Was die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben der Berliner Stadtreinigung an allgemeinen politischen Themen bewegt

Im Rahmen der letzten beiden Tarifauseinandersetzungen zum TVÖD der Kommunen 2022 und 2024 hier in Berlin trug die Stärke der Kolleginnen und Kollegen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) bei den Verhandlungen und den Tarifkämpfen wesentlich zu den erreichten Ergebnissen teil. Die BSR gehört zu den am besten gewerkschaftlich organisierten Betrieben der Stadt, was auch zu ihrem Gewicht bei Tarifkämpfen beiträgt. Während dieser Zeit entstand eine Reihe von Interviews mit aktiven Kolleginnen und Kollegen zu den Kampfmaßnahmen und der Präsenz der Gewerkschaft ver.di sowie zu aktuellen Themen, die über den betrieblichen Rahmen hinausgingen.

Diese Interviewreihe und die Aussagen daraus sollen nun mit diesem Beitrag fortgeführt werden.

Tarifauseinandersetzungen, besonders (Warn-)Streiks erhöhen die Aufmerksamkeit der Belegschaft auch für allgemeine politische Themen, von denen die Beschäftigten betroffen sind. Nach erfolgten Tarifabschlüssen fließt dann doch ein gewisses ruhigeres Fahrtwasser in den Betrieben ein, der Alltag kehrt zurück – doch das Rad der politischen Entwicklungen dreht sich weiter.

Was ist außer dem erkämpften Tarifabschluss aus der zurückliegenden Zeit geblieben, wie sieht es mit der Stimmung im Betrieb aus? 

Das hier gezeichnete Meinungs- und Stimmungsbild gründet sich auf einem ausführlichen Gespräch mit dem Kollegen Carlos S., Vertrauensmann von ver.di bei der BSR und aktiver Kollege in vorderen Reihen, wenn es um die erfolgreiche gewerkschaftliche Arbeit geht. Seit fast zwanzig Jahren arbeitet Carlos bei der BSR, aufgrund seines Engagements und seiner Vernetzung kennt er seinen Betrieb wie seine Westentasche und weiß, wie die Kolleginnen und Kollegen „ticken“.

Bei der BSR arbeiten noch rund 6200 Kolleginnen und Kollegen, die meisten davon bei der Straßenreinigung und Müllabfuhr. Nach den beiden Tarifkämpfen konnte der Organisationsgrad von ver.di auf deutlich über 50 % erhöht werden – mit steigender Tendenz. „Wir haben hunderte zusätzliche Gewerkschaftsmitglieder gewinnen können, eine positive Entwicklung“, so Carlos. Die Neueintritte überwiegen deutlich die – zum großenteil auch alterbedingten – Austritte, ein Zeichen dafür, dass gut organisierte Aktionen der Gewerkschaft und gemeinsame Kampferfahrungen zur Stärkung von ver.di beitragen.

Für eine stabile, erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit wäre es wichtig, so Carlos, „dass die Kolleginnen und Kollegen die Gewerkschaftszugehörigkeit als soziale Komponente für das Leben begreifen“. Das bedeutet, die Gewerkschaftsarbeit nicht auf den betrieblichen Rahmen zu begrenzen, sondern sich aktiv in die überbetrieblichen politischen Auseinandersetzungen und Themen einzubringen!

Auf die Frage, welche zwei großen Themen dabei im Kollegium besonderes aktuell wären, wurde mit Abstand „Rente“ und „Wehrpflicht“ genannt. „Alle sollen auf Basis ihres Einkommens in eine einheitliche, gemeinsame Rentenversicherung einzahlen, ganz klar auch Beamte und Politiker“, das ist die Überzeugung der Kolleginnen und Kollegen, quer durch alle Betriebsteile. Dass dieses heiße Thema einfach nicht angegangen wird führt auch zu einer Politikverdrossenheit und berührt das Gerechtigkeitsempfinden erheblich „Schluss mit Privilegien und Standesdünkel“, so die breiteste Haltung dazu. Bei diesem Thema gäbe es eine klare Positionierung im Kollegium.

„Ganz anders bei dem Thema Wehrpflicht“, so Carlos. Im Betrieb gäbe es noch eine überwiegende Haltung für die Wehrpflicht – auch unter Gewerkschaftsmitgliedern. Die Einstellung zu diesem aktuellen Thema gliedert sich grob in drei Bereiche: Etwa ein Drittel der Kollegen wäre klar für die Wehrpflicht, ein weiteres Drittel sehe darin ein leidiges, aber wohl notwendiges Mittel zur Verteidigung und ein knappes Drittel findet die allgemeine Wehrpflicht nicht gut. Als Gründe für die Zustimmung wurden neben politischen Grundhaltungen auch sozialpsychologische Faktoren benannt. „Arbeit bei der BSR, gerade im gewerblichen Bereich ist eine gute kollegiale Gruppenarbeit“, man muss sich aufeinander verlassen können, erlebt den Arbeitsalltag als gemeinsames, Stabilität gebendes Team, was verbinden würde – häufig über den Arbeitstag hinaus.
„Wir müssen klar machen, dass das Militär kein wünschenswerter Sozialisationsraum einer Gesellschaft ist“, so der Kollege Carlos und dass es „anderer notwendiger sozaler Strukturen bedarf“, um eine Gesellschaft als bewusstes Kollektiv eines sozialen Fortschritts voranzubringen. Hier gibt es noch viel zu tun. Gegenwärtig liefe nach Meinung des Kollegen die herrschende Politik auf die „Zerstörung der Gesellschaft hinaus“.

Die Diskussion muss also weiter gehen. Es sind die großen Militärbefürworter, die ständig zündeln, die sich die Taschen voll streichen. Und wenn es ernst wird, sind sie die Letzten,die den eigenen Kopf hinhalten! Solche Pappenheimer wollen wir weder im Team noch in der Gesellschaft.

BSR Leute schließen sich auch der Forderung an, dass die Tarifverhandlungen mit Kommunen und Ländern gemeinsam geführt werden sollen. Die bestehende Aufsplitterung dient nur der Spaltung durch die Gegenseite.

Danke für das freundliche Interview.

Titelbild: Georg Heidel

Solidarität mit Ver.di Vertrauensmann – Solidarität mit Palästina ist kein Verbrechen

Solidarität mit ver.di Vertrauensmann Christopher gegen seine Kündigung durch DHL

Kundgebung & solidarischer Besuch des Gerichttermins

Dienstag, 9. Dezember 13:30 Uhr Kundgebung, anschlieẞend gemeinsamer Besuch der Verhandlung, Arbeitsgericht Leipzig Wilhelm-Liebknecht-Platz (StraBa 9,10, 11, 16)

,,Kein Transport für Völkermord!“ – diese klare, mutige Forderung des ver.di Vertrauensmanns Christopher beantwortete DHL mit seiner fristlosen Kündigung.

Christopher (wir berichteten) hatte auf unserem Marsch zum Flughafen Leipzig/Halle im August gegen die Lieferung von Militärgütern über den Flughafen gesprochen. Er verwies auf Beispiele aus Griechenland und Italien, wo Hafenarbeiter durch Streiks und Blockaden Waffenlieferungen an den Staat Israel gestoppt hatten.

Wir lassen nicht zu, dass er dafür bestraft wird, dass er sich gegen Waffen- und Kriegstransporte ausspricht.
Wir lassen nicht zu, dass DHLmit der Kündigung Christophers die Diskussion über Rüstungstransporte am Flughafen zu unterdrücken versucht.
Diese Kündigung richtet sich nicht nur gegen Christopher – sie richtet sich gegen:

  • gewerkschaftliche Organisierung bei DHL,
  • politische Meinungsfreiheit,
  • und den Widerstand gegen Rüstungsexporte & Genozid.

Wir kämpfen deshalb für die Rücknahme der Kündigung und für Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen!

Kommt zur Kundgebung am ersten Gerichtstermin vor dem Arbeitsgericht Leibzig.

Wir werden berichten, wie sich die deutsche Justiz an internationales Recht hält. DHL deckt mit seiner Kündigung letztlich den Völkermord in Gaza.

@palaestinaaktionsbuendnisle

Titelbild: Collage Peter Vlatten

Tod am Arbeitsplatz – Amazon-Mitarbeiter stirbt während Schicht

Am 28.11.2025 gab es weltweit Proteste gegen Amazons Unterstützung von Israels Kriegsverbrechen ebenso wie gegen die massive Missachtung der Rechte und Auspressung seiner Arbeiter:innen. Vor dem Amazon Tower in Berlin fand eine Protestkundgebung statt. Kurz vorher meldete Verdi den folgenden symptomatischen Vorfall.

Tod am Arbeitsplatz – Amazon-Mitarbeiter stirbt während Schicht

Pressemitteilung vom 26.11.2025

Ver.di fordert Aufklärung

Am Dienstag, den 17. November, wurde ein Arbeitnehmer des Amazon Fulfilment-Centers in Erfurt-Stotternheim während der laufenden Frühschicht leblos auf der Toilette aufgefunden. Berichten zufolge soll der Beschäftigte vorher vergeblich versucht haben, sich bei seinem Vorgesetzen krank zu melden. Ver.di fordert Amazon auf, die Umstände dieses Todesfalls aufzuklären und die Arbeitsbedingungen am Standort zu verbessern.

Erst vor etwa zwei Wochen fand eine gemeinsame Aufklärungsaktion von ver.di und den DGB-Projekten „Faire Mobilität“ und „Faire Integration“ vor dem Logistikzentrum statt. Was die Arbeitnehmer in diesem Zuge über die Arbeitsbedingungen bei Amazon in Erfurt berichteten, ist erschütternd.

„Beschäftigte berichten uns von hohen Leistungsanforderungen, Urlaubssperren, fehlenden Lohn bei Krankmeldungen, ständigem Druck bei Unterschreitung willkürlicher Normen. Sie befinden sich zu großen Teilen in befristeten Arbeitsverhältnissen und berichten von Angst vor Arbeitsplatzverlust, wenn sie sich krankmelden oder zu langsam arbeiten“, so Matthias Adorf, Gewerkschaftssekretär bei ver.di für den Fachbereich Handel in Thüringen.

Bei Amazon in Erfurt arbeiten mehrheitlich migrantische Beschäftigte, die meisten davon aus Drittstaaten wie Syrien, Iran, Afghanistan oder afrikanischen Staaten. Hier treffen Arbeitshetze und Druck auf die Existenzängste der migrantischen Beschäftigten mit oft unsicheren Aufenthaltstiteln. Die Beschäftigten fürchten, dass mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auch ihr Aufenthaltstitel auf dem Spiel stehen könnte. Amazon nutzt diese Situation ohne Skrupel und moralische Bedenken aus.

„Ob diese Arbeitsbedingungen zum vorliegenden Todesfall beigetragen haben, ermittelt hoffentlich die Staatsanwaltschaft. Wir wissen aber sicher, dass die Arbeitsbedingungen bei Amazon, die uns Beschäftigte schildern, krank machen. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind für viele, vor allem migrantische Beschäftigte ein toxisches Gemisch aus Angst, Druck und Sanktionen. Die Gewerkschaft ver.di steht an der Seite der Beschäftigten – egal welcher Herkunft. Wir fordern den Arbeitgeber auf, diese Praxis zu beenden“, so Adorf weiter.

Pressekontakt

V.i.S.d.P.:
Oliver Greie
ver.di-Landesbezirksleiter
für Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
für den Inhalt: Jörg Förster

Titelbild: Collage Peter Vlatten, Foto Protest vor dem Amazon Tower in Berlin, 28.November 2025

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