»Die Dinge sind oft näher, als sie scheinen«

Heraus zum 1. Mai! Doch wie geht es dem Arbeiterlied? Ein Gespräch mit Kai Degenhardt

Interview: Christof Meueler

Seit knapp zehn Jahren gehört das Singen von Arbeiterliedern zum immateriellen Weltkulturerbe. Ist das gut oder schlecht?

Es zeigt jedenfalls, dass Arbeiterlieder inzwischen offenbar als vom Aussterben bedroht angesehen werden und als kulturelle »Waffe im Klassenkampf« nicht gerade gefürchtet sind.

Sie haben über das Arbeiterlied ein Buch geschrieben: »Wessen Morgen ist der Morgen«. Hatten Sie schon länger den Plan, einen Situationscheck des Arbeiterliedes vorzunehmen?

Ja, das hatte ich schon länger im Kopf. Als linker Liedermacher wird man häufig von Gewerkschaften eingeladen, auch zum 1. Mai. Und da werden gerne Arbeiterlieder gehört und gefordert. Damit habe ich früher immer ein bisschen gefremdelt.

Warum?

Das entsprach nie meinen eigenen Hörgewohnheiten, ich bin damit nur am Rande sozialisiert worden. Als Jugendlicher habe ich zwar auch Floh de Cologne gehört, aber das war für mich damals nicht Arbeiterlied im eigentlichen Sinn. Und es gab diese Platte vom Pläne-Label »Hören sie mal rot…«, das Arbeiterlieder-Festival 1970 in Essen. Als ich Kind war, lief die manchmal bei uns zu Hause.

Sie haben nicht nur ein Buch über das Arbeiterlied geschrieben, sondern auch eine Platte mit Beispielen eingespielt. Darauf sind zum Teil diese klassischen Lieder, die auch auf »Hören Sie mal rot« zu finden waren, die aber von Ihnen anders arrangiert und interpretiert werden. »In Hamburg fiel der erste Schuss« ist mit Emphase gesungen, dagegen wird der alte Agitprop-Hit »Der rote Wedding« sehr vorsichtig, fast schüchtern vorgetragen.

Ich finde es schwierig, die alten Lieder ganz traditionell zu bringen. In der Klassik nennt man das, glaube ich, historische Aufführungspraxis. Das habe ich im Übrigen auch bei »In Hamburg fiel der erste Schuss« nicht gemacht. Ich habe da eine verzerrte E-Gitarre gespielt und eben keine Schalmeien und Trommeln eingesetzt. Beim »Roten Wedding« kam mir die optimistische Siegesgewissheit dieses Liedes, im Wissen darum, was historisch danach passiert ist, nicht so einfach über die Lippen und über die Finger. Da musste ich eine Vortragsweise finden, die auch das Gebrochene, die erlittene Niederlage, transportiert.

Dagegen haben Sie »Tonio Schiavo«, klassisch dargeboten, da sehe ich gar keinen Unterschied.

Da wäre ich auch der Falsche, eine Neuinterpretation anzulegen. Ich war mit meinem Vater, der das Lied ja geschrieben hat, fast 20 Jahre auf Tour, da haben wir es hunderte Male zusammen in dieser Art gespielt.

Das vorletzte Lied auf dem Album stammt von Ihnen, »Nachtlied vom Streik«. Es handelt von einem verrenteten Arbeiter vor dem Fernseher, der den gesellschaftlichen Widerstand gegen die globalen Katastrophen schwach findet, denn er weiß: »Ohne Streik wird gar nichts gehen.«

Das Lied beschreibt auch die fragmentierte Zusammensetzung der Arbeiterklasse. Es gibt die Dienstleistungen an der Kasse, im Pflegebereich, am Band und an der Schuttrutsche und international natürlich auch, wenn die Stahlproduktion in Südostasien stattfindet. Und die vielen Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen, die versuchen, in die besser bezahlten Weltgegenden zu kommen. Trotzdem gilt: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will«, wie es schon Georg Herwegh 1863 für eines der ersten deutschen Arbeiterlieder, »Bet’ und arbeit’!«, gedichtet hat.

Arbeiterlieder entstehen eigentlich nur durch kollektive Praxis, durch Bewusstwerdung in der Auseinandersetzung – das ist die Quintessenz Ihres Buchs. Wenn dieses Handeln nicht da ist, wirken die alten Lieder museal.

Darum ging es mir bei der Platte. Denn das Pathos und das Triumphalistische aus den Vortragsweisen von früher habe ich oft als so eine Art Folkloreabend zum Mutmachen für die Übriggebliebenen erlebt. Daran stört mich weniger der unzeitgemäße Sound, als dass damit ein falscher Trost gespendet werden soll. Ich maße mir aber jetzt nicht an, die zeitgemäße Version als State of the Art zu bieten. Mein Ansatz ist als Aufforderung zu verstehen, dass dies jüngere Leute machen müssen, damit es für sie passt, wenn sie in den Kämpfen stehen.

Die gibt es ja – auch als Streiks, bei Amazon oder in der Pflege. Ich weiß aber nicht, was da gesungen wird.

Ich auch nicht. Bei den Demos höre ich oft nur die Trillerpfeifen. Früher wurde vor den Werkstoren ja regelmäßig gesungen, etwa von Hannes Wader, Frank Baier, Schlauch oder Fasia.

In der Bundesrepublik wurden Arbeiterlieder meist gesungen von Leuten, die nicht so weit von der DKP entfernt waren.

Ich würde sagen, von Künstlern rund um den allemal parteinahen Pläne-Verlag. Aber es gab daneben natürlich diverse Gewerkschaftschöre, auch Arbeiterlieder bei den Spontis rund um das Trikont-Label und auch bei den Maoisten das eine oder andere Parteilied. Aus der offiziell-sozialdemokratischen Arbeiterbewegung ist seit den 70er Jahren aber nichts Vergleichbares hervorgegangen.

Rückblickend wirken die Agitprop-Gruppen der KPD vor 1933 am attraktivsten: Eine Mischung aus mobiler Revue und Liedern, produziert aus dem Umfeld von Piscator, Brecht und Eisler.

Da traf die Volksbühnenbewegung auf die Unterhaltungsmusik der 20er Jahre. Das war ein Quantensprung für das Arbeiterlied. Aber Eisler und andere kamen ja von den Neutönern, die wollten neben den roten Spieltruppen auch die europäische Avantgarde einbringen in die Arbeiterchöre. Die haben auch ziemlich abgefahrene, mehrstimmig-dissonante Sachen dafür komponiert, die aber von den normalen Amateurchören kaum noch zu singen waren.

In der DDR hat sich das Arbeiterlied nicht mehr entwickelt. Sie schreiben von einer Regression, von einem Rückgriff auf das Vorgefundene. Liegt das daran, dass die Arbeiterklasse zumindest offiziell an der Macht war?

Die Eigentumsverhältnisse waren zwar auf dem Papier andere, aber über die Verteilung des Mehrprodukts bestimmte die Partei, nicht die Arbeiter, um es mal platt zu sagen. Aber später gab es die Singebewegung und die sich daraus entwickelnde Liedermacherszene unter dem Stichwort »DDR konkret«, das Reinhold Andert geprägt hat, aus der dann eine Liedtheater-Szene mit Leuten wie Gundermann, Wenzel und Mensching entstand, die keine klassischen Arbeiterlieder gemacht, aber die den Alltag der DDR kritisch ausgeleuchtet haben – neben den Arbeiterliedern, die als staatstragendes Kulturerbe fortgeführt wurden, was leider auch oft sehr pompös und schwülstig wirkte.

Haben Sie während Ihrer Arbeit an dem Buch auch Frustration verspürt, weil eine politisch konfrontative Arbeiterbewegung gesellschaftlich einst viel stärker war und damit auch das Arbeiterlied?

Mir war das zwar von vornherein klar, doch mir ist noch einmal deutlicher geworden, wie grundlegend die Niederlage der gesamten Linken nach 1989/90 gewesen ist. Das Ende von Kohle und Stahl, das Verschwinden des klassischen Industrieproletariats und die Schwächung der Gewerkschaften. Der Niedergang dauert an. Es gibt eine fragmentierte Klasse mit starker Hierarchisierung und gleichzeitig einen mächtigen Nationalismus mit faschistischen Tendenzen. Und eine komplette Marginalisierung von revolutionärer Artikulation in den Medien. Da kommt sehr vieles zusammen an schlechten Bedingungen.

Andererseits lautet der letzte Satz in Ihrem Buch: »Die Dinge sind oft näher, als sie scheinen.«

Man hat das im vergangenen Jahr in England und in Frankreich gesehen: Wenn so eine Streikbewegung erstmal losbricht, bekommt sie eine eigene Dynamik und erfährt Solidarität. Dann würde auch hierzulande eine Feier am 1. Mai anders aussehen und die gemäßigten DGB-Positionen würden zurückgedrängt. Im Moment sieht es hier noch nicht danach aus, aber manchmal kann es eben auch schnell gehen.

Kai Degenhardt: Wessen Morgen ist der Morgen: Arbeiterlied und Arbeiterkämpfe in Deutschland. Papyrossa, 215 S., br., 16,90 €.
Kai Degenhardt: »Arbeiterlieder« (Plattenbau)

Interview

Uwe Bitzel

Kai Degenhardt, Jahrgang 1964, ist Liedermacher und Autor, der lange mit seinem Vater Franz Josef (1931-2011) auf der Bühne stand. Er hat nun Arbeiterlieder neu untersucht und eingespielt.

Quelle: nd v. 30.4.24
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181861.arbeiterlieder-die-dinge-sind-oft-naeher-als-sie-scheinen.html?sstr=Die|Dinge

Wir danken für das Publikationsrecht.

GERICHT ENTSCHEIDET ZUGUNSTEN VON OYOUN – BESTÄTIGT INTEGRITÄT UND BEENDET DIFFAMIERUNG

Oyoun gewinnt Gerichtsverfahren gegen Tagesspiegel. Ein Sieg auch über Falschbehauptungen im gegenwartigen Nahostkonflikt. Uns stellt sich die Frage, in wieweit der Berliner Kultursenator Joe Chialo dem Oyoun weiter die Unterstützung durch öffentliche Gelder verwehrt. Joe Chialo zog gegen das Oyoun zu Felde, weil es darauf bestand, auch Kulturschaffenden Raum zu bieten, die die rechtslastige zionistische Israelpolitik kritisieren und sich mit den Palästinserinnen solidarisieren. Wir erwarten, dass alle Versuche, das Oyoun durch Entzug öffentlicher Gelder zu zensieren, eingestellt werden.

Presseerklärung

GERICHTSENTSCHEIDUNG ZUGUNSTEN VON OYOUN BESTÄTIGT INTEGRITÄT UND BEENDET DIFFAMIERUNG

Berlin, 25.3.2024 – Wir verkünden mit großer Freude, dass das Landgericht Berlin im einstweiligen Verfügungsverfahren von Oyoun gegen den Tagesspiegel zugunsten von Oyoun entschieden hat. Diese Entscheidung ist ein Triumph für die Glaubwürdigkeit und setzt ein deutliches Signal für die Gefahren, die auf unbegründeten Anschuldigungen basieren.

Das Gericht hat entschieden, dass der Tagesspiegel drei seiner in einem Artikel vom 20.02.2024 geäußerten Behauptungen nicht mehr äußern darf.  

Insbesondere wurde festgestellt, dass die Behauptung über eine Bevorzugung von Oyoun durch den Senat aufgrund familiärer Beziehungen haltlos ist. Ebenso wurden die Vorwürfe bezüglich angeblicher antisemitischer Vorfälle im Kulturzentrum Oyoun als unbegründet eingestuft. 

Diese Entscheidung bestätigt die Integrität von Oyoun und markiert einen wichtigen Sieg gegen Diffamierung.

In Anbetracht dieser Gerichtsentscheidung möchten wir betonen, dass Oyoun stets einen offenen Dialog auch mit den Medien gesucht hat und faire Berichterstattung propagiert hat. Obwohl Oyoun von falschen Anschuldigungen entlastet wurde, wird es einige Zeit dauern, bis der Ruf vollständig wiederhergestellt ist. Diese Entscheidung betont die Bedeutung eines fairen und unparteiischen Rechtssystems, das die Unschuldsvermutung respektiert und gerechte Urteile fällt. 

Wir danken unseren Rechtsanwält*innen der ‘Kanzlei Laaser für die Kunst- und Kreativszene’ für die erfolgreiche und gewissenhafte rechtliche Vertretung. Wir freuen uns darauf, unsere Arbeit ohne den Schatten der Verleumdung fortsetzen zu können.

Für weitere Informationen oder Rückfragen stehen wir euch gerne zur Verfügung.

Pressekontakt: Louna Sbou, Wayra Schübel – kommunikation@oyoun.de

Das Lied, das alle Linken singen

Es geht um eine Blume: Andreas Löhrer hat die Geschichte von »Bella ciao« untersucht

Markus Mohr

Im Jahr 1958 veröffentlichte die Zentralleitung der Pionierorganisation »Ernst Thälmann« in der DDR unter dem Slogan »Seid bereit!« ein Liederbuch. In der Einleitung wurde ausgeführt, dass man überall, wo auch immer man dazu komme, sei es »auf Wanderungen, Fahrten, in den Pionierlagern«, aber auch – wie es formuliert wurde – »bei unserer gesellschaftlich-nützlichen Tätigkeit«, singen solle und auch wolle.

Die Zentralleitung wünschte sich, dass eben diese Lieder »von unserer schönen Heimat, (…) vom Kampf der Menschen für Frieden und Sozialismus, von der Völkerfreundschaft, von Freude und Frohsinn und den großen Taten der neuen Menschen beim sozialistischen Aufbau« erzählen sollten. Und so wurde das Liederbuch auch gleich mit der Nationalhymne der DDR eröffnet.

In dem Liederbuch finden sich etwa 130 Lieder nach Gruppen geordnet, eine heißt »Ich trage eine Fahne«. Und siehe da: Unter der Überschrift: »Eines Morgens in aller Frühe« findet sich dort ein »italienisches Partisanenlied« abgedruckt. Der Text stammt dabei von Hans Berner, der als Verwundeter aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war und danach 30 Jahre lang als Musik­dozent am Institut für Lehrerbildung in Quedlinburg arbeitete.

Der Text des Liedes handelt aber gar nicht vom Tragen einer Fahne. Er handelt auch nicht von einem Aufbau, von einer Freude oder einem Frohsinn oder mutmaßlich großen Taten der neuen Menschen, sondern, viel schlichter, von einer »kleinen, ganz zarten Blume«. Von dieser Blume sagen alle Leute, die vorübergehen, dass es die Blume des Partisanen sei, »der für unsere Freiheit starb«. Das Lied hat sechs Strophen. Für den Refrain »Bella ciao, bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao« merkte die Redaktion für die Jungen Pioniere an: »Ciao: sprich: tschau.« Das ist der erste Abdruck von »Bella ciao« in einem deutschen Buch.

Mittlerweile ist das Lied auf der ganzen Welt populär. Hannes Wader singt es genauso wie die Schauspieler in der Netflix-Serie »Haus des Geldes« (als Remix des französischen DJ Hugel). Der Übersetzer Andreas Löhrer hat nun die Geschichte des Lieds untersucht, mit einer geradezu minimalistischen Fragestellung: »Wie kam es zum Partisanenlied? Ist es überhaupt ein echtes Partisanenlied oder wurde es erst in der Nachkriegszeit geschrieben? Gibt es eventuelle Vorläufer?«

Löhrer, der Mitarbeiter der Walter-A.-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur der Universität Hamburg war, holt in seiner Recherche weit aus und betrachtet die Vorgeschichte der italienischen Resistenza in ihrem Kampf gegen den Faschismus in den Jahren 1943 bis 1945.

In der ursprünglichen Fassung wurde das Lied mutmaßlich in der Po-Ebene von Reisearbeiter*innen gesungen und im Zweiten Weltkrieg von der Resistenza adaptiert. Seinen skandalumwitterten Durchbruch erlebte es 1964 in Umbrien, beim »Festival der zwei Welten« im kleinen Städtchen Spoleto, als es in zwei Fassungen gesungen wurde. Dabei ging die Version der Reisarbeiter*innen – »Und bei den Insekten und bei den Mücken / Oh bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao / muss ich harte Arbeit tun« – in die Partisanenversion über, indem alle anderen Sängerinnen und Sänger im Hintergrund einsetzten und die erste Version übertönten: »Und falls ich als Partisan sterbe / oh bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao / Und falls ich als Partisan sterbe / Dann musst du mich begraben.«

Ein Teil des Publikum reagierte mit Applaus, ein anderer Teil ärgerte sich: »Ich habe nicht 1000 Lire Eintritt bezahlt, um auf der Bühne mein Dienstmädchen singen zu hören!«, soll laut Löhrer eine mit reichlich Schmuck behängte Dame aus besserem Hause geflucht haben. Und am Ende kamen Carabinieri auf die Bühne, die nach den Verantwortlichen für die aufsässigen Lieder fragten und dann die Personalien der Sänger*innen aufnahmen.

Bei den folgenden Aufführungen auf dem Festival versuchten angereiste Faschisten aus Rom das Singen von »Bella ciao« zu verhindern, wogegen sich die Musiker verteidigten, indem sie mit ihren Gitarren um sich schlugen. Das Festival von Spoleto erlebte ein enormes Presseecho: Die Rechten sprachen von einem Skandal, aber aus ganz Italien trafen von Musiker*innen und Intellektuellen Solidaritätstelegramme ein. Seitdem war das Lied in aller Munde.

In insgesamt 35 kurzweilig zu lesenden Kapiteln verfolgt Löhrer den Weg dieses Liedes nach seiner in Spoleto 1964 von Tumulten begleiteten Rezeption bis in die jüngste Gegenwart. Dabei macht sich der Autor die auf Youtube verfügbaren Versionen von den frühen 60er Jahren bis heute zunutze, die in der Einleitung mit einem QR-Code nachgewiesen sind, der zu allen von ihm beachteten 46 Versionen von »Bella ciao« führt und auch zu Interviews mit Zeitzeugen.

Die Liste der Interpreten dieses Liedes ist eindrucksvoll: Sie reicht von Yves Montand, Milva und Zupfgeigenhansel bis hin zu der burmesischen Punk-Band The Rebel Riot X Cacerolazo. Es gibt mittlerweile so gut wie kein Land mehr auf der Welt, in dem »Bella ciao« nicht gesungen wird – und immer aus dem Geist des Protestes und des Widerstands. Die Melodie findet sowohl in Israel im Widerspruch gegen die Justizreform der Netanjahu-Regierung als auch in Palästina als Protest gegen die Okkupation des eigenen Territoriums Verwendung. Aber auch italienische Gewerkschafterinnen lassen es sich nicht nehmen, den Auftritt der Postfaschistin Giorgia Meloni auf einem Gewerkschaftstag der CGIL durch das Singen von »Bella ciao« zu stören und ihr erkennbar die Laune zu verhageln. Auch das kann als ein Beleg für die Aussage der Partisanin Marie Freçais gelesen werden, die es in der französischen Résistance verbreitete und einst vorhersagte: »Dieses Lied, das wir geschrieben haben, wird am Ende triumphieren und Lili Marleen umbringen.«

Andreas Löhrer hat aus der Recherche zu seinem Ursprung, seiner Geschichte und seiner anhaltenden Wirkung ein großartiges Buch gemacht.

Andreas Löhrer: Bella ciao. Auf den Spuren eines Partisanenliedes. Edition AV Bodenburg, 182 S., br., 16 €.

Erstveröffentlicht im nd v. 6.1. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179006.andreas-loehrer-bella-ciao-ist-das-lied-das-alle-linken-singen.html?sstr=Das|Lied

Wir danken für das Publikationsrecht.

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