Frankreich in Aufruhr?

Macrons Rentenreform und die Proteste dagegen!

Mittwoch 10.5. 18:30 bis 20:00 Uhr., Online Veranstaltung

Sebastian Chwala, linker Politologe und Frankreichexperte, Asma Rharmaoui-Claquin, NUPES.

Die Veranstaltung findet auf der Video-Konferenzplattform «Zoom» statt. Zugangslink: https://us02web.zoom.us/j/87223151640 | Meeting-ID: 872 2315 1640
Unser Bericht : Erster Mai Frankreich Impressionen und Nachbetrachtung 

„Fankreich erlebt bewegte Zeiten. Die Präsidentschaft Emmanuel Macrons ist seit 2017 durch eine Vielzahl sozialer Proteste begleitet – als bekanntesten und dauerhafteste Protestbewegung sind die «Gilets jaunes», die «Gelbwesten» zu nennen. Besonders die durch Dekret des Präsidenten an der Nationalversammlung vorbei beschlossene Rentenreform, mit der u.a. das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre erhöht werden soll, führte zu einer breiten Mobilisierung sozialer Gegenwehr – im Parlament, bei den Gewerkschaften und auf der Straße.

Mit dem Politikwissenschaftler Sebastian Chwala und der NUPES-Politikerin Asma Rharmaoui-Claquin wollen wir sprechen über

Die beschlossene Rentenreform: Was beinhaltet sie? Wie lief das Gesetzgebungsverfahren? Woran entzündet sich der Protest? Wie laufen die Proteste dagegen bei Parteien & in der Nationalversammlung?
Die Proteste gegen die Rentenreform & den «Macronismus» insgesamt: Wie laufen die Mobilisierungen «auf der Straße», bei Sozialen Bewegungen, den «Gelbwesten» & Gewerkschaften? Wie sind die Proteste vernetzt? Welche Aktionsformen dominieren? Wie funktioniert die Bündnisarbeit
Die französische (extreme) Rechte: Wie agiert sie im Parlament & auf der Straße? Wie gehen die Organisatoren des linken Protestes mit dem «Protest von rechts» um?
Deutschland & Frankreich: Was können Linke in Deutschland von Frankreich lernen? Gibt es Ansätze für grenzüberschreitende Solidarität? Wie können diese gestärkt werden?“

Sebastian Chwala ist Politikwissenschaftler aus Marburg. Der Frankreichspezialist promovierte zur radikalen Rechten in Frankreich und war Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Vgl. zuletzt seine Analyse «Frankreich im Aufruhr» für die Zeitschrift LuXemburg.

Asma Rharmaoui-Claquin ist Französin und lebst seit 8 Jahren in Deutschland. Sie hat bei der Parlamentswahl 2022 für NUPES, die «Nouvelle Union Populaire Écologique et Sociale», im Wahlkreis Zentraleuropa für die Parlamentswahl kandidiert. Sie engagiert sich insb. gegen die Rentenreform.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt.

Die Veranstaltung findet auf der Video-Konferenzplattform «Zoom» statt. Zugangslink: https://us02web.zoom.us/j/87223151640 | Meeting-ID: 872 2315 1640

1.Mai Frankreich Impressionen und Nachbetrachtung

„Die leider schon übliche Repression gegenüber Demonstrierenden durch die französische Bereitschaftspolizei, zeigt sich bereits seit dem Beginn der französischen Demo zum 1.Mai in Paris. Derweil zeichnet sich eine erneut historisch hohe Beteiligung an den Demonstrationen im ganzen Land ab (Marseille 130.000 Menschen; Toulouse und Bordeaux 100.000 Menschen, Nantes: 80.000 Menschen)“.(Sebastian Chwala)

Hier in einem Videoschnitt eine kleine Auswahl der eindrucksvollen Demonstrationen in mehreren Städten :

1. Mai Frankreich Erstimpressionen

Inzwischen werden gewaltsame Auseinandersetzungen aus Lyon und Paris gemeldet. Die Wut auf die Polizei wird immer größer. Es gibt bereits mehrere Schwerverletzte, die Opfer von Polizeigewalt wurden. Einem Demonstranten wurde vor der Präfektur in Nantes (Marion Lpz) von einer Granate die Hand abgerissen. Auch vor Journalisten der großen Medien macht die Polizeigewalt nicht Halt. Einer wurde ebenfalls von einer Granate schwerverletzt.

In Lyon und anderen Städten wenden sich Demonstranten gegen die Symbole des Finanzkapitals, dringen in die Paläste von Banken, Versicherungs- und Immobilienkonzerne ein. In Nizza wird eine luxusjacht attackiert. Macron wird als ihr ureigenes Gewächs angesehen.

Gegen Abend werden die Auseinandersetzungen noch heftiger. Großbrand auf der Place de la Nation in Paris. Die Situation in der Hauptstadt ist immer noch chaotisch (Pierre Tremblay). Die Polizeikräfte geraten aktuell in Paris in die Defensive. Zum Teil haben sich die Polizisten selbst mit Granaten beworfen und durch eigenes Pfefferspray ausser Gefecht gesetzt. Kein seltenes Phänomen, aber heute soll die Confusion ein besonders hohes Ausmaß erreicht haben.

Rauchschwaden einer Granate, die über ihren eigenen Köpfen zerberstete

Laut Gewerkschaften haben zwischen 2,3 und 2,5 Millionen Menschen an den Demonstrationen teilgenommen.

Es wird gerade ein weiterer typischer Fall von Polizeigewalt bekannt: „Ein 17-jähriges Mädchen wurde nach der Explosion einer Granate in Nantes am Auge verletzt und riskiert, ihr Auge zu verlieren.ihr Vater bittet auf Twitter um Zeugen. Die Szene ereignete sich gegen 12:00 Uhr/12:15 Uhr kurz vor der Mediathek-Station mitten auf den Straßenbahngleisen.

Polizeiopfer in Nantes. Sieht so das Gesicht westlicher Werte aus, wenn es ernst wird?

Das französische Kapital steht mit dem Rücken zur Wand, gerade auch gegenüber seinem „Freund“ und Konkurrenten Deutschland. Die „Reformen“ sollen um jeden Preis durchgedrückt werden. Es kam zwar bisher nicht zu den großen Streiks, aber das Land wird zunehmend unregrierbar. Eine Mehrheit der Franzosen ist über den Charakter der französischen Demokratie nachhaltig desillusioniert. Dreiviertel aller Franzosen sind inzwischen der festen Überzeugung, dass die Gewalteskalation in erster Linie vom Staate ausgeht. Dazu tragen unzählige Erlebnisse bei, wie sie im folgenden Video beispielhaft dokumentiert sind.

Frankreich „Polizeigewalt ist erlebter Alltag“

Die Charmeoffensive der Macronisten im Land im Vorfeld des 1. Mai hat sich als Bumerang erwiesen. Überall, wo ein Regierungsmitglied auftauchte, wurde es mit ohrenbetäubendem Lärm empfangen.

Empfangskonzerte für Macron im Vorfeld des 1. MAI
In einer gemeinsamen Stellungnahme am 2.Mai kündigen die Gewerkschaften weitere Versuche an, die Fortführung der Rentenreform auf legalen Wegen über parlamentarische Initiativen zu stoppen. Für den 6. Juni wird ein 14. Aktionstag einberufen. 

Einvernehmen über eine Verschärfung der Kampfmaßnahmen besteht offensichtlich nicht.Nicht wenige Gewerkschaftsführer setzen immer noch auf Illusionen, die bei großen Teilen der Bevölkerung längst geschwunden sind. Sie scheuen den Konflikt, den eine gebührende Antwort auf den brutalen Klassenkampf von oben bedeuten  würde. 

Die Meldung nur einTag später am 3.5. ist ernüchternd: "Der Verfassungsrat lehnt auch  den zweiten Antrag auf ein gemeinsames Initiativreferendum zur Rentenreform ab" 

Titelbild. Feuerwehrleute führen den Demonstrationszug in Paris an.

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Erklaerung der franzoesischen Gewerkschaften 2. Mai 2023

Auto – übersetzt

„2,3 Millionen junge Menschen, Angestellte und Rentner demonstrierten in ganz Frankreich und machten diesen 1. Mai 2023 zu einem der wichtigsten in unserer Sozialgeschichte.  Hundert Gewerkschafter aus den fünf Kontinenten schlossen sich unserer Pariser Demonstration zur Unterstützung der französischen Mobilisierung an.  Unter ihnen waren Esther Lynch, Generalsekretärin des EGB und Luc Triangle, Generalsekretär des IGB.

Dieser 13. Einheitstag gegen die Rentenreform zeigt die Entschlossenheit der Arbeiter, diese Rentenreform zu besiegen.  Seit mehr als 3 Monaten werden sowohl bei der Zahl der Demonstranten als auch bei der Zahl der Streikenden im öffentlichen und privaten Sektor Rekorde gebrochen. Trotzdem hat die Exekutive die geltenden Passagen verkettet: Weigerung, den Gewerkschaften Gehör zu schenken  Verwendung von 49-3, sofortige Verkündung trotz der teilweisen Zensur des Verfassungsrates…

Die Entscheidung des Präsidenten der Republik, seine Reform trotz der des  fast einhelligen Widerstands der Bevölkerung einzuführen, erzeugt tiefes Misstrauen.  Die Gewerkschaften verurteilen noch einmal nachdrücklich diese autoritären Entscheidungen, die der sozialen Krise eine demokratische Krise hinzufügen.  Die Gewerkschaften haben sich immer geweigert, diesen Provokationen nachzugeben, und haben sich bemüht, trotz manchmal schwerwiegender Zwischenfälle, die wir bedauern, eine friedliche, ernsthafte und populäre Mobilisierung aufrechtzuerhalten.

Bis zur Entscheidung über den RIP begrüßt die Gewerkschaft den Gesetzentwurf zur Aufhebung der Rentenreform, der am 8. Juni in der Nationalversammlung auf der Tagesordnung stehen wird.  Dieser Gesetzentwurf wird es erstmals der Landesvertretung ermöglichen, per Abstimmung über die Rentenreform zu entscheiden. Wir rufen unsere Organisationen gemeinsam auf, sich überall mit Abgeordneten zu treffen, um sie aufzufordern, über dieses Gesetz abzustimmen.  In diesem Zusammenhang fordert die Gewerkschaft weitere Initiativen, darunter einen neuen Tag gemeinsamer Aktionen, Streiks und Demonstrationen am 6. Juni, damit alle Beschäftigten von den  Parlamentariern gehört werden können.

Die Arbeitnehmergewerkschaften haben in den letzten 6 Monaten zahlreiche Vorschläge gemacht, um unser umlagefinanziertes Rentensystem zu stärken und gerechter zu gestalten, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung. Die Regierung kündigte die Eröffnung eines Konsultationszyklus an, ohne dass das Ziel oder der Rahmen genau festgelegt wurden.  Die Gewerkschaftsorganisationen der Arbeitnehmer werden an ihre Ablehnung der Rentenreform erinnern. Sie werden an gemeinsamen gewerkschaftsübergreifenden Vorschlägen unter Einbeziehung der Arbeitgeber arbeiten, damit die Anliegen der Arbeitnehmer endlich berücksichtigt werden, insbesondere in Bezug auf Löhne, Arbeitsbedingungen, Gesundheit am Arbeitsplatz, Sozialdemokratie, Gleichberechtigung F / H und Umwelt.  Das Misstrauen sitzt tief und der Dialog kann nur wieder aufgenommen werden, wenn die Regierung ihre Bereitschaft beweist, die Vorschläge der Gewerkschaften endlich zu berücksichtigen

. 2. Mai 2023

Veranstaltungshinweis

„Stadtasyl für Julian Assange“ in Berlin

Eine Gruppe von Unterstützer*innen startet die Initiative „Stadtasyl für Julian Assange“ in Berlin. Die Initiant*innen sammeln Unterschriften und bitten um Unterstützung.

Erschienen 08.04.23 – Pressenza Berlin

Hier kann der Appell und der Unterschriftenbogen heruntergeladen werden. Bitte schickt die gesammelten Unterschriften an: Ch. Deppe, Initiative „Stadtasyl für Julian Assange“, Würtzstr. 20, 13187 Berlin.

Offener Brief

An die
Regierende Bürgermeisterin
und die BürgermeisterInnen der Berliner Bezirke

Im April 2023

Am 11. April jährt sich zum vierten Mal die Entführung des australischen Journalisten Julian Assange aus der Botschaft Ecuadors in London. Seit 4 Jahren wird Julian Assange in einer 6 Quadratmeter großen Zelle eines englischen Hochsicherheitsgefängnisses festgehalten.

Die USA fordern seine Auslieferung; dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft oder gar die Todesstrafe – und dies, weil er seine Aufgabe als Journalist wahrgenommen hat. Aus der US-Administration wurden Pläne bekannt, Assange aus der Botschaft zu entführen und zu ermorden.

Die Juristen Assanges beklagen massive Behinderungen ihrer Arbeit und die Verletzung der Menschenrechte Assanges durch die englische Justiz. Der vormalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Prof. Nils Melzer, stellte fest, dass die extremen, menschenrechtswidrigen Bedingungen des Verfahrens und der Haft Folter sind, mit dem Ziel, Julian Assange zu zermürben und einen Menschen zum Schweigen zu bringen, der die Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan aufgedeckt und veröffentlich hat. (s. N. Melzer, „Der Fall Assange – Geschichte einer Verfolgung“, München 2021). In der Folge der Haftbedingungen und der Länge der Haft ist der Gesundheitszustand von Assange inzwischen lebens- bedrohlich.

Julian Assange ist der politische Gefangene des Westens. Mit ihm stehen die Pressefreiheit und unsere Informationsfreiheit auf dem Spiel, beides unabdingbare Voraussetzungen demokratischer Gesellschaften.

Die Bundesregierung nimmt ihre Aufgabe, politisch Verfolgten zu helfen und sie zu schützen, im Fall Assanges nicht wahr; sie weigert sich, bei den Regierungen der USA und Großbritanniens mit Nachdruck und Deutlichkeit auf die Freilassung von Assange zu dringen. Subsidiär ist daher das bürgerschaftliche Engagement der Städte und Gemeinden gefordert.

Wir appellieren an Sie, die BürgermeisterInnen Berlins, sich umgehend und partei- übergreifend für die Freilassung von Julian Assange einzusetzen. „Stadtasyl für Julian Assange“ ist die Parole und das Ziel der Aufforderung, Julian Assange Schutz zu bieten und daran mitzuwirken, sein Leben zu retten. Tragen Sie dazu bei, Informationsfreiheit und Demokratie zu erhalten!

Wir bitten Sie, sich dieses ebenso wichtige wie dringende Anliegen zu eigen zu machen. Mit ihren Unterschriften unterstützen die BürgerInnen den an Sie gerichteten Appell.

V.i.S.P. Ch. Deppe, Initiative „Stadtasyl für Julian Assange“, Würtzstr. 20, 13187 Berlin

Erschienen zuerst 08.04.23 – Pressenza Berlin, Stadtasyl für Julian Assange
Titelbild von Reto Thumiger, Pressenza, wir danken

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