Mercedes Beschäftigte fordern gewerkschaftliche Streiks gegen permanenten Stellenabbau!

Vor fast genau einem Monat hat eine Gruppe aktiver Kolleginnen und Kollegen aus dem Werk Berlin Marienfelde – „Autoarbeiter für eine kämpfende IG Metall“- ein Flugblatt mit dem Titel „Das Massaker an Arbeitsplätzen in der Industrie muss aufhören! Stoppen wir es jetzt! Auch in Berlin Marienfelde!“ Wir berichteten über die Aktion: Den Kolleg:innen ist der Geduldsfaden gerissen. Sie fühlen sich „auf Raten“ verkauft und bei den Entscheidungen über ihre Zukunft ins Abseits gestellt.

Mitglieder und Belegschaften haben ein Recht auf eine offene Diskussion darüber, wie sie ihre Interessen gegenüber dem Kapital am Besten verteidigen und durchsetzen wollen. Bei immer mehr Kolleg:innen setzt sich die Überzeugung durch : echte Zukunft gibt es nur mit echtem Widerstand! Kriegskurs, geopolitische Verwerfungen sowie globales Agieren der Konzerne machen es dabei notwendiger denn je, gegen die politischen Rahmenbedingungen Position zu beziehen, sich standort-, branchenübergreifend und auch internationalistisch zusammenzuschliessen.

Das Flugblatt ist ein Signal und brisanter Ausdruck der Stimmung an der Gewerkschaftsbasis auch in anderen Metall-Betrieben. Es brodelt. Es muss sich was ändern! Das Flugblatt wurde am 3. November vor den Werkstoren breit verteilt. Die Kolleg:innen schreiben über sich selbst:

Wir sind eine Gruppe von kämpferischen Kollegen aus unterschiedlichen Werksbereichen. In unseren Reihen findet ihr Arbeiter und Arbeiterinnen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Zu uns zählen sowohl einfache IG-Metall-Mitglieder als auch Vertrauensleute und Betriebsräte.

Inzwischen haben sich gut 300 Beschäftigte aus dem Werk den Forderungen angeschlossen und eine Petition unterschrieben. Kolleginen und Kollegen aus anderen Betrieben haben sich solidarisch erklärt und fordern ein kämpferischeres Vorgehen der IGM für die gesamte Branche! Nicht nur hier im Norden und Osten, sondern auch im Südwesten werden die aufgeworfenen Fragen in den Belegschaften zunehmend diskutiert.

Der von einigen gesuchte  Lösungsweg aus der Krise durch Konversion in die Rüstungsproduktion wird inzwischen von einer wachsenden Zahl  Kolleg:innen  als  Abkürzung in den Abgrund gesehen. Nicht nur, dass die zunehmende Investition in Zerstörung statt in eine lebenswerte Zukunft zur Bedrohung für uns alle wird. Es droht unter dem Strich der Verlust von mehr gesellschaftlich nützlichen Arbeitsplätzen als in Rüstungsproduktion und Kriegswirtschaft geschaffen werden können. Nicht zuletzt gilt für die Rüstungsindustrie erst recht: Profit über alles und ebenfalls Verlagerung, Verlagerung. Rheinmetall stampft gerade im Ausland, nicht zuletzt in der Ukraine - unterstützt mit zig Millirden Euro aus Deutschland und der EU - ein Werk nach dem anderen aus dem Boden.

Heute wird ein zweites Flugblatt verteilt, um den ersten Vorstoß forzuführen und noch mehr Kräfte für eine Veränderung zu gewinnen. Es wird dabei auch gezielt an „kämpferische“ Kolleginnen und Kollegen aus anderen Werken appeliert. Denn von einem Standort allein – ohne Vernetzung und gemeinsame Willensbildung- lässt sich nur wenig bewegen.

Hier der Wortlaut von Flugblatt Nummer 2:

BR-Mehrheit stimmt für Zielbild 2.0 – Kahlschlag geht weiter!

Jetzt erst recht: Unterschreibt unsere Petition an die IG Metall!

Das Zielbild 2.0 ist durch (bei zwei Gegenstimmen von Alternative und Faire Basis). Das Management setzt den Kahlschlag in unserem Werk unvermindert fort. 300 Kollegen haben schon unsere Petition an den Vorstand der IG Metall unterschrieben. Wir müssen noch einen Zahn zulegen. Am 15.12. beginnt die vom BR durchgewunkene Zwangspause. Bis dahin brauchen wir noch so viele Unterschriften wie möglich. Wir wollen sie im neuen Jahr der IGM-Zentrale übergeben. Dafür wollen wir maximalen Druck aufbauen. Wenn du mit den 4 Punkten übereinstimmst, unterschreib’ die Petition und sammel’ auch
Unterschriften bei deinen Kollegen – egal, ob extern oder festangestellt!

  1. Kein weiterer Stellenabbau in unserem Werk! Keine Entlassungen! Kampf um alle 2.000 Arbeitsplätze sowohl bei Festangestellten als auch bei Leiharbeitern und Werkvertraglern!
  2. Keine Zwangsverschickungen in andere Werke!
  3. Sofortige Beendigung des Verkaufs eines Teils unserer Werksfläche!
  4. Unsere IGM muss einen Streik in allen deutschen Autowerken vorbereiten, der so lange andauert, bis der Stellenabbau gestoppt ist. Sie bedrohen nicht nur uns, sondern auch unsere Kollegen in Ludwigsfelde, Untertürkheim, Wolfsburg usw. Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle!

Wir brauchen Verbindungen in andere Werke. Die Unzufriedenheit im ganzen Land mit dem Stillhalte-Kurs der IGM muss in allen Werken auf den Tisch. Wir brauchen eure Hilfe – kennt ihr kämpferische Kollegen in anderen Werken? Zeigt ihnen unser Flugblatt und unsere Petition! Bei der BV in Hamburg letzte Woche hat ein Kollege unsere Petition bekanntgemacht und gewarnt: „Trotz aller Zukunfts-Zusagen kann es auch uns treffen, wenn es dem Vorstand einfällt, dass eigentlich ein Teil unserer Fertigung wegfallen sollte, weil das billiger wäre.“ Beim Familientag am Sonntag unterschrieben dort fast 50 Kollegen in Solidarität. In Marienfelde allein schaffen wir das nicht. Dass ein Berliner Funke auf andere Werke überspringen könnte, genau davor haben sie im Vorstand Angst!

Bei der BV wurde uns allen offen gedroht: Es wird nicht nachverhandelt; wenn ihr dem nicht zustimmt, kommt Schlimmeres! Was soll angesichts offener Drohung und fehlender Alternative anderes rauskommen als das Schlucken eines vermeintlich kleineren Übels? Mehr als zwei Drittel der Stammbelegschaft waren nicht anwesend. Die Meisten besuchen BVs nicht mehr, weil sie die Selbstbeweihräucherung der BRs nicht mehr ertragen. Es wurde präsentiert, dass 750 Produktionsarbeitsplätze (und 200 DFC-Jobs) festgeschrieben werden. Der Rest ist variabel. Die Zahl 1.500 soll die Illusion erzeugen, dass mit Renteneintritten und Abfindungen ein schmerzfreier Stellenabbau möglich sei. Die paar Jobs für Tauschmotoren, EEC-Aufstockung und Klassikteile sind Trostpflaster. Weiterhin gibt es keine substanziellen Investitionen neben dem AFM. Einem Werk von ehemals 3.600 wird mittels Salamitaktik der Tod auf Raten verordnet.

Im Rest des Landes sieht es nicht anders aus. Keine Woche ohne Hiobsbotschaften über Werkschließungen und Stellenabbau. Die CDU/SPD-Regierung beschließt eine soziale Grausamkeit nach der nächsten. In Ukraine-Krieg und Aufrüstung der Bundeswehr werden weiterhin Milliarden gepumpt, für die wir Arbeiter zahlen sollen. Wenn sie davon tönen, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wiederherzustellen, haben Bosse und Regierung unsere Arbeits- und Lebensbedingungen im Visier. Was uns blüht, wenn wir uns dagegen wehren, zeigt die permanente Repression gegen propalästinensische Demonstranten, die gegen Israels Völkermord in Gaza auf die Straße gehen. Wie lange will unsere Gewerkschaft all dem noch kampflos zusehen?

Noch ist Deutschland ein Industrieland. Noch ist die IGM eine Macht von 2 Millionen. Diese Macht in Aktion könnte den Stellenabbau stoppen. Genau dafür ist die Gewerkschaft da! Die aktuelle Führung der IGM setzt jedoch nicht die Interessen von uns Arbeitern mit allen notwendigen Mitteln durch. Stattdessen predigen sie: wenn es der Firma (d.h. den Bossen!) gutgeht, geht es auch den Arbeitern gut. Sie nennen das Sozialpartnerschaft. Unser jahrelanges Verzichten lässt aber die andere Seite immer unverschämter werden. Das Einbrechen ihrer Profite sollen wir ausbaden. Damit muss Schluss sein. Für uns Arbeiter müssen unsere Interessen an erster Stelle stehen, auch wenn das auf Kosten ihrer Profite geht.

Unterschreibt unsere Petition!


Kontakt: autoarbeiter.kampf@proton.me

Titelbild: Collage Peter Vlatten

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