Wir berichteten ausführlich über die Ereignisse und maßlosen polizeilichen Übergriffe auf der Schlussparade von „Rheinmetall-Entwaffnen“ in Köln.
Wir publizieren aus mehreren Stellungnahmen, um die Ereignisse weiter zu beleuchten. Vor Ort in Köln ist Beweismaterial zu zu sichern! Wir wollen Wahrheit!
Presseerklärung der Sanitätsgruppe Süd-West e.V.
kommentiert die Ereignisse und Fakten aus Sicht der medizinischen Notfallversorgung!
Köln, den 01. September 2025, Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. sicherte am Samstag, den 30. August 2025 die Abschluss-Demonstration des „Rheinmetall Entwaffnen“-Bündnisses in Köln sanitätsdienstlich ab. Dabei wurde sie von Demosanitäter*innen aus München, Mannheim, Frankfurt, Wien und Köln/Bonn unterstützt. Rund 3000 Personen beteiligten sich an der teilweise als Parade geplanten Demonstration, die vom Heumarkt zunächst zum Chlodwigplatz und dann weiter zur Konrad-Adenauer-Kaserne laufen sollte und gemeinsam mit dem Friedensforum Köln veranstaltet wurde. Die Demonstration war im Vorfeld zusammen mit dem Rheinmetall Entwaffnen Camp, das die Woche über stattgefunden hatte und ebenfalls u.a. von der Sanitätsgruppe Süd-West e.V. abgesichert wurde, zunächst verboten worden. Letztinstanzlich wurde das Verbot jedoch gekippt, sodass die Demonstration und das Camp stattfinden konnten. Als Sanitätsdienst begleiteten wir die Demonstration von außerhalb mit mehreren Teams fußläufig.
Bereits bei der Auftaktkundgebung, ab 14:30 Uhr auf dem Heumarkt, kam es ohne ersichtlichen Grund und ohne Ankündigung zu erster körperlicher Gewalt durch die Polizei gegen friedliche Demonstrationsteilnehmer*innen. Als die Demonstration im Anschluss an die Kundgebung loslaufen wollte, folgte zunächst eine längere Blockade durch die Polizei mit wechselnden Begründungen bezüglich angeblichen Auflagenverstößen. Nach Beginn der Demonstration wurde diese auch im weiteren Verlauf mit ähnlichen, nicht nachvollziehbaren Begründungen immer wieder von der Polizei gestoppt. Am Holzmarkt kam es zu einer Aktion, bei der der revolutionäre Block mit einem großen Transparent überspannt und anschließend kurzzeitig Pyrotechnik gezündet wurde. Daraufhin wurde die Demonstration erneut gestoppt, durfte dann aber zunächst weiterlaufen.
Hier der Link zum Original der Presseerklärung. Der Einsatz hat einen starken Verbrauch an medizinischem Material gekostet. Eine kleine Spende ist deshalb jetzt besonders willkommen.
Der Einsatzleiter des Sanitätsdienstes D. Hartmann fasst die weiteren Geschehnisse zusammen: „In der Mechtildisstraße kesselte die Polizei den revolutionären Block ein und setzte nach kurzer Zeit Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die Teilnehmer*innen ein. Dabei kam es zu einer größeren Anzahl Verletzter, die durch den Demosanitätsdienst versorgt werden mussten. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten unsere Einsatzkräfte keinerlei Angriffe auf die Polizei sehen.“ Die Gewalt ging unseren Beobachtungen nach von den Polizeibeamt*innen aus. Ab diesem Zeitpunkt bestand dauerhaft bis in die Morgenstunden ein Polizeikessel, der anfänglich mehrere hundert Personen umfasste. Gegen die Demonstrant*innen im Kessel und außerhalb wurde im Verlauf immer wieder massive körperliche Gewalt durch die Polizei eingesetzt, sodass es bis ca. 05:00 Uhr morgens zu weiteren Verletzten kam. Unser Notarzt vor Ort P. Vlatten beschreibt seine Erlebnisse: „Es war unerträglich von außen mit ansehen zu müssen, wie die Polizei über Stunden hinweg auf friedliche Menschen einschlägt und eine Person nach der anderen gewaltsam aus der Demonstration zerrt. Ich bin seit über einem Jahrzehnt als Sanitäter und später als Notarzt auf Demonstrationen im Einsatz, war bei G20, Blockupy und vielen weiteren Protesten, doch diese Brutalität im Vorgehen über Stunden hinweg habe ich noch nie erlebt. Mir gehen diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf.“
Die sanitätsdienstliche Versorgung der Verletzten wurde durch die Polizei im Großteil der Fälle ohne Behinderung zugelassen. Verletzte Personen konnten aus der gekesselten Demonstration gebracht und in einer Verletztenablage erstversorgt werden, die durch den öffentlichen Rettungsdienst anfahrbar war. Trotzdem kam es in Einzelfällen zu Behinderungen durch die Polizei:
- Der Abtransport von Verletzten wurde teilweise durch Personalienfeststellungen und Erkennungsdienstliche Maßnahmen verzögert.
- Bei mehreren Patient*innenbehandlungen blieben die Polizeibeamtinnen trotz mehrfacher Aufforderung Abstand zu halten so nah an den Patientinnen stehen, dass die Behandlung dadurch behindert wurde. In einem Fall kommentierten sie die Aufforderung mit der Aussage, es sei ihnen doch egal, ob die Behandlung dann länger dauere. Dann würden sie eben länger da stehen. Außerdem wurde unserem Notarzt durch einen dieser Beamt*innen mitgeteilt, dass es sich bei Panikattacken nicht um richtige medizinische Notfälle handeln würde, die einer Behandlung bedürfen.
- In einer Situation musste eine nach Schlägen bewusstlos am Boden liegende Person aus dem Kessel heraus gerettet werden. Obwohl die Person am Boden lag und Sanitätskräfte im Kessel damit beschäftigt waren diese für die Rettung auf ein Tragetuch zu bringen, schlug die Polizei weiter auf die friedlichen Demonstrierenden ein, um Personen aus dem Kessel ziehen zu können. Dabei kam es zu einer unmittelbaren und vollkommen unnötigen Gefährdung der eingesetzten Sanitätskräfte und der verletzten Person.
Wir möchten an dieser Stelle klarstellen, dass nicht alle Polizeibeamt*innen an Behinderungen des Sanitätsdienstes beteiligt waren und sich der Großteil den Sanitätskräften gegenüber korrekt verhalten hat.
Wir möchten an dieser Stelle die große Hilfsbereitschaft hervorheben, die uns die ganze Nacht über begegnet ist. Anwohner*innen haben ihre Toiletten zur Verfügung gestellt und den eingekesselten Personen Wasserflaschen aus den Fenstern zugeworfen. Uns wurde durch nicht eingekesselte Demonstrantinnen und Anwohnerinnen immer wieder Getränke für uns und unsere Patient*innen gebracht. Ebenso haben wir mehrfach Essen bekommen, um uns selbst über die Nacht versorgen zu können. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken.
Insgesamt hatte der Sanitätsdienst während der Demonstration und Kesselsituation 147 Behandlungen. Unsere Rekonstruktion ergab folgende Aufteilung:
- 64x Pfefferspray
- 52x chirurgisch
- 16x psychisch
- 15x internistisch
12 verletzte Demonstrant*innen wurden dem öffentlichen Rettungsdienst (Berufsfeuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz und Arbeiter-Samariter-Bund) übergeben. Ein verletzter Polizist wurde dem Polizeiärztlichen Dienst (PÄD) zugeführt. 5 Personen wurde angeraten selbstständig eine Notaufnahme eines Krankenhauses aufzusuchen. Von einer hohen Dunkelziffer an Leichtverletzten ist auszugehen.
Ab Beginn der Demonstration kam es auch in der Sanitätsstation auf dem Camp zu einem erhöhten Patient*innenaufkommen durch Personen, die von der Demonstration zurück in das Camp kamen. Insgesamt 88 Behandlungen im Camp stehen in unmittelbarem Zusammenhand mit der Polizeigewalt auf der Demonstration. Diese teilen sich wie folgt auf:
- 84x chirurgisch
- 4x Pfefferspray
Davon wurden 8 Personen in ein Krankenhaus geschickt. 1 Person wurde an den öffentlichen Rettungsdienst übergeben.
Abschließend möchten wir uns bei allen Sanitätskräften und Organisationen aus Haupt- und Ehrenamt bedanken, die mit uns diesen schweren Einsatz gemeistert haben.
Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin erklärt:
Wir dürfen diese brutale obrigkeitsstaatliche Gewalteskalation nicht auf sich beruhen lassen. Der Großteil der Presse dient sich als Echo der Verlautbarungen von Polizei und den politisch Veranwortlichen an. Es werden kaum Widersprüche hinterfragt, keine Betroffenen, keine Zeugen und Anwohner befragt oder die unzähligen Fotos und Videos recherchiert, die die Polizeiübergriffe belegen. Den Lügen und Ausreden der Polizei muss von uns selbst eine breite Aufklärung entgegengesetzt werden.
Für die Täter und Schreibtischtäter sind harte Konsequenzen zu fordern! Solange – mindestens -bis sie aus dem Dienst entfernt sind! Ein Beteiligter fragt: „Wo nimmt dieser Staat noch eine Berechtigung für ein Gewaltmonopol her, wenn er solchen Schläger:innen die Legitimation erteilt, in Uniform Menschenrechte und Menschenwürde – wie letzten Samstag geschehen- in brutalster und forgesetzter Form zu verletzen?“ Wer ist der Einsatzleiter/die Einsatzleiterin, die wohl über Stunden für relevante Personen der Demoleitung nicht ansprechbar war? Wir hoffen, dass über die Linke hinaus die gesamte Kölner Zivilgesellschaft nicht ruhen wird, bis dieser Schandfleck für die „Stadt am Rhing“ restlos aufgeklärt und Konsequenzen gezogen sind. Wir helfen dabei!
Ergänzende Solierklarung der Demosanis München
Wir als Demosanis München schlieẞen uns solidarisch der Pressemitteilung der Sanitätsgruppe Süd-West an.
Wir verurteilen die polizeilichen Angriffe auf friedliche Demonstrierende aufs schärfste!
Das Angreifen von Verletzten und das aktive Stören von medizinischen Behandlungen zeigt in unseren Augen nur erneut mit welcher Brutalität die Polizei gegen friedliche
Demonstrierende vorgeht.
Dass sogar eine Demosanitäterin festgenommen wurde und nun beschuldigt in einem Strafverfahren ist, stellt für uns eine neue Eskalationsstufe der sowieso schon anhaltenden Repression gegen Demosanitätertinnen und andere Anti-Repressionsstrukturen dar und wird von uns aufs Schärfste verurteilt!
Luca Hirsch Rheinmetall (in ANF)
Die Polizei hat Menschen notärztliche Behandlung verwehrt, sie hat unsere Anwältin körperlich angegriffen, anwesende Presse festgenommen und den festgesetzten Personen wurde zeitweise Zugang zu Trinken und Toiletten verwehrt. Das reiht sich ein in eine Vielzahl von politischen Angriffen der Polizei, die wir schon mit dem rechtwidrigen Verbotsversuch unseres Camps sowie der Verbotsdrohung gegen die anderen Versammlungen im Rahmen unserer Aktionstage erleben konnten. Unser legitimer und notwendiger Protest gegen die Militarisierung soll so kriminalisiert bekämpft und letztlich verhindert werden.“ Gefunden habe die Polizei im durchsuchten Lautsprecherwagen nur Heliumkartuschen für Luftballons ….
Jugendinfo
Nach der 11 stündigen Einkesselung der Abschlussdemonstration der „Rheinmetall-Entwaffnen“-Aktionswoche mehrt sich die Kritik am Vorgehen der Polizei und ihrer Darstellung der Ereignisse.
Insgesamt hatte es in der Nacht laut Demosanitätern über 200 Verletzte gegeben. Wie Videos belegen, nahm die Polizei dabei auch keine Rücksicht auf laufende Sanitätseinsätze. Gegen einen Sanitäter, den die Polizei festgenommen hatte, erging eine Anzeige wegen „schwerem Landfriedensbruch“. Auch an der Behauptung, bei der
Kontrolle eines Lautsprecherwagens seien Beamte zu Boden gestoẞen worden, was zur Eskalation geführt hätte, nährt ein von Anwohnenden veröffentlichtes Video Zweifel. Anwohnende berichten zudem, dass die Polizei ihnen gegenüber erklärte, dass sie die Demo eigentlich schon früher stoppen wollte.
Mittlerweile hat die Polizei Entwaffnen“-Aktionswoche mehrt sich die Kritik am Vorgehen der Polizei und ihrer Darstellung der Ereignisse. Grund sind Schläge von Polizisten gegen die Bundestagsabgeordnete Lizzy Schubert.
SOZ und Linke Köln fordern Konsequenzen
Die massenhaften Einkesselungen, die ED-Behandlungen ohne konkreten Anlass und die Behinderung von Sanitäter:innen sind ein Angriff auf elementare Rechte. Die Polizei muss sich dafür verantworten. Wir stehen solidarisch an der Seite der Friedensbewegung und allen, die sich Militarisierung, Wehrpflicht und Aufrüstung entgegenstellen.
Die Linke fordert eine lückenlose Aufklärung der Polizeigewalt, die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen die Demonstrierenden und die Wahrung von Grundrechten bei zukünftigen Protesten. Friedensbewegungen müssen geschützt, nicht kriminalisiert werden.
