kritisch gesehen. Weltweite Warnungen aus dem Judentum selbst und der Holocaust Forschung werden ignoriert. Diese empfehlen statt der IHRA die Jerusalemer Erklärung.

Wer heute hinter die Jerusalemer Erklärung zurückfallt, stellt sich nicht ehrlich dem Anliegen, Antisemitismus wirksam bekämpfen zu wollen.“

Denn es geht darum, „dass der Antisemitismus zwar bestimmte charakteristische Merkmale aufweist, der Kampf dagegen jedoch untrennbar mit dem allgemeinen Kampf gegen alle Formen der rassischen, ethnischen, kulturellen, religiösen und geschlechtlichen Diskriminierung verbunden ist.“

Deutschland verfestigt mit dem Bekenntnis zu einer zweifelhaften Resolution seine Staatsräson zur unabdingbaren Unterstützung der israelischen Politik, die sich gerade vor unser aller Augen mit all ihren Hässlichkeiten abspielt.

Antisemitismus“ soll als Kampfbegriff gegen Kritik gegen Israel willkürlich mißbraucht werden können. Diese Art von Meinungsterror soll wohl durch die Resolution eine aufgefrischte legitime Fassade erhalten.

Damit wird aber dem eigentlichen Antisemitismus Vorschub geleistet. Eine diabolische Ignoranz, mit der die sogenannte „demokratische Mitte“ ihre eigenen moralischen Ansprüche gegen Rassismus und Neokolonialismus verfehlt und die sogenannte Brandmauer löchrig wie einen Schweizer Käse macht.

Geopolitisches Schachspiel

Die so verbissen wirkende und selbstrufschädigende Unterstützung des Vernichtungskrieges von Isreal hat geopolitische Gründe. Israel agiert als „Flugzeugträger“ und Ordnungshüter der USA im Nahen Osten. Deutschland hat sich mit dem Ukrainekrieg auf Basis seiner ökonomischen Macht ebenfalls zum militärischen Interprimus in Europa auserkoren lassen. Der Preis für diese wachsende imperiale Vormachtstellung des deutschen Kapitals ist die zunehmende Verwicklung in die internationalen Konflikte. Deutschland wird in die Pflicht genommen. Auf Seiten der USA. Kriegskurs unvermeidlich. Deutschland soll maßgeblich gegenüber Russland den USA den Rücken im Kampf gegen China freihalten.

Aktuelle Termine zur Solidarität
Der größte Feind nach 11 Monaten Krieg und scheusslichen Verbrechen ist die Gewöhnung. Wer sich davon überwältigen lässt, hat die erste Stufe zur „Kriegstüchtigkeit“ schon erklommen!

Spendenaktion für die Menschen im Gaza. Veranstaltung mit Podiumsdiskussionen und Basar: Stöbern Sie in wunderschönen handgefertigten Artikeln wie Kufiyas, Büchern, Schmuck und vielem mehr. Sie können sich auch ein Solo-Tattoo oder Henna machen lassen und an einem Tatreez-Workshop teilnehmen, Verlosung mit tollen Preisen

Ob Jüd:in , Muslim:in, Christ:in, Europäer:in, Deutsche,Palästineser:in oder Israel:in, ob Kurd:in oder Türk:in, ob Asiat:in, Afrikaner:in, Koreaner:in oder Amerikaner:in Kommt alle am 3.10. zur Demo nach Berlin "Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität"!

Alle gmeinsam haben wir Power gegen den Krieg!

Fotos Peter Vlatten

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