Permanent bedroht: Frauenrevolution und Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien

Filmvorführung und Infoveranstaltung
Frauenrevolution und Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (Rojava) von allen Seiten bedroht

Eine Veranstaltung des „Geschichtssalon im Beginenhof“ in Kooperation mit dem Städtepartnerschaftsverein Friedrichshain-Kreuzberg –Dêrik e.V.

Donnerstag, 18.7.2024, 19:30 Uhr

 Beginenhof, Erkelenzdamm 51, 10999 Berlin

Auf dem Gebiet der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien ist seit 2012 ein für den Nahen Osten einzigartiges Modell der Gleichberechtigung von Frauen entstanden. Alle wichtigen Positionen, wie z.B. auch das Bürgermeisteramt, sind immer mit einer Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann besetzt. Ausserdem sind alle ethnischen und religiösen Gruppen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil an der Selbstverwaltung beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag, der einer Verfassung entspricht,  sind die auf allen gesellschaftlichen Ebenen diskutierten Ziele und Rechte festgehalten.

Diese demokratischen Errungenschaften werden von allen Seiten, insbesondere durch die Angriffe der türkischen Armee unter Erdogan bedroht. In den vergangenen Jahren hat die Türkei zwei große Gebiete der Selbstverwaltung um Afrin und Serêkaniyê im Verein mit islamistischen Milizen erobert. Die kurdische und christliche Bevölkerung wurde dort weitgehend vertrieben und enteignet, in den Schulen dort wird nur noch auf türkisch und arabisch unterrichtet. Aktuell versucht Erdogan durch permanente Drohnenangriffe gegen die Infrastruktur die geplanten Kommunalwahlen zu torpedieren. Obwohl insbesondere die kurdische Bevölkerung einen hohen Blutzoll im Kampf gegen den IS gezahlt hat, bleibt anders als in anderen Konfliktgebieten der Protest der internationalen Gemeinschaft dagegen aus.

Die Zukunft dieses basisdemokratischen Gesellschaftsmodells ist völlig ungewiss. Die Selbstverwaltung und die Erfolge der Frauenbefreiung in Nord- und Ostsyrien stehen auf dem Spiel. Mit dieser Veranstaltung möchte der Städtepartnerschaftsverein Friedrichhain-Kreuzberg – Dêrik über die basisdemokratischen Ansätze in der Region informieren und die aktuelle Unterstützungsarbeit des Vereins vorstellen.

Nie sicher genug

Gehören Ausbeutung und Polizeigewalt nicht auch zur Unsicherheit, fragt Yossi Bartal.

Yossi Bartal 16.06.2024, ND

Ausgerechnet in einer gleichgeschlechtlichen Sauna habe ich kurz vor der Europawahl Sahra Wagenknecht zu Gesicht bekommen. Leider nicht persönlich, aber ihr Bild mit zurückgekämmtem Haar und einem leichten, wissenden Lächeln strahlte mir vom Cover eines kostenlosen schwulen Männermagazins entgegen, das neben der Bar auslag. »Für eine aufgeklärte Leitkultur«, stand darunter – und ich, verschwitzt nach dem letzten Aufguss, musste unbedingt weiterlesen, was die große Kritikerin liberaler Identitätspolitik dort zu sagen hatte.

Im Interview sprach sie dann überzeugend über die Schaffung von Sozialwohnungen und nicht-kirchlichen Altersheimen als wichtige Elemente im Kampf gegen LGBT-Diskriminierung. Die größte Gefahr für Homosexuelle hierzulande verortete sie dennoch ganz unmaterialistisch in den »radikalen Spielarten des Islam«. Anscheinend gäbe es sogar »Stadtviertel, in denen sich Homosexuelle nicht auf die Straße trauen«. Welche das sein sollen, wurde nicht weiter erläutert. Aber als Neuköllner habe ich so ein Gefühl, hier wollte die ehemalige Linke der kulturkämpferischen Marotte nachgehen, Minderheiten gegeneinander auszuspielen.

Wagenknecht ist nicht allein. Tatsächlich wird in den Medien oft die Vorstellung verbreitet, mein migrantisch geprägter Bezirk sei eine No-Go-Area für Schwule, Juden oder sogar für Frauen ohne Kopftuch. Einmal, als ich zu Recherchezwecken in Greifswald war, wo die AfD soeben mehr als ein Drittel aller Stimmen bekam, wurde ich von einem Barkeeper besorgt gefragt, ob ich keine Angst hätte, so nah an der Sonnenallee zu wohnen. Der süße blonde Mann hatte bis zu unserer Begegnung zwar noch nie einen Juden in echt getroffen, war aber fest davon überzeugt, mein Viertel, wo ich ständig auf Hebräisch-Sprechende und knutschende Queers stoße, sei für mich extrem gefährlich.

Dass mit Unsicherheit Politik gemacht wird, ist keine Neuigkeit. Konservative weltweit haben Ängste vor Straßengewalt und Armutskriminalität stets angeheizt und politisch genutzt, um nach dem starken, strafenden Staat zu rufen. Heute wird jedoch im gesamten politischen Spektrum mit Gefühlen der Unsicherheit gearbeitet – obwohl wir in Europa, historisch gesehen, noch nie so sicher vor Gewaltverbrechen waren wie in den letzten zwei Jahrzehnten.

Mit diesem neuen politischen Verständnis wird zugleich sehr weit und sehr eng definiert, was uns unsicher macht: Während neben körperlicher Gewalt immer mehr eine als verletzend empfundene Sprache als Bedrohung in den Vordergrund tritt, fallen extreme Ausbeutung, Verdrängung und Polizeigewalt kaum unter die Kategorie der Unsicherheit. Dabei ist es nicht überraschend, dass einige staatlich finanzierte Projekte gegen Diskriminierung das Verhalten von Einzelpersonen auf der Straße oder online in den Fokus nehmen, anstatt sich mit institutioneller und ökonomischer Gewalt auseinanderzusetzen.

Nirgendwo wirkt diese Verschiebung im Diskurs so realitätsfern wie in meinem Kiez. Wie sonst lässt sich erklären, dass sich gerade in den Jahren, in denen das Problemviertel als schwulen- und judenfeindlich deklariert wurde, so viele Queers und Juden aus aller Welt hier niedergelassen haben? Nur in meiner Straße gibt es mehr queere Kneipen als in ganz Mecklenburg-Vorpommern, und im Bezirk leben heute mehr Juden, vor allem israelischer und amerikanischer Herkunft, als in einigen Bundesländern zusammen.

Perfekt ist nichts. Auch bei uns gibt es Rassismus, Antisemitismus und Homophobie. In den letzten acht Monaten ist zudem die Stimmung im Bezirk deutlich angespannter geworden, denn die Nachrichten aus Israel und Palästina, wo viele von uns Freunde und Verwandte haben, machen wütend. Die überproportionale Polizeipräsenz im Bezirk, die mit ihren Racial-Profiling-Methoden eher einer Besatzungsmacht ähnelt, macht jedoch niemanden sicherer. Dass in den letzten Monaten nicht nur Araber, sondern auch zahlreiche Juden Opfer von Polizeigewalt wurden, weil sie an pro-palästinensischen Demonstrationen teilnahmen, wird in deutschen Medien nicht einmal als Randnotiz erwähnt.

Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umhöre, sind es letztendlich diese Aktionen der Polizei, neben steigenden Mieten, Kürzungen im Sozialbereich und fehlenden Fahrradwegen, die das Sicherheitsgefühl im Bezirk tatsächlich beeinträchtigen. Besorgt stellen sie jedoch fest, dass man mit keinem dieser Themen Angst vor Ausländern schüren kann und daher nicht als gern gesehener Gast in Fernsehstudios eingeladen wird – im Gegensatz zu einigen unserer Lokalpolitiker.

Der Beitrag von Yossi Bartal ist zuerst am 16.06.2024 im ND erschienen. Wir danken für die Publikationsrechte.

Titelbild Peter Vlatten

Yossi Bartal ist seit 2006 ein begeisterter Wahl-Neuköllner. Aufgewachsen in West-Jerusalem lernte er früh, dass Selbsthass die edelste Form des Hasses ist. Mit einer gesunden Dosis Skepsis gegenüber Staat und Gesetz schreibt er für nd.Digital jeden dritten Montag im Monat über Parallelgesellschaften, (Ersatz) Nationalismus und den Kampf für eine bessere Welt.

Palästinasolidarität – Trauerprozession zu Ehren der Opfer!

Kommt zur Demo am 22.6.,16:00 Uhr , Berlin U-Bahnhof Erberswalderstr. Greta ruft Euch alle auf

TRAUERZUG am Sonntag, den 23.6 um 14:00 Uhr am Alfred-Scholz-Platz, Berlin (zwischen Ubahn Rathaus Neukölln und Karl-Marx-Strasse).
Du bist eingeladen, der Opfer zu gedenken!
Berlin Alte Wache, Trauerfeier für 15 tausend getötete Kinder in GAZA,
Foto Peter Vlatten

Die Einladenen sind: Die Grieving Doves (Trauernde Friedenstauben) zusammen mit @honouringthechildrenofgaza, @pa_allies, @juedischestimme, und @ceasefireactioncommittee Ceas.

18. Juni Liveblock Nahost:  während der sogenannten  "taktischen Feuerpausen":" 50 tausend Kindern drohen weiter zu verhungern,"  +++ Ein neues Massaker. "17 Menschen wurden im zentralen Gazastreifen getötet und Dutzende verletzt, nachdem  im Morgengrauen Wohnhäuser in den Flüchtlingslagern Nuseirat und Bureij bombardiert worden waren." +++ Chaos in Isreal. Der  stellvertretende  Sprecher der Knesset, Nissim Vaturi, soll abgesetzt werden. Er hatte  die israelischen Demonstranten gegen die Netanyahu Regierung als Ableger der Hamas beschimpft. " +++ "Israel bereitet Krieg im Norden gegen Libanon vor" 

„Seid solidarisch mit unseren palästinensischen Brüdern und Schwestern“, schreiben die Veranstalter. „Wir werden der mehr als 45 000 Toten gedenken (source @euromedhr ), die dem anhaltenden Völkermord und der Besatzung zum Opfer gefallen sind.“

„Unsere Prozession wird getragen von Poesie, Gesang, sanfter Musik und der Präsenz von „Filastin“, einem lebendigen Denkmal, das diejenigen ehrt, die in Gaza getötet wurden. „

„Wir laden euch ein, sich uns – falls möglich – mit weißen Flaggen und weißen Kleidern anzuschließen. Der familienfreundliche Zug hat zum Ziel, gemeinsam an die zerstörten Leben zu erinnern und sie zu ehren.“

„Mit unserer Aktion wollen wir aktiv der Gleichgültigkeit und Verleugnung großer Teile der deutschen Öffentlichkeit entgegentreten gegenüber dem, was der Internationale Gerichtshof und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen als möglichen Völkermord identifizieren.“

Start der Demonstration – 14:00 Uhr am Alfred-Scholz-Platz (zwische Ubahn Rathaus Neukölln und Karl-Marx-Strasse) Route: Rathaus Neukölln, Karl-Marx-Straße, Hermannplatz, Sonnenallee, Erkstraße, Rathaus Neukölln , Ende: 18:00 Uhr Rathaus Neukölln.

GAZA nicht vergessen! Nicht Weggucken! Nicht einschüchtern lassen!

19.Juni: Was Abiturienten in Berlin blüht, wenn sie sich für Menschen – und Völkerrecht einsetzen!
Die Schulleitung des   Gymnasiums Tiergarten in Berlin hat die diesjährige feierliche Verleihung der Abiturzeugnisse abgesagt. Die Schulleitung befürchtet  in einem Begründungschreiben "massive konfrontative politische Kundgebungen". Festgemacht wird das daran, dass sich etwa 50 Schüler:innen in einer WhatsApp Gruppe, verabredet haben sollen, aus Protest gegen das fortlaufende Sterben in GAZA mit Palästinatücher bekleidet auf dem Festakt zu erscheinen. [1]https://www.spiegel.de/panorama/bildung/berlin-gymnasium-sagt-abitur-feier-ab-wegen-pro-palaestina-protests-a-036a9d25-ae0f-4c86-8962-1dd0c4527c50 

Das Blut von Verantwortlichen und städtischer Elite geriet angesichts der Vorstellung Palästinatücher tragender Abiturient:innen in Wallung. Polizeischutz? Sicherheitsdienst? Schliesslich Absage der gesamten Feierlichkeiten!
Ein Teil der Presse fordert "nach den Studierenden" jetzt auch gegen die Schüler:innen ein "absolut konsequentes" Durchgreifen. Was gibt es auch "Niederträchtigeres" im heutigen Berlin als Empathie und Solidarität mit 15 000 getöteten Kindern und Jugendlichen in GAZA zu zeigen und in vollem Einklang mit dem internationalen Gerichtshof gegen einen mutmaßlichen Genozid zu protestieren?

Die Senatsbildungsverwaltung hat die Schulaufsicht beauftragt, eine Lösung mit der Schulleitung zu finden. Wie die wohl aussieht? Und was hat Priorität dabei? Geht es um die Rettung von Leben von Kindern und Jugendlichen? Die Würdigung von jungen Abiturienten für ihr Engagement zur Einhaltung von Völker- und Menschenrecht? Oder sollen sie dafür in den Senkel gestellt werden? Oder geht es um die Rettung des Ambientes einer Zeugnisverleihung, bei der alles Hässliche auf dieser Welt wegretouschiert werden soll? Wegschauen hat wieder Hochkultur und "Nie wieder" war gestern?

Wer lang genug sucht, wird bei den Jugendlichen auch sicherlich den einen oder anderen Fehler finden. Wer fehlerlos ist, der werfe den ersten Stein!

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