Die Linke darf bei Palästina nicht nachlassen

Nach der Waffenstillstandsvereinbarung für Gaza am 10. Oktober erklärte Friedrich Merz:

Ich hoffe, daß auf unseren Strassen jetzt endlich wieder Ruhe einkehrt (… ) Es gibt kelnen Grund mehr jetzt für Palastinenser In Deutschland zu demonstrieren.

Kein Grund mehr zu demonstrieren? Schon am nächsten Tag pfiffen 60 000 auf die Erklärung des Bundeskanzlers und demonstrierten – ganz ohne besondere Unterstützung potenter NGOs sowie trotz Staatsräson und Behinderungen – erneut in Berlin.

Der Trumpplan bedeutet mittel- und langfristig keinen tragfähigen Frieden, sondern die Verstetigung des Unrechts. Von überall im Westen und Nahost stehen Investoren in den Startlöchern, um über vergessenen Gräbern den Kapitalsmus in voller Pracht „erblühen“ zu lassen. Allen Palästinenser:innen, die nicht getötet oder vertrieben wurden, droht ein Schicksal degradierter und rechtloser Arbeitssklav:innen. Von Selbstbetimmung der Palästinenser:innen keine Spur. Ebenso bleibt oder kommt die Westbank endgültig unter den Hammer! Israel wird jetzt erst Recht als militärische Ordnungsmacht im Sinne westlicher Interessen den gesamten Nahen Osten weiter in Schach zu halten versuchen. Der Waffenstillstand in Gaza wird von Tag zu Tag brüchiger.

Widerstand gegen diese Art imperialer Machtpolitik und erbarmungsloser Unterdrückung ist notwendiger denn je. Özlem Alev Demirel, Abgeordnete des EU Parlaments (die Linke ) ruft Ihre Partei dazu auf: die Großdemonstrtion am 27.September darf nicht End- und Höhepunkt, sondern muss Startpunkt eines beständigen breiteren Protestes werden, gegen diese Politik Israels, aber auch gegen alle deutschen geopolitischen Großmachtbestrebungen. Gaza zeigt uns die hässlichste Fratze von Militarismus und Kapitalismus. Mit dieser Barbarei dürfen wir uns nicht abfinden.

Unsere Forderungen bleiben auf dem Tisch: sei es u. a. Einstellung aller Waffenlieferungen, Einstellung jeder militärischen, politischen und finanziellen Unterstützung Israels, vollständiger Rückzug von Israel aus allen besetzten Gebieten, Aufgabe aller Blockaden, Freilassung aller palästinensischen politischen Gefangenen! Und in Deutschland fordern wir Schluss mit dem Militarisierungskurs!

Öffentliches Statement von Özlem Alev Demirel,

Auszüge aus einem Grundsatz Artikel im Jacobin, 28.Oktober 2025

Auch nach einer gelungenen Groẞdemonstration in Berlin und einem fragilen Waffenstillstand in Gaza darf sich die Linkspartei nicht zurücklehnen. Denn die Unterdrückung der Palästinenser geht weiter.

Inhaltlich bleibt das Ziel, den Gazastreifen unter pro-westliche Kontrolle zu bringen und Investoren aus den imperialistischen Zentren Extragewinne zu bescheren.

Politik findet nie im luftleeren Raum statt. Es muss immer überlegt werden, welche Handlungsmöglichkeiten es in konkreten Konstellationen gibt, um Ohnmacht zu überwinden, Kräfteverhältnisse real zu verschieben und Veränderungen einzuleiten.

Der 27. September könnte ein solcher Moment gewesen sein – aber nur, wenn er als Auftakt und nicht als Endpunkt einer groẞen internationalistischen, antimilitaristischen und antiimperialistischen Bewegung verstanden wird.

Dennoch kann diese gute Mobilisierung nicht darüber hinwegtäuschen, dass Die Linke bei diesem Thema in den letzten zwei Jahren als Gesamtpartei lange zu leise war. Dabei sollte es nicht um Schuldzuweisungen gehen. Die zentrale Frage ist, wie Die Linke künftig auf Situationen reagiert, in denen sie der geballten Macht von Kampagnenjournalisten und Meinungsmachern aller anderen Parteien gegenübersteht. Will Die Linke ihre Funktion ausfüllen, muss sie lernen, auch in vermeintlichen Defensivsituationen mutig auszusprechen, was ist.

Das ist nicht nur politisch notwendig, sondern wird -abseits kurzfristiger Stimmungen -auch nachhaltig honoriert. Sie muss ausgehend von einer fundierten, vorausschauenden Analyse konkrete Forderungen stellen, die geeignet sind, breitere Teile der Bevölkerung zu mobilisieren. Denn die Frage, ob man die Bevölkerung hinter ein Kriegsnarrativ bekommt, ist der
Schlüssel zur Kriegsfähigkeit. Eine Linke steht vor der Aufgabe, diese falschen Erzählungen mutig auseinanderzunehmen
.

Vor allem dürfen wir uns dabei niemals allein von moralischen Motiven leiten lassen, sondern brauchen immer auch eine fundierte Analyse, was gerade wie und aus welchen Gründen geschieht. Israel wird unterstützt, weil es als Brückenkopf des westlichen Imperialismus im ressourcenreichen Nahen Osten dient und als hochgerüstete Militärmacht Staaten in der Region disziplinieren kann, die sich dem Westen widersetzen. Mit völkerrechtswidrigen Angriffen auf Syrien, den Iran oder den Libanon.

Die Palästina- Solidaritätsbewegung steht in Deutschland weiterhin vor groẞen Herausforderungen. Vordergründig richtet sich die Repression und Polizeigewalt gegen jene, die der sogenannten deutschen Staatsräson widersprechen. Doch längst geht es um mehr als die Palästinafrage.

Betroffen sind alle, die in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen und massiver Aufrüstung Kritik an der deutschen Auẞenpolitik äuẞern. Zwischen der klassischen Friedensbewegung, der jungen Palästina-Solidaritätsbewegung und neuen antimilitaristischen Initiativen entstehen wichtige Berührungspunkte.

Wer einen Blick nach Israel wirft, sieht, wohin eine derart durchmilitarisierte Gesellschaft führt: Fanatisierte IDF-Soldaten, die ihre Kriegsverbrechen live auf Tiktok feiern und eine kleine Minderheit, die sich der Mittäterschaft verweigert und dafür ins Gefängnis muss. Die Bilder aus Gaza zeigen, was Militarismus im Ernstfall bedeutet: Entmenschlichung, Gehorsam, Nationalismus.

Oder wie Riad Othmann von medico international es auf der »All-Eyes-on-Gaza«-Kundgebung formulierte:»Gaza ist ein unglückliches Zeichen für unsere Ankunft in einer dystopischen Gegenwart, nicht für eine ferne, drohende Zukunft. Zeitenwende.«

Es ist kein Zufall, dass die Strategien, Antimilitaristen und Friedensbewegte aus dem Diskurs zu drängen, jenen ähneln, die bei Kritik an Israels Politik angewandt werden. Wer hierzulande Aufrüstung kritisiert oder für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg eintritt, wird als »Putinversteher«< diffamiert, oft von denselben Akteuren, die den Antisemitismusvorwurf als Herrschaftsinstrument gegen Israel-Kritiker nutzen.

Gerade in Zeiten zunehmender Diskursverengung und Repression braucht es die Vertiefung der Solidaritätsarbeit auch über das eigene Umfeld hinaus. Wenn wir Unterdrückung durch
Gerechtigkeit ersetzen, einen gerechten Frieden erreichen und das Leben dem Tod und dem Töten vorziehen wollen, dann müssen wir uns jetzt stärker organisieren und mobilisieren
.

Titelbild: Özlem Alev Demirel, IG

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung