Kein Transport für Völkermord – Junge GEW Berlin solidarisch mit Christopher vom DHL Hub Leipzig


Die junge GEW Berlin erklärt ihre Solidarität mit dem Ver.di Vertrauenskollegen Christopher vom DHL Hub Leipzig. Christopher wurde erst von der Arbeit freigestellt und anschließend fristlos gekündigt. Das Ganze nachdem er sich im August bei einer Demonstration zum Flughafen Leipzig in einer Rede klar gegen Waffentransporte nach Israel aussprach. (Wir berichteten: gewerkschaftliche-linke-berlin.de/dhl-von-der-arbeit-ausgeschlossen- wegen-antimilitarismus/)


Der Angriff auf Christopher, ist ein Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung von allen Kolleg:innen und betrifft Beschäftigtenrechte generell.
Es ist daher nicht nur begrüßenswert, sondern absolut notwendig sich branchenübergreifend mit Christopher zu solidarisieren, wie es die junge GEW Berlin bei ihrer letzten Sitzung getan hat. Auch aus dem Ausland erreichten Christopher bereits Solidaritätsadressen u.a. von DHL Kolleg:innen aus Italien und Postgewerkschafter:innen aus Marokko.


Erklärung der jungen GEW Berlin

„Wir solidarisieren uns mit unserem Kollegen Christopher, ver.di Vertrauensmann bei DHL! Der Kollege wurde von DHL fristlos gekündigt, weil er sich in seiner Rede während eines Marsches zum Flughafen Leipzig/Halle gegen Transporte von Rüstungsgütern nach Israel aussprach. Der Flughafen Leipzig/Halle ist ein zentrales Drehkreuz für militärische Transporte der Bundesrepublik, von NATO-Staaten und auch Israels. Zudem wurde im Rahmen eines Spionage-Prozesses vor dem Oberlandesgericht bekannt, dass es Flüge im Auftrag von DHL (z.B. Skytaxi) gab, die neben zivilen Waren auch militärisch oder sicherheitsrelevant eingestuftes Material transportierten. Christopher führte in seiner Rede aus: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass DHL zu der Einsicht gelangt, dass diese Lieferungen verwerflich sind, denn für die ist das ein Riesengeschäft. Wir müssen auf unsere eigene Kraft vertrauen. (..) Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter – kein Transport für Völkermord!“

Volle Solidarität mit Christopher! Wir fordern die sofortige Rücknahme seiner Kündigung!

Petition in Solidarität mir Christopher

Es ist sehr zu hoffen, dass die junge GEW Berlin hier nur den Anfang macht und weitere Gewerkschaftsgliederungen mit Solidaritätserklärungen folgen werden. Wer nicht auf die Beschlüsse der Gremien warten möchte, kann auch als Einzelperson tätig werden und die Petition von Gewerkschafter:innen 4 Gaza und dem Palästina Aktionsbündnis Leipzig zeichnen. Sie wird bereits von mehr als 1.000 Kolleg:innen unterstützt:

www.gewerkschafter4gaza.de/dhl-petition

Titelbild: Junge GEW Berlin

Gegen Turbo Ausbeutung und Degradierung zu Tagelöhnern!

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte am 23.10. zum Streik beim Essenslieferdienst Lieferando Berlin aufgerufen.

Lieferando will bundesweit etwa 2000 Rider:innen entlassen. Das Unternehmen will die Arbeit an Subunternehmen auslagern. Damit aber droht, dass arbeitsrechtliche Standards massiv unterlaufen und ausgehöhlt werden.

Dagegen wehren sich die Rider Kolleg:innen und sind am Donnerstag in den Streik getreten! Sie fordern: Keine Entlassungen. Fairer Sozialplan. Legale Arbeit!

Parallel zum Arbeitskampf verhandelte NGG in sechster Runde einen Interessenausgleich und Sozialplan.

Bei den geplanten Subunternehmen haben die Beschäftigten keine Arbeitsverträge, sie werden bar bezahlt, müssen sogar Gebühren zahlen, um überhaupt Aufträge zu bekommen. Die sowieso schon prekären Arbeitsbedingungen in der Lieferbranche werden noch einmal deutlich verschärft. Laut Gewerkschaft NGG werden die Lieferant:innen in die Scheinselbstständigkeit abgeschoben.

Ohne legale Arbeitsplätze haben die Kolleg:innen keine Sozialversicherung, Krankenversicherung, keinen Urlaub.

Durch nichts mehr abgesichert können die Rider:innen nach Kapitalistenlogik in einen erbarmungslosen Wettbewerb der gegenseitigen Unterbietung getrieben werden.

Veit Groß von der Gewerkschaft NGG im Interview mit RBB: „Wir haben eine Zukunft vor uns, wo mitten in jeder deutschen Großstadt ausgebeutete Tagelöhner durch die Gegend fahren.“

Lieferando darf nicht Schule machen. Die Mehrheit der Kuriere sind Migrant:innen. Das Kalkül, ihre allgemeine Einschüchterung macht sie besonders gefügig als Beschäftigte zweiter Klasse.

Ein „Stadtbild“ voller Tagelöhner:innen wollen wir nicht. Einer solchen Entwicklung am Arbeitsmarkt muss der Riegel vorgeschoben werden. Dafür zu kämpfen ist Aufgabe aller Gewerkschaften!

Gegenwehr von Jobcenter bis Werkbank

Warum es im Interesse der Gewerkschaften liegt, sich gegen die »neue Grundsicherung« einzusetzen

Von Sarah Yolanda Koss

Bild: Der Paritätische

In Anspielung auf Merz’ »Herbst der Reformen« mobilisiert ein Bündnis zum »Herbst der Gegenwehr«. Von Freiburg bis Bremerhaven protestieren Erwerbs­losen­gruppen und Gewerkschaften gegen die »neue Grundsicherung«.

»Geplant ist ein Generalangriff auf den Sozialstaat«, schreibt das Bündnis »AufRecht bestehen« in einer Pressemitteilung. Gemeint ist die sogenannte »neue Grundsicherung«, die, wie Anfang Oktober von der Bundesregierung vorgestellt, das Bürgergeld ablösen soll. Bis zu zehn Prozent der ehemaligen Kosten, etwa fünf Milliarden Euro, könne der Staat laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), so einsparen. Einem Papier aus Regierungskreisen zufolge werde die Reform dagegen keine nennenswerten Einsparungen bringen, schreibt die »Zeit«.

Erreichen will die Bundesregierung jene Einsparungen jedenfalls über Sanktionen. Ab einem verpassten Termin beim Jobcenter droht eine Kürzung der Geldleistung um 30 Prozent, ab vier verpassten Terminen sollen Personen in der Grundsicherung alle Leistungen gekürzt werden, inklusive Unterkunftskosten. Wenn Personen ein »zumutbares« Arbeitsangebot ablehnen, drohen »Totalsanktionen«, ihnen werden also alle Geldleistungen gekürzt. Außerdem plant die schwarz-rote Koalition, die Wohnkosten zu pauschalisieren und das Schonvermögen zu streichen, also jene Vermögenswerte, die bei der Beantragung von Bürgergeld nicht berücksichtigt werden.

Sparen will die Bundesregierung auch dadurch, Geflüchteten aus der Ukra­ine anstelle des Bürgergelds Asylbewerberleistungen auszuzahlen. Diese sind niedriger als das Bürgergeld. Der Chef der Arbeitsagentur Nordrhein-Westfalens, Roland Schüßler, bemängelte das zuletzt gegenüber der »Rheinischen Post«: Die Maßnahme führe zu Mehrausgaben, weil dadurch die Arbeitsmarktintegration verzögert werde.

Mit den Sanktionen beim Bürgergeld will SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas an »die Grenzen dessen gehen, was verfassungsrechtlich zulässig ist«. Eine Anspielung auf einen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts von 2019, wonach eine vollständige Streichung von Leistungen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt.

»AufRecht bestehen« wirft die Frage auf, ob die Maßnahmen nicht doch einen Verfassungsbruch darstellen. Laut einem kürzlich veröffentlichten Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes könnte bereits das Bürgergeld einem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts widersprechen. »Statt der steigenden Armut entgegenzuwirken, will die Regierung Erwerbstätige mit durchschnittlichem oder niedrigem Einkommen gegen Erwerbslose, Rentner*innen und andere Menschen mit wenig Geld ausspielen und plant eine weitere Umverteilung von unten nach oben«, kritisiert »AufRecht bestehen«.

Entgegen der kritisierten Ausspielungen fordert das Bündnis aus Erwerbsloseninitiativen und Gewerkschaften, wie der Arbeitskreis Arbeitslosigkeit der IG Metall oder der Sozialhilfeverein Tacheles, diese Woche bei mehreren Informationsveranstaltungen armutsfeste Löhne, Renten und Existenzsicherungsleistungen für alle. Außerdem mehr Qualifizierungen und Weiterbildungen, wie sie ursprünglich im Bürgergeld vorgesehen waren, und bezahlbaren Wohnraum. Finanziert werden soll der Ausbau des Sozialstaats über eine Wiedereinsetzung der Vermögen- und eine Reform der Erbschaftsteuer.

»Wenn Sanktionen erhöht, Leistungen gestrichen werden und Erwerbslose gezwungen sind, jeglichen Job anzunehmen, steigt der Druck auf alle Löhne.«Rainer Timmermann Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen

Dass sich Gewerkschaften nun hinter Erwerbslose stellen, ist per se nicht verwunderlich, schließlich greift die Bundesregierung zum Beispiel mit dem Schonvermögen gewerkschaftliche Errungenschaften an. Zudem gibt es Familien im Bürgergeldbezug, deren unzureichende Löhne durch Sozialleistungen aufgefangen werden.

»Es ist die Kernaufgabe von Gewerkschaften, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen gemeinsam mit ihnen zu verbessern«, so Phi­lipp Singer, Erster Bevollmächtigter IG Metall Berlin, über das Bestreben von »AufRecht« auf nd-Anfrage. »Das schließt auch Menschen ein, die aktuell nicht in Arbeit sind, aber selbstverständlich Teil der Gesellschaft. Daher kämpfen wir auch mit ihnen dafür, dass die Grundsicherung als Abfederung für schwierige Lebenssituationen verbessert wird.«

Die Nullrunden beim Bürgergeld wirken sich auch auf die Grundsicherung im Alter aus, erklärt Ulla Pingel vom Arbeitskreis Rentner*innen mit geringem Einkommen bei Verdi im Gespräch mit »nd«. Der Arbeitskreis fordert bereits länger eine Erhöhung um 200 Euro, weil das Existenzminimum nicht gewährleistet sei.

Das Hauptargument für Gewerkschaften ist aber: »Wenn Sanktionen erhöht, Leistungen gestrichen werden und Erwerbslose gezwungen sind, jeglichen Job anzunehmen, steigt der Druck auf alle Löhne«, so Rainer Timmermann von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen zu »nd«. Das passiert zum Nachteil der Verhandlungsbasis der Gewerkschaften, ergo aller Arbeiter*innen. Ebenso wenn Erwerbstätige fürchten müssen, bei einer Kündigung durch das soziale Netz zu fallen. »Deshalb fordern wir einen funktionierenden Sozialstaat und Teilhabe für alle am Arbeitsmarkt.«

Die neuen Sanktionen werden kaum zu mehr Geld in der Staatskasse führen –und auch nicht zu mehr Beschäftigung. Das ist gar nicht unbedingt das Ziel der Reform. Denn Arbeitslosigkeit ist – neben einem Druckmittel auf Gewerkschaften – auch ein wirtschaftspolitisches Instrument. Könnten Arbeiter*innen bei Vollbeschäftigung höhere Löhne fordern, würden Unternehmen mit höheren Preisen reagieren und eine Lohn-Preis-Spirale nach sich ziehen. Dadurch käme es zu einer hohen Inflation.

Dass die Bundesregierung ein Interesse daran hat, Arbeitslosigkeit zu erhalten, zeigt sich exemplarisch an der »lohnstabilisierenden Arbeitslosenquote« die jedes Jahr im Bundesfinanzministerium berechnet wird. Der Zielwert lag 2024 bei 2,8 Prozent. Der Diskurs um angeblich arbeitsunwillige Bürgergeld-Beziehende verfälscht also die Realität und dient vor allem der Spaltung, wie sie das Bündnis »AufRecht bestehen« kritisiert.

Erstveröffentlicht im nd v. 23.10. 2025
https://nd.digital/editions/nd.DerTag/2025-10-23/articles/20156909

Wir danken für das Publikationsrecht.

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