Trump gefährdet den Weltfrieden

Auf die Gesamtproblematik in GAZA, hat der Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, Nazih Musharbash eine ausführliche Presseerklärung abgeben:

Mit Trump wurde ein Präsident ins Weiße Haus gewählt, der bereits in seinen ersten Amtshandlungen mit Gebietsansprüchen auf Kanada, den Panamakanal und Grönland seine
Verachtung für internationale Verträge und internationales Recht unter Beweis gestellt hat.
Jetzt hat er zusätzlich amerikanische Gebietsansprüche auf den Gazastreifen erhoben. Gaza soll zu einem internationalen Ferienparadies, einer „Rivièra für die Menschen der Welt“, und damit zum Investitionsobjekt internationaler Immobilienhaie à la Trump werden. Die in Gaza lebenden Palästinenser und eigentlichen Besitzer des Landes sollen gegen ihren Willen in die Nachbarländer Ägypten und Jordanien umgesiedelt werden. Damit wird der legitimer Forderung der Palästinenser auf einen eigenen souveränen Staat der Todesstoß versetzt. Für die Kosten der Umsiedlungsaktion sollen die arabischen Golfländer aufkommen
.

Proteste der betroffenen arabischen Regierungen interessieren ihn nicht. Zur Not will er seinen Plan über direkte militärische Intervention durchsetzen.

Hier geht es zur ausführlichen Pressemitteilung:

Der verschwiegene Krieg

Warum unsere Solidarität gefragt ist

Der Hintergrund des Westsahara-Konflikts

Von Saleh Sid Mustafa
(Der Autor ist stellvertretender Beauftragter der Frente PoIisario für Deutschland)

Berlin Januar 2025

Bilder: Laura Schmidt

Die Westsahara, ehemalige spanische Kolonie, liegt im Nordwesten Afrikas, grenzt nördlich an Marokko, im Süden an Mauretanien und im Osten an Algerien. Der gesamte Westen des Landes liegt an der atlantischen Küste. El Aaiùn ist die sahrauische Hauptstadt. Das Gebiet ist reich an Bodenschätzen, u.a. befinden sich die weltweit größten Phosphatvorkommen, notwendig für die Düngemittelherstellung, in der besetzten Westsahara. Die Atlantikküste ist reich an Fischvorkommen.

Die marokkanische Besetzung der Westsahara im 1975 zwang einen Großteil der sahrauischen Bevölkerung (200.000), aus dem Land zu fliehen und im Südwesten Algeriens Schutz zu suchen, wo sie ihre Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt Tindouf (Südwest Algeriens) errichteten.

In den von Marokko besetzten Gebieten ist die sahrauische Bevölkerung seit Jahrzehnten Enteignungen und Repressionen ausgesetzt. Wie von einer Vielzahl internationaler und lokaler Organisationen dokumentiert, sind viele Sahrauis Opfer verschiedener Formen von Gewalt geworden, vor allem wegen ihres politischen Engagements. So gibt es in der besetzten Westsahara u.a. geheime Foltergefängnisse, in denen Gefangene über Jahre verschwinden.


Marokko hat ein Nachrichtenembargo über das Gebiet verhängt. Weder Journalisten noch Menschenrechtsorganisationen ist es erlaubt in die besetzte Westsahara einzureisen oder gar über die Menschenrechtssituation zu berichten. Vertreter von NGOs die es dennoch versuchen, werden sofort ausgewiesen.

Bemerkenswert ist es, dass dies unter den Augen der UNO und der europäischen Union passiert. Die UNO ist mit ihrer Mission “Minurso” seit 1991 in der besetzten Westsahara aktiv, mit dem Auftrag das zugesicherte Referentum zu organisieren und zu überwachen. Ein Mandat für die Menschenrechte, weltweit einmalig, hat sie nicht.

Inzwischen haben die marokkanischen Behörden das Gebiet mit Tausenden von marokkanischen Siedlern überschwemmt und damit die einheimische Bevölkerung zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land gemacht.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass der Konflikt in der Westsahara kein gesellschaftlicher, kommunaler, ethnischer, religiöser oder Klassenkonflikt ist. Vielmehr handelt es sich um einen Konflikt politischer Natur.

Auch die Westsahara-Frage wird von den Vereinten Nationen als eine Frage der Entkolonialisierung betrachtet. Daher befindet sich das Gebiet seit 1963 auch auf der UN-Liste der nicht selbstverwalteten Gebiete, die noch entkolonialisiert werden müssen.

Ende der 80er Jahre erkannte König Hassan II. angesichts der enormen Kriegskosten, die in Marokko entstanden waren, dass ein militärischer Sieg in der Westsahara nicht möglich war. Deshalb haben die beiden Konfliktparteien, die Frente POLISARIO und Marokko, einen von der UN vorgeschlagenen Friedensplan akzeptiert, der nach 16 Jahren bewaffneten Konflikts (1975-1991) eine friedliche Lösung ermöglichen sollte. Der Beilegungsplan sah einen Waffenstillstand vor, auf den ein freies und faires Referendum über die Selbstbestimmung folgen sollte, das ohne militärische oder administrative Zwänge abgehalten werden sollte, um der Bevölkerung der Westsahara in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit zu geben, zwischen Unabhängigkeit und Vereinigung mit Marokko zu wählen. Zu diesem Zweck errichtete der UN-Sicherheitsrat am 29. April 1991 unter seiner Aufsicht die MINURSO-Mission. Sie wurde in das Gebiet entsandt, um den Waffenstillstand, der am 6. September 1991 in Kraft trat, zu überwachen und das Referendum zu organisieren.

Trotz aller Widrigkeiten gelang es der MINURSO im Januar 2000, die Liste der Wahlberechtigten für das Referendum zu erstellen und damit den Weg für die Abstimmung zu ebnen. Genau zu diesem Zeitpunkt erklärte Marokko, dass es nicht mehr gewillt sei, das Referendum über die Selbstbestimmung durchzuführen, offensichtlich aus Angst, an der Wahlurne zu verlieren.

20 jahre später, als Marokko am 13. November 2020 den Waffenstillstand von 1991 verletzte, nachdem es jahrelang das Referendum über die Selbstbestimmung behindert hatte, erklärte die POLISARIO-Front, dass sie gezwungen sei, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch zu machen, und sie folglich den bewaffneten Befreiungskampf wieder aufnehmen werde. Infolgedessen ist das Gebiet der Westsahara zu einer Zone des offenen Krieges geworden. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien, entlang der illegalen marokkanischen Militär Mauer, werden in der Westsahara fortgesetzt und intensiviert.

Auch deutsche Konzerne sind in der Westsahara aktiv und unterstützen das marokkanische Regime. Ganz vorne dabei ist Siemens. Mit ihrem Tochterunternehmen Siemens Gamesa Energy (SGRE) werden Windräder für den Windpark Boujdour verschifft. Dies wird der fünfte Windpark, der unter Siemens Beteiligung in Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht unter Missachtung der Rechte des Volkes der Westsahara entsteht. Die bisherigen Windparks liefern unter anderem Strom für die Phosphatminen in der Westsahara, die marokkanische Staatsunternehmen völkerrechtswidrig ausbeuten.

Weitere deutsche Unternehmen die in der besetzten Westsahara aktiv sind, sind Heidelberg Materials, Thyssenkrupp AG, Continental Contitech, Köster Marine Proteins GmbH und DHL

Was ist die EUCOCO und was ist ihr Ziel?

Der Europäische Koordinator für die Unterstützung und Solidarität mit dem saharauischen Volk, kurz EUCOCO, wurde 1975 in den Niederlanden bei einem Treffen von 12 Personen aus verschiedenen Ländern gegründet. der durch die ständige Arbeit einer Gruppe von Vertretern nationaler Solidaritätsgruppen, der so genannten Task Force, aktiv bleibt. Den Vorsitz führt seit 1975 Pierre Galand, ein ehemaliger belgischer Senator. Das Sekretariat befindet sich in Brüssel beim Belgischen Komitee zur Unterstützung des saharauischen Volkes.

Ziel der EUCOCO ist es, in Zusammenarbeit mit der Frente POLISARIO die europäische Solidaritätsbewegung mit der saharauischen Sache zu inspirieren, zu unterstützen und zu stärken und ihre Intervention mit den wichtigsten internationalen Organisationen zu koordinieren, die für die Schaffung der Bedingungen verantwortlich sind, die es dem saharauischen Volk ermöglichen, sein Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit auszuüben.

Jedes Jahr organisiert die EUCOCO eine Konferenz, als das wichtigste Ereignis des Jahres für die internationale Bewegung der Solidarität mit dem saharauischen Volk.

Seit mehr als 30 Jahren bringt die Konferenz jährlich zwischen 200 und 400 Aktivisten und Vertreter von Solidaritätsorganisationen, Verbänden und NGOs, Gewerkschaften, Wissenschaftlern und gewählten Vertretern aus verschiedenen europäischen Ländern und anderen Teilen der Welt zusammen.

Auch am 29. und 30. November 2024 fand die 48. Konferenz der EUCOCO in Lissabon statt. TeilnehmerInnen waren ParlamentarierInnen und BotschafterInnen vor allem aus dem globalen Süden, WissenschaftlerInnen NGOs und AktivistInnen.

Der Tagungsort war nicht zufällig gewählt. In Portugal jährte sich im April die Nelkenrevolution zum 50. Mal, die dem portugiesischen Kolinialismus und Faschismus ein Ende setzte.

Am Freitag, den 29.November fand bereits am Vormittag ein Konferenz mit internationalen GewerkschaftlerInnen statt. Es waren VertreterInnen aus Afrika, Lateinamerika, wie z.B. USTN Niger, UNTA Angola, Vertreter aus Honduras, Frankreich (SUD), Galizien und Spanien.

Lissabonner Manifest der gewerkschaftlichen Solidarität für die Rechte des sahrauischen Volkes

Organisiert und geleitet wurde das Treffen von Vertretern der UGTP Portugal, der TaskForce EUCOCO, Frente Polisario und dem Generalsekretär der UGTA Algerien.

In einem dreiseitigen Papier, dem “Lissabon Manifest der Gewerkschaften” wird festgehalten, dass “nur das sahrauische Volk über seine Zukunft entscheiden” könne.

Zu Beginn der Erklärung heißt es, dass die Gewerkschaftsbewegung eine der entscheidenden Säulen im Kampf Gegen koloniale Unterdrückung sei und hat den Kampf der Saharauisnach Selbstbestimmung und Unbahängigkeit immer unterstützt. Gegen den permanenten Rechtsbruch in der Westsahara wollen die Gewerkschaften zusammen arbeiten.

Das Hauptziel der EUCOCO ist es, in Zusammenarbeit mit der Frente POLISARIO Entscheidungen über die Koordinierung der internationalen Solidaritätsbemühungen zu treffen und einen Aktionsplan für das kommende Jahr zu erstellen, der die strategische Analyse der Situation in der Westsahara und den internationalen Kontext berücksichtigt. Die Konferenz bietet auch die Gelegenheit, vor der internationalen Gemeinschaft zu bekräftigen, dass die Durchführung eines Referendums über die Selbstbestimmung, das dem saharauischen Volk die Möglichkeit gibt, frei über seine Zukunft zu entscheiden, gerechtfertigt und dringend notwendig ist.

Einen Sieg hat die Frente Polisario indessen errungen.

Der Europäische Gerichtshof hat am 4. Oktober 2024 in letzter Instanz geurteilt,, dass die zwischen EU und Marokko geschlossenen Fischerei- und Assozierungsabkommen ungültig sind bzw. Waren, da ihr Anwendungsbereich sich auch auf die von dem von Marokko besetzten Teil der Westsahara erstrecken sollte. Der europäische Gerichtshof hat damit verbindlich bestätigt, dass Marokko und die Westsahara nach dem Völkerreicht unterschiedliche Gebiete sind.

Somit wurde festgelegt, dass die Bevölkerung der Westsahara,vertreten durch die Frente Polisario nunmehr Verhandlungspartner Verträge mit internationalen Konzernen schließen muss und nicht mehr mit Marokko.

Im Anhang (hier s. Link oben) dokumentieren wir die Lissabon Erklärung mit der Bitte, dies in euren Gewerkschaften zu diskutieren und möglichst zu unterstützen.

Es geht darum, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Aktivisten bei ihren Regierungen Druck ausüben, das diese illegalen Abkommen deutsche Konzerne mit der marokkanischen Regierung unterbunden werden, um dem Saharauischen Volk zu ihrem Recht auf Unabhängigkeit zu verhelfen.

Abschlusserklärung der interparlamentarischen Konferenz über die West-Sahara am 28. November in Lissabon

Die Abgeordneten versammelten sich am 28. November 2024 in der portugiesischen Versammlung der Republik in Lissabon in Erwartung der 48. Ausgabe von EUCOCO, die in dieser Stadt stattfinden wird:

* wir bekräftigen unsere klare und wiederholte Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes;*
wir drücken unsere besten Wünsche für eine gute Arbeit bei der 48. Ausgabe von EUCOCO aus, der Europäischen Konferenz zur Unterstützung und Solidarität mit dem sahrauischen Volk, die in der Stadt Lissabon stattfindet;

* Wir anerkennen und unterstützen die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der im vergangenen Oktober und im Einklang mit früheren Gerichtsentscheidungen festgestellt hat, dass die zwischen der Europäischen Union und Marokko unterzeichneten Fischerei- und Agrarabkommen einen Verstoß gegen die Selbstbestimmung von Marokko darstellen Westsahara und die annulliert werden müssen;

* In den 50 Jahren der portugiesischen Demokratie und ein Jahr vor dem 50. Jahrestag der Invasion der Westsahara besteht der Wunsch, endlich das zu erfüllen, was die Vereinten Nationen für das saharauische Gebiet festgelegt haben, und seinen Bürgern eine Stimme zu geben, damit durch das Referendum, ihre Zukunft frei definieren;

* Wir bringen unsere Besorgnis über die Verschlechterung der Bedingungen der sahrauischen Bevölkerung in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte zum Ausdruck und fordern die marokkanische Regierung auf, die Einreise von Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, sowie unabhängiger internationaler Beobachter in das Hoheitsgebiet zu genehmigen. Im gleichen Sinne fordern wir die Vereinten Nationen auf, die Verteidigung und Achtung der Menschenrechte in die Zuständigkeiten und Funktionen von MINURSO, der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara, einzubeziehen;

* Mit Besorgnis beobachten wir die Entwicklung der politischen Lage auf internationaler Ebene. Von den jüngsten Entscheidungen von Ländern wie Frankreich und Spanien zugunsten des von der marokkanischen Regierung vorgeschlagenen sogenannten „Autonomieplans“ für die Westsahara bis hin zu den jüngsten Siegen autoritärer Führer, die diesen Plan befürworten , nämlich Donald Trump in den Vereinigten Staaten von Amerika;
wir fordern die portugiesische Regierung auf, eine klare Position zur Unterstützung des Referendums über die Selbstbestimmung in der Westsahara einzunehmen und dabei die gleiche Entschlossenheit an den Tag zu legen, die Portugal bei der Verteidigung der Selbstbestimmung Osttimors an den Tag gelegt hat;

* Abschließend fordern wir die Abgeordneten aller Länder auf, in den 50 Jahren der Besetzung der Westsahara, die im Jahr 2025 gefeiert werden, in ihren Parlamenten Vorschläge zur Verteidigung der Achtung der Menschenrechte in der Westsahara sowie Unterstützung vorzulegen für ihr Recht auf Selbstbestimmung.

Lissabon, 28. November 2024


Und hier gibt es weitere Infos zum Thema:

Rede von Saleh Sid Mustafa auf der RLK Januar 2025
https://www.redglobe.de/video/rlk24-saleh-sidmustafa-westsahara-die-letzte-kolonie-in-afrika/

Ein Artikel von Jörg Tiedjen v. 22.1.25 in der Jungen Welt
https://www.jungewelt.de/artikel/492368.westsahara-konflikt-ryanair-droht-strafe.html

Das Westsahara-Netzwerk:
https://www.aswnet.de/presse/eugh-westsahara-kein-teil-marokkos













































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Wie leisten wir Widerstand?

Die staatliche Medienanstaltslandschaft hat die Meinungsbreite einer Dachrinne. Diese Diagnose ist mehr als ein veritabler Befund. Sie entlastet auch. Denn es gibt dieses Wissen trotzdem – in geradezu unerträglicher Hülle und Fülle. Die Angst, die heute viele Menschen in Deutschland haben, erklärt sich nicht mit den Zweifeln und der Unwissenheit, sondern mit dem Wissen, das sie nicht haben wollen.

Von Wolf Wetzel

Bild: pxhere

Eigentlich ist die deutsche Medienanstaltslandschaft so gut wie embedded. Das ist bei Corona so gewesen, das ist beim Krieg auf ukrainischem Boden so und erst recht beim Gaza-Krieg, der in die „bedingungslose Solidarität mit Israel“ eingepreist ist und in die deutsche Staatsraison einbetoniert wurde.

Folglich muss das, was noch in vielen Ländern in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielt und zu Wort kommt, im deutschen Laufstallkonsortium ein „Skandal“ werden.

So geschehen auf der Berlinale 2024, als Jurymitglieder und Schauspieler den Frevel begangen hatten, einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg zu fordern. Eigentlich gehört das schon zu einem Orwell „2024“-Film:

Cease fire now is a bloody crime.

Einen Waffenstillstand fordern! Wie kann man das nur machen! Dass das einen „Skandal“ auslöst mit ganz vielen geforderten Konsequenzen für die nächste Festivalleitung ist bereits absurd genug.

Aber nun sind die medialen Tatortreiniger an der Reihe: Sie wollen unter anderen, also vor allem verhindern, dass so etwas noch einmal passieren kann.

Jetzt müssen alle an der Strafexpedition mitmachen, die noch dabei sein wollen. So auch der Berlinale-Aufsichtsrat. Er erklärte am 11. März 2024, dass die Berlinale ein „Ort bleiben müsse, „der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit.“

Kommt sich der Berliner Aufsichtsrat bei dieser Rundum-Schleuder nicht selbst für außerordentlich blöd vor?

Wer also einen Waffenstillstand fordert, säht Hass!? Wer kein „guter“ Jude ist, ist Antisemit? Und wer „Russland ruinieren“ will wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock oder den „Krieg nach Russland“ tragen, wie der CDU-Kanonier Kiesewetter, die verkünden den ewigen Frieden.

Merken die Scharfrichter nicht, dass ihre Aus- und Abschlusskriterien in aller höchsten Maße jene treffen müssten, die dieses Festival finanziell und politisch tragen?

Ein Waffenstillstand lässt die Kriegsfollower aus allen Rohren schießen

Man könnte ja noch halbwegs verstehen, dass man ein wenig irritiert gewesen wäre, wenn Jurymitglieder und Schauspieler das Recht auf bewaffneten Widerstand in einem besetzten Land gefordert hätten oder das „Selbstverteidigungsrecht“ für alle im Gazastreifen Lebenden. Damit wäre man zwar auch noch gut auf dem Boden internationalen Rechts (UN-Charta). Aber das spielt ja schon lange nur eine sehr vage Schein-Existenz.

Dass die USA gerade auch nicht mit Debatten und offene Auseinandersetzungen glänzen, und auch von großen Medienkonzernen dominiert werden, macht noch einmal mehr deutlich, wie elend flach die deutsche Medienlandschaft planiert worden ist.

The Zone of Interest“ – Der Oscar in den USA

Nach der Berlinale in Berlin fand in Hollywood die Preisverleihung der „Oscars“ in den USA statt. Dort hatte der Film „The Zone of Interest“ über die Familie des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß den Oscar für den besten internationalen Film bekommen. Der britische Regisseur Jonathan Glazer nutzt die Gelegenheit, seinen Film in Vergangenheit und Gegenwart einzuordnen:

„Unser Film zeigt, wohin Entmenschlichung im schlimmsten Fall führen kann. Sie hat unsere gesamte Vergangenheit und die Gegenwart geprägt. Genau jetzt stehen wir hier als Menschen, die sich dagegen wehren, dass ihr Jüdischsein und der Holocaust von einer Besatzung ausgenutzt werden, die so viele unschuldige Menschen in einen Konflikt geführt hat. Ob es die Opfer des 7. Oktober in Israel sind, der fortdauernde Angriff auf Gaza, all die Opfer dieser Entmenschlichung. Wie leisten wir Widerstand?“

Alleine diese mit Bedacht gewählten Sätze sind bemerkenswert und ermutigend. Zum einem ordnet er die mörderischen Ereignisse am 7. Oktober 2023 nicht dem „Tiermensch“-Sein der Palästinenser zu, sondern der israelischen Besatzung. Diese wird in fast alle deutschen Kommentaren ausgeblendet und durch Superlative wie „ein zweiter Holocaust“ ausradiert.

Zweitens, und das ist enorm wichtig, verwahrt er sich entschieden dagegen, dass „ihr Jüdischsein und der Holocaust von einer Besatzung ausgenutzt werden“. Auch diese vorsätzliche Instrumentalisierung der erklärten Einzigartigkeit zur Sprache zu bringen, entwaffnet die Kriegsbefürworter – auf lange Sicht – mehr als ein „Waffenstillstand“.

Und drittens überlässt er den Krieg, das Ende, nicht den Kriegsparteien. Er fragt vielmehr:

„Wie leisten wir Widerstand?“

Das ist eine wirklich bemerkenswerte Äußerung. Denn er deutet damit an, dass es in Gaza, in den besetzten Gebieten, aber eben auch in Israel eine Notwendigkeit gibt, Widerstand zu leisten.

Man muss sich für diesen ungewöhnlichen Gedankengang Zeit zu nehmen, denn er nimmt die gängige Kriegsfront nicht an: Hier der Staat Israel, dort der „Staat“ Palästina, den es im israelischen Staatsverständnis nur im Kriegsfall gibt. Ansonsten hat der Staat Israel bis heute alles unternommen, um einen Staat Palästina zu sabotieren. Es handelt sich also um keinen staatlichen Konflikt, geschweige denn Krieg „zwischen“ Israel und Palästina/Gaza. Es geht also auch nicht um irgendwelche Hardliner auf „beiden“ Seiten, die der Kriegszustand angeblich zusammenschweißt und die Friedliebende (ganz besonders in den USA und im Wertewesten) nicht zum Zuge kommen lässt.

Was seit 1967, seit der Besetzung von Gaza passiert, ist kein Krieg zwischen zwei Staaten, sondern ein Krieg Israels zur Aufrechterhaltung der Besatzung.

In besetzten Gebieten (wie in Gaza, im Westjordanland, auf den Golanhöhen und Ost-Jerusalem) geht es darum, die israelische Besatzung zu beenden. Und in Israel geht es darum, eine Netanjahu-Regierung zu Fall zu bringen, die wahrscheinlich die „Hamas“ mehr braucht, als die Menschen in Gaza. Zum zweiten deutet er damit auch an, dass viele Menschen in Israel die besetzten Gebiete nicht als „gelobtes Land“ begreifen, sondern als eine politische und militärische Belastung.

Und drittens führt die Netanyahu-Regierung einen Krieg im eigenen Land – gegen die eigene Verfassung. Seine sogenannte Justizreform würde auch institutionell das Land aus der Bahn schießen.

Und etwas Viertes liegt – noch schlummernd – in seinen glänzenden Überlegungen:

Wenn mit dem „wir“ nicht nur Palästinenser, sondern auch Israelis gemeint sind, dann beginnt genau hier eine Vision, die kein Bombardement zerstören könnte.

Die Erfahrung, das Wissen, die Gewissheit, dass das sehr unterschiedliche Leid auf allen Seiten eine gemeinsame Ursache hat.

Wie waren die Reaktionen auf die knappe Rede, die Jonathan Glazer sichtlich aufgeregt von einem Blatt Papier abgelesen hatte?

„Das Publikum reagierte in der Nacht zum Montag mit Beifall und Jubel. Auch viele Kommentatoren feierten die Rede am nächsten Tag als mutiges Statement – andere, vor allem auch in Deutschland, verurteilten sie als Verharmlosung des Holocaust.“ (MiGazin)

Es gibt ein erdrückendes Wissen im Schweigen (gerade in Deutschland) zur Beihilfe zum Genozid

Alleine die sehr verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und imperialen Umstände, die in den 1930er Jahren die NSDAP an die Macht führten und die deutlich anderen Konstellationen heute, lassen in der Tat den „Holocaust“ nicht mit dem Genozid in Gaza vergleichen.

Ich möchte hier nur einen Umstand erwähnen, der hoffentlich unerwartet kommt und zum Nachdenken anregt.

In den 1930er Jahren, erst recht nach der Machtübergabe an die NSDAP 1933, hatten die Menschen in Deutschland fast nur staatliche Medien als Quelle, die ausschließlich faschistische Propaganda betrieben. Wer dem nicht folgen wollte, wer dem misstraute, hatte außer berechtigtem Misstrauen wenig in der Hand – im Sinne einer Gegenöffentlichkeit. Viele Menschen konnten sich auf diese Weise damit beruhigen, dass man genaues nicht weiß, dass man sich am besten raushält.

Diese „Entschuldigung“ gibt es heute nicht. Auch wenn die deutschen Medienanstalten fast in Gänze die Fakten, die Bilder, die Berichte und Zeugnisse über einen Genozid in Gaza ausblenden und bewusst unterdrücken, so gibt es diese doch – in einem Maße, dass es kaum auszuhalten ist.

Wer heute wissen will, was an den Vorwürfen dran ist, warum Widerstand berechtigt ist, warum unser Schweigen schwerer wiegt, als nach 1933, der kann heute (noch) auf unzählige Quellen in der Welt (des Internets) zurückgreifen. Denn die stärkste Waffe in Gaza sind nicht die Waffen, sondern die Handys, die die Menschen dort benutzen, um mit dem Erlebten nicht alleine zu sein. Sie filmen ihre zerstörten Häuser, ihre toten Familienangehörigen, ihre zerstörten Krankenhäuser, Schulen und Notunterkünfte, ihren täglichen Hunger und die Babys, die an Hunger sterben.

Die Angst, die heute viele Menschen in Deutschland haben, erklärt sich nicht mit den Zweifeln und der Unwissenheit, sondern mit dem Wissen, das sie nicht haben wollen.

Quellen und Hinweise

Die Berlinale, ein Stofffetzen und ein paar Palästinensertücher, Wolf Wetzel, 2024: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/die-berlinale-ein-stofffetzen-und-ein-paar-palaestinensertuecher/

Warum die Israel-Debatte im Ausland anders als in Deutschland ist, Christoph Driessen, MiGAZIN vom 14.3.2024: https://www.migazin.de/2024/03/13/warum-die-israel-debatte-im-ausland-anders-als-in-deutschland-ist/

Jonathan Glazer, Oscar-Rede: https://youtu.be/3ymiyNmr1WY

Erstveröffentlkicht im Overton Magazin v. 14.1. 2025
https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/wie-leisten-wir-widerstand/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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