Ari vereint feministisches Berlin

Zehn Gruppen fordern, die Friedensstatue im öffentlichen Raum zu erhalten

Von Jule Meier

Bild: Rund 200 Menschen demonstrierten zum Erhalt der Friedensstatue Fotos: nd/Jule Meier


Drei Frauen wischen sorgsam mit einem feuchten Tuch über Aris Gesicht. Der bronzene Farbton der Statue des koreanischen Mädchens fügt sich harmonisch in das Gelb der Laubbäume auf dem Unionsplatz. Ist es das letzte Mal, dass die Friedensstatue namens Ari, auch »Trostfrauen-Statue« genannt, auf der Bremer Straße, Ecke Birkenstraße in Mitte gesäubert und geschmückt wird? Es scheint, als könnte der jahrelange Kampf um die Statue an diesem Dienstag enden – denn Ari ist vom Bezirksamt nur bis zum 7. Oktober geduldet.

Die rund 200 Berliner*innen, die in den frühen Abendstunden gegen den Abbau der Friedensstatue demonstrieren, sehen das anders. »Ari bleibt hier«, skandieren sie mehrfach auf dem Platz, in einem Demonstrationszug auf der Turmstraße und vor dem Rathaus Tiergarten. Aufgerufen dazu hat der Korea-Verband e.V., der die Statue 2020 im Ortsteil Moabit errichtet hatte. Das Denkmal erinnert an die Mädchen und Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs vom japanischen Militär entführt, versklavt und sexuell ausgebeutet wurden. »Trostfrauen« lautet die euphemistische Bezeichnung für rund 200 000 Zwangsprostituierte.

Die Geschichte der »Trostfrauen« sticht aus der Geschichte sexualisierter Gewalt im Krieg hervor: Zum einen wurde sie staatlich organisiert und zum anderen betraf sie in den japanischen Kolonien diverse südostasiatische Länder. In Berlin macht sich die Bedeutung dieser Geschichte nicht nur an der Lautstärke der Demonstration bemerkbar, sondern auch an der Vielzahl an Redner*innen. Insgesamt zehn verschiedene feministische Gruppen sprechen für den Erhalt Aris. Hinzu kommen Sprecher*innen der SPD, Linken und des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Ari erinnere daran, dass Widerstand dort wachsen könne, wo Schmerz war oder ist, sagt eine iranische Aktivistin. Ihre Rede schließt sie mit dem Slogan »Jin, Jiyan, Azadi« – »Frau, Leben, Freiheit«. Eine Sprecherin der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale verweist auf das Datum zum geforderten Abbau: »Ausgerechnet am 7. Oktober, an diesem Tag, der wie kein anderer für sexualisierte Gewalt im Krieg steht.« Dass Ari unter »bürokratischem Vorwand« verschwinden müsse, offenbare »das Stigma derer, die unter sexualisierter Gewalt leben«.

Der Korea-Verband und das Bezirksamt Mitte befinden sich mittlerweile seit einem Jahr in einem Rechtsstreit. Der Verband klagt gegen das Bezirksamt, weil dieses ablehnte, Aris Aufenthalt auf dem Unionsplatz zu verlängern. Das Bezirksamt sagt, dass private Kunst im öffentlichen Raum, so wie die Friedensstatue, nur maximal zwei Jahre erlaubt ist, wenn es keinen Wettbewerb für diese gab. Der Verband legte Widerspruch ein und beantragte Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht. Das Gericht stellte fest: Die Rechtspraxis im Bezirk ist unklar. Daher schaffte der Bezirk mit einem Beschluss vom 8. Juli 2025 Klarheit. Ein Sprecher des Bezirksamts teilt »nd« mit, dass am 8. Oktober 2025 ein Zwangsgeld für den Korea-Verband festgesetzt wurde, da dieser die Statue nicht fristgerecht abgebaut hatte und das Verwaltungsgericht bislang nicht zugunsten des Verbands entschied.

Nataly Jung-Hwa Han, Vorstandsvorsitzende des Korea-Verbands, spricht von einem »gefährlichen Versuch der Relativierung« seitens des Bezirksamts, das im September ein anderes Denkmal an die Opfer von sexualisierter Gewalt im Krieg in Mitte errichten ließ. Mit der neuen Statue wolle man sich dem Thema »universell« annähern, teilt der Bezirk mit. »Ari ist universell!«, ruft Han.

Als gewerkschaftlich organisierte Frau sei es für sie unverständlich, warum Ari gehen müsse, sagt Anab Awale, Sprecherin für den Bezirksverband Mitte des DGB. Bei dem Streit um die Statue zeige sich, wie demokratische Verfahren von der Politik missachtet würden: 3000 Unterschriften sammelte der Korea-Verband zum Erhalt Aris im Kiez – und reichte diese in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im September 2024 ein. »Die Politik sollte ausführen, was die Bevölkerung möchte«, so Awale. Ansonsten stärke das die Politikverdrossenheit.

»Die Politik sollte ausführen, was die Bevölkerung möchte, sonst stärkt das Politikverdrossenheit.« Anab Awale DGB Mitte

Awale ist die letzte Rednerin, bevor die Kundgebung zu einer Demonstration wird. Die Demonstrierenden tragen ein rotes Netz, dass zusammen mit der feministischen Gruppe Colectiva Hilos aus Mexiko gehäkelt wurde. Das Rot stehe für das Blut, das bei Femiziden vergossen wird. Das gemeinsame Häkeln dafür, »eine widerständige Gemeinschaft aufzubauen und unsere Kämpfe miteinander zu vernetzen«, teilt Colectiva Hilos mit.

Während die Menschen zum Rathaus laufen, begleitet eine koreanische Trommelgruppe die Demo. Aus den Büroräumen gucken Köpfe aus den Fenstern, von Balkonen filmen Leute. Ein Radfahrer steigt mit seiner Klingel ins musikalische Geschehen ein. Ein Späti-Verkäufer fängt an zu tanzen.

Zu den letzten Redebeiträgen vor dem Rathaus Tiergarten gehört der vom kurdischen Frauenrat Dest Dan. »Wir wissen, was sexualisierte Gewalt im Krieg bedeutet«, so die Sprecherin, die sich dafür entschuldigt, dass sie nur mit einer Genossin gekommen sei. Die anderen demonstrierten spontan anderorts in Berlin wegen der Angriffe auf kurdische Viertel in Aleppo durch Truppen der syrischen Übergangsregierung.

Eine Sprecherin der Omas gegen rechts sagt, es sei wichtig, dass Ari auf dem derzeitigen Platz bleibe und nicht auf eine private, aber öffentlich zugängliche Fläche umziehe, so wie das Bezirksamt es vorgeschlagen hatte. Die Statue müsse in der unmittelbaren Nähe zum »Museum der Trostfrauen« stehen bleiben, so die Sprecherin. »Für die meisten Omas war die Geschichte der Trostfrauen neu«, sagt sie. Kein Wunder, in den Schulen stehe sie schließlich bis heute nicht auf dem Lehrplan. Kein Wunder sei auch, dass sich Deutschland nach dem Willen der japanischen Regierung richte, um die Erinnerung aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. »Japan und Deutschland waren bereits im Zweiten Weltkrieg Verbündete«, so die Sprecherin. Derweil gewinnt in Japan derzeit die rechtspopulistische Partei Sanseito an Einfluss. Medienberichten zufolge will sich die Partei an der Migrationspolitik der AfD orientieren.

Erstveröffentlicht im nd v. 8. 10. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194581.friedensstatue-ari-vereint-feministisches-berlin.html?sstr=Jule|Meier

Wir danken für das Publikationsrecht.

Eure Repressionen kriegen uns nicht klein!

Die jüngsten Ereignisse haben bei vielen linken und antikapitalistischen Jugendlichen in Berlin eine riesen Wut erzeugt. Einige politisch Verantwortliche in dieser Stadt scheinen sich wohl auch zu wünschen, diese Wut zu schüren und zu provozieren. Wir publizieren hier die Stellungnahme – in drastischen unmißverständlichen Worten- der Linksjugend Solid Berlin zu den jüngsten Gewaltprozessen der Berliner Polizei.
Angesichts der skandalösen Praxis etlicher Berliner Presseorgane, größten Teils unkritisch die verzerrenden polizeilichen Darstellungen und Angaben einseitig zu übernehmen bzw. ihre eigenen Behinderungen durch die Polizei mit Stillschweigen zu übergehen, bitten wir diese Erklärung weit zu verbreiten!

Strukturell werden in Deutschland linke Bewegungen und jene, die die herrschende Ordnung in Fragen stellen, vor allem die palästinasolidarische, mit Repressionen überzogen. Dass dieser Staat und sein Repressionsapparat uns nicht schützen, ist für uns bereits klar – die letzte Woche verdeutlicht jedoch erneut das Ausmaẞ der Repressionen, denen unsere internationalistische und antimilitaristische Bewegung ausgesetzt ist.

Bei der gestrigen Demonstration Geld für den Kiez statt Waffen für den Krieg“ wurden nicht bloẞ über 30 Teilnehmende der Demonstration, zum groẞen Teil aus der Palästinensischen Community, festgenommen und viele weitere zusammengeschlagen. Auch der Bundestagsabgeordnete Cem Ince, der als parlamentarischer Beobachter vor Ort und eindeutig gekennzeichnet war, wurde von den Bullen auf ihre absichtlich brutale Art und Weise festgenommen. Auch schon am Samstag bei der ,,United4Gaza“ Demonstration wurde eine Genossin grundlos zu Boden gestoẞen und dort brutal zusammengeschlagen. Ebenso ein Vater mit Kleinkind auf dem Arm, der bloẞ an einer Polizeiabsperrung vorbeigehen wollte.

Vor nicht einmal einer Woche wurden alle palästinasolidarischen Versammlungen grundsätzlich verboten – ausgerechnet an dem Tag, an dem sich der Beginn des aktiven Völkermords in Gaza zum zweiten mal jährte. Versammlungsrecht? Fehlanzeige! Während Bullen aus dem ganzen Bundesgebiet die kraftvolle Demonstration am Alexanderplatz stundenlang im Nieselregen einkesselten, wollten sie bei ihren Unrechtshandlungen offenbar nicht beobachtet werden. Die Presse wurde systematisch, auch körperlich, angegriffen und während die Bundestagsabgeordnete Lea Reisner versuchte, die Situation zu deeskalieren, wurde sie aus dem Nichts von einem Bullen ins Gesicht geschlagen.

Diese Gewaltexzesse der Berliner Polizei erschüttern uns – ebenso, dass es für diese ,,Einzelfälle“ wohl keine Konsequenzen geben wird. Mittlerweile fängt selbst die Fassade der Demokratie, die der bürgerliche Staat sich gegeben hat, an zu bröckeln. Versammlungsrecht, Pressefreiheit, und nun sogar Immunität von Abgeordneten – all dies wird ohne Scham und für jede:n ersichtlich mit Füẞen getreten. Für uns ist jedoch klar, dass die Kämpfe gegen die Aufrüstung und für ein freies Palästina weiter gehen werden. Wir lassen uns von den Repressionen nicht einschüchtern und fordern Verantwortungsträger:innen in unserer Partei auf, sich im Kampf gegen die Repression unmissverständlich an unsere Seite zu stellen.



Erneut Parlamentarischer Beobachter von Berliner Polizei angegriffen und festgenommen – die Spitze eines Eisbergs

Die unberechtigte Festnahme des Bundestagsabgeordneten Cem Ince am 12.10.2025 wirft ein Licht auf das Umfeld, in dem das geschah.

Es kann nämlich immer mehr jeden treffen, wenn die „Kampfmaschinen“ der Berliner Polizei im Sinne des Regierenden die „Deutsche Staatsräson“ durchzusetzen meinen.

Zum Beispiel eine Frau, die auf dem Kurfürstendamm einkauft und mit ihren Taschen in der Hand herumläuft, ohne jegliches Zeichen, dass sie überhaupt an einer Demonstration teilnimmt. Oder bei einer Demonstration auf dem Alexanderplatz vor einigen Tagen kesselte die Polizei etwa 400 Demonstranten, die zu einer genehmigten Versammlung kamen, stundenlang ein. Darunter waren auch einfach Passanten, die in der Gegend waren. Auf Videos ist zu sehen, wie ein Polizist die Bundestagsabgeordnete Lea Reisner, an ihrer Weste klar als parlamentarische Beobachterin erkennbar,  unvermittelt ins Gesicht schlägt.

Und am Samstag wurde ein Vater, der mit einem etwa zweijährigen Kind auf dem Arm unterwegs war und lediglich eine Abstandsregel nicht eingehalten hatte, von über 6 Polizisten brutal zusamngeschlagen und festgenommen. Das Kleinkind aufgrund des Schocks wurde wohl schwer traumatisiert. Es gehört schon viel dümmliche Fantasie dazu, zu meinen, dass dieser Mann mit dem Kleinkind auf dem Arm diese Polizisten in Kampfmontur in irgendeiner Weise real bedroht haben könnte.

Und jetzt hat es den nächsten parlamentarischen Beobachter getroffen.

Einen Tag später wurden laut Polizei auf einer antimilitaristischen Demonstration im Kiez Wedding 20 Personen festgenommenen. Auch hier stellt sich die Frage, wie rechtmäßig und verhältnismäßig eigentlich? Etliche Zeugenaussagen und Videos lassen den gegenteiligen Schluss zu.

Video Ausschnitt: entgegen den Aussagen des Polizeisprechers wurden die Polizisten deutlich auf die Funktion des Festgenommenen schon vor Abtransport hingewiesen!

Unter den Festgenommenen befand sich auch der Linken-Bundestagsabgeordnete und IG Metall Mitglied Cem Ince, der als parlamentarischer Beobachter anwesend war. Er warf der Polizei vor, ihn trotz klarer Kennzeichnung gewaltsam unter Schlägen von der Demo weggezogen zu haben. „gemeinsam zogen sie mich gewaltsam an der Kapuze weg „, schrieb Ince auf Instagram. Gegen den beteiligten Polizisten wurde Anzeige erstattet.

In der Presse wurde berichtet, die Beamten hätten Ince „direkt wieder freigelassen, als sich herausstellte, um wen es sich bei ihm handelte.“ Diese Behauptung ist genauso ein Fake der Polizei (siehe Video) wie mutmaßlich auch die Aussage er habe Straftaten begangen.

„Cem Ince ist unser Mann in Berlin“

hieß es jüngst in der Ausgabe 4/2025 des IG Metall Magazins.
Cem hat vor seiner Wahl als Bundestagsabgeordneter bei VW Salzgitter gearbeitet. Hoch geschätzt bei Kolleg:innen wegen seines Standings und seiner politischen Geradlinigkeit. Die Angriffe und haltlosen Unterstellungen durch die Berliner Polizei gegen ihn sind ein Affront gegen die gesamte IG Metall, der zurückgewiesen gehört.

Cem weist darauf hin, daß generell endlich mehr öffentliche Solidarität mit den vielen unbekannten Polizeiopfern erfolgen muss, die sich gegen diese Willkür nicht so zur Wehr setzen können wie er selbst.

Daß jetzt zwei Bundestagsabgeordnete in parlamentarischer Funktion, die eigentlich Immunität besitzen, binnen einer einzigen Woche ebenfalls Opfer dieser Polizeiwillkür wurden, kann nur bedeuten, daß dies die Spitze eines Eisbergs ist und amtsanmaßende Handlungen jenseits des Gesetzes an der Tagesordnung sind. Und man muss annehmen, dass offensichtlich unabhängige von der Bevölkerung gewählte Beobachter für die Polizei unerwünschte Zeugen sind, weil sie etwas zu verbergen hat.

Die zahlreichen auffällig gewordenen Vorfälle, mutmaßlich nur die Spitze eines Eisbergs, verbunden mit den verzerrten Darstellungen und Vertuschungsversuchen der Berliner Polizei lässt ausserdem nur noch den Schluß zu, daß man deren Verlautbarungen keinerlei Glauben mehr schenken kann.

Zum Einschüchterungsritual der Polizei gehört auch, dass sie auf eine Anzeige in vielen Fällen mit einer Gegenanzeige reagiert. Oft haben sich Polizisten in ihren Aussagen gegenseitig gedeckt, die sie erst aufgrund von eindeutigen Videobeweisen haben zurückziehen mussten. Laut Polizeiaussage gegenüber dem Spiegel soll auch eine Anzeige gegen Cem erstattet worden sein, was von der zuständigen Staatswaltschaft aber nicht bestätigt wurde.

Gewerkschafter:innen und Anwohner:innen sind alarmiert. Die aktuelle Entwicklung erinnert an die unrühmliche Vergangenheit von Berlins Polizei. Gerade die Arbeitenden und organisierte Gewerkschafter:innen im Kiez Wedding haben in der Historie damit die üblesten Erfahrungen gemacht.

Erklärung von Cem Ince im Wortlaut

siehe auch Erklärung von Berliner Gewerkschafter:innen zu den Polizeiübergriffen am 12.10.2025

Titelbild : Peter Vlatten

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