Von Jochen Gester und Klaus Murawski
Bild: Jochen Gester
Wenn wir zurückschauen auf die Zeit seit Ende des 2. Weltkriegs bis heute und uns das Feld der außenpolitischen Beziehungen zwischen den Staaten betrachten, die Weltpolitik gemacht haben, so wird deutlich, dass sich Phasen großer Spannung mit Phasen der Entspannung abgewechselt haben. Letztere sind deutlich kürzer als die ersteren. Diese bestimmen auch wieder die heutige Welt. Jeder vernünftige Mensch stellt sich dabei natürlich die Frage: wie kommen wir da wieder runter?
Die Geburt des Kalten Krieges
Nach 1945 entstanden als Ergebnis des 2. Weltkriegs die beiden großen Militärallianzen NATO und Warschauer Pakt, die sehr schnell in einen Prozess des Wettrüstens einstiegen, der die nun folgende Periode des Kalten Krieges lange prägte. Hatten sich am 25. April noch die Soldaten der antifaschistischen Allianz in Torgau an der Elbe mit Symbolkraft die Hand gereicht, war dieser Geist bereits mit dem Einsatz der Atombombe gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki verflogen. Dieser überhaupt nicht mehr kriegsrelevante barbarische Akt der USA kann als der eigentliche Beginn des Kalten Krieges betrachtet werden. Gestützt auf das Atomwaffenmonopol der Amerikaner wurde eine Strategie der Eindämmung des sowjetischen Einflusses entwickelt, die dann auch Dominotheorie genannt wurde. Kein Stein dürfe umgeworfen werden. In keinem Land durfte Moskau das Kommando übernehmen.
Die Ära der Entspannungspolitik
In den 70er Jahren wurde klar, dass diese Strategie gescheitert war. Die Sowjetunion wurde ebenfalls Atommacht und konnte in wichtigen Teilen der Welt Boden gewinnen. Die Kräfte innerhalb der Gesellschaft, die für eine Politik der friedlichen Koexistenz eintraten, gewannen an Einfluss und erreichten eine Kurskorrektur. Rüstungskontrollabkommen wurden geschlossen. Nicht zuletzt hatte die Kubakrise, die letztlich nur durch den wagemutigen persönlichen Einsatz der Verhandlungsführer die Welt vor dem atomaren Inferno gerettet hatte, hierbei Pate gestanden.
1972 wurde mit dem SALT-I Vertrag zwischen den USA und der Sowjetunion der aktuelle Stand der nuklearen Arsenale eingefroren. Ein Teil davon war der ABM-Vertrag mit dem Verzicht Raketenabwehrsysteme, die einen Atomvergeltungsschlag verhindern könnten, zu installieren. Damit sollten die Voraussetzungen für Verhandlungen über die Beendigung bzw. Begrenzung des Wettrüstens gesetzt werden.
Dann endlich 1979 unterzeichneten die USA und die Sowjetunion den SALT-II-Vertrag, der den Besitz von nuklearen Trägersystemen begrenzen sollte. Obwohl der amerikanische Senat nie seine Zustimmung gab, hielten sich beide Länder an die Vereinbarung.
USA wollen das Ende der Sowjetunion herbeiführen
Diese Phase der Entspannung endete mit dem Regierungsantritt des konservativen Hardliners Ronald Reagan, der sich von Rechtsintellektuellen beraten ließ, die eine Enthauptungsstrategie gegenüber der UdSSR forderten. Wichtiges Insiderwissen über diese Pläne wurden damals von Whistleblowern – es waren Ingenieure und Softwareentwickler der US-Rüstungsindustrie – bekannt.
Schlachtfeld Europa
In Europa führte dies 1980 zum politischen Großkonflikt um die sog. Nachrüstung durch atomar bestückbare Pershing II und Cruise-Missiles-Mittelstreckenraketen, die einen angeblichen Rüstungsvorteil der UdSSR mit den SS20-Raketen ausgleichen sollten. Europa war als Kriegsschauplatz mit atomaren Waffen auserkoren. Das trieb Hunderttausende auf die Straße.
Diese Aufrüstung wurde in den europäischen Ländern von großen Teilen der Bevölkerungen abgelehnt. Doch war diese Ablehnung nie so groß, dass sie zum Sturz von Regierungen führte.
Das gemeinsame Haus Europa
Die entscheidende Wende für das Ende der extremen Konfrontation und das Zustandekommen einer Chance zu echter Abrüstung wurden durch veränderte innenpolitische Weichenstellungen in der UdSSR eingeleitet. Triebkräfte dieser Kursveränderung war die Erkenntnis der sowjetischen Führung, dass die Wirtschaft auf Dauer dem Raubbau von Ressourcen durch den Rüstungssektor nicht so standhalten kann wie es die Ökonomien der westlichen Kriegsgegner konnten und zu wachsender Unzufriedenheit der Bevölkerung führen werde. Es entstand der kühne Plan, das Wirtschaft- und Militärbündnis aufzugeben und den westeuropäischen Staaten eine politische Koexistenz in einem gemeinsamen „Haus Europa“ anzubieten.
Rüstungspolitisch kam es zu einem verabredeten Prozess der Verringerung der Waffenbestände. Und der Kampf um die Stationierung der Mittelstreckenraketen wurde durch den INF-Vertrag besiegelt, der ihre Verschrottung vorsah.
Das vorläufige Ende des Kalten Krieges
1991 wurde der erste START-Vertrag zwischen den USA und Russland geschlossen. Ziel war es Trägersysteme und Atomsprengköpfe zu verringern. Es folgte 1994 mit Start II eine Abrüstung auf jeweils 3000- 3500 Sprengköpfe bis 2003.
Ein Ergebnis dieser Entspannungspolitik auf völkerrechtlicher Ebne war 1990 der Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges (USA, UdSSR, F, GB) und damit das vereinte Deutschland auch Mitglied in der NATO.
Erneut auf Konfrontationskurs
Doch es sollte nur ein paar Jahre dauern, bis klar wurde, dass die russischen Vorstellungen für eine neue Periode der friedlichen Koexistenten im gemeinsamem Haus Europa auf Sand gebaut waren. Bei Westeuropas Eliten war die Bereitschaft zu solch einem geschichtsmächtigen Pfadwechsel verhalten. Entscheidend war jedoch der Umstand, dass ein solcher gegen die fundamentalen geostrategischen Interessen der US-Hegemonialmacht gerichtet gewesen wäre. Dies sollte sich dann schnell zeigen.

1999 erfolgte die NATO-Osterweiterung mit Polen, Tschechien und Ungarn. Noch 2001 hielt Wladimir Putin im Deutschen Bundestag eine Rede zur Versöhnung der Staaten in Europa und warb für eine gemeinsame Entwicklung und Sicherheit.
Doch 2002 kündigte Präsident Bush 2002, den 1972 geschlossene ABM-Vertrag einseitig. Die USA hatten damit begonnen ihr Raketenabwehrsystem zu entwickeln, das sie nun in Alaska, Polen und Rumänien aufbauten. Russland hatte daraufhin mit eigenen Raketen nachgezogen.
2004 wird die NATO mit den drei baltischen Staaten, Rumänien, Bulgarien und Slowenien erweitert und rückt damit ran an die russische Grenze.
2007 hält Putins eine Rede auf der 43. Münchner Sicherheitskonferenz. Hauptthemen seiner Rede am 10. Februar 2007 waren die „Unipolare Weltordnung“, die NATO-Osterweiterung, die Abrüstung und das iranische Atomprogramm. Putin machte deutlich, dass Russland bereit sei, seine Interessen zu verteidigen und eine aktivere Rolle in der Gestaltung der globalen Ordnung zu übernehmen.
2009 wird die NATO mit den Staaten Kroatien, Montenegro, Albanien und Nord-Makedonien erweitert.
2011 einigten sich die USA und Russland auf der New START Vertrag und damit auf jeweils maximal 2.200 Atomsprengköpfe.
Das Ende von Abrüstung und Rüstungskontrolle
Doch rüstungspolitisch war man längst in einer Sackgasse.
- 2019 hatten die USA den INF-Vertrag einseitig gekündigt. Dieser ist vor allem für Europa extrem wichtig, weil Kurz- und Mittelstreckenraketen keine Gefahr für die USA darstellen, wohl aber für die europäischen Länder. Die Atomwaffenträgerrakete Tomahawk der USA die von Flugzeugen, Schiffen und U-Booten abgeschossen werden können, verstoßen im Wortlaut nicht gegen diesen Vertrag. Russland hatte daraufhin mit der „Kalibr“-Rakete mit einer vergleichbaren Waffe nachgezogen.
- Der New START- Vertrag wäre am 5. Februar 2021 automatisch ausgelaufen, jedoch verlängerten Putin und Biden den START Vertrag um weitere 5 Jahre.
Die USA fordern, dass China dem START- Vertrag beitreten solle. Das aber lehnt China ab und argumentiert, dass es viel zu wenig atomare Sprengköpfe hat, um sich einem Vertrag der beiden führenden Atommächte anzuschließen. Laut dem auf Rüstungsfragen spezialisierten schwedischen Institut SIPRI gibt es derzeit insgesamt 14.465 Atomsprengköpfe auf der Welt, davon gehören Russland 6.850 und den USA 6.450. China hat „nur“ 280 Sprengköpfe.
2013/14: Eine neue Stufe der Konfrontation nimmt ihren Lauf
- 2014 gelingt es den USA den Maidan-Aufstand zum Sturz der gewählten Regierung zu treiben und einen Richtungswechsel der Politik herbeizuführen.
- Mit der darauf folgenden Besetzung der Krim antwortet Russland zum ersten Mal militärisch auf die neue in Richtung NATO gehende Politik in Kiew. Moskau befürchtet eine Blockade seiner Schwarzmeerflotte. Nach einer Volksabstimmung am 18. März 2014 wurde der Anschluss an die Russische Föderation verkündet. Gleichzeitig beginnt der Bürgerkrieg in der Ost- Ukraine. Russland unterstützt die mehrsprachige russische Bevölkerung im Dombas.
- 2015 wurde das Minsk II Abkommen unterzeichnet, das einen Waffenstillstand und einen Interessensausgleich in der Ost- Ukraine erreichen sollte. Gleichzeitig heizten die westlichen Verbündeten der Kiewer Regierung und die russischen Unterstützer der selbstproklamierten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk mit Waffenlieferungen den Konflikt weiter an. Hinterher stellte sich heraus, dass die westlichen Verhandlungspartner am Minsk-Prozess nur teilgenommen hatten, um der Regierung in Kiew Zeit für die Kriegsvorbereitung zu verschaffen. An einer nichtkriegerischen Konfliktlösung waren sie nicht interessiert.
- 2019 verankerte das ukrainische Parlament in der Verfassung eine „strategische Orientierung der Ukraine zum vollständigen Beitritt zur EU und der NATO.
- Im Februar 2022 entschließt sich die Regierung Russlands zu einer militärischen Lösung des ukrainischen Bürgerkriegs durch Intervention von außen. Was völkerrechtlich eine illegitime Kriegsermächtigung ist, wird mit dem Begriff Spezialoperation“ kaschiert.
- Kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine verkündete eine parteiübergreifende Große Koalition im Bundestag die sog. „Zeitenwende“ und beschloss ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Investitionen in Rüstungsvorhaben der Bundeswehr. „Wir müssen kriegstüchtig werden“ verkündete später Verteidigungsminister Boris Pistorius am 29. Oktober 2023. Dieser Kurs wurde seitdem immer mehr radikalisiert und scheint keine Bremsen zu kennen. Der Rüstungswahn droht den Sozialstaat aufzusprengen.
- Europa insgesamt ist in Kriegspanik. 2023 schließen sich die neutralen skandinavischen Staaten Schweden und Finnland der NATO an.
Die Zahl der im Krieg Ermordeten beläuft sich mittlerweile auf eine Größenordnung von mehr als einer halben Millionen Menschen.
2024 gaben die USA bekannt, drei neue Typen Mittelstreckenraketen ab 2026 in Deutschland zu stationieren, unter anderem acht Dark Eagle. Dies ist eine Hyperschallwaffe mit 17-facher Schallgeschwindigkeit die zurzeit nicht abgewehrt werden kann. Die Ziele der Dark Eagle sind „zeitkritische Hochwertziele“, z.B. verbunkerte Entscheidungszentralen oder Frühwarnanlagen. Der Bomber erreicht in 10 Minuten Moskau. Eine Dark-Eagle kostet 41 Millionen Dollar, kann 3.700 km fliegen.
Es wird Zeit zu begreifen, dass wir eine ganz Zeitenwende brauchen. Doch die wird es nur geben, wenn diejenigen, die zum Sterben geschickt werden, gegen ihr Schicksal rebellieren. Gerade hier gibt es in der Ukraine gerade die größten Hoffnungsschimmer. Dies sollte weiter Schule machen. Es wäre das Ende des Wahns von Kriegstauglichkeit und Kriegsmentalität. Nur so können sich auch neue Horizonte bilden, die das vergiftete Verhältnis der europäischen Staatengemeinschaft beenden. Neues Maß der Dinge wäre ihre Friedensfähigkeit.