Jules El-Khatib: »Diese Solidarität verändert uns alle«

Der Rheinländer Jules El-Khatib über zwei Jahre Staatsräson und neue Verbündete

Interview Raul Zelik

Bild: Kölner Friedensforum

Andere Palästinenser hätten es in den vergangenen zwei Jahren schwerer gehabt, betont Jules El-Khatib gleich zu Beginn des Gesprächs. »Ich wurde in einige Medien eingeladen, um dort über meinen Schmerz zu reden. Die meisten Palästinenser*innen dagegen haben die Erfahrung gemacht, dass für ihre Perspektive kein Platz ist.«

Für den 33-jährigen El-Khatib, der an einer Hochschule im Ruhrgebiet Sozialarbeit unterrichtet und an seiner Doktorarbeit schreibt, ist die Ungleichbehandlung offenkundig. »In Deutschland haben wir die größte palästinensische Diaspora Europas. Trotzdem hat sich uns gegenüber kein einziger Bürgermeister, kein Minister solidarisch gezeigt. Und in den Medien wird die Situation in Gaza wie eine Naturkatastrophe dargestellt – dabei werden die Menschen dort gezielt ausgehungert und ermordet.« Besonders schockierend für ihn sei gewesen, als Polizisten auf einer Veranstaltung Gedenkkerzen austraten. »Wir machen ständig die Erfahrung, dass das Leben von Palästinensern weniger zählt als das anderer Menschen.«

Offiziell ist El-Khatib Deutsch-Israeli. Der Vater, der in der palästinensischen Linken aktiv war, emigrierte nach Deutschland, nachdem er in Israel in »Administrativhaft« gesessen hatte – eine Inhaftierung ohne Anklage, die von israelischen Gerichten unbegrenzt verlängert werden kann. Weil auch El-Khatibs deutsche Mutter politisch interessiert war, fand er als Jugendlicher zur Linken. Zehn Jahre lang war er Mitglied in der Partei, vorübergehend auch Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen.

Zu seiner Familie befragt, beginnt El-Khatib sofort eine Fluchtgeschichte zu erzählen. »Das Dorf meines Vaters wurde drei Monate vor Kriegsbeginn 1948 zerstört. Mein Großvater floh in die Nähe von Nazareth, ein Großteil seiner Geschwister nach Gaza, das damals eine reiche Handelsstaat war.« Wie viele palästinensische Familien wurden auch die El-Khatibs durch die Nakba, die Vertreibung 1948, in alle Welt zerstreut. »Von den Verwandten in Gaza sind inzwischen mindestens 20 Angehörige von Israel ermordet worden. Der erste war ein Großcousin im November 2023. Seitdem ist alle paar Wochen jemand gestorben.«

Dabei sei die Gewalt, anders als in Deutschland oft behauptet, nicht erst am 7. Oktober 2023 eskaliert. »In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 wurden 600 Palästinenser von israelischen Militärs oder Siedlern getötet«, sagt er. »Die Lage der Palästinenser*innen war auch schon vor dem Ausbruch des Gazakriegs verzweifelt.«

Aber wie ist eigentlich die Situation palästinensischer Israelis? »Wer die Staatsangehörigkeit besitzt, wird nicht einfach erschossen – wie es in den besetzten Gebieten leider Alltag ist«, erklärt El-Khatib. »Doch die Ungleichbehandlung ist trotzdem enorm. Als Kind dachte ich immer, Israel sei ein sehr armes Land – weil es in den palästinensischen Ortschaften kaum Infrastruktur gibt. In dem Dorf, aus dem die Familie meines Vaters stammt, gibt es eine der höchsten Quoten an ausgebildeten Ärzten pro Bevölkerung, aber keine asphaltierten Straßen. Und über jeder palästinensischen Ortschaft liegt eine jüdische Siedlung – von der die Bewohner im Notfall herunterschießen können.«

»Es kann niemals antisemitisch sein, gegen Menschenrechtsverletzungen zu protestieren.« Jules El-Khatib  Hochschuldozent

Auf die umstrittenen Vergleiche Israels mit dem Apartheid-Regime in Südafrika angesprochen, bemüht sich der Rheinländer um eine differenzierte Antwort. Was die Behandlung der Bevölkerung im Westjordanland angehe, seien sich Experten einig, dass der Begriff Apartheid berechtigt sei. Für die Menschen in Israel sei es komplexer. »Es gibt seit 2019 Gesetze, die es Israelis mit arabischer Herkunft untersagen, in jüdische Ortschaften umzuziehen. Und auch in anderer Hinsicht unterscheidet der israelische Staat ganz offiziell zwischen Juden, Araber und Drusen. Dass Menschen mit derselben Staatsbürgerschaft nicht dieselben Rechte besitzen, hat man in den vergangenen 50 Jahren eigentlich nur in einem Land erlebt, nämlich in Südafrika«, erklärt El-Khatib. Insofern weise Israel durchaus Merkmale eines Apartheid-Regimes auf. »Aber es gibt natürlich auch wichtige Unterschiede: In Israel kann man zum Beispiel immer noch auf gemeinsame Schulen gehen, auch wenn Rassismus und Diskriminierung Alltag sind. Und auch Arbeitsverbote gibt es für Palästinenser nur im militärischen und in einigen industriellen Bereichen.«

Trotzdem unterscheide sich die Realität der drei Bevölkerungsgruppen enorm. »Die Aufklärungsrate von Morden liegt in jüdischen Communitys bei 95 Prozent, in palästinensischen bei unter zwanzig«, sagt El-Khatib und verweist auf Gaza, wo die israelische Armee unlängst sogar kriminelle Banden mit Waffen ausrüstete, um die Bevölkerung kontrollieren zu können. »Außerdem gibt es große Unterschiede bei der Finanzierung sozialer Infrastrukturen. Für Schulen in palästinensischen Vierteln gibt Israel beispielsweise nur ein Viertel dessen aus, was für Schulen in jüdischen Ortschaften vorgesehen ist.«

Hat sich sein Blick auf jüdische Israelis mit dem Gazakrieg verändert, will ich wissen. »Mit der Mehrheitsgesellschaft, die rechts wählt, verbindet mich nichts«, sagt er. »70 Prozent der Israelis befürwortet die ethnische Säuberung des Gaza-Streifens. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben – das sind Rassisten. Aber kein palästinensischer Abgeordneter war in der Knesset so mutig wie Ofer Cassif – ein jüdischer Israeli. Und auch die jungen Menschen, die lieber in den Knast gehen, als sich als Soldaten am Genozid zu beteiligen, machen mir Mut.«

Überhaupt seien mit dem Krieg neue Bündnisse entstanden. »Unsere verlässlichsten Partner sind heute progressive Jüdinnen und Juden. In Berlin wurden antizionistische Juden von der Polizei verprügelt, in den USA haben Organisationen wie Jewish Voice for Peace das Kapitol blockiert. Was wir bei ihnen an Empathie und Nächstenliebe gespürt haben, ist unglaublich.« Auch die queere Bewegung erwähnt El-Khatib. »Viele von ihnen waren auf der Straße und haben allen, die vom Genozid betroffen sind – nicht nur den progressiven Palästinensern –, ihre Solidarität gezeigt. Das hat ihnen sicherlich Überwindung gekostet. Aber diese Art von Solidarität verändert uns alle. Wenn man zusammen für Gerechtigkeit kämpft, baut das Vorurteile massiv ab.«

Auf einmal klingt der 33-Jährige fast ein wenig enthusiastisch. »Auf Palästina-Demos sieht man heute keine saudischen oder ägyptischen Fahnen mehr, sondern Symbole des Internationalismus, Friedensfahnen, Banner jüdischer Organisationen.« Trotz allen Leids könne das die Geburt einer internationalistischen Bewegung sein, meint er.

Und welche Rolle hat die deutsche Linke gespielt? Der ehemalige nordrheinwestfälische Landesvorsitzende ringt um eine Antwort. »Es gibt wichtige Ausnahmen, aber die meisten haben sich nicht getraut, eine klare Position zu beziehen – aus Angst, als Antisemiten bezeichnet zu werden.« Für El-Khatib war das Ausdruck mangelnder Zivilcourage. »Es kann niemals antisemitisch sein, gegen Menschenrechtsverletzungen zu protestieren«, sagt er. Dass führende deutsche Linke noch auf Pro-Israel-Demonstrationen sprachen, als schon Tausende in Gaza ermordet worden waren, macht ihn immer noch fassungslos.

Unter Generalverdacht

Verbote palästinensischer Symbole und Veranstaltungen gibt es nicht erst seit dem Hamas-Angriff im Oktober 2023. Bereits eineinhalb Jahre zuvor untersagte die Berliner Polizei mehrere Kundgebungen zum Gedenken an die Vertreibung der Palästinenser 1948.
Mit der Eskalation des Gazakriegs hat der Druck allerdings deutlich zugenommen. Nachdem ein Jugendlicher im Tumult …

Und was ist mit der innerpalästinensischen Entwicklung? Als linkem Palästinenser müsse ihm das Erstarken der Hamas doch auch Sorgen machen. »Für uns geht es im Augenblick nur darum, den Genozid zu beenden«, sagt El-Khatib. »Alle politischen Konflikte sind demgegenüber in den Hintergrund getreten. Ich glaube allerdings auch nicht, dass die palästinensische Gesellschaft so weit nach rechts gerückt ist.« Wenn Israel Marwan Barghouti, der ein linker Sozialdemokrat sei, aus der Haft entlassen und Wahlen zulassen würde, würde Barghouti sie gewinnen, gibt sich El-Khatib überzeugt. »Die Stärke der Hamas bei den letzten Wahlen, vor fast 20 Jahren, beruht auf dem Scheitern des Oslo-Prozesses und dem teilweise unnachvollziehbaren Verhalten der Autonomiebehörde.« Die palästinensischen Autoritäten unternähmen nichts gegen die Willkür der Siedler und hätten die Bevölkerung dadurch in die Arme der Hamas getrieben. »Im Westjordanland übrigens noch stärker als in Gaza.«

Aber wird die Hamas von Teilen der Palästina-Solidarität nicht regelrecht gefeiert, wende ich ein und verweise auf die Verwendung roter Dreiecke in sozialen Medien. »Gewalt gegen Zivilisten ist für mich absolut inakzeptabel«, stellt El-Khatib klar. »Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Gewalt in der palästinensischen Community gefeiert oder romantisiert wird. In der Diaspora beobachte ich eigentlich nur Verzweiflung.«

Es dauert über eine Stunde, bis wir auf die obligatorische Frage nach möglichen Auswegen aus dem Nahostkonflikt zu sprechen kommen. »In Verteidigung der Zweistaatenlösung muss man wohl sagen, dass heute leider alle Lösungen unrealistisch erscheinen«, antwortet El-Khatib. »Jeder positive Ansatz – Zweistaatenlösung, Ein-Staat-Lösung, Konföderation, demokratische Union – ist heute schwer vorstellbar. Das Einzige, was realistisch erscheint, ist die Zerstörung Palästinas.«

Also sei er nicht mehr von dem gemeinsamen laizistischen Staat für alle überzeugt, den die palästinensische Linke einst propagierte? »Das war vielleicht ein aussichtsreiches Vorhaben, als der Hass noch nicht so groß war«, sagt El-Khatib. »Aber wie soll das heute funktionieren, wo 70 Prozent der Israelis den Palästinensern das Lebensrecht absprechen? Umgekehrt aber kann die Idee, dass Nationalstaaten ethnisch homogen sein sollten, nirgends in der Welt progressiv sein. Weder in Deutschland noch in Palästina.« Wahrscheinlich sei es für solche Debatten einfach der falsche Augenblick, schiebt er nach einer Pause hinterher. »Heute geht es darum, den Massenmord zu stoppen und die Menschenrechte für Palästinenser wieder durchzusetzen.«

Jules El-Khatib

privat

Jules El-Khatib ist Hochschullehrer und Mitinitiator der Demonstration »All Eyes on Gaza«.

Erstveröffentlicht im nd v. 25.9. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194308.palaestina-jules-el-khatib-diese-solidaritaet-veraendert-uns-alle.html?sstr=Zelik

Wir danken für das Publikationsrecht.

Kommt zur Demo „Zusammen für Gaza“. Mitglieder aus den Gewerkschaften erklären warum!

Letzte Woche hat der Vorstand der GEW Berlin beschlossen, die Berliner GEW Kolleg:innen zur Teilnahme an der Demonstration „Zusammen für Gaza“ aufzurufen. Wir berichteten.

Seitdem durchbrechen immer mehr Kolleg:innen die Mauer des Schweigens, die die Führungen der DGB Gewerkschaften im Gegensatz zur internationalen Gewerkschaftsbewegung vor einer klaren Verurteilung der scheusslichen Kriegsverbrechen in Gaza hochgezogen haben. Es muss ganz deutlich gesagt werden: Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord läuft Neutralität in letzter Konsequenz darauf hinaus, Kriegsverbrecher gewähren zu lassen.

Aktuell Report von der Großdemo und unserem Gewerkschaftsblock „Signal aus Berlin – keine Komplizenschaft mit Völkermördern!
Hier eine Auswahl von Erklärungen von Gewerkschafter:innen

„Nahezu alle Schulen und Universitäten in Gaza wurden zerstört. Mindestens 20.000 Kinder wurden vom israelischen Militär getötet. Über 650.000 Schulkinder haben keinen Zugang zu Bildung. Als Lehrer:innen und Gewerkschafter:innen in der Stadt mit der gröẞten palästinensischen Community Europas, empfinden wir es als unsere Pflicht am 27.09.
zusammen für Gaza auf die Straẞe zu gehen und uns aktiv gegen den Genozid an den Palästinenser:innen zu stellen .“(Willi Hertelt GEW, Pankow, Konstantin Kieser- GEW Mitte und Marén Wiese- GEW Marzahn-Hellersdorf)

Die ver.di Betriebsgruppenvorstände von Charité und Vivantes erklären: „Wir rufen unsere Kolleg:innen und alle Gewerkschaftsmitglieder dazu auf gemeinsam am 27.9. auf die Straẞe zu gehen. Gesundheitsarbeiterinnen und die Infrastruktur der Gesundheitsversorgung in Gaza werden gezielt angegriffen. Wir können dabei nicht noch länger zusehen und deshalb braucht es jetzt unser gemeinschaftliches, geschlossenes Handeln gegen einen mit nichts zu rechtfertigenden Krieg. Wir stehen an der Seite unserer Kolleginnen in Gaza. Wir stehen für humanitäre Grundsätze ein, die für alle Menschen gelten. Deshalb jetzt und immer: Die Waffen nieder!“

Yusuf AS – ver.di Migrationsrat meint: „Lasst es uns nicht Genozid nennen!“ höre ich immer wieder. Wird dadurch das Aushungern von fast zWei Millionen Menschen besser, wird das Töten zehntausender Menschen dadurch harmloser, wird die Vertreibung von Hunderttausenden dadurch weniger schlimm? Nenne es Wie du willst. Gegen das was in Gaza passiert, müssen Wir etwas tun. Gerade als Gewerkschafterlnnen. Denn „,Nie wieder!“ gilt für alle. Kommt zu unserem Block am 27.09 25.“

„Wenn Bombenteppiche auf Zivilisten als ,Selbstverteidigung Massentötungen an Ausgabestellen als humanitär‘ und das Aushungern von zwei Millionen Menschen als ,Kampf gegen die Hamas‘ herbeigelogen werden, dürfen wir nicht länger schweigen. Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität sind unsere gewerkschaftlichen Prinzipien. Fordern wir sie am 27.9. ein. Keine „Riviera des Nahen Ostens“ auf den Gräbern der Palästinenser:innen!“ ( mehrere Kolleg:innen IG Bau und Jörn Rieken Vorstandsmitglied IG Bau Berlin )

„Krankenhäuser sollen dem Heilen und Lindern dienen, sie dürfen keine militärischen Ziele sein. Beschäftigte und Patient:innen müssen geschützt werden.
Das muss überall auf der Welt gelten auch in Gaza. Darum werde ich an der Demonstration am 27.9. teilnehmen.“ (Micha- Gesundheitsarbeiter in Berlin und in ver.di)

„Unsere Geschwister in Gaza werden ausgelöscht von einer High Tech Armee, ausgerüstet von Technologiekonzernen die daran Milliarden verdienen. Auch in deutschen Büros werden Technologien entwickelt, die in Gaza eine dystopische Kriegsführung und den Genozid in diesem Ausmaẞ erst ermöglichen.
Spätestens jetzt: Keine Technologie für Völkermörder! Waffenembargo und Sanktionen jetzt! Am 27.09. auf die Straẞe für Gaza!“ (Arbeiter bei Amazon und Aktivist für No Tech for Apartheid)


In unserem großen Automobilwerk arbeiten Kolleg:innen aus über 150 Nationen. Nur wenn wir zusammenhalten, können wir unsere Interessen gegenüber dem Kapital durchsetzen.

Da ist es nicht scheiẞegal, ob den Familien und Freund:innen unserer Kolleg:innen groẞes Unrecht in Ihren Herkunftsländern widerfährt – wie aktuell mit Unterstützung der deutschen Regierung in Palästina. Internationale Solidarität – hier und heute besonders gegen die Barbarei in Gaza – gehört zum Rückgrat unserer Kämpfe. Einer für Alle und Alle für Einen.

Auẞerdem fragen viele: wer heute einen Genozid unterstützt, wie geht der mit uns um, wenn sich die Widersprüche hierzulande zuspitzen?

Deshalb am 27.9. auf die Demo als „Gewerkschafter:innen zusammen für Gaza“
(Peter Vlatten, IG Metall, ehemals Vertrauenskörperleitung Daimler Stuttgart,Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin)

Als ver.di-Betriebsgruppe der Freien Universität erklären wir:

Schulen, Hochschulen, Studierende und Mitarbeitende in Gaza werden gezielt angegriffen. Universitäten, Bibliotheken und Forschungsinfrastrukturen werden zerstört – damit wird der Zugang zu Bildung und Wissenschaft systematisch untergraben.

Wir können dabei nicht länger zusehen. Deshalb braucht es jetzt unser gemeinsames, geschlossenes Handeln gegen einen mit nichts zu rechtfertigenden Völkermord.

Wir stehen an der Seite unserer Kolleg:innen, Studierenden und Wissenschaftler:innen in Gaza. Wir stehen für das Recht auf Bildung und für humanitäre Grundsätze ein, die für alle Menschen gelten.

Deshalb jetzt und immer: Die Waffen nieder!

Was in Gaza geschieht ist die größte Schweinerei, die ich in meinem Leben mit ansehen musste! Internationale gewerkschaftliche Solidarität – wenn nicht hier! Kampf gegen Rechts und Faschismus – wenn nicht hier! Kampf gegen Aufrüstung und Krieg – wenn nicht hier! Ich hoffe, dass am Samstag viele meiner verdi Kollegen Gesicht zeigen! (Georg Heidel, BSR Berlin, ver.di, Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin)

Uns wird Empathie gelehrt – doch wo ist sie für Gaza?

Als Sozialarbeiter*innen begleiten wir Kinder und Jugendliche, die Schutz, Sicherheit und Geborgenheit brauchen. In Gaza aber werden diese ihrer Lebensgrundlagen beraubt:

  • 96 % leben in ständiger Todesangst.
  • Kinder und Jugendliche verlieren Familie und Freund*innen, werden schwer traumatisiert und haben keinen Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung oder sicherem Wohnraum.
  • Traumata werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Kinder und Jugendliche haben ein unveräußerliches Recht auf Entwicklung und eine Zukunft in Würde. Das gilt für Deutschland – aber genauso für Palästina. Soziale Arbeit bedeutet Augen öffnen, Brücken bauen und Solidarität leben.Deshalb gilt: Keine Neutralität angesichts von Genozid.

Empathie darf nicht an Grenzen enden!

(Gizem – Sozialarbeiterin in der Kinder- und Jugendarbeit,
Lisa – angehende Sozialarbeiterin in einer Schule)

Weitere Informationen zur Demo „Zusammen für Gaza“

„Es geht auch um unsere Arbeit hier vor Ort. Ich arbeite mit Familien und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, die sich nicht trauen mit mir darüber zu sprechen, was eigentlich mit den Palästinenser:innen passiert. Das ist echt ein Problem. Ich mach das Thema auf, spreche an der Stelle bewusst von Palästina und nicht Israel und erst dann trauen sie sich. Oft aus Sorge bzw. Angst, dass ich sie nicht ernst nehme, bzw repressiere. Und das, obwohl sie Angst vor dem haben, was dort passiert und oft nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Überrollt von Gefühlen, die sie nicht einordnen können. Und der Angst vor Krieg.

(Sozialarbeiterin in Berlin und Aktiv in der GEW)

Ich bin IG Metaller aus dem Automobilbereich. Meine Frau wurde auf der diesjährigen 1.Mai Demo festgenommen, weil sie ein Plakat mit der Aufschrift „Jüd:in gegen Genozid“ hochhielt. Die umstehenden IG Metall Kolleg:innen waren empört. Das ist nicht nur, dass deutsche Behörden wieder gegen nicht genehme Jüd:innen vorgehen, sondern es ist auch aktive Komplizenschaft deutscher Staatsorgane mit den Völkermördern. Deshalb erst recht, morgen zusammen für Gaza!“ (Kurt Weissenboeck, IG Metall)

Gewerkschaftlicher Treffpunkt am 27.September: ab 13:30 Uhr bis14:30 Uhr treffen wir uns und reihen uns ein in den internationalen Teil der Demo bei der Marienkirche!

Achtung: Der ursprüngliche Treffpunkt Marx-Engels-Statue gegenüber dem Neptunbrunnen fällt wegen Absprerrungen weg!


SOLIDARITÄTSERKLÄRUNG DER ITF MIT DER GLOBALEN SUMUD-FLOTTILLE

Presseerklärung der Internationalen Transportarbeiterföderation

Von Jochen Gester & Kurt Weiss

Mo ist Hafenarbeiter in Hamburg, Gewerkschaftsmitglied, politisch engagiert – und Palästinenser. In einem Interview mit „Perspektive“ online erzählt er, was er seit der Eskalation in Gaza bei ver.di erlebt: Schweigen, Ausweichen, Ausschluss. Klare Worte und Taten angesichts der katastrophalen Lage und genozidalen Kriegsführung der israelischen Armee in Gaza bleiben von der DGB-Gewerkschaft weiter aus. Mitunter befleißigen sich einzelne Funktionäre sogar der Denunziation. Besonders hervorgetan hat sich hier der Geschäftsführer der dju, der palästina-solidarische Gewerkschaftskollegen in den sozialen Medien als Antisemiten stigmatisiert. In der internationalen Gewerkschaftsbewegung dürfte dieses Verhalten auf absolutes Unverständnis stoßen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Stellungnahme der ITF, der internationalen Transportarbeiterföderation, zu der auch ver.di gehört. Sie spricht auch im Namen des deutschen Verbandes, der es aber offensichlich vorzieht, darüber im eigenen Land Stillschweigen zu praktizieren. Umso mehr sollten es unsere Kolleginnen und Kollegen von ver.di als Ermutigung empfinden und am Samstag auf der Demo „All Eyes on Gaza“ deutlich Gesicht zeigen.

„Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), die über 16,5 Millionen Transportarbeiter in 150 Ländern vertritt, steht in unerschütterlicher Solidarität an der Seite der Globalen Sumud-Flottille und all jener, die mit dem einzigen humanitären Ziel in See stechen, lebensrettende Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.

Wie so viele andere internationale Initiativen ist die Globale Sumud-Flottille ein rechtmäßiger, friedlicher Akt der Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen die vom Staat verhängte Kollektivstrafe für mehr als zwei Millionen Palästinenser – ein klarer und anerkannter Verstoß gegen das Völkerrecht.

Paddy Crumlin, Präsident der ITF, erklärte: „Die Global Sumud Flotilla kommt zu einem außerordentlich wichtigen Zeitpunkt für die internationale Gemeinschaft, um das bedrängte und unterdrückte Volk Palästinas zu unterstützen.

Die Flottille verkörpert Mut und Entschlossenheit, Hilfe zu leisten und die schrecklichen, anhaltenden Folgen militärischer Aktionen zu lindern. An Bord befinden sich auch Mitglieder der ITF – darunter auch meine eigene Gewerkschaft, die Maritime Union of Australia –, die dort aktiv werden, wo Regierungen ihrer Verantwortung für die Menschenrechte nicht nachkommen.

Wir sind uns der entscheidenden Bedeutung dieser und vieler ähnlicher Aktionen für die Förderung eines dauerhaften Friedens bewusst. Internationale Verbrechen müssen beendet, Völkerrecht und Menschenrechte gewahrt werden, und das palästinensische Volk muss Gerechtigkeit und Frieden erfahren, einschließlich der Anerkennung seines eigenen Staates. Allen, die entschlossen sind, dieses Ergebnis zu erreichen, senden wir unsere volle Kraft, Unterstützung und Solidarität.“

Zivilgesellschaftliche Konvois wie die Madleen und die Handala wurden bereits von israelischen Streitkräften in internationalen Gewässern gewaltsam abgefangen – ein unrechtmäßiges Vorgehen, das gegen das Völkerrecht verstößt. UN-Sonderberichterstatter haben es klar formuliert: Die Bevölkerung von Gaza hat das Recht, in ihren Hoheitsgewässern Hilfe zu erhalten, und Israel darf die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) garantierte Freiheit der Schifffahrt nicht beeinträchtigen.

Das humanitäre Völkerrecht, einschließlich der Genfer Konventionen, verlangt den freien Durchgang humanitärer Hilfe und verbietet die Behinderung von Hilfsmaßnahmen. Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu Gaza seit 2023 bekräftigen die Notwendigkeit eines ungehinderten humanitären Zugangs. Im Rahmen der Völkermordkonvention hat der Internationale Gerichtshof (IGH) verbindliche einstweilige Maßnahmen erlassen, die Israel verpflichten, Völkermord zu verhindern, direkte und öffentliche Anstiftung zum Völkermord zu ahnden und humanitäre Hilfe sicherzustellen. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) stellt klar, dass das Aushungern von Zivilisten und die vorsätzliche Behinderung von Hilfslieferungen als Kriegsverbrechen strafbar sind.

Stephen Cotton , Generalsekretär der ITF, erklärte: „Jeder Versuch, die Globale Sumud-Flottille zu blockieren, anzugreifen oder zu kriminalisieren, ist illegal, unmoralisch und nicht zu rechtfertigen. Die ITF steht an der Seite derjenigen, die ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Sicherheit riskieren, um der vom Hunger bedrohten Zivilbevölkerung Hilfe zu leisten. Das Völkerrecht ist eindeutig: Die Menschen in Gaza müssen ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe haben. Regierungen, Institutionen und die Industrie müssen jetzt aktiv werden, um sicherzustellen, dass Hilfe geleistet und Leben gerettet werden.“

Die ITF verurteilt die jüngsten Drohnenangriffe auf die Globale Sumud-Flottille aufs Schärfste – darunter die nächtlichen Angriffe, über die in den internationalen Medien berichtet wurde, sowie frühere Angriffe in der Nähe von Tunesien. Sie gefährden das Leben von Besatzung und Freiwilligen und gefährden die sichere Lieferung humanitärer Hilfe. Diese Angriffe stellen einen direkten Angriff auf das Völkerrecht, die Freiheit der Schifffahrt und die Sicherheit auf See dar.

Wir fordern Israel auf, das Völkerrecht zu respektieren, indem es der Global Sumud Flotilla freie Durchfahrt gewährt und die Kriminalisierung von Besatzung, Freiwilligen und humanitären Aktivisten beendet. Wir bekräftigen die palästinensische Selbstbestimmung und lehnen die Kriminalisierung von Solidarität ab. Unsere Bewegung steht an der Seite palästinensischer Arbeiter und Mitglieder der Zivilgesellschaft, die ihr Recht auf Leben, Würde und Bewegungsfreiheit einfordern.

Unsere Forderungen für die Globale Sumud-Flottille:

  • Respekt vor dem Völkerrecht – UNCLOS, Genfer Konventionen, Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und die verbindlichen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs.
  • Ungehinderter humanitärer Zugang – die kostenlose und sichere Lieferung lebenswichtiger Hilfsgüter an die belagerte Bevölkerung des Gazastreifens.

Wir wiederholen außerdem unsere früheren Forderungen nach Frieden, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht:

  • Fordern Sie alle Staaten auf, die Entscheidungen des IGH unverzüglich umzusetzen.
  • Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand.
  • Die bedingungslose Freilassung aller Geiseln und Gefangenen, die ohne ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren festgehalten werden.
  • Ein Ende der illegalen Besetzung der palästinensischen und arabischen Gebiete, die seit 1967 besetzt sind.
  • Umsetzung der Resolutionen 242 und 338 des UN-Sicherheitsrates und einer Zweistaatenlösung auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Frieden.
  • Volle Rechenschaftspflicht für alle internationalen Verbrechen, auch durch den Internationalen Strafgerichtshof.
  • Ein Ende der Straflosigkeit der Unternehmen, die von Besatzung und Krieg profitieren.
  • Eine sofortige Öffnung aller Grenzen, um Konvois mit Nahrungsmitteln und humanitärer Hilfe in alle Teile des Gazastreifens zu ermöglichen.“

Presseerklärung der ITF vom 23. 9. 2023
https://www.itfglobal.org/de/node/201398

Deutsche Übersetzung des Textes

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