Gaza Augenzeugenbericht im Oyoun am 26.1.2024

Gaza. Der Völkermord geht In die nächste Runde. Die westliche Presse wendet sich anderen Themen zu. Wir berichten weiter. Nicht weggucken. Halten den Druck aufrecht: endlich Waffenstillstand sofort! Stoppt das Massenmorden!

Freitag, 26. Januar. 19 Uhr.

Augenzeugenbericht aus Gaza mit Duha Almusaddar, Koordinatorin der Rosa Luxemburg Stiftung in Gaza .

Ort: Kulturzentrum Oyoun, Lucy-Lameck-Straße 32, 12049 Berlin!

Duha hat vor kurzem Gaza verlassen und wird aus erster Hand über die Situation vor Ort berichten.

Bitte beachten. Nach der Räumung des Oyoun-Gebäudes durch den Berliner Senat stehen leider keine Stühle zur Verfügung. Besuchern bleibt vorerst nichts anderes übrig, als es sich „bequem“ auf dem Boden zu machen.

Während sogar der Aussenbeauftragte der EU gegenüber Netanjahu inzwischen davon spricht, dass man ihn notfalls zu einer anderen Politik zwingen müsse, geht de facto die Unterstützung dieser Politik weiter. Kultureinrichtungen wie das Oyoun in Berlin, die Kritikern der zionistischen Politik Nethanyahus das Recht auf freie Meinungsäusserung nicht entziehen, werden nach wie vor die öffentlichen Gelder gestrichen und damit in ihrer Existenz bedroht.

Seid solidarisch mit dem Kulturzentrum Oyoun, das trotz aller staatlichen Einschüchterungsversuche die demokratischen Grundrechte auf Meinungs- und Kulturfreiheit verteidigt. Hier der Aufruf zur Solidarität mit Oyoun: Open Letter | Oyoun must stay! 
[1]https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSd0Ni47hWpgKWZduBFe9TcFgfF37QwTj4Ejq97cxeo5HExl_g/viewform

Aktuelle Meldung: Inzwischen hat der CDU Kultursenator seine "Antidiskrimminierungsklausel"  wegen Unvereinbarkeit mit der grundgesetzlich geschützten "Kulturfreiheit" zurückziehen müssen.  Der nationale und  vor allem auch internationale Protest wurde immer größer. Unter anderem gab es einen weltweiten Aufruf namhafter Künstler, alle deutschen Kulturinstutitionen zu bestreiken.  "Eine Kampagne namens »Strike Germany« rief auch unter Bezug auf die Klausel und die darin enthaltene Antisemitismusdefinition weltweit dazu auf, deutsche Kulturinstitutio­nen zu bestreiken."[2] https://www.spiegel.de/kultur/joe-chialo-berlin-kippt-antidisikriminierungsklausel-fuer-kulturfoerderung-a-9a357c85-3f03-43d0-b465-9ba7050d1927?sara_ref=re-so-app-sh   Die Rücknahme bedeutet aber noch längst nicht, dass jetzt demokratische und antifaschistische Einrichtungen wie das Oyoun wieder an die gestrichenen geplanten  öffentlichen Gelder für den Weiterbetrieb gelangen. Dazu dürfen Protest und Druck nicht nachlassen. 

Fotos:
PALESTINIANS BURY THE BODIES OF 110 PEOPLE KILLED BY ISRAELI ATTACKS IN A MASS GRAVE IN THE KHAN YOUNIS CEMETERY, NOVEMBER 22, 2023. (PHOTO: © MOHAMMED TALATENE/DPA VIA ZUMA PRESS APA IMAGES)

SCREEN GRAB OF THE MOMENT THE ISRAELI ARMY DETONATED AL-ISRAA UNIVERSITY (PHOTO: SCREENSHOT/SOCIAL MEDIA)

References

References
1 https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSd0Ni47hWpgKWZduBFe9TcFgfF37QwTj4Ejq97cxeo5HExl_g/viewform
2 https://www.spiegel.de/kultur/joe-chialo-berlin-kippt-antidisikriminierungsklausel-fuer-kulturfoerderung-a-9a357c85-3f03-43d0-b465-9ba7050d1927?sara_ref=re-so-app-sh

Kino zum Israel Palästina Konflikt

Filmveranstaltungsreihe im Café MadaMe

Mehringplatz 10, in Kreuzberg-Berlin, jeweils ab 19 Uhr, kostenfrei

Gaza Nicht verdrängen. Kontext, Geschichte und Menschen des Israel Palästina Konflikts verstehen!

Thursday, January 18 : Two Blue Lines, Tom Hayes (2015)
Shot over a period of 25 years, Two Blue Lines examines the human and political situation of
Palestinian people from the years prior to the creation of Israel to the present day. By primarily
featuring the narratives of Israelis whose positions run counter to their country’s official policy, the
documentary provides a portrait of the ongoing conflict not often depicted in mainstream media

Der über einen Zeitraum von 25 Jahren gedrehte Film /Two Blue Lines /untersucht die menschliche und politische Situation der Palästinenser*innen von den Jahren vor der Gründung Israels bis zum heutigen Tag. Indem der Dokumentarfilm vor allem die Erzählungen von Israelis zeigt, deren Positionen der offiziellen Politik ihres Landes zuwiderlaufen, liefert er ein Porträt des anhaltenden Konflikts, wie es in den Mainstream-Medien nicht oft gezeigt wird.

Thursday, January 25 : Jews Step Forward, Elika Rezaee, Marjorie Wright (2015)

Jews Step Forward traces a path grounded in Jewish identity, which ultimately separates personal
conscience from a socialized mythology loyal to Israel. Open ended policies of torture, imprisonment,
and murder of indigenous Palestinians including children, contempt for international norms, and the
rise of laws mirroring fascism, all poison any idea of national permanence for Israel based upon peace
and regional integration.The subjects of this film speak with the same Jewish voice, which historically
led the struggle for justice around the world, cutting through visceral defenses to demand an
awakening and a Judaism liberated from Zionism.

Jews Step Forward /zeichnet einen Weg nach, der in der jüdischen Identität begründet ist und der letztlich das persönliche Gewissen von einer sozialisierten, Israel treuen Mythologie trennt. Die offene Politik der Folter, Inhaftierung und Ermordung von einheimischen Palästinenserinnen, einschließlich Kindern, die Missachtung internationaler Normen und die Zunahme von Gesetzen, die den Faschismus widerspiegeln, vergiften jede Vorstellung von einer nationalen Dauerhaftigkeit Israels auf der Grundlage von Frieden und regionaler Integration. Die Protagonistinnen dieses Films sprechen mit derselben jüdischen Stimme, die historisch gesehen den Kampf für Gerechtigkeit in der ganzen Welt angeführt hat, und durchbrechen die viszeralen Abwehrmechanismen, um ein Erwachen und ein vom Zionismus befreites Judentum zu fordern.


Thursday, February 1 : Ghost Town: The Hebron Story, Ellie Bernstein (2015)
Ghost Town-The Hebron Story is a documentary about the historic relationship between the growth of
the Jewish settlements in Hebron and the Palestinian families who have lived and worked there for
generations. Filmed over 4 years it tells the stories of the Palestinian citizens of Hebron and their
tensions with the Israeli soldiers and Jewish settlers who claim their land.

/Ghost Town – The Hebron Story /ist ein Dokumentarfilm über die historische Beziehung zwischen dem Wachstum der jüdischen Siedlungen in Hebron und den palästinensischen Familien, die dort seit Generationen leben und arbeiten. Der Film, der über vier Jahre hinweg gedreht wurde, erzählt die Geschichten der palästinensischen Bürger innen von Hebron und ihre Spannungen mit den israelischen Soldatinnen und jüdischen Siedler*innn, die ihr Land beanspruchen.


Thursday, February 8: Advocate, Rachel Lea Jones, Philippe Bellaiche (2019)
Lea Tsemel is a Jewish-Israeli lawyer who has represented political prisoners for five decades in a
tireless quest for justice. As far as most Israelis are concerned, she defends the indefensible. As far as
Palestinians are concerned, she’s more than an attorney, she’s an advocate. Advocate follows Tsemel’s
caseload in real-time while also revisiting her landmark cases and reflecting on the political
significance of her work as well as the personal price one pays for taking on the role of “devil’s
advocate.”

Lea Tsemel ist eine jüdisch-israelische Anwältin, die seit fünf Jahrzehnten politische Gefangene vertritt und unermüdlich für Gerechtigkeit kämpft. In den Augen der meisten Israelis verteidigt sie das nicht zu Verteidigende. Für die Palästinenser*innen ist sie mehr als nur eine Anwältin, sie ist eine Fürsprecherin. /Advocate /verfolgt Tsemels Fälle in Echtzeit, lässt aber auch ihre bahnbrechenden Fälle Revue passieren und reflektiert über die politische Bedeutung ihrer Arbeit sowie über den persönlichen Preis, den man für die Übernahme der Rolle des „Anwalts des Teufels“ zahlt.


Thursday, February 15: Voices From Gaza, Antonia Caccia & Maysoon Pachachi (1989)
Voices from Gaza was shot in 1987/88, during the first intifada. In the film, the people of Gaza most of
whom are refugees – tell their story. Palestinian men, women, and children speak frankly about the
effect of Israel’s occupation on their lives, but also about the work of local “popular committees,”
through which they provide each other with alternative education, health care, and welfare services,
even under the daunting conditions of occupation. Although screened internationally at the time –
also in the USA — television stations in the USA refused to air the film.

Voices from Gaza /wurde 1987/88, während der ersten Intifada, gedreht. In dem Film erzählen die Menschen in Gaza – die meisten von ihnen sind Flüchtlinge – ihre Geschichte. Palästinensische Männer, Frauen und Kinder sprechen offen über die Auswirkungen der israelischen Besatzung auf ihr Leben, aber auch über die Arbeit lokaler „Volkskomitees“, durch die sie sich gegenseitig mit alternativen Bildungs-, Gesundheits- und Sozialdiensten versorgen, selbst unter den erschreckenden Bedingungen der Besatzung. Obwohl der Film seinerzeit international – auch in den USA – gezeigt wurde, weigerten sich die Fernsehsender in den USA, ihn auszustrahlen


All screenings are at 19:00 at Café MadaMe, Mehringplatz 10, in Kreuzberg-Berlin.
Screenings are free and made available as part of community & grass roots discussion. Films are in
Arabic, Hebrew and/or English with English subtitles.

Alle Vorführungen finden um 19:00 Uhr im Café MadaMe, Mehringplatz 10, in Kreuzberg-Berlin statt.
Die Vorführungen sind kostenlos und werden im Rahmen der Community & Grass Roots Discussion angeboten. Die Filme sind auf Arabisch, Hebräisch und Englisch mit englischen Untertiteln. Das Gespräch kann auf Deutsch und/oder Englisch geführt und bei Bedarf auch gedolmetscht werden.*

Das Lied, das alle Linken singen

Es geht um eine Blume: Andreas Löhrer hat die Geschichte von »Bella ciao« untersucht

Markus Mohr

Im Jahr 1958 veröffentlichte die Zentralleitung der Pionierorganisation »Ernst Thälmann« in der DDR unter dem Slogan »Seid bereit!« ein Liederbuch. In der Einleitung wurde ausgeführt, dass man überall, wo auch immer man dazu komme, sei es »auf Wanderungen, Fahrten, in den Pionierlagern«, aber auch – wie es formuliert wurde – »bei unserer gesellschaftlich-nützlichen Tätigkeit«, singen solle und auch wolle.

Die Zentralleitung wünschte sich, dass eben diese Lieder »von unserer schönen Heimat, (…) vom Kampf der Menschen für Frieden und Sozialismus, von der Völkerfreundschaft, von Freude und Frohsinn und den großen Taten der neuen Menschen beim sozialistischen Aufbau« erzählen sollten. Und so wurde das Liederbuch auch gleich mit der Nationalhymne der DDR eröffnet.

In dem Liederbuch finden sich etwa 130 Lieder nach Gruppen geordnet, eine heißt »Ich trage eine Fahne«. Und siehe da: Unter der Überschrift: »Eines Morgens in aller Frühe« findet sich dort ein »italienisches Partisanenlied« abgedruckt. Der Text stammt dabei von Hans Berner, der als Verwundeter aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war und danach 30 Jahre lang als Musik­dozent am Institut für Lehrerbildung in Quedlinburg arbeitete.

Der Text des Liedes handelt aber gar nicht vom Tragen einer Fahne. Er handelt auch nicht von einem Aufbau, von einer Freude oder einem Frohsinn oder mutmaßlich großen Taten der neuen Menschen, sondern, viel schlichter, von einer »kleinen, ganz zarten Blume«. Von dieser Blume sagen alle Leute, die vorübergehen, dass es die Blume des Partisanen sei, »der für unsere Freiheit starb«. Das Lied hat sechs Strophen. Für den Refrain »Bella ciao, bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao« merkte die Redaktion für die Jungen Pioniere an: »Ciao: sprich: tschau.« Das ist der erste Abdruck von »Bella ciao« in einem deutschen Buch.

Mittlerweile ist das Lied auf der ganzen Welt populär. Hannes Wader singt es genauso wie die Schauspieler in der Netflix-Serie »Haus des Geldes« (als Remix des französischen DJ Hugel). Der Übersetzer Andreas Löhrer hat nun die Geschichte des Lieds untersucht, mit einer geradezu minimalistischen Fragestellung: »Wie kam es zum Partisanenlied? Ist es überhaupt ein echtes Partisanenlied oder wurde es erst in der Nachkriegszeit geschrieben? Gibt es eventuelle Vorläufer?«

Löhrer, der Mitarbeiter der Walter-A.-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur der Universität Hamburg war, holt in seiner Recherche weit aus und betrachtet die Vorgeschichte der italienischen Resistenza in ihrem Kampf gegen den Faschismus in den Jahren 1943 bis 1945.

In der ursprünglichen Fassung wurde das Lied mutmaßlich in der Po-Ebene von Reisearbeiter*innen gesungen und im Zweiten Weltkrieg von der Resistenza adaptiert. Seinen skandalumwitterten Durchbruch erlebte es 1964 in Umbrien, beim »Festival der zwei Welten« im kleinen Städtchen Spoleto, als es in zwei Fassungen gesungen wurde. Dabei ging die Version der Reisarbeiter*innen – »Und bei den Insekten und bei den Mücken / Oh bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao / muss ich harte Arbeit tun« – in die Partisanenversion über, indem alle anderen Sängerinnen und Sänger im Hintergrund einsetzten und die erste Version übertönten: »Und falls ich als Partisan sterbe / oh bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao / Und falls ich als Partisan sterbe / Dann musst du mich begraben.«

Ein Teil des Publikum reagierte mit Applaus, ein anderer Teil ärgerte sich: »Ich habe nicht 1000 Lire Eintritt bezahlt, um auf der Bühne mein Dienstmädchen singen zu hören!«, soll laut Löhrer eine mit reichlich Schmuck behängte Dame aus besserem Hause geflucht haben. Und am Ende kamen Carabinieri auf die Bühne, die nach den Verantwortlichen für die aufsässigen Lieder fragten und dann die Personalien der Sänger*innen aufnahmen.

Bei den folgenden Aufführungen auf dem Festival versuchten angereiste Faschisten aus Rom das Singen von »Bella ciao« zu verhindern, wogegen sich die Musiker verteidigten, indem sie mit ihren Gitarren um sich schlugen. Das Festival von Spoleto erlebte ein enormes Presseecho: Die Rechten sprachen von einem Skandal, aber aus ganz Italien trafen von Musiker*innen und Intellektuellen Solidaritätstelegramme ein. Seitdem war das Lied in aller Munde.

In insgesamt 35 kurzweilig zu lesenden Kapiteln verfolgt Löhrer den Weg dieses Liedes nach seiner in Spoleto 1964 von Tumulten begleiteten Rezeption bis in die jüngste Gegenwart. Dabei macht sich der Autor die auf Youtube verfügbaren Versionen von den frühen 60er Jahren bis heute zunutze, die in der Einleitung mit einem QR-Code nachgewiesen sind, der zu allen von ihm beachteten 46 Versionen von »Bella ciao« führt und auch zu Interviews mit Zeitzeugen.

Die Liste der Interpreten dieses Liedes ist eindrucksvoll: Sie reicht von Yves Montand, Milva und Zupfgeigenhansel bis hin zu der burmesischen Punk-Band The Rebel Riot X Cacerolazo. Es gibt mittlerweile so gut wie kein Land mehr auf der Welt, in dem »Bella ciao« nicht gesungen wird – und immer aus dem Geist des Protestes und des Widerstands. Die Melodie findet sowohl in Israel im Widerspruch gegen die Justizreform der Netanjahu-Regierung als auch in Palästina als Protest gegen die Okkupation des eigenen Territoriums Verwendung. Aber auch italienische Gewerkschafterinnen lassen es sich nicht nehmen, den Auftritt der Postfaschistin Giorgia Meloni auf einem Gewerkschaftstag der CGIL durch das Singen von »Bella ciao« zu stören und ihr erkennbar die Laune zu verhageln. Auch das kann als ein Beleg für die Aussage der Partisanin Marie Freçais gelesen werden, die es in der französischen Résistance verbreitete und einst vorhersagte: »Dieses Lied, das wir geschrieben haben, wird am Ende triumphieren und Lili Marleen umbringen.«

Andreas Löhrer hat aus der Recherche zu seinem Ursprung, seiner Geschichte und seiner anhaltenden Wirkung ein großartiges Buch gemacht.

Andreas Löhrer: Bella ciao. Auf den Spuren eines Partisanenliedes. Edition AV Bodenburg, 182 S., br., 16 €.

Erstveröffentlicht im nd v. 6.1. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179006.andreas-loehrer-bella-ciao-ist-das-lied-das-alle-linken-singen.html?sstr=Das|Lied

Wir danken für das Publikationsrecht.

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