Aufstand in Frankreich – Solidarität in Berlin

Ein Potpourri rund um den größten Protesttag in Frankreich seit über 50 Jahren gegen die Rentenreform und eine Solidaritätsaktion vom Arbeitskreis Internationalismus IG Metall und der französischer Community in Berlin . Mitwirkung Ingo Müller (Video 2 Reden des Arbeitskreis Internationalismus Berlin) und Sebastain Chwala (Tagebuch zu den Ereignissen), Bilder diverser Beteiligter in Frankreich .

Video Potpourri zur Solidaritätskundgebung in Berlin

Aufstand der Franzosen am 7.März gegen die Rentenreform von Macron. Mehr als 70% der Franzosen sind gegen die Reform, die nichts anderes als eine Breitsalve auf die Lebensinteressen der breiten Bevölkerung ist. Zulasten besonders der Ärmsten und ganz zugunsten der in Frankreich prosperierenden Kapitaleliten. Macron und seine Anhänger wollen das Gesetz um jeden Preis durchsetzen, notfalls auch am Parlament vorbei mit miesen undemokratischen Tricks durch Verordnung.

Die Wut der Franzosen über die geplanten Angriffe auf ihre Renten [1]https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/frankreich-unbefristete-streiks-ab-dem-7-maerz/ und die undemokratisch arrogante Machtdemonstration der Macronclique, sich über alles und jeden hinwegzusetzen, war nie so groß wie heute seit 1968 . Über 3,5 Millionen demonstrierten laut Angaben der Gewerkschaften am 7.März auf den Straßen und Plätzen der V. Republik . Sie blockierten Zugänge, streikten in Fabriken und legten die gesamten öffentlichen Einrichtungen lahm. Auch über den 7.März hinaus werden etliche Aktionen fortgesetzt. Und die nächsten großen Aktionstage stehen an, Schlag auf Schlag am 11. und 15.März. Es zeichnet sich mitten in Europa ein offener Machtkampf ab zwischen einer elitär kapitalistischen Staatsmacht und der breiten Mehrheit der Bevölkerung unter Führung von Gewerkschaften, linken Parteien und einem bunten Bündnis sozialer und öklogischer Bewegungen der Zivilgesellschaft. Man sollte sich keine Illusionen machen. Der Ausgang ist ungewiss. Aber tun wir alles dafür, dass die richtige Seite gewinnt oder zumindest Terrain gewinnen kann.

Die besondere Stärke des französischen Protestes besteht in zweiterlei. Die Gewerkschaften und damit die arbeitende Bevölkerung nehmen eine führende Rolle auch in Sozialprotesten wie der Bewegung gegen die Rentenreform ein. Dabei steht zweitens der Zusammenschluss aller gegen das Kapital im Mittelpunkt. Auch die Jungen haben über die Perspektive Lebensarbeitzeit die Rente auf dem Schirm und beteiligen sich massenhaft an den Protesten. Migranten , Frauen , Umwelt- und Friedensaktivisten nehmen ihre Anliegen ernst und kämpfen gemeinsam!

Solidaritätskundgebung in Berlin – Deutschland ist kein Rentenvorbild

Redebeiträge Arbeitskreis Internationalismus IG Metall Berlin

In Berlin riefen der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin gemeinsam mit Vertretern der Gewerkschaften und linken Parteien aus dem Bündnis NUPES der französischen Community in Berlin zu einer Solidaritätskundgebung auf. Nachrichten und Stimmung aus Frankreich übertrugen sich auf die fast 100 Teilnehmer vor dem Brandenburger Tor. Deutsche und französische Redner*innen machten umfassend klar, warum die von Macron mit Gewalt vorangetriebene Reform die Lebenspespektive der Franzosen drastisch verschlechtert. Bsonders Arme und Frauen und Minderheiten werden abgestraft. Es wäre ein Leichtes, das an die Wand gemalte Rentendefizit durch eine angemessene Besteuerung in Höhe von 2% der superreichen Milliardäre zu vermeiden. Aber das passt nicht zum System Macron, das den Franzosen Bernard Arnault in kürzester Zeit zum reichsten Mann der Welt, noch vor Jeff Bozz oder Elon Musk , befördert hat.

Deutschland ist Vorbild für Macron, aber für uns ist „Altersarmut“ nichts erstrebenswertes . Über 20 % der Deutschen Rentner leben in Altersarmut, Tendenz steigend. In Frankreich leben „nur“ 10 Prozent der Rentner in Armut. Verglichen mit Deutschland ein hehrer Wert, verglichen mit dem Ziel, dass jeder in Würde altern und sterben soll, noch viel zu hoch. In Deutschland wird die Debatte eröffnet, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre heraufzusetzen . Die Menschen in Frankreich stemmen sich jetzt gegen die Einführung eines Renteneintrittsalters von 64. Sie wollen Ihren Lebensabend nach Jahren harter Arbeit noch erreichen und lebenswert verbringen können und nicht dem Profit- und Hegemoniestreben einer reichen Minderheit zum Fraß vorwerfen.

Wie die Franzosen sich ihr Streikrecht nehmen und gegen die Heraufsetzung des Rentenalters anrennen, das nützt auch uns! „Deutschland muss französisch lernen“ , ruft uns der Linkenpolitiker Ferat Kocak zu. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst führen gerade einen erbitterten Kampf um 10,5 % mehr Lohn und Gehalt, um ihren Lebensstandard bei der aktuellen Inflation zu halten. Bei der Post, wo die Basis sich direkter einmischt, sind es sogar 15 %. In Deutschland steigen die Renten, wenn die Löhne steigen. Dies ist ganz praktische Solidarität. Ein Kollege von der CGT forderte uns letzte Woche auf: “ Sorgt dafür, dass bei Euch in Deutschland die Einkommen der Beschäftigen und Rentner nicht weiter sinken und das Renteneintrittsalter wenigstens nicht weiter erhöht wird. Wichtig ist , wenn in Europa um uns herum das Niveau hoch ist und unser Kampf Schule macht! Das hilft uns am meisten! Tut Euren Job Kollegen!” Das tun die Kollegen von Ver.di gerade.


Ein kleine Bildegalerie sowie ein Video aller Reden auf der Kundgebung, findet Ihr hier:

Die Ereignisse im Nachbarland kommen selbst am 7.März in den meisten deutschen Nachrichtensendungen erst an dritter oder vierter Stelle. Lediglich der ADAC hält aus pragmatischen Erwägungen die Reisenden nach Frankreich wirklich aktuell auf dem Laufenden.

Sebastian Chwala führt [2]Sebastian Chwala ist linker Politologe und lebt in Marburg. Er ist ein mit den Protestbewegungen in Frankreich eng vernetzter Autor, der regelmäßig über die Ereignisse in den Social Media … Continue reading Tagebuch zu den Ereignissen.

Ihr seid eingeladen, mit zu lesen!

7. März 23: „3,5 Millionen Menschen haben heute in Frankreich erneut gegen die von der „macronitischen“ Regierung geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters demonstriert. Hatten im Vorfeld dieses 7.März schon die „Sicherheitsorgane“ die größte Massenaktion seit Jahrzehnten prophezeit, haben die Menschen in Frankreich diese Befürchtung der Geheimdienste nun in die Tat umgesetzt.

Die Bewegung hat inzwischen das ganze Land und alle gesellschaftlichen Gruppen erfasst. Mehrere dutzend Universitäten sind blockiert. Auch wenn heute wieder die Großstädte wieder die massivsten Proteste melden (Paris: 700.000 Menschen; Marseille: 245.000 Menschen; Toulouse: 120.000 Menschen; Bordeaux:100.000 Menschen; Lille: 100.000 Menschen) manifestiert sich der Widerstand auch weiterhin in den Klein-und Mittelstädten, dem Frankreich der „Unterpräfekturen“, wo der Anteil an Arbeiter*innen deutlich höher als in den durch den öffentlichen und privaten Dienstleistungssektor liegt und die hohe körperliche Belastung durch eine längere Lebensarbeitszeit auf besonders hohe Ablehnung stößt.

Dieses Frankreich beteiligte sich heute morgen auch an zahlreiche Blockaden der Gewerkschaften von Industriezonen, Kreisverkehren und Autobahnen. Stark präsent waren die Gelbwesten.Mindestens bis zum Ende der Woche werden sämtliche Flüssiggasterminals und Gasspeicher bestreikt, dies gilt ebenso für sämtliche Raffinerien. Das Bezin dürfte also wieder knapp werden. Bis morgen wird auch noch der Streik der Bahnbeschäftigten weitergehen.

Trotz dieses massiven Gegenwinds bleibt die Regierung (Macron selbst ergreift in dieser Debatte nicht das Wort und ist auf Staatsbesuch in Afrika) hart. Die Macron-Partei „Renaissance“ (Ex-Marschierer) drohte heute noch einmal explizit allen Kritiker*innen in den eigenen Reihen mit dem Auschluss aus der Parlamentsfraktion, die sich in irgendeinerweise gegen die „Reform“ engagieren.

Diese Ignoranz gegenüber den Protesten dürfte die Aktionen in den nächsten Tagen weiter anheizen. Schon heute ging es bei den Demos deutlich aggresiver zu, als bei den letzten Aktionstagen. Die Frage für die Gewerkschaften, die gerüchteweise für den kommenden Samstag zu einem erneuten Protesttag aufrufen werden, bleibt, ob die soziale Bewegung gegen die geplante Rentenpolitik noch einmal weiter verschärft werden kann.“

8. März 23 : „Auch am heutigen Tag gehen die Proteste in Frankreich gegen die „Rentenreform“ Macrons weiter. Zahlreiche Industriezonen, ÖPNV-Depots und Kreisverkehre wurden erneut besetzt. Zudem werden alle wichtigen Häfen und die Müllabfuhr in der Île-de-France bestreikt. Mehrere dutzend Universitäten bleiben blockiert.

Auf den weiter wachsenden Protest reagiert der „Macronismus“offenbar mit einer weiterer Verschärfung seiner Gangart. Offensichtlich ist man nun bereit, den von mir bereits mehrfach erwähnten Artikel 49.3 der Verfassung zu nutzen, um jede Form der parlamentarischen Debatte entgültig zu beenden. Forderungen nach einem Diaolog zwischen Staatspräsidenten bzw. der Premierministerin und Gewerkschaften wurde von Regierungseite eine Absage ertilt. Die Gewerkschaften rufen deswegen zu zwei weiteren Aktionstagen am 11. und 15. März auf“

9. März 23 : „Die Proteste gegen die „Macroniten“ und ihre Rentenreform ebben nicht ab. Heute gibt es einen Aktionstag der Schüler*innen und Studierenden gegen das Gesetzesprojekt zu vermelden. Zahlreiche Universitäten und Oberschulen sind blockiert.“

11. März „Erneut haben mindestens huntertausende Menschen am heutigen Samstag gegen die von den „Macroniten“ geplante Rentenerhöhung demonstriert. Am kommenden Mittwoch steht dann bereits der nächste große Streiktag an. Über den Stand der politischen Debatte schreibe ich morgen etwas. „

Hier einige Bilder (Sebastain Chwala von Beteiligten), die die erneut riesige Beteiligung auf den Strassen dokumentieren:

References

References
1 https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/frankreich-unbefristete-streiks-ab-dem-7-maerz/
2 Sebastian Chwala ist linker Politologe und lebt in Marburg. Er ist ein mit den Protestbewegungen in Frankreich eng vernetzter Autor, der regelmäßig über die Ereignisse in den Social Media berichtet. Wir danken ihm, seine Berichte hier veröffentlichen zu dürfen

Schreiben Sie E-Mails an die Verantwortlichen der politischen Parteien! Die Ausschreibung muss abgebrochen und die S-Bahn geschützt werden!


Die Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand hat die folgende Aktionsmail verschickt, die wir gerne verbreiten.

Liebe Freundinnen und Freunde von Bahn für Alle, Gemeingut und Eine S-Bahn für Alle,

wir brauchen Ihre aktive Mithilfe! In Berlin und Brandenburg sollen große Anteile des Nahverkehrs unter den Hammer kommen: die Berliner S-Bahn. Pro Jahr befördert sie mehr als 300 Millionen Fahrgäste, das sind dreimal so viele wie die Deutschen Bahn jährlich mit der gesamten ICE-Flotte befördert. In den meisten Bundesländern wurden S-Bahn- und Regionalverkehr längst zerschlagen und separat ausgeschrieben: Die Berliner S-Bahn fährt in einem unabhängigen Netz  und blieb verschont. Bisher.
Im Juni 2020 startete der Berliner Senat die Ausschreibung des Verkehrs auf zwei künstlich herausgetrennter „Teilnetzen“ der S-Bahn. Die Teilstücke können an verschiedene Betreiber gehen. Ausgeschrieben sind auch Bau, Wartung und Instandhaltung von Fahrzeugen. Es ist ein Vorhaben direkt aus der neoliberalen Hölle, ein Abklatsch der Privatisierung der Londoner U-Bahn – nur 20 Jahre später. Darum geht es:

  • Mit der Ausschreibung will der Senat durch Wettbewerbsdruck Kosten einsparen. Das ging bisher schon immer zu Lasten der Qualität und auf dem Rücken der Beschäftigten. Zuverlässiger Nahverkehr hat seinen Preis, das zeigen Insolvenzen von Betreibern in anderen Bundesländern. Zudem wird die öffentliche Hand durch drohende Insolvenzen erpressbar.
  • Der Senat preist einen Fahrzeugpool als „Kommunalisierung“. In Wirklichkeit handelt es sich um eine landeseigene Briefkastenfirma, die zur Erbringung ihrer Aufgaben eine öffentlich-private Partnerschaft eingeht. Damit öffnet der Senat Black Rock und Co. die Tür. Wie wichtig fachgerechte Wartung ist, zeigte das Berliner S-Bahn-Chaos der 2000er Jahre, als man die Deutsche Bahn auf Börsenkurs bringen wollte.
  • Je nach Zuschlag können es bis zu vier Akteure werden, die künftig im dicht vertakteten S-Bahn-Netz interagieren sollen – bei Störungen ein Fest für Anwälte, die Fahrgäste bleiben dann allerdings auf der Strecke.
  • Das Vorhaben ist auch Geldverschwendung: Eine halbe Milliarde Euro kosten Bauwerke, die nur für die Auftrennung des Netzes gebaut werden sollen und sonst keinen Nutzen haben. Außerdem ist ein neuer Fahrzeugtyp ausgeschrieben, obwohl nach mehrjähriger Entwicklungszeit die ersten Fahrzeuge eines neuen S-Bahn-Typs ausgeliefert werden. Warum bestellt man für den Ausbau des Verkehrsangebots nicht einfach weitere Fahrzeuge nach?

Wir fordern: Sofortige Rücknahme der Ausschreibung! Zerschlagung und Privatisierung der Berliner S-Bahn stoppen! Die S-Bahn als Betrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge muss dem Gemeinwohl verpflichtet und darf nicht gewinnorientiert sein.

Doch gute Argumente allein reichen nicht, man benötigt auch Aufmerksamkeit. Seit 2019 haben wir daher Aktionen durchgeführt, ein Filmclip wurde gedreht, wir haben eine Zeitung erstellt und in den S-Bahnen verteilt, Unterschriften gesammelt und immer die Presse informiert – die uns jedoch weitgehend ignorierte. Bis vor einer Woche! Über unsere Unterschriftenübergabe an die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch berichteten rbb, ntv, Radio Eins, die Süddeutsche Zeitung, die Berliner Zeitung, die Berliner Morgenpost, die taz und viele andere Zeitungen bundesweit.

In Berlin wird die Wahl wiederholt. Schreiben Sie E-Mails an die Verantwortlichen der politischen Parteien! Die Ausschreibung muss abgebrochen und die S-Bahn geschützt werden. Sie sind nicht aus Berlin? SPD und Grüne regieren auch im Ampel-Klimakabinett, und Privatisierungen im Nahverkehr schaden dem Klima. Sie sind aus Berlin? Verlangen Sie, dass man Ihre S-Bahn ausbaut, statt sie zu zerschlagen.
Schreiben Sie an so viele Adressaten wie möglich. Wenn 50 Menschen 5 bis 10 E-Mails versenden, werden es 250 bis 500 E-Mails! Bitten Sie auch Freundinnen und Freunde um Mithilfe. Einige Briefmuster haben wir entworfen, nutzen Sie die Vorlagen in den Links zu den Namen und am Ende unseres Rundbriefes. Aber formulieren Sie gern auch Eigenes! Je unterschiedlicher die E-Mails sind, desto größer der Eindruck auf die Politik.

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