Von Starlink zu Stargate – Der nächste Schritt der digitalen Vorherrschaft

Stargate markiert den Beginn einer neuen Weltordnung, in der Rechenleistung zur Währung der Macht wird.

Von Günther Burbach

Bild: Stargate Data-Center Texas. W.Media

Vor ein paar Jahren galt Elon Musk als der Mann, der das Internet aus der staatlichen Umklammerung befreit. Mit Starlink versprach er ein Netz ohne Grenzen, frei von nationalen Gatekeepern und alten Telekom-Monopolen. Heute wirkt diese Erzählung wie ein Märchen aus einer anderen Zeit. Denn dort, wo seine Satelliten über uns kreisen, verschiebt sich längst mehr als Daten, es verschiebt sich Macht. Leise, technisch, unauffällig, aber unumkehrbar.

Starlink war der Testlauf. Ein Experiment, wie man staatliche Souveränität Stück für Stück in private Umlaufbahnen verlegt, getarnt als Fortschritt. Jetzt folgt der zweite Akt, größer, teurer, folgenreicher: Stargate. Kein Film, sondern das ehrgeizigste Technologieprogramm der USA, ein Bündnis aus Politik, Energie und digitaler Kontrolle. Mit Stargate wollen die Vereinigten Staaten nicht weniger, als das Rückgrat der globalen KI-Ära bauen, ein Netz aus Superrechnern, Solarparks, Serverfarmen und Satelliten, das Rechenleistung zur geopolitischen Währung macht.

Digitales Energieimperium

Was als Versprechen begann, endet in einer neuen Abhängigkeit. Denn jede Maschine, die denkt, braucht Strom. Viel Strom. Und je größer das Modell, desto tiefer der Hunger. Heute verbraucht ein einziges KI-Rechenzentrum so viel Energie wie eine Kleinstadt. Wenn man bedenkt, dass OpenAI, Google, Amazon und Microsoft zeitgleich ihre Systeme trainieren, wird klar: Künstliche Intelligenz ist kein digitales, sondern ein energetisches Projekt. Sie verwandelt Strom in Wissen und Wissen in Macht.

Stargate ist das Symbol dieser neuen Ordnung. Es steht für den Versuch, die Rechenkapazität der Welt zu bündeln, an Orten, wo Energie billig, politisch sicher und unerschöpflich scheint. Deshalb zieht die amerikanische KI-Industrie gen Osten, nach Saudi-Arabien. Dort, wo früher Öl aus der Erde sprudelte, entstehen heute Rechenzentren, die ganze Landstriche in Licht und Wärme tauchen. Der Wüstensand wird zur Platine der Zukunft.

Die Idee ist ebenso simpel wie genial: Amerika liefert Technologie, Chips, Software und Sicherheitsgarantien. Saudi-Arabien liefert Fläche, Sonne und Kapital. Aus dieser Zweckgemeinschaft wächst ein digitales Energieimperium, das neue Abhängigkeiten schafft, diesmal nicht durch Öl, sondern durch Strom. Wer die Energie für künstliche Intelligenz liefert, liefert zugleich die Grundlage der globalen Informationsmacht.

Offiziell sprechen beide Seiten von Partnerschaft. In Wahrheit ist es ein stilles Machtgeschäft. 20 Milliarden Dollar fließen von DataVolt in amerikanische Rechenzentren, weitere 80 Milliarden in gemeinsame Technologieprojekte mit US-Konzernen. Hinter den nüchternen Zahlen steht ein strategisches Kalkül: Washington sichert sich den Zugriff auf die Energiequellen, die seine KI-Vorfahrt garantieren, während Riad seinen Einfluss ausweitet – als neuer Energielieferant des Denkens.

Rechenleitung im Himmel

Die Parallelen zur Ölgeschichte sind unübersehbar. In den 1970ern waren es die Tanker, die Europa und Amerika in Abhängigkeit hielten. In den 2030ern könnten es die Stromkorridore sein, die Serverparks speisen und Datenströme lenken. Damals reichte ein Embargo, um ganze Industrien lahmzulegen. Morgen könnte ein gedrosseltes Stromnetz reichen, um KI-Systeme zum Stillstand zu bringen. Der Unterschied: Diesmal wird die Waffe nicht sichtbar. Kein Ventil wird zugedreht, kein Hafen blockiert. Die Kontrolle liegt im Code, in Verträgen, in Prioritätenlisten. Man muss nur den richtigen Schalter drücken und ganze Datenflüsse verdunkeln sich. So entsteht im Schatten der Digitalisierung ein neues geopolitisches Druckmittel: die Energie der Intelligenz.

Während Washington also eine Weltmaschine baut, die Strom, Daten und Macht verschränkt, verfolgt China längst seinen eigenen Kurs. Peking will sich nicht in amerikanische Abhängigkeit begeben, sondern eine vollständig autarke Infrastruktur schaffen, vom Chip über den Reaktor bis zur Antenne. Die Firma Ada Space brachte 2025 den ersten orbitalen KI-Supercomputer ins All. Kein Labor, kein Marketinggag, ein reales, funktionsfähiges Rechenzentrum, gespeist von Solarstrom, gekühlt im Vakuum und verbunden durch Laserlinks. Die Chinesen nennen es poetisch „Tianyan“, Himmelsauge. Im Westen klingt es bedrohlicher: das erste neuronale Netz im Orbit.

Während die Amerikaner also Milliarden in Wüsten schaufeln, verlegt China die Rechenleistung gleich in den Himmel. Dort oben gibt es keine Grundstückspreise, keine Umweltauflagen, keine Proteste. Nur Sonne, Stille und absolute Kontrolle. Einmal installiert, ist ein solches System kaum mehr greifbar. Keine Regierung, kein Gericht, kein Untersuchungsausschuss kann es anhalten. Der Orbit wird damit nicht nur zum Symbol für technische Überlegenheit, sondern zu einem Ort der Unangreifbarkeit.

Die USA reagieren darauf mit Stargate und Saudi-Arabien wird zum Knotenpunkt dieser Macht. Doch während beide Blöcke bauen, schaut Europa zu, wie immer, wenn es ernst wird. In Brüssel schreibt man Richtlinien, während anderswo Netzteile glühen. Der europäische Reflex ist bekannt: regulieren, bevor man verstanden hat, was es zu regulieren gilt. Der AI Act ist das Musterbeispiel, eine Fleißarbeit aus Paragrafen, Ethik und guten Absichten. Aber Regeln ersetzen keine Rechenzentren. Souveränität braucht Strom, Stahl und Chips, nicht nur moralische Überlegenheit.

Abschalten statt besetzen

Europa redet von Unabhängigkeit, während 80 Prozent seiner KI-Anwendungen auf amerikanischen Clouds laufen. Es plant Ethikplattformen, wo andere Industrieallianzen schmieden. Gaia-X, einst als europäische Cloud-Vision gefeiert, ist heute ein Flickenteppich aus Pilotprojekten und PDFs. Während Brüssel die Risiken von Chatbots debattiert, bauen die USA und China physische Infrastrukturen, hunderte Meter hoch, kilometerlang, unübersehbar. Man kann ihnen beim Wachsen zusehen, nachts, wenn ihre Lichter die Wüste erhellen.

Das Problem ist nicht, dass Europa reguliert. Es ist, dass es stattdessen reguliert. Statt Politik für eigene Kapazitäten zu machen, delegiert man Verantwortung an Paragrafen. Der Kontinent, der einst Industrien erfand, diskutiert heute über Definitionen. Er verhält sich wie jemand, der über die Sicherheitsnorm einer Brücke spricht, während sie längst woanders gebaut wird.

Währenddessen verschiebt sich das Gleichgewicht der Welt. Wer über Rechenleistung verfügt, kontrolliert, was wahr wird, nicht im philosophischen, sondern im ganz praktischen Sinn. Modelle gewichten Daten, filtern Informationen, priorisieren Sichtbarkeit. Sie entscheiden, welche Geschichte erzählt wird, welche Version von Realität im Stromnetz überlebt. Wahrheit wird zu einer Rechenfrage. Und der Zugang zu dieser Rechenmacht, zur wahren Währung der Zukunft, liegt in den Händen einiger weniger Konzerne.

Diese Macht hat kein Gesicht. Sie spricht nicht, sie rechnet. Sie reagiert auf Signale, Verträge, Zahlen. Doch ihre Wirkung ist tief politisch. Sie bestimmt, welche Sprachen eine KI versteht, welche Themen sie blockiert, welche Länder Zugriff auf Trainingsdaten erhalten und welche nicht. In den Händen falscher Betreiber wird aus einem Datennetz ein Werkzeug der Einflussnahme. Man kann Staaten nicht mehr besetzen, aber man kann sie abschalten.

Kriege entscheiden sich in Rechenzentren

Dasselbe Prinzip zeigt sich im Militärischen. Die Grenzen zwischen ziviler Technologie und Kriegsführung sind kaum mehr zu erkennen. Starlink begann als Kommunikationssystem, heute ist es Teil der Gefechtsführung. Unter dem Namen Starshield bietet SpaceX militärische Satellitenkommunikation, Datenrelais und Aufklärungsdienste an. Im Ukrainekrieg liefen Befehle und Zielkoordinaten über Starlink-Terminals, zivile Technik in militärischem Einsatz. Später folgten vertragliche Anpassungen, Haftungsausschlüsse, juristische Verrenkungen. Das Muster ist klar: Was als ziviles Netz beginnt, endet als Kriegsinfrastruktur.

Auch Israel hat die Schwelle überschritten. Das System Lavender, 2024 durch Haaretz enthüllt, nutzte künstliche Intelligenz, um im Gaza-Krieg Verdächtige zu identifizieren. Der Algorithmus lieferte Listen, auf deren Grundlage Menschen ins Visier gerieten, oft auf Basis fehlerhafter Daten. Offiziell hieß es, der Mensch entscheide weiterhin. Doch wer die Abläufe kennt, weiß: Zwischen Algorithmus und Befehl blieb kaum Zeit zum Denken. Krieg wurde zur Datenoperation, Verantwortung zur Variable.

Mit Stargate bekommt diese Logik eine neue Dimension. Denn wenn die Rechenleistung der Welt in wenigen Netzen gebündelt wird, sind auch die Systeme, die töten können, Teil derselben Infrastruktur. Die Verbindung von ziviler KI und militärischer Nutzung ist keine hypothetische Gefahr mehr, sie ist eingebaut. Der Krieg der Zukunft wird nicht mehr an der Front entschieden, sondern im Rechenzentrum. Und wer diese Zentren kontrolliert, kontrolliert die Gewalt.

Europa spielt in dieser Welt kaum eine Rolle. Seine Rechenleistung beträgt kaum fünf Prozent des globalen Anteils. Die USA halten mehr als 60, China fast 30. Europa besitzt Ethikräte, Datenschutzbeauftragte und Förderprogramme, aber keine Reaktoren, keine Chips, keine Rechenparks, die diesen Namen verdienen. Es hat Prinzipien, aber keine Server. Und Prinzipien ohne Strom leuchten nicht.

KI-Ethik: Es geht um Macht, nicht um Manieren

Die Abhängigkeit ist total. Schon heute hängen Verwaltungen, Banken, Medien und selbst Militärprogramme an Diensten amerikanischer Anbieter. Ein Ausfall oder Embargo würde binnen Stunden weite Teile der europäischen Infrastruktur treffen, digital, nicht militärisch. Das Risiko ist real, aber politisch verdrängt. Man redet über KI-Ethik, als ginge es um gute Manieren, nicht um Macht.

Man könnte sagen: Der Westen hat zwei Gesichter. In Washington redet man über „nationale Sicherheit durch KI“, in Brüssel über „vertrauenswürdige Anwendungen“. Das eine baut Fabriken, das andere Ausschüsse. Doch der Boden unter beiden ist derselbe: Strom, Rohstoffe, Serverräume. Der Unterschied ist nur, wer sie besitzt.

Die Amerikaner haben begriffen, dass Souveränität in der Zukunft nicht mehr an Grenzen hängt, sondern an Bandbreite. China hat dasselbe begriffen, nur früher. Europa begreift es noch nicht. Wer in dieser neuen Ordnung nicht liefert, wird beliefert. Wer nicht denkt, wird gedacht. Das ist der Kern der digitalen Abhängigkeit.

Und doch wäre es falsch, den Niedergang als Schicksal zu akzeptieren. Es gäbe Wege aus dieser Schwäche, wenn man den Mut hätte, sie zu gehen. Man müsste Rechenleistung zur öffentlichen Infrastruktur erklären, ähnlich wie Wasser, Bahn oder Strom. Man müsste den Aufbau eigener Kapazitäten finanzieren, nicht als Subvention, sondern als Daseinsvorsorge. Man müsste wieder begreifen, dass Unabhängigkeit kein romantischer Begriff ist, sondern harte Arbeit.

Das orbitale Zeitalter hat begonnen

Aber dafür bräuchte es eine Politik, die baut, statt bloß zu beraten. Die versteht, dass Ethik ohne Hardware nichts bewirkt. Eine Demokratie kann nur so frei sein, wie ihre Infrastruktur es zulässt. Wenn die Grundlagen des Denkens, Energie, Daten, Rechenleistung, in privater Hand liegen, dann gehört auch das Denken irgendwann nicht mehr uns.

Europa müsste sich entscheiden: Will es Zuschauer oder Akteur sein? Will es weiterhin Paragrafen exportieren, während andere Realität produzieren? Oder will es wenigstens einen Teil der digitalen Zukunft selbst gestalten? Es geht nicht um nationale Größe, sondern um Selbstachtung.

Denn der Himmel, den wir einst als Ort der Freiheit sahen, wird gerade zur Kommandozentrale der Macht. Er strahlt nicht vor Licht, sondern vor Daten. Milliarden Bits rasen über uns hinweg, gesteuert von Algorithmen, gespeist von Energie, überwacht von Unternehmen, die keiner wählen kann. Und während die Menschheit nach oben blickt, um Antworten zu finden, liefert der Himmel längst nur noch Berechnungen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Wir sind längst Teil eines Systems, das wir weder gebaut noch verstanden haben. Ein System, das uns verspricht, klüger zu machen und uns gleichzeitig entmündigt. Die eigentliche Frage ist nicht, ob Maschinen denken können, sondern wer dafür sorgt, dass wir es noch dürfen.

Das orbitale Zeitalter hat begonnen. Es begann nicht mit einem Schuss, sondern mit dem Surren von Kühlern, dem Schein von Solarfeldern und dem unsichtbaren Puls von Laserverbindungen. Wer dort oben die Regeln setzt, wird hier unten bestimmen, wie wir leben, reden, arbeiten und womöglich, wie wir sterben. Der Rest ist Schweigen.

Quellen

Stargate / USA–Saudi-Investments / Offizielle Angaben

Reuters – Trump announces private-sector $500 billion AI infrastructure (21.01.2025):
https://www.reuters.com/technology/artificial-intelligence/trump-announce-private-sector-ai-infrastructure-investment-cbs-reports-2025-01-21/

White House – Fact Sheet: $600B investment commitment in Saudi Arabia; DataVolt $20B; $80B U.S.–KSA tech (13.05.2025):
https://www.whitehouse.gov/fact-sheets/2025/05/fact-sheet-president-donald-j-trump-secures-historic-600-billion-investment-commitment-in-saudi-arabia/

OpenAI – Five new Stargate sites (23.09.2025):
https://openai.com/index/five-new-stargate-sites/

Saudi-Arabien / DataVolt / Energie-Compute
5) DataCenterDynamics – DataVolt plans 1.5GW data center campus in NEOM’s Oxagon (11.02.2025):
https://www.datacenterdynamics.com/en/news/datavolt-plans-15gw-data-center-campus-in-neoms-oxagon/

NEOM – DataVolt signs agreement with NEOM (10.02.2025):
https://www.neom.com/en-us/newsroom/datavolt-signs-agreement-with-neom

DataVolt × MODON – Pressemitteilung (20.02.2025):
https://data-volt.com/wp-content/uploads/2025/03/DataVolt-x-MODON-Press-Release.pdf

China / Ada Space (Orbit-Compute)
8) Handelsblatt – Ada Space bringt KI-Supercomputer in den Orbit (2025):
https://www.handelsblatt.com/technik/ki/raumfahrt-ada-space-aus-china-bringt-ki-supercomputer-in-den-orbit/100130109.html

GIP Digital Watch – China launches first AI satellites in orbital supercomputer network (19.05.2025):
https://dig.watch/updates/china-launches-first-ai-satellites-in-orbital-supercomputer-network

Zivil/Militär – Starshield & Lavender
11) Wikipedia (mit Primärquellen) – SpaceX Starshield:
https://en.wikipedia.org/wiki/SpaceX_Starshield

+972 Magazine / Local Call – Lavender: How Israel used AI to identify targets in Gaza (03.04.2024):
https://www.972mag.com/lavender-ai-israeli-army-gaza/

The Guardian – Israel’s AI targeting system raises legal concerns (03.04.2024):
https://www.theguardian.com/world/2024/apr/03/israel-gaza-ai-database-hamas-airstrikes

Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 20.10. 2025
https://overton-magazin.de/hintergrund/wirtschaft/von-starlink-zu-stargate-der-naechste-schritt-der-digitalen-vorherrschaft/

Wir danken für das Publikationsrecht.

„Wehrpflicht“ freiwillig, solange genügend willig sind – „Wir wollen nicht!“

Der Kriegskurs muss abgsichert werden. Am liebsten hätten die Berliner Parteien die allgemeine Wehrpflicht dafür wieder eingeführt. Das Dilemma: die Infrastrukturen, wie zum Beispiel Kasernen und Ausbildungspersonal sind dafür gar nicht vorhanden. Und fast noch schlimmer: die Begeisterung, die zur Kriegstüchtigkeit wie das Amen in der Kirche gehört, hält sich bei den jungen Menschen nicht nur in Grenzen, sie haben Umfragen zufolge schlichtweg keine Lust, für Deutschland zu kämpfen – auch nicht im sogenannten Verteidigungsfall.

Auch Eltern sind besorgt und rennen den Beratungsstellen für Wehrdienstverweigerung die Türen ein. Ganz offensichtlich geht bei vielen von ihnen die persönliche Bereitschaft gegen Null, Gesundheit und Leben ihrer Kids einem neuen Deutschen Großmachtkurs in irgendeiner Form anzuvertrauen.

Konsequenz der politisch Verantortlichen aus diesem Desaster: ein sanfter Einstieg – alles scheibchenweise. Die Einberufung soll vorerst freiwillig sein. Alle anderen werden „nur mal so“ mit Werbematerial, Fragebogen, Feststellung von Wehrfähigkeit und Wehrwilligkeit „angefunkt“.

Im Rahmen der Wehrerfassung sollen ab 2026 alle 18-jährigen Männer zur Beantwortung eines Fragebogens verpflichtet werden. Erfasst werden soll, wer wehrpflichtig und wer von den Wehrpflichtigen tauglich, nützlich und motiviert ist. Vorbereitung pur für die spätere Zwangsverpflichtung.

2027 will die Bundesregierung dann mit verpflichtenden Musterungen starten.

Parallel wird eine „Charme-Offensive fürs Militär“ eingeleitet, garniert mit „attraktiven Lockangeboten für junge Menschen“. Dazu sollen besondere Ausbildungsangebote, eine bessere Bezahlung sowie die Unterstützung bei der Finanzierung eines Führerscheins gehören.

Zur Zeit melden sich nach Angaben der Bundeswehr jährlich 15.000 zum Freiwilligen Wehrdienst; das entspricht gerade einmal fünf Prozent der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs. Der zuständige SPD Ministister Pistorius hofft diese Zahl mit seinem neuen aufgeputzten Wehrdienst innerhalb der nächsten sechs Jahre um mehr als 100 Prozent auf 40.000 steigern zu können.

„Klar ist bei allem auch: Reicht Freiwilligkeit nicht, wird es keinen Weg vorbei geben an einer verpflichtenden Heranziehung“, lässt diese Woche Pistorius an der Ernsthaftigkeit, dass der Bedarf gedeckt werden muss, keinen Zweifel aufkommen.

Wenn sich nicht genug Freiwillige für die Bundeswehr melden, sollen nur so viele Männer zwangsverpflichet werden, wie man in der gegenwärtigen Krisenlage tatsächlich braucht. So sieht es der gegenwärtige Regierungaentwurf vor.

Mitgedacht wird dabei, soviel, wie man jeweils unterbringen und ausbilden kann. Mit voller Power werden jetzt schon an 120 Bundeswehrstandorten 270 neue Unterkunftsgebäude hochgezogen, um der für den Kriegs- und Krisenfall benötigten Anzahl junger Männern ein Bett bieten zu können.

Der Streit der vergangenen Tage zwischen den Regierungsparteien drehte sich vor allem darum, welche Mechanismen greifen sollen, wenn sich nicht genügend Freiwillige für den Kriegsdienst finden, und ob künftig alle jungen Männer wieder gemustert werden sollen. Der klassische Spruch „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ treibt manchen Koalitionären den Schweiß auf die Stirn.

Pistorius will erst abwarten, ob sein Freiwilligkeitskonzept mit Charmeoffensive greift. Andere wollen auf Nummer sicher gehen und sofort regeln, was zu tun ist, wenn die benötigte Zahl an Freiwilligen nicht erreicht wird. Da auch kein Bedarf für einen ganzen Jahrgang besteht, wird vorgeschlagen, die jungen Männer per Losverfahren zur Musterung und, wenn nötig, später auch per Zufallsauswahl für einen Pflichtdienst heranzuziehen.

Die Bedenken zu diesem Verfahren sind groß. Ist es wegen seiner Ungerechtigkeit überhaupt verfassungsgemäß? Vor allem wird befürchtet, dass der Frust, willkürlich per Los eingezogen zu werden, zu ständigem Streit führt und bei den Betroffenen den letzten Rest an Kriegsbegeisterung zunichte machen könnte!

Für die Jugend kann das nur heißen. Sollen sie sich doch in ihren Widersprüchen verheddern. Wir lassen uns nicht ködern. Für uns ist keine Form von Wehrpflicht akzeptabel. Wir ziehen nicht in Eure Kriege! Wehrpflicht Nein. Keine Bundeswehr an Schulen und Bildungsstätten. Wir bestehen auf dem Recht zu einer uneingeschränkten praktikabeln Wehrdienstverweigerung. Wir fordern, statt der Kasernen Wohnungen zu bauen!

Titelbild: w?odi from Szczecin, Poland via wikimedia commons (CC BY-SA 2.0)

Mitglieder der DGB Gewerkschaften IG Metall, ver.di , GEW und IG BAU protestieren gegen die sich häufenden Übergriffe der Berliner Polizei

Eine Reihe Mitglieder aus den DGB Gewerkschaften GEW, IG Metall, Verdi und IG BAU haben an der antimilitaritischen Demonstration Geld für den Kiez statt Waffen für den Krieg“ am Sonntag im Berliner Wedding teilgenommen. Wie viele andere Menschen aus dem Kiez machen wir uns Sorgen, dass wir nicht nur die sozialen Auswirkungen eines alle Lebensbereiche bedrohenden Konfrontations- und Kriegskurses zu spüren bekommen, sondern dass uns eines Tages die sich immer weiter ausbreitenden militaristischen Einrichtungen in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fliegen.

Als wir am Montag Morgen in der Berliner Presse über unsere Demonstration lasen, trauten wir unseren Augen nicht. War das wirklich die Veranstaltung, an der wir teilgenommen hatten? Wir kamen überein, dass es an der Zeit ist, hier einiges richtig zu stellen und die folgende Erklärung zu veröffentlichen:

Erstens. Wir erklären, dass nach unser aller Wahrnehmung seitens der Teilnehmer an der Demonstration weder aggressive Handlungen erfolgten noch antisemitische Parolen erkennbar gerufen wurden.

Zweitens. Umgekehrt können wir bezeugen, dass seitens der Polizei trotzdem anlasslos ohne erkennbaren Grund in den Block vor uns provokativ und gewaltsam eingedrungen wurde. Es war nur dem disziplinierten und besonnenen Verhalten der meist jungen Demonstrationsteilnehmer zu verdanken, daß die Situation nicht eskaliert ist.

Drittens. Während sich die Polizisten in ihrer Kampfmontur bedrohlich nahe vor uns aufbauten, wurde seitens der Demonstranten und Leitung vom Wagen her skandiert: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“

Video Doku von der Festnahme des parlamentarischen Beobachters Cem Ince, Partei die Linke

Viertens. Auch die Video Aufnahmen über die Verhaftung unseres IG Metall Kollegen und Bundestagsabgeordneten Cem Ince verifizieren die Zeugenaussagen, dass es „sich um reine und brutale Polizeiwillkür“ gehandelt habe. Die rasche Freilassung entschuldigt in keiner Weise die vorangegngenen Vorgänge. Der attackierte Abgeordnete war deutlich als parlamentarischer Beobachter gekennzeichnet, während der Verhaftung wurden die beteiligten Polizisten ausdrücklich auf seine Rolle und Immunität hingewiesen. Die polizeilichen Presseerklärungen und Begründungen zu diesem Vorgang gehören ins Reich der Märchenerzählungen.

Fünftens. Wir halten es für einen Skandal, daß ein bekannter Rechtsextremist sowohl die gesamte Kundgebung als auch Demonstration auf Tuchfühlung unter Schutz der Polizei begleiten und die Teilnehmer ablichten durfte. Beschwerden von uns wurden von den angesprochenen Polizisten aggressiv zurückgewiesen.

Sechstens. In einem Großteil der Presseberichte wird das Polizeiliche Narrativ verbreitet, dass pauschal von den Demonstranten antisemitische Parolen verbreitet worden seien und von ihnen Agressionen ausgingen. Was unsere eigenen Beobachtungen und das uns zugängliche Videomaterial betrifft, handelt es sich hier um Verzerrungen und Schutzbehauptungen, um amtsanmaßende Handlungen zu decken. Für uns ist damit auch die Glaubwürdigkeit der Polizei bei der Darstellung anderer vermeintlicher Vorfälle nicht mehr gegeben.Von daher bezweifeln wir generell an, ob die angegebenen 20 Verhaftungen rechtmäßig und verhältnismäßig waren.

Siebtens. Von der Berliner Presse erwarten wir, daß sie nicht einseitig die polizeilichen Angaben übernimmt, sondern vor allem auch die Beteiligten selbst zu Wort kommen lässt sowie den Wahrheitsgehalt von Aussagen, was im vorliegenden Fall probemlos möglich gewesen wäre, überprüft.

Achtens betrifft uns als Gewerkschafter:innen besonders! Die in vielen Fällen dokumentierten Übergriffe der Berliner Polizei – zuletzt gegen ein Kleinkind mit ihrem Vater- ,die oft den ganzen Erdball umkreisen, ramponieren das Image unserer einst als „weltoffen“ geschätzten Stadt Berlin. Das hat – neben den ökonomischen Verwerfungen aufgrund eines geopolitischen Konfrontationskurses – schädliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt und damit auf unsere Arbeitsplätze. Die Übergriffe der Berliner Polizei stehen somit in krassem Widerspruch zu den sozialen Interessen der Beschäftigten in dieser Stadt.

Neuntens. Wir sind der Meinung, jedes journalistische Medium sollte ein (Eigen)interesse an der unabhängigen Aufklärung solcher Vorfälle haben.


Titelfoto: Peter Vlatten

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