Tödliche „Erntehelfer“

Erntehelfer“ nannten die USA das tödliche Gift, dass sie zehn Jahre lang über ganz Vietnam versprühten. Ganz so wie sie der Atombombe über Hiroshima den „niedlichen“ Namen „little boy“ gaben. Beide Ereignisse eine humane und ökologische Katastrophe. Die Folgen spüren die Menschen auch heute nach vielen Jahrzehnten noch. Bezüglich Zynismus und Verharmlosung ihrer Kriegsmaschinerie waren und bleiben die USA unschlagbar. (Peter Vlatten)

Tödliche „Erntehelfer“

Ein Beitrag von Cathrin Carras, Vietnam 9.August 2023

Am Anfang fielen die Blaetter von den Baeumen. Reispflanzungen gingen ein, der Dschungel verdorrte. Spaeter starben die Menschen. Vor 62 Jahren, am 10. August 1961, begannen die US-Streitkraefte in Vietnam mit der Operation, die den zynischen Namen Ranch Hand (Erntehelfer) trug, der großflaechigen Verspruehung von dioxinverseuchten Entlaubungsmitteln.. Die Rueckzugswege der Nationalen Befreiungsfront sollten auf diese Art fuer amerikanische Luftangriffe offengelegt, den Reisbauern die oekonomische Grundlage entzogen werden. Seit 2009 wird der 10. August in Vietnam als Orange Day begangen. Kein Feier-, sondern ein Gedenktag fuer die Opfer.

Letzte Meldung 10.8. : "Ecowas-Staaten stellen Eingreiftruppe für Einsatz in Niger zusammen". Hier unser Beitrag zur aktuellen Entwicklung "Putsch in Niger - Blick hinter die Kulissen"
Lese auch zu dieser Thematik : Mahnwache gegen Streubomben - der Protest formiert sich! 

Zehn Jahre dauerte der militaerisch-chemische Grossfeldversuch am lebenden Objekt. Nach zehn Jahren hatten die Vereinigten Staaten in 9.495 dokumentierten Einsaetzen rund 90 Millionen Liter Agent Orange versprueht, drei Millionen Hektar Regenwald und Reisfelder vernichtet sowie 26.000 Doerfer verseucht. Fuenf Millionen Vietnamesen kamen mit Agent Orange in Beruehrung. Drei Millionen von ihnen erkrankten in der einen oder anderen Form. Auch heute, mehr als 50 Jahre nach Ende des Agent-Orange-Einsatzes, leiden und sterben Menschen an den Langzeitfolgen. Neugeborene mit deformierten Schaedeln, ohne Augen und Nase, mit fehlenden oder missgebildeten Organen, junge Frauen um die 20 mit vom Krebs zerfressenen Gebaermuettern, Kriegsveteranen und einfache vietnamesische Bauern, die – oft Jahre nach dem Kontakt mit Agent Orange – an boesartigen Tumoren sterben. Seit Ende des Krieges wurden und werden, auch heute noch in der dritten Nachkriegsgeneration, mehr als 150.000 Kinder mit Missbildungen geboren.

erschienen auf FB, 9.8.2023, wir danken für die Publikationsrechte

Foto Titelbild Cathrin Carras

Aktuell Putsch in Niger - Krieg um Afrika 

Pazifismus ist kein Verbrechen

An die ukrainische Regierung:
Lassen Sie die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen!

05.08.2023

Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. (Deutschland) verurteilen aufs Schärfste die Tatsache, dass Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, von der ukrainischen Regierung formell des Verbrechens der „Rechtfertigung der russischen Aggression“ angeklagt wurde. Als einziger „Beweis“ wird dafür die Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung angeführt, die auf
dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 mit dem Titel „Friedensagenda für die Ukraine und die Welt“ beschlossen wurde. Darüber hinaus wird in der
Erklärung die russische Aggression ausdrücklich verurteilt (https://worldbeyondwar.org/peace-agenda-for-ukraine-and-the-world/).

Wir sind alle schockiert darüber, dass der ukrainische Sicherheitsdienst am 3. August 2023 in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko eingebrochen ist und eine illegale Durchsuchung durchführte. Dabei wurde nichts Kriminelles gefunden. Trotzdem wurde sein Telefon, sein Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung beschlagnahmt. Wir protestieren aufs Schärfste gegen die Schikanen gegen Yurii Sheliazhenko. Er wurde für den 7., 8. und 9. August 2023 zum Verhör vorgeladen.

Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus kein Verbrechen ist. Wir fordern, dass die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko unverzüglich fallen gelassen wird und dass die Menschenrechte in vollem Umfang geschützt werden, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das dem Recht auf Gedanken-,Gewissens- und Religionsfreiheit innewohnt, das unter anderem in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird und das auch in Zeiten des öffentlichen Notstands nicht außer Kraft gesetzt werden kann, wie in Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR festgelegt.

Yurii Sheliazhenko ist ein bekannter Kriegsdienstverweigerer, Pazifist, Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwalt. Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen ihn und die Ukrainische Pazifistische Bewegung sowie alle Fälle von Zwangsrekrutierung und Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen.

Wir unterstützen die Forderung von EBCO nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Ukraine in Kiew am Montag, den 7. August 2023, um unsere Bedenken und Empfehlungen zu besprechen, auch im Rahmen unserer gemeinsamen #ObjectWarCampaign: Russland, Belarus, Ukraine: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer.

Die Initiative „Kritik am Militär ist keine Verbrechen. #Kriegsverrat ist Friedenstat“ ruft auf.

Ab Mo. 7.8.23 zur tägl. Mahnwache ab 11 Uhr bis zur Freilassung von Yuri Sheliazhenko
vor der Ukrainischen Botschaften in Berlin: Albrechtstraße 26, 10117 Berlin-Mitte (direkt gegenüber der Heinrich-Böll-Stiftung)

Putsch in Niger – Blick hinter die Kulissen

Update 6.8.2023 mit einem Beitrag von Martin Sonneborn zur Situation in Westafrika und den Hintergründen zu den aktuellen Ereignissen.

Putsch in Niger. Kampf um die Sahel Zone und Afrika.

Wie real ist Demokratie und der Einfluss der Menschen in einem Land eigentlich, wenn das Gros bis zum Umfallen für das Überleben schuften musss und gerade mal 10% der Einnahmen im eigenen Land verbleiben – und davon das meiste bei der mit dem Ausland verbandelten Oberschicht landet?

Der gestürzte Päsident „Bazoum habe sich für Europa „als verlässlicher Partner“ erwiesen, erklärt Außenministerin Annalena Baerbock; man unterstütze ihn deshalb „nach Kräften“. In Niger hingegen sind Bazoum und insbesondere die Regierungspartei PNDS „äußerst unbeliebt“, wie etwa der Leidener Politikwissenschaftler Abdourahmane Idrissa sowie NGOs aus Niger konstatieren. Ursache sei, dass die Regierung Sozialproteste brutal unterdrückt und sich dabei auf ihre guten Beziehungen zu den westlichen Mächten gestützt habe“ [1]Ein verlässlicher Partner”,German Foreign Policy, 31.Juli 2023

Die Behörden Nigers verbieten sofort nach dem Putsch den Export von Uran und Gold nach Europa. Der entsprechende Beschluss tritt auf unbestimmte Zeit in Kraft. Frankreich hat nun keinen beständigen Rohstoffkanal mehr. An der französischen Botschaft macht die Bevölkerung ihrem Zorn Luft. Man will sich von Drohungen aus Europa und den USA sowie der mit ihnen vernetzten westafrikanischen Union EWOCAS nicht mehr einschüchtern lassen.

Die betroffenen Militärregierungen und Länder Westafrikas und der Sahel Zone, die sich nun ihrerseits aus Gründen der Machterhaltung von den politischen Gegnern des Westens abhängig machen, [2] … Continue reading suchen den Schulterschluss. Die Situation kann – sollte der Westen mit seinen Verbündeten und EWOCAS militärisch angreifen – eskalieren bis zum Flächenbrand. Es droht ein neuer verheerender Stellvertreterkrieg um die hegemonialen Interessen zwischen den verschiedenen geopolitischen Machtblöcken.[3] https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/niger-ecowas-militaerintervention-100.html?fbclid=IwAR3XbMkSXrYDQm2YguF7TZKwfZ6nwGKYIFZ7cNs6ZPoS1Z0_70L1-VtQhGE [4] https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/niger-mali-burkina-faso-100.html Das wäre – auch wenn einige Pharisäer hierzulande nur den Krieg in der Ukraine kennen wollenaktuell Krieg Nummer 20 in dieser Welt.

Inzwischen schreiten die Vorbereitungen der EWOCAS für einen Angriffskrieg, eng abgestimmt mit den westlichen Verbündeten, voran. Mobilmachung auf beiden Seiten. Niger bereitet sich auf einen Angriff vor, hat seinen Luftraum gesperrt und die Grenzen geschlossen. [5]hhttps://www.n-tv.de/politik/Niger-bereitet-sich-auf-Intervention-der-Nachbarlaender-vor-article24309292.html?fbclid=IwAR31UbWwOnmFMu7FC_t9DZIi08Vyf_iXhImHawlhbErg1BjljGUwn4E7lq4 [6]https://www.telepolis.de/features/Niger-USA-erkennen-keinen-Putsch-aber-eigene-Interessen-9245796.html?fbclid=IwAR0Shd3Qy2h5rygU-j3o3DJclieU2Dez5l-8hVX_voUfTVLB9NDDLUcPM-k)

Die aktuelle Entwicklung in Westafrika macht nicht zuletzt ein weiteres Mal alle Chancen auf klimagerechte Lösungen in diesem Teil des globalen Südens zunichte und kann erneut in ganz Afrika generell das Vertrauen in den geopolitischen Westen untergraben.

Wann endlich werden die Lehren gezogen aus Irak, Syrien, Lybien, Afghanistan, Jemen und auch Mali, dass Regime Change Politik mit dem Fingerzeig auf Diktaturen weder wirkliche Demokratie noch sonst irgendwelche Lösungen bringt, sondern das Gegenteil bewirkt und oft nichts als das Feigenblatt für schnöde neokoloniale Interessenspolitik ist?

10 Tausende demonstrierten in Niamey, der Hauptstadt von Niger, gegen die ECOWAS-Sanktionen und das Interventionsultimatum. Von Jugendlichen werden Bügerwehren aufgestellt, um gegebenfalls einer Besatzungstruppe die Stirn zu bieten.

Die Menschen in grossen Teilen Afrikas sind die Doppelmoral ihrer Eliten gründlich satt. Diese Eliten kleiden den alten kolonialen Autoritarismus des Westens lediglich “ in ein neues demokratischeres Gewand, während Afrika zugleich als benachteiligter Akteur in die neoliberale Globalisierung hineingezogen“ wird. Westafrika ist ökonomisch über die Gemeinschaftswährung UEMOA, eine Fortsetzung der alten Kolonialwährung CFA-Franc, fest an den Euro gekoppelt. Interventionen und Verletzungen der nationalen Integrität vor allem unter Führung Nigerias sind nichts Ungewöhnliches. Bereits 5 mal marschierten Truppen des Bündnisses in ihre Nachbarländer ein. (TAZ 4.8. /6.8.2023) [7] https://taz.de/Afrika-nach-Staatsstreich-in-Niger/!5944159/ [8] https://taz.de/Wirtschaftsgemeinschaft-Ecowas/!5949067/ Aber die ECOWAS zögert, denn diesmal sind die eigenen Risiken unkalkulierbar.

Die US Chefunterhändlerin für Niger hat ihre Aktivitäten für eine Verhandlungslösung abgebrochen.[9]Putschisten in Niger benennen Premier | tagesschau.de Ihr Name Victoria Nuland verheisst nichts Gutes. Sie war es, die die US Fäden vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine zog und für ihr „Fuck EU“ bekannt wurde, als sich Europa noch als „unwillig“ für eine Zeitenwende zeigte. Im Niger versuchen die USA nun mit allen Mitteln militärischen Einfluss und Drohnen Basen zu erhalten. Sei es mit Erpressung und Krieg oder auch im. Deal mit den Putschisten unter Preisgabe der demokratischen Fassade. [10] https://www.telepolis.de/features/Niger-USA-erkennen-keinen-Putsch-aber-eigene-Interessen-9245796.html?fbclid=IwAR0Shd3Qy2h5rygU-j3o3DJclieU2Dez5l-8hVX_voUfTVLB9NDDLUcPM-k

Seit Jahren halten sich französische, aber auch deutsche Truppen in Westafrika auf. Aus Sicht großer Teile der Bevölkerungen unter zweifelhaftem Mandat.

Wie die Verhältnisse im angeblich demokratischen Musterstaat Nigeria, dessen Präsident die EWOCAS dominiert und ebenfalls zu den „absolut verlässlichen Partnern“ der deutschen Außenministerin Baerbock zählt, tatsächlich sind, offenbaren die aktuellen Aussagen von nigerianischen Flüchtlingen. Sie benennen „wirtschaftliche Not, politische Instabilität und Kriminalität als Gründe für ihre Flucht“ und hoffen, dass ihnen in Brasilien nicht die gleiche Abschiebung nach Nigeria blüht wie dies in der EU und Deutschland der Fall wäre. ( Welt 4.8.2023)

Martin Sonneborn (Vorsitzender der Partei „die Partei“ und Abgeordneter im Europa Parlament ) gibt uns einen Blick hinter die Kulissen auf die NeoNeo-koloniale Gegenwart: „Es gibt (also) Gründe dafür, dass in Niamey, der Hauptstadt Nigers, die französische Botschaft brennt.“ (Vorbemerkungen Peter Vlatten)

Putsch in Niger -Blick hinter die Kulissen

von Martin Sonneborn, 2. August 2023

„In Frankreich gibt es keine einzige aktive Goldmine. Dennoch besitzt dieser (ehemals) verbrecherische Kolonialstaat mit 2.436 Tonnen die viertgrößten Goldreserven der Welt.

Die (ehemals) französische Kolonie Mali besitzt genau 0,0 Tonnen Gold, obwohl es mehrere Dutzend Minen (darunter 14 offizielle) im Land hat, in denen pro Jahr ganze 70 Tonnen davon abgebaut werden. Von den Einnahmen aus knapp 60 Tonnen Gold, die von (schätzungsweise) 600.000 Kindern in der (ehemals) französischen Kolonie Burkina Faso geschürft werden, gehen nur 10% an das Land, aber 90% an multinationale Goldgräberkonzerne.

Die letzte seiner 210 Uranminen hat Frankreich im Jahr 2001 geschlossen. Seither werden alle mit dem umwelt- und gesundheitsschädlichen Uranabbau verbundenen Probleme, einschließlich der Gefahren radioaktiver Verstrahlung, vorsorglich nach woanders exportiert. Aus dem westafrikanischen Niger stammen etwa ein Viertel der europäischen und ein Drittel der Uranimporte Frankreichs, das mit 56 Kernkraftwerken einen (ausbaufähigen) Spitzenplatz unter den Atomstromexporteuren der Welt belegt. Beschafft wird deren betriebsnotwendiger Brennstoff vom staatlichen Nukleargiganten Orano (ehemals Areva), der den höchsten und (passenderweise auch) schwärzesten Granitbau unter den Wolkenkratzern des Pariser Kapitaldistrikts La Défense besitzt, in geheimen Geheimverträgen z.B. aus Niger, wo der Konzern sich drei gewaltige Uranminen sowie die Mehrheitsbeteiligung an Nigers Staatsunternehmen für Uranaufbereitung (Somaïr) unter den Nagel gerissen hat.

Die (ehemals) französische Kolonie Niger verfügt über die hochwertigsten Uranerze Afrikas und ist der siebtgrößte Uranproduzent der Welt, aber der Weltbank zufolge sind 81,4% seiner Bürger noch nicht einmal ans Stromnetz angeschlossen. 40% leben unterhalb der Armutsgrenze, ein Drittel der Kinder ist untergewichtig, die Analphabetenquote liegt bei 63 Prozent. Nur die Hälfte der Einwohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, nur 16 Prozent sind an eine angemessene Sanitärversorgung angeschlossen.

Das gesamte Staatsbudget Nigers, eines Landes mit der dreifachen Fläche der Bundesrepublik, ist mit rund 4,5 Mrd. Euro nicht größer als der jährliche Umsatz des französischen Atomkonzerns. Trotz seiner Uran- und Goldvorkommen lag der Niger im Entwicklungs-Index zuletzt auf Platz 189 von 191 erfassten Staaten.

Frankreich hat im Zuge der „Dekolonisierung“ der 1960er Jahre seine vormaligen Kolonien zwar in die formale Unabhängigkeit entlassen, hinterließ ihnen allerdings Staats- und Rechtsordnungen, die – wie in der Kolonialzeit – darauf ausgelegt waren, die Bevölkerung einerseits mit möglichst geringem Aufwand zu kontrollieren und andererseits so viele Rohstoffe zu exportieren als irgend möglich.

Nicht genug, dass Frankreich sich über den sogenannten Kolonialpakt in Françafrique weiterhin das Vorkaufsrecht auf alle natürlichen Ressourcen und den privilegierten Zugriff auf Staatsaufträge gesichert hat, es zwingt den Staaten seither ebenso seine irrwitzige Kolonialwährung CFA-Franc auf, die jede autonome Geld-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik der (formal souveränen) Staaten nachhaltig verunmöglicht. Die vierzehn CFA-Staaten sind nicht nur durch einen festen Wechselkurs, der allein von den Nachfahren französischer Kolonialmessieurs bestimmt wird, an den Euro gekettet, (was ihnen 1994 eine 50%ige Abwertung einbrachte,) sondern haben auch jeden Zugriff auf 85% ihrer Währungsreserven verloren, die sie gezwungenermaßen bei der Agence France Trésor hinterlegen müssen.

Alle CFA-Staaten sind in hohem Maße rohstoffreich und nicht weniger hochverschuldet. Burkina Faso, Mali und Niger gehören trotz ihrer immensen Bodenschätze zu den ärmsten Ländern der Welt. „Meine Generation versteht das nicht“, sagt der 35-jährige Staatschef Burkina Fasos, Ibrahim Traoré. „Wie kann Afrika, das über so viel Reichtum verfügt, zum ärmsten Kontinent der Welt geworden sein?“

Ganz einfach, sagt der US-amerikanische Politikwissenschaftler Michael Parenti. Arme Länder sind nicht „unterentwickelt“, sondern „überausgebeutet“ („not underdeveloped but overexploited“).

Es gibt (also) Gründe dafür, dass in Niamey, der Hauptstadt Nigers, die französische Botschaft brennt.

Um die „Stimmung“ in Afrika zu ihren Gunsten zu drehen, versucht die EU, den Kontinent mit dem zu überziehen, was sie sich unter einem „Informationskrieg“ vorstellt, was beim weltbekannten Einfallsreichtum der Brüsseler Bürokraten auf eine Dauerschleife der 135 schärfsten Wertereden vonderLeyens einschließlich wechselnder ästhetischer Verbrechen aus dem Bereich Damenoberbekleidung hinauslaufen dürfte. Und auf ein paar neue Strophen der verwirrten Dschungel- und Garten-Lyrik von Sepp Borrell (184).

Es gibt allerdings Gründe dafür, dass die Bürger in den Strassen west- und zentralafrikanischer Staaten nicht die französische Trikolore oder das kobaltblaue Europabanner, sondern die Flagge Russlands bei sich tragen.

Und ob es uns oder der EU nun gefällt oder nicht, sieht ein wachsender Teil der (v.a. jüngeren) afrikanischen Bevölkerung in Putin keineswegs einen Bösewicht, sondern den Vorkämpfer einer globalen Freiheitsbewegung, die gegen die – unter dem Deckmantel der „Demokratie“ – von Akteuren des geopolitischen Westens aufrechterhaltene Ausbeutungs- und Unterwerfungsordnung in ihren Landstrichen gerichtet ist.

All dies wird sich nicht mit guten (oder gut geheuchelten) Worten in Luft auflösen lassen, nicht durch die Streichung „verletzenden“ Kinderromanvokabulars, nicht durch tolpatschige EU-„Informationskrieger“ und noch weniger durch konzertiertes Bombengewitter, sondern nur dadurch, dass sich nach Jahrhunderten nun endlich einmal die realen Beziehungsverhältnisse des Westens zum Globalen Süden ändern. Und Unterdrückung, Bevormundung, Ausplünderung, Rohstoffraub und Übervorteilung durch (mafiös) ungleiche Handelsverträge ihr überfälliges Ende nehmen.

Die USA sind – in dieser und manch anderer Hinsicht – bekanntlich ein hoffnungsloser Fall, die EU vielleicht noch nicht. Je länger sie sich dem von ihr zu vollziehenden Paradigmenwechsel zu entziehen versucht (oder ihm gar mit Gewalt begegnet), desto schlimmer wird es für sie ausgehen.

Vielleicht wäre es ein Anfang, wenn die EU beim nächsten Gipfel mit Afrika (oder Lateinamerika) die angereisten Staatsoberhäupter einmal durch dasselbe Hauptportal ins Konferenzgebäude schreiten ließe, das sie selbst benutzt, anstatt ihre fremdkontinentalen Gäste immerfort durch den schmucklosen Seiteneingang zu schleusen.

P.S.: Einen Ersteindruck ihrer intellektuellen Satisfaktionsfähigkeit gibt die nigrische Militärregierung übrigens selbst. Auf die Ankündigung der USA, jegliche Hilfsgeldzahlung an den Niger einzustellen, habe das Regime – afrikanischen Quellen zufolge – ausrichten lassen, der demokratische Weltmarktführer möchte seine Hilfe behalten und sie für die Millionen Obdachloser in den Vereinigten Staaten verwenden: „Nächstenliebe beginnt zu Hause.“

P.P.S.: Ibrahim Traoré (Bild) ist nicht nur Staatschef von Burkina Faso, sondern als Absolvent der Universität Ougadougou und der örtlichen Militärakademie auch Geologe und Offizier. Als jüngstes und smartestes Staatsoberhaupt der Welt droht der 35-jährige daher völlig zu Recht zum Hoffnungsträger der (west)afrikanischen Erhebung gegen Neokolonialismus und westliche Dominanz zu werden. Auch Traoré hat die französischen Truppen vor die Tür gesetzt und den Export von Gold und Uran nach Frankreich und in die USA untersagt, während er eine regionale Allianz mit Niger, Guinea, Mali und Algerien schmiedet.

P.P.P.S.: Frankreich und die USA drohen – selbst und über ihre Mittelsleute von ECOWAS – mit einem gewaltsamen Eingriff zur Wiederherstellung der „demokratischen“ Ausbeutungsordnung. Sieht aus, als hätten unsere kriegsbegeisterten Honks demnächst die Wahl, ob sie die westliche Welt lieber in der Ukraine (Team Blackrock) oder in Westafrika (Team Atomstrom) verteidigen wollen. Das ist das Schöne am Kapitalismus. Er sorgt stets für reichhaltige Auswahl.

Eine militärische Intervention der Achse USA-Frankreich-Grobbritannien-ECOWAS in Niger, so erklärten es Burkina Faso und Mali soeben, würden sie als „Kriegserklärung“ gegen sich selbst auffassen. Eine deutliche Ansage, die der malische Regierungssprecher Abdoulaye Maïga für die traditionell etwas begriffsstutzigen Demokraten aus Nord-Nordwest ein weiteres Mal und (um der Deutlichkeit willen) noch ein drittes Mal wortgleich wiederholt. Guinea sieht das ähnlich, und auch Algerien, das ein militärisches Kooperationsabkommen mit Niger unterhält, wird „im Falle einer ausländischen Intervention nicht untätig bleiben“.

Das Letzte, was Westafrika braucht, ist zufälligerweise auch das Letzte, was wir und Sie, ist zufälligerweise auch das Letzte, was der ganze Rest der Welt braucht: einen weiteren Krieg.“

Wir danken Martin Sonneborn für die Rechte zur Veröffentlichung.

Hier der Link zum aktualisierten Beitrag von Martin Sonneborn

Leseempfehlung : Sport für Völkerfreundschaft statt Völkerfeindschaft!

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung