Neuerscheinung: „Die radikale jüdische Tradition“

Die Themen Antisemitismus, der Krieg in Palästina und die Haltung der Linken zu beidem stehen in Deutschland gegenwärtig im Mittelpunkt der politischen Debatte. Das Buch beleuchtet die Hintergründe und widerspricht zugleich der insbesondere in Deutschland weit verbreiteten Identifikation von Judentum und Israel. Die Mehrheit der Juden lebte vor dem Zweiten Weltkrieg in der Diaspora, gehörte zur Arbeiter:innenklasse und war Teil eines breiteren Kampfes an der Seite ihrer nichtjüdischen Genoss:innen auf der Linken. Das Buch würdigt diese radikale jüdische Beteiligung an Befreiungsbewegungen in zahlreichen Ländern. Der Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung nahm vielfältige Formen an, von linkem Zionismus, über den Bundismus bis hin zum revolutionären Marxismus. Diese inspirierende radikale Tradition wurde schließlich durch das Grauen von Auschwitz gestoppt. Die Lehren daraus müssen jedoch an die heutigen Generationen weitergegeben werden, damit diese wieder zu Partisanen, Revolutionären und Widerstandskämpfern werden.

Zum Autor, zur Autorin

Donny Gluckstein ist der Sohn eines antizionistischen jüdischen palästinensischen Flüchtlings und einer jüdischen südafrikanischen Mutter. Er ist der Autor mehrerer Schriften, die das Thema dieses Buches tangieren, unter anderem „The Nazis“, „Capitalism and the Working Class“, „A People’s History of the Second World War“, „The Western Soviets“ und „The Tragedy of Bukharin“. Er gab außerdem „Fighting on all Fronts: Popular Resistance in the Second World War“ heraus.

Janey Stone ist Zeit ihres Lebens Sozialistin und politische Aktivistin. Sie war Gewerkschaftsdelegierte, beteiligte sich an den Studentenbewegungen gegen den Vietnamkrieg und für Frauenbefreiung. Als antizionistische Jüdin hat sie über den Widerstand gegen die Nazis in Deutschland und in Polen sowie über jüdischen Widerstand, über Arbeiterinnen, Geschlechterpolitik, den Nahen Osten und die radikale jüdische Tradition geschrieben und Vorträge gehalten.

Stimmen zum Buch:

„Dieses Buch zeichnet eine Geschichte nach, die vielen Menschen – auch Linken – wenig bekannt ist. Gerade in Deutschland, mit seiner zeitlich eingefrorenen Vorstellung jüdischer Menschen als ewiger Opfer, ist es wichtiger denn je, mehr über kämpferische jüdische Bewegungen zu lernen und zu verstehen, dass nicht der Zionismus die Lösung für den Antisemitismus bietet, sondern der gemeinsame Klassen- und Befreiungskampf.“
                 

–Wieland Hoban, Vorsitzender der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und Autor des Buches „Germany’s Jewish Problem: Genocides Past and Present“

„Dieses hoch aktuelle Buch ist ein hervorragendes Gegenmittel gegen jeden Versuch, Konflikte wie den im historischen Palästina zu enthistorisieren. Diese Entkontextualisierung ist der Ursprung der israelischen und zionistischen Erzählungen, die nach wie vor die Mainstream-Medien und die Politik dominieren. Die Vielfalt des vorzionistischen jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur, insbesondere in ihren marxistischen und radikalen Formen, entkräften, wie dieses Buch so prägnant darlegt, den absurden Versuch, Zionismus mit Judentum und Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen. Dieses Buch handelt von der verschwundenen Linken, die wir wieder brauchen, und von der Rolle der Juden darin, die uns das Erbe des unermüdlichen Kampfes gegen Rassismus, Imperialismus und Zionismus hinterlassen.“

–Ilan Pappé, israelischer Historiker und Autor zahlreicher Bücher zu Israel, u. a. „Die ethnische Säuberung Palästinas“

„Nirgendwo sonst wird man eine derart schlüssige Darstellung der Strömungen der jüdisch-sozialistischen Tradition in Osteuropa, London und New York finden. Die faszinierenden Geschichten werden durch überzeugende Argumente untermauert, die aufzeigen, dass Kämpfe der Arbeiterklasse für Befreiung, die sich über ethnische und religiöse Grenzen hinwegsetzen, möglich und unerlässlich sind. Diese Tradition steht im Gegensatz zur zionistischen Erzählung, dass Juden Sicherheit nur durch Militarismus und Kolonialisierung erreichen können.“

–Rick Kuhn, australischer marxistischer Wissenschaftler, Aktivist und Preisträger des Isaac-Deutscher-Preises

Erschienen in: DIE BUCHMACHEREI 2025
480 Seiten, Übersetzung aus dem Englischen, ISBN 978-3-9826199-9-6, 20,00 €
https://diebuchmacherei.de/de_de/produkt/die-radikale-juedische-tradition/

VERANSTALTUNG MIT DEN BUCHAUTORINNEN:
7. November um 19 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin

Veranstalter: Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost in Kooperation mit Revolutionäre Linke Berlin, Verlag Die Buchmacherei

Bewegung als Strategie

Frankreichs politische Klasse findet keine Regierungsmehrheit – die linke France Insoumise setzt auf eigenständige soziale Kämpfe

Von Volkmar Wölk

Bild: La france insoumise

Der Stellungskrieg: Albtraum jedes Feldherrn. Die feindlichen Lager liegen sich in ihren Schützengräben gegenüber; es geht weder vorwärts noch rückwärts. Nur die Verluste wachsen beständig, Abnutzungserscheinungen werden unübersehbar. Verzweifelt sucht man nach einem Ausweg aus der festgefahrenen Lage.

Dies war die Lage von Sébastien Lecornu. 27 Tage war der Politiker von Macrons Partei Renaissance französischer Ministerpräsident, stellte dann einen Teil seiner Regierung vor – und trat am darauffolgenden Tag wieder zurück. Wie seine beiden Amtsvorgänger hatte Lecornu keine Mehrheit im Parlament. Aber ihm drohte noch zusätzlich ein Teil seiner Truppen zu desertieren. Heftige Kritik kam vom konservativen Innenminister Retailleau, der seine Partei übervorteilt sah.

Nun hat Macron angekündigt, innerhalb der nächsten zwei Tage einen neuen Premierminister zu ernennen, der die lauter werdenden Forderungen nach einer Abdankung des Präsidenten zum Verstummen bringen soll. 73 Prozent der Bevölkerung befürworten inzwischen, quer durch alle politischen Lager, ein Ende des »Macronartismus«.

Gibt es in Frankreich eine Möglichkeit, ohne Neuwahlen eine handlungsfähige Regierung zu bilden? Im Parlament stehen sich drei annähernd gleichstarke Blöcke gegenüber. Es wäre also notwendig, aus mindestens einem der Blöcke Teile herauszubrechen.

Faktisch haben sich die Sozialisten bereits vor einiger Zeit aus dem Linksblock verabschiedet. Sie sind wieder auf dem neoliberalen Kurs von Ex-Präsident François Hollande und versuchen, mit Raphaël Glucksmann einen Präsidentschaftskandidaten für die Zeit nach Macron in Stellung zu bringen. Umgehend haben sie sich bereit erklärt, eine Regierung zu bilden. Es scheint sogar möglich, dass die Kommunisten und die Grünen sie dabei stützen.

Der von France Insoumise gewählte Weg führt über die außerparlamentarische Mobilisierung.

Dass das Unterfangen trotzdem schwierig werden dürfte, zeigt eine aktuelle Nachwahl zur Nationalversammlung. Für den zweiten Wahlgang qualifizierten sich Kandidaten der Sozialisten und des RN von Marine Le Pen. Auf die Frage, was er den Wählern seiner Partei empfehle, antwortete der Konservative Bruno Retailleau kurz und entschieden: »Keine Stimme der Linken!« Ebenso stemmt er sich gegen inhaltliche Zugeständnisse.

Präsident Macron seinerseits scheint entschlossen, bis zum Ende seiner Amtszeit zu bleiben. Er weiß, dass auch Neuwahlen keine Kräfteverschiebung zu seinen Gunsten bewirken würden.

Der Noveau Front Populaire (Neue Volksfront), dessen Bildung bei der letzten Wahl den erwarteten Erfolg der extremen Rechten verhinderte, ist zerfallen. Die Versuche, La France Insoumise (LFI) um Mathilde Panot, Manuel Bompard und Jean-Luc Mélenchon zu isolieren, haben Wirkung gezeigt. Allerdings zeigen aktuelle Meinungsumfragen, dass Mélenchon bei einer Präsidentschaftswahl in der Alterskohorte bis 35 Jahren sowie bei den untersten Einkommensschichten weit in Führung liegen würde und gute Chancen hätte, in die Stichwahl zu kommen.

Der vom LFI gewählte Weg aus dem Schützengraben führt nicht über die Kräfteverhältnisse im Parlament, sondern über die außerparlamentarische Mobilisierung. Sowohl der landesweite Aktionstag »Bloquons tout!« (Blockieren wir alles) am 10. September als auch die folgenden Streiktage aller Gewerkschaftsverbände haben deutlich gemacht, dass das linke Mobilisierungspotential sehr hoch ist. Gelingt es, so das Kalkül des LFI, die Proteste zu verstetigen und den neuen, basisdemokratischen Akteur »Bloquons tout« als eigenständige Bewegung zu etablieren, könnte der Druck so erhöht werden, dass ein Regieren gegen Parlament und außerparlamentarische Bewegung nicht mehr möglich ist.

LFI sieht »Bloquos tout« in der Tradition von Occupy oder der Gelbwesten (»Gilets jaunes«) und begrüßt »eine selbstorganisierte Basisbewegung«, deren Unabhängigkeit LFI nach eigenem Bekunden nicht antasten will. Zugleich hofft LFI, dass sich der Erfolg dieser Bewegung an den Urnen niederschlagen wird.

Dies scheint aktuell leichter möglich als bei den Gilets Jaunes, da die neue Bewegung deutlich linksradikal ausgerichtet ist, den Kampf verschiedener Bewegungen vom Feminismus über den Antirassismus bis zur Ökologie miteinander verbindet und bereits jetzt beginnt, eigenständige lokale Strukturen aufzubauen.

Das Konzept erinnert an die Folgezeit der Revolte von 1968, als trotzkistische Aktivisten und Theoretiker wie Alain Krivine oder Daniel Bensaïd jede Bewegung als potenziell revolutionär ansahen. Allerdings reichen die Wurzeln des Konzepts geschichtlich weiter zurück – nämlich bis zum revolutionären Syndikalismus von Anfang des 20. Jahrhunderts. Der »Mouvementisme«, die »Bewegung als Strategie«, ist also nicht neu.

Neu ist allerdings, dass eine der linken Großorganisationen ihn als Strategie aufgreift. Die Parteistruktur selbst hat dies bisher verhindert. Denn natürlich hat eine Bewegung, erst recht eine »Bewegung der Bewegungen«, Eigeninteressen, die sich der Steuerung durch eine Partei entziehen. Die Zusammenarbeit setzt also gegenseitiges Vertrauen voraus, das wiederum erst in der gemeinsamen Aktion entstehen kann.

Die Zeit dafür ist nach Ansicht des LFI vorhanden. Vor Präsidentschaftsneuwahlen werde sich ohnehin nichts entscheidend ändern. Und danach? Danach sieht man weiter. Mit einem zusätzlichen außerparlamentarischen Akteur an der Seite. Das sind die Regeln des »Mouvementisme«.

Erstveröffentlicht im nd v. 9.10. 2025

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194598.frankreich-bewegung-als-strategie.html?sstr=Bewegung|als|Strategie

Wir danken für das Publikationsrecht.

Internationale Solidarität -ein Muss für Gewerkschaften!

Von Hans Köbrich

Bild: GISEL. Gemeinsame Demonstration aus Belegschaften des Gillette-Konzerns am 1.Mai 2003 in Berlin

In einer Zeit, in der die Konkurrenz der Nationalstaaten und der Nationalismus immer dominanter wird und immer mehr Konflikte ausbrechen, ist eine internationale Perspektive für Gewerkschaften von höchster Dringlichkeit. Die Arbeiterbewegung muss eine gemeinsame Antwort darauf finden, wenn Standorte gegeneinander ausgespielt werden, um Unternehmensziele durchzusetzen.

Wir wollen zeigen und diskutieren, wie trotz aller Schwierigkeiten internationale Solidarität möglich ist: 

  • im Rückblick auf die langjährige Unterstützungsarbeit der IG Metall Berlin für kämpfende Gewerkschaften und Belegschaften in allen Regionen der Erde;
  • im Bericht über eine Fahrt der IG Metall-Jugend nach Mauthausen mit dem Titel „Antifaschismus ist international“;
  • am Beispiel länderübergreifender Zusammenarbeit zwischen Belegschaften, u.a. bei Procter & Gamble (Gillette), Otis und Bosch– mit und ohne Europäischen Betriebsrat.

Nicht zuletzt geht es bei der Veranstaltung darum, die Möglichkeiten auszuloten, wie die internationale Arbeit insgesamt verbessert werden kann: innerhalb der Gewerkschaften und auch in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Die Veranstaltung findet statt am

Mittwoch, 15. Oktober 2025 * 17:00 bis 19:00 Uhr, G Metall Haus, Alte Jakobstr. 149, 10969 Berlin.

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung