Scheitert die europäische Union an der Ukraine?

Es besteht der Eindruck, dass die beschworene Geschlossenheit der EU zum russischen Einmarsch in die Ukraine am Bröckeln ist. Dazu einige Fragen und möglich Antworten.

Besteht grundsätzlich ein unterschiedliches Verhältnis der osteuropäischen Staaten und westeuropäischen Staaten zur Ukraine?

  1. Angst vor Russland

Vor 77 Jahren wurde noch vor Kriegsende in Jalta auf der heute umstrittenen Krim von den Siegermächten nicht nur Deutschland, sondern auch Europa aufgeteilt.

Zwar wurden die osteuropäischen Staaten hauptsächlich durch russische Truppen befreit, das bedeutete jedoch nicht die freiwillige Unterwerfung dieser Staaten unter das Diktat Stalins. Deutlich wurde dies in den Aufständen 1953 in DDR, 1956 in Ungarn, 1968 in der Tschechoslowakei und 1970 in Polen.

Ein gewichtiges Problem war das weitaus geringere wirtschaftliche Potential des „Ostblocks“. Während die USA in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten ein „Wirtschaftswunder“ kreierten, mussten in Osteuropa viele Jahre die Kriegsschäden aus eigener Kraft beseitigt werden. Zugleich gab es einen „Brain-Drain“, d.h. es gelang dem Westen, die qualifiziertesten Kräfte abzuwerben, was die Entwicklung im Osten Europas weiter behinderte. Wie relevant die Immigration der Nachkriegsjahre für die USA war, ist daran zu erkennen, dass über die Hälfte der Nobelpreisträger der USA der ersten oder zweiten Einwanderer-Generation aus Europa angehörten.

Einen besonderen Stellenwert für die antirussische Stimmung speziell in den Ländern Mittel-Osteuropas hat der Glaube an die zivilisatorische Überlegenheit des Westens, die sich in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und der repräsentativen Demokratie ausdrückt. Damit einher geht eine geringe staatliche Einflussnahme auf Wirtschaft, Rechtsprechung und Medien, was als „demokratisch“ betrachtet wird. Dagegen standen in den Staaten des Warschauer Pakts die Einheitsparteien für autoritäre Strukturen; hinter dem „eisernen Vorhang“ war ein pluralistisches kapitalistisches System nicht realisierbar.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die osteuropäischen Länder nach und nach vom Westen „einverleibt“. Sie boten neue Absatzmärkte, gut ausgebildetes Personal und kostengünstige Zulieferer. Die westeuropäischen Länder waren grundsätzlich an einer Entspannung mit Russland interessiert, aus Gründen der Sicherheit und Abrüstung, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Neue Absatzmärkte und Zugang zu billigen Energie- und andere Rohstoffen taten sich auf.

Kurz gesagt,

  • es machte sich im Osten einerseits Enttäuschung breit, denn den Wohlstand wie in Deutschland und anderswo im Westen konnten die meisten Menschen in Osteuropa auch nach 30 Jahren nicht erreichen. Sozialer Abstieg, Armut und Angewiesenheit auf Transferleistungen in den Westen ausgewanderter Familienangehöriger bestimmen für viele das Leben. Dazu kommt aktuell das Misstrauen gegenüber Russland angesichts des Ukrainefeldzugs.
  • Für die westlichen Staaten entstehen durch den sanktionsbedingten Wegfall preisgünstiger Energie, über Lieferkettenprobleme angesichts des Krieges und durch Kosten für die Aufrüstung der Ukraine und im eigenen Land ganz andere Probleme, hohe Kosten! Es drohen eine Rezession und Wohlstandsverlust für viele!
  1. Ukraine Mitglied in der EU?

Die Ukraine wäre bei einer Vollmitgliedschaft in der EU das Land mit der größten Fläche vor Frankreich und würde mit einer Bevölkerung von etwa 40 Millionen Einwohnern mit Spanien und Polen an vierter Stelle rangieren. Doch das Bruttosozialprodukt betrug im letzten Jahr nicht einmal ein Drittel jenes der Republik Irland – bei achtfacher Bevölkerung. Pro Kopf gerechnet liegt das Land in Europa abgeschlagen auf dem letzten Platz, mit nur einem Drittel des EU-Schlusslichts Bulgarien. Hierbei sind die Kriegsschäden und der Verlust wirtschaftlich wichtiger Regionen nicht einmal berücksichtigt.

Das alles hätte zur Folge, dass die Gelder bei einer Mitgliedschaft in der EU anders zu verteilen wären. Polen war im Jahr 2020 mit rund 13,2 Milliarden Euro der größte Nettoempfänger der Europäischen Union und müsste auf einen Großteil dieser Summe verzichten. Deutschland, das mit rund 15,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 der größte Nettozahler der EU ist, hätte einen deutlich höheren Betrag beizusteuern.

Eine große Herausforderung wäre zudem die erforderliche Zurückdrängung von Korruption, Oligarchenmacht und ultranationalistischem Gedankengut bei gleichzeitiger Durchsetzung rechtstaatlicher Prinzipien, von denen die Ukraine weit entfernt ist.

Kurz gesagt,

unter diesen Bedingungen ist mit einer Vollmitgliedschaft der Ukraine auf längere Sicht nicht zu rechnen.

  1. Wer hat Vorteile vom Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine?

Im Abkommen ist ein umfassender Freihandel, eine weitgehende Zoll- und Mengenfreiheit im Handel, Visa-, Reise- und Beschäftigungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit von Unternehmen und freier Finanz- und Kapitalverkehr geregelt. Der EU- Binnenmarkt wurde für die Ukraine aber nur zum Teil geöffnet.

Unter der Regierung von Selenskyj wurden in letzter Zeit der Handlungsspielraum der Gewerkschaften und die Rechte der Beschäftigten massiv eingeschränkt. Die von der ILO festgesetzten Arbeits- und Sozialstandards werden in der Ukraine weitestgehend ignoriert. Das wirkt sich auf die Löhne aus, die die niedrigsten in Europa sind. Dies hat zu einen „Brain-Drain“ geführt, d.h. qualifiziertesten Kräfte werden im Westen angeworben.

Selenskyj trägt ferner die Verantwortung für den Verkauf von Agrarflächen, die wegen des Schwarzerde-Bodens begehrt sind, an Investoren aus dem Westen. Durch den Krieg können viele Produkte wie Sonnenblumenöl, Weizen und Mais nur zu einem geringen Teil exportiert werden.

Auch wurden billige Rohstoffe aus der Ukraine bezogen. Durch den Krieg im Osten der Ukraine können Eisenerz, Kohle, Mangan, Erdgas und Öl, aber auch Edelgase, Graphit, Titan, Magnesium, Nickel und Quecksilber nicht exportiert werden.

Kurz gesagt,

im Wesentlichen hatte die Ukraine bisher wenige Vorteile und jetzt leiden die importierenden Industriestaaten in Europa unter dem Krieg.

Fazit

Grundsätzlich schaden Krieg und Wirtschaftssanktionen allen EU-Staaten, andere NATO-Staaten wie die USA und Kanada leiden dagegen weniger. Am meisten sind Länder mit hohem Energieverbrauch und gleichzeitig geringen eigenen Ressourcen betroffen. Damit die Bevölkerung zu ihren Regierungen steht und es nicht zu Unruhen kommt, müssen umfangreiche Finanzhilfen geleistet werden, was alle nicht im gleichen Umfang leisten können.

Diese Gründe verhindern einen europäischen Gleichschritt zwischen den östlichen und westlichen EU- Staaten. Der Einfluss der EU zu einer Konfliktlösung verringert sich zusehends und letztendlich könnte die EU daran zerbrechen!

Wie das ausgeht – ich hoffe mit Friedenverhandlungen.

20.09.2022

Genug ist genug – Protest vor der Bundegeschäftsstelle der Grünen!

Der Knoten platzt. Endlich. Heute 5. September 2022 in Berlin. Am Tag des sogeannten „Entlastungspaketes der Ampel“.

Linke, Sozial-, Umwelt-, Friedensbewegungen und Antifaschisten Berlins protestieren vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Genug ist genug! Es sind viermal soviel gekommen als die Veranstalter angemeldet haben und dreimal soviel wie das letzte Mal vor der FDP Zentrale. Trotz der kurzfristigen Mobilisierung. Das lässt hoffen für die weiteren Proteste.

Hier ein Blitzreport, um allen gezielten Diffamierungen von Anfang an entgegenzutreten: Diese Versammlung hätte nicht demokratischer, nicht antifaschistischer, nicht antirassistischer und nicht internationalistischer sein können. Und Antimilitarismus gehört untrennbar dazu. Es ist mir nicht ein einziger unter den vielen Teilnehmern aufgefallen, der ein anderes Land „niederringen oder ruinieren“ , eine Volksgruppe ausgrenzen, verhetzen oder einen „Krieg bis zum Endsieg“ führen will. Und was mich besonders gefreut hat. Viele mir bekannte Gesichter aus den Gewerkschaften habe ich getroffen. Das passt zu einzelnen Rückmeldungen aus den Betrieben, die ich bekommen habe. Immer mehr Kollegen fühlen sich durch den Sanktionskrieg regelrecht hinters Licht geführt. Im Zeichen der „Zeitenwende“ stellt sich verschärft die soziale Frage.

Hinter den vielen Nebelkerzen ziehen sich zwei Dinge durch : Absicherung der Gewinne und Zuschustern regerechter Extraprofite für wichtige Kapitalfraktionen und der Ausbau einer sogenannten westlichen Hegemonie. Für diese wird notfalls eine Atomkatastrophe riskiert und der notwendige weltweit gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel geopfert. Die Botschaft auf dieser Kundgebung lautet dazu : Wir lassen uns nicht vor diesen Karren spannen ! Wir lassen uns nicht für eine internationale Konfrontations- und gesellschaftliche Spaltungspolitik instrumentalisieren! Wir schuften und frieren nicht für Eure Profite, schon gar nicht zahlen wir für Eure Krisen und Kriege. Die rote Karte heute den grünen Scharfmachern. Lindner verweigert die Besteuerung von Übergewinnen in der Krise. Habeck bastelt Gesetze (ein Gewinn- und Kapitalerhaltungs Perpetuum Mobile), dass es immer mehr Übergewinne für Krisengewinnler gibt, für die wir alle zur Kasse gezwungen werden. Nein Danke. Auf die Preissteigerungen kann es für die Arbeitenden nur eine Antwort geben: Löhne rauf – sockelwirksam- bis zum Inflatiosnausgleich. Wer kämpft, kann gewinnen. Das haben das Bodenpersonal der Lufthansa oder auch die Hafenarbeiter eindrucksvoll bewiesen. Am 10. September diese Woche startet die Trarifrunde in der Metallindustrie. Die IGM fordert 8 Prozent . Das ist mäßig angesichts von bald 9 Prozent Inflation. Die Unternehmer haben die Unverfrorenheit, eine Nullrunde zu fordern. Ohne zu kämpfen, wird es also nur Almosen geben. Da kann es nur eine eindeutige Antwort geben.

Wir sehen uns wieder beim nächsten Mal.


Hier ein Portofolio von Bildern, die die Kundgebung dokumentieren:


Videobeitrag

00:00:00 Genug ist genug – Protestieren statt frieren! Redeausschnitte von der Protestkundgebung vor der Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen, 05.09.2022
00:00:42 Nastja Liedtke Bewegung Aufstehen ;
00:03:35 Uwe Hiksch, Naturfreunde Deutschland;
00:13:09 Ferat Koçak, DIE LINKE, Mitglied im Abgeordnetenhaus von Berlin;
00:20:16 Sevim Dagdelen, Die LINKE, Bundestagsabgeordnete;
00:30:35 Michael Prütz, Berliner Aktivist;
00:35:06 Angelika Teweleit, VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften;
00:45:17 Markus Staiger, Journalist und Aktivist ;
00:51:04 Harry Grünberg, Bewegung Aufstehen;
01:01:31 Verabschiedung

Kamera und Bearbeitung: Ingo Müller: rec: ingmue1957, 05.09.2022

Handwerk gegen Krieg, Sanktionen und Preissteigerungen

28. August 2022: Kundgebung der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Roßlau

Autoren: Ingo und Jochen

Es war eine der größten Demos der vergangenen Jahre in Dessau. Auf dem Marktplatz haben über 2.000 Menschen an der Kundgebung der „Handwerker für den Frieden“ teilgenommen. Als Gäste haben dort u.a.:

Reiner Braun, Executive Direktor International Peace Bureau;
Michael Müller, ehem. Staatssekretär im Bundesumweltministerium,MdB 1983 bis 2009, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschland;
Kai Boeddinghaus-Geschäftsführer des Bundesverbandes freier Kammern;

gesprochen. Ich war dabei und zeige Euch meine Fotoeindrücke sowie einige Redenbeiträge von der Kundgebung.

„Die Protestaktion der Handwerker in Dessau ist ein gutes Spiegelbild der aktuellen politischen Verwerfungen, die durch durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufen werden. Handwerker gehören gewöhnlich nicht zu den ersten, die ihren Protest auf die Straße tragen. Sie machen das eher über ihre Verbände und durch das Ansprechen der ihnen nahestehenden Politiker. Das besondere der Situation ist, dass hier ein Teil des Gewerbes niemanden zu finden scheint, der seine Sorgen ernst nimmt. Ihre größte Sorge ist natürlich die wirtschaftliche Situation ihrer Betriebe, die zusehend unter Existenzdruck geraten. Doch es ist mehr. Man darf ihnen abnehmen, dass sie die herrschende Kriegsbegeisterung nicht teilen, die gerade umgeht. Möglicherweise ist dies auch ein positives DDR-Erbe.

Sie haben also ihre Fühler ausgestreckt und finden Zuspruch von links – Gott sei Dank – und von rechts. Rainer Braun und Michael Müller vertraten hier die Linke. Doch es gab – unter den Rednern der Zunft auch klare rechte Botschaften. Schließlich ist dieses unternehmerische Gewerbe eher eine Domäne der „bürgerlichen Parteien“ von FDP bis AFD. Doch für den erforderlichen Widerstand gegen einen auf Jahre angelegten Krieg ist es wichtig, dass die Linke diese Menschen nicht den Rechten überlässt und sie zum Bestandteil der Friedensbewegung macht, damit an die Stelle von Aufrüstung und Krieg in Europa Abrüstung und Kooperation zu beiderseitigem Nutzen möglich wird.

Fotogalerie


Redebeiträge von der Kundgebung:


Karl Krögel

Reiner Braun

Michael Müller

Kai Boeddinghaus

René Schönau

Erik Schulz


Weitere Infos und Unterstützung der Petition “Nordstream 2 statt Gasumlage”

Hier findet Ihr die Petition: “NORDSTREAM 2 STATT GASUMLAGE” zum lesen und zum unterschreiben

Link zur Petition:

und hier die PDF-Datei:

Unterschriftsbogen-Nordstream-2-statt-GasumlageHerunterladen

Infos zum Aufruf zur Kundgebung sowie Pressestimmen u. v. m. sind hier:

weiterlesen hier:

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung