Berliner Polizei geht gegen jüdische Israelkritikerin vor -trotz gegenteiliger Entscheidungen der Justiz

Es ist unglaublich. Wenn es um Solidarität mit den Menschen in Gaza geht, ist den Berliner Behörden offenbar keine Schikane zu schade. Bei einer Kundgebung der Linken Neukölln vor dem Rathaus gegen den Genozid in Gaza wurde am 6. Juni 2025 eine jüdische Aktivistin von der Polizei festgenommen-wegen eines Plakats mit Davidsternen. Die Begründung: Zwei übereinanderliegende rote Dreiecke auf dem Plakat seien ein „Symbol der Hamas“. Der Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak schreibt dazu: „Das ist nichts anderes als politische Repression-gegen Menschen, die das Leid der Palästinenserinnen sichtbar machen. Und dass ausgerechnet in Deutschland wieder Jüdinnen festgenommen werden, zeigt auf erschreckende Weise: Dieses Land hat aus seiner Geschichte nichts gelernt.“

Der Vorfall zeigt aber auch: Selbst Entscheidungen der Justiz werden in voller Kenntnis der Rechtslage von der Berliner Polizei ignoriert. Genau das beanstandete Plakat war bereits nach vorangegangener Beschlagnahmung seitens der Staatsanwaltschaft explizit als rechtlich zulässig deklariert und der Trägerin wieder ausgehändigt worden.

Solche Plakate dürfen in Berlin nur noch eingeschränkt auf Kundgebungen gezeigt werden. Rechtsradikale dürfen dagegen für ihre rassistischen Anliegen geschützt von der Polizei demonstrieren!

Entgegen neuerdings warmen Worten der Besorgnis über das Schicksal der Menschen in Gaza: das tatsächliche politische Handeln der Verantwortlichen aus Politik und Staat in Deutschland sieht anders aus. Nach außen wie nach innen. An Unterstützungen und Waffenlieferungen für Israel wird in der Praxis in keiner Weise gerüttelt. Während Demonstrationsrouten von Nazis durch ein riesiges Polizeiaufgebot penibel abgesichert werden, sind in Berlin palästinasolidarische Demonstrationen verboten und nur noch Kundgebungen erlaubt. Wenn es darum geht, Kritik an dem Völkermord in Gaza mundtot zu machen, bekommen in Berlin auch israelkritische Jüd:innen die Staatsmacht zu spüren. Wenn es im Sinne der „Staatsräson“ sein muß, werden dabei sogar Rechtslage und Rechtssprechung mißachtet. Der Trumpismus unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegener lässt grüßen.

Hier ein Bericht aus der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ , der den Vorfall detailiert schildert:

Am 21. Dezember 2024, bei einer kleinen Demonstration am Wittenbergplatz in Berlin, beschlagnahmte die Polizei dieses Schild von Iris Hefets, einem Mitglied unserer Organisation. Drei Monate lang hörte sie nichts von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Schließlich schrieb sie ihnen, dass sie das Schild zurückhaben wolle. Zwei Wochen später erhielt sie eine Mitteilung von der Staatsanwaltschaft, dass die Anzeige gegen sie eingestellt wurde. Etwa eine Woche danach konnte sie das Schild bei dem LKA abholen.

Als sie es abholte, forderte sie die LKA-Beamtin auf, auf dem Dokument genau anzugeben, warum das Schild beschlagnahmt wurde, damit sie beim nächsten Mal, wenn die Berliner Polizei ihre politische Verfolgung fortsetzen sollte, belegen kann, dass genau dieses Schild bereits geprüft wurde. Die LKA-Beamtin schrieb auf das Dokument, dass es sich um dieses Schild handelte und dass es nicht strafbar ist („keine Strafbarkeit: rotes Dreieck als Teil des Davidsterns“ steht in Handschrift darauf).

Heute nahm sie an einer Demonstration vor dem Rathaus in Neukölln teil, die von der Partei Die Linke organisiert wurde, bei der Ferat Koçak u.a. über die Unterdrückung durch die Polizei auf den Straßen Berlins und gegen die pro-palästinensische Bewegung sprach.

Die heutige Demonstration verlief ruhig und endete wie geplant um 18:30 Uhr. Nachdem sie bereits zu Ende war, hielt Iris das Schild nicht mehr hoch, sondern unterhielt sich nur noch mit ein paar Freund*innen. Zwei Polizisten kamen auf sie zu und baten sie, mitzukommen, „um etwas zu überprüfen – wir haben ein Telefonat vom LKA bekommen“. Sie erklärte, dass das Schild bereits beschlagnahmt wurde, zeigte den Aufkleber mit der Vorgangsnummer, den die Polizei darauf geklebt hatte, und sagte, sie habe die Unterlagen, die belegen, dass das Schild bereits geprüft wurde und dass die Anzeige eingestellt wurde. Die Polizisten bestanden darauf, dass es sich nur um ein kurzes Foto handle und sie einfach mitkommen solle. Sie entgegnete, sie könnten das Schild auch vor Ort fotografieren – es gebe ohnehin viele Fotos davon im Netz – und sie sei mit diesem Schild schon dutzende Male kontrolliert worden. Sie antworteten, das spiele keine Rolle, sie befolgten nur Befehle.

Die Polizisten schleppten sie zu einem weiter entfernten Polizeiwagen. Eine Polizistin durchsuchte sie körperlich, und erneut wurde das Schild beschlagnahmt. Die Polizei nahm auch alle Dokumente mit, die ihre vier bisherigen Festnahmen, die eingestellten Anzeigen und die bisherigen Verfahren belegten. Sie haben also die Beweise ihrer eigenen kollegen gesehen.

Das Schild wurde erneut beschlagnahmt – denn offenbar halten es die Polizisten, die nur die Befehle der antisemitischen Berliner Politik folgen – nicht länger als zwei Monate aus, ohne einen Juden oder eine Jüdin wegen eines Davidsterns festzunehmen.

Sie fragte den Polizisten: „Was hat sich geändert, dass ihr das jetzt nochmal prüfen müsst? Am 2. Mai, als ich das Schild zurückbekam, war doch alles klar.“

Er konnte nicht sagen, was sich geändert hatte. Vielleicht das: Früher, laut deutscher Politik, durften Juden gegen Völkermord sein – und heute sollen sie dafür sein?

Quellen: Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost, Ferat Koçak, Fotos Kurt Weiss

Der Mißbrauch von „roten Dreiecken“ zur Unterstellung antisemtischer Bekundungen ist inzwischen grenzenlos. Das zeigen die beiden folgenden Bilder.

Aktuell zur Palästina-Bewegung 

Unsere Grundposition zum Thema Gaza ist seit Anfang an klar und stabil und kann hier nachgelesen werden !

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