Den Kriegskurs erfolgreich bekämpfen, das verlangt letztlich, sich mit den arbeitenden Menschen breit zusammenzuschliessen. Antirassistisch und internationalistisch.
Parlamentarische Erfolge gegen den Kriegskurs werden niemals ausschlaggebend dazu führen, dass die Zeitenwende zurückgedreht werden kann. Auch die wesentlich stärkere Friedensbewegung vor mehreren Jahrzehnten konnte die Stationierung der Mittelstreckenraketen nicht verhindern. Dazu hätte es neben Massendemonstrationen schlagkräftiger politischer Streiks bedurft, die den mit dem Kriegskurs verbundenen Kapitalinteressen nachhaltig weh tun.
Wer die Menschen mit migrantischem Hintergrund vor den Kopf stößt, erweist dem Friedenskampf einen Bärendienst. Rassismsus treibt die Spaltung der Arbeitenden voran. In meinem ehemaligen Automobilwerk mit über 40 000 Beschäftigten arbeiten Menschen aus 187 Nationen zusammen. Nur wer die 187 Finger zu einer Faust zusammenballt, hat die Kraft die Dinge progressiv zu verändern. Die Friedensbewegung muss mit allen imperialen und hegemonialen Bestrebungen im eignen Land konsequent brechen. Dazu gehört untrennbar eine klare Absage an Rassismus und Rechtspopulismus! Nur so wird der 3.Oktober zu einer nachhaltigen Kampfansage an die Zeitenwende. Gestalten wir ihn antirassistisch und internationalistisch.
Jede Mobilisierung und Aufklärung gegen Militarismus und Kriegseskalation ist anerkennenswert. Selbstverständlich müssen auch bürgerliche und konservative Menschen in einem breiten Friedensbündnis einbezogen werden. Aber bitte mit gleichem Respekt für alle. Und man sollte diejenigen, die am Ende die Kohle aus dem Feuer holen müssen, nicht ans Schienbein treten. Das wäre – um ein beliebtes Neuwort zu verwenden – schlichtweg „unvernünftig“.
Wer zurecht den rassistisch-nationalistischen Banderakult unter Selensky in der Ukraine brandmarkt, aber gleichzeitig die Migrationsfeindlichkeit im Inland fördert, macht sich ebenso unglaubwürdig wie alle, die hier laut Antifa rufen, aber gleichzeitig die menschenrechts- und völkerrechtswidrige zionistische Politik Israels in Palästina verharmlosen oder sogar unterstützen.
Unser Motto lautet „Wir ziehen nicht in Eure Kriege – grenzenlose Solidarität!“ Wir publizieren hierzu im Folgenden einen eindringlichen Appell der Sol. Er bezieht sich auf die BSW Erklärung „Solingen muss eine Zeitenwende in der Fluchtlingspolitik bringen„.
Wir halten einen offenen Diskurs für dringend geboten. Wir sehen uns am 3.Oktober in Berlin.
Offener Brief an Mitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht
An: Friederike Benda, Judith Benda, Ali Ai-Dailami, Sevim Dagdelen, Andrej Hunko, Christian Leye
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir schreiben Euch an, weil wir als Mitglieder der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol und früher teilweise der SAV) Euch in den letzten Jahren und Jahrzehnten als Sozialist*innen und Internationalist*innen kennengelernt bzw. wahrgenommen haben. Mit manchen von Euch haben wir in der WASG und/oder der Linkspartei, in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gemeinsam debattiert, gestritten und gekämpft, nicht zuletzt auch gegen Rassismus, Rechtspopulismus und Neofaschismus.
Wir schreiben Euch an, weil wir nicht glauben können und wollen, dass Ihr den Kurs von Sahra Wagenknecht und des BSW in der Asyl- und Migrationspolitik tatsächlich unterstützt. Wir wollen Euch auffordern, dazu Position zu beziehen und auch im BSW für antirassistische und internationalistische Positionen zu kämpfen.
Die Verschärfungen der Asylgesetze, die nach dem Attentat von Solingen in Windeseile von der Ampelregierung mit Unterstützung der CDU beschlossen wurden, markieren einen gefährlichen Rechtsruck der herrschenden Politik. Sie werden keinen Beitrag dazu leisten, auch nur einen Anschlag rechts-islamistischer Terroristen zu verhindern, aber führen dazu, dass die Diskriminierung von Muslimen/Muslimas und Migrant*innen und die Gefahr von Übergriffen und Morden an ihnen zunimmt und sich Neonazis und Rechtsextreme weiter aufbauen und radikalisieren. Gleichzeitig erhöhen sie die Gefahr, dass Muslime und Muslimas in die Arme reaktionärer Kräfte wie Islamischer Staat und anderer Dschihadisten getrieben werden.
Die Ausweitung polizeilicher Befugnisse, wie sie zum Beispiel hinsichtlich verdachtsunabhängiger Kontrollen diskutiert werden, wird nicht nur Unterstützer*innen des rechten politischen Islam treffen, sondern alle Migrant*innen und potenziell auch Linke, Gewerkschafter*innen, Umweltaktivist*innen, die Palästina-Solidaritätsbewegung und viele andere.
Leider gehört Sahra Wagenknecht mittlerweile zu den Taktgeber*innen von Verschärfungen beim Asyl- und Migrationsrecht. Und das nicht erst seit Solingen.
Seit Jahren tätigt Sahra Wagenknecht Aussagen, die migrationsfeindlich sind und die die Spaltung innerhalb der Arbeiter*innenklasse vertiefen. Ob ihre Bezeichnung des Asylrechts als „Gastrecht“ nach der Kölner Silvesternacht, ob die Herstellung eines kausalen Zusammenhangs von Zuwanderung und Gewalt („Unkontrollierte Einwanderung führt zu unkontrollierter Gewalt“), Forderungen nach Leistungskürzungen für Asylbewerber*innen oder die Ausweitung der Zahl sogenannter sicherer Drittstaaten.
Das Kalkül, der AfD durch eine Übernahme von rechtspopulistischen Positionen in der Asyl- und Migrationspolitik Stimmen abzujagen, ist weder bei der Europawahl noch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen aufgegangen. Ihr werdet dem nun vielleicht entgegnen, dass ohne den BSW-Antritt die AfD noch mehr Stimmen erhalten hätte. Dafür gibt es keine belastbaren Fakten. Aber selbst wenn dem so wäre, kann es doch nicht das Ziel von Linken und Antirassist*innen sein, die Stärkung der AfD dadurch zu bremsen, selbst migrant*innenfeindliche Positionen einzunehmen.
Denn die Wirkung von Sahra Wagenknechts Positionen und Rhetorik ist, dass das Narrativ von AfD und CDU/CSU, die Migration sei ursächlich verantwortlich für soziale Missstände oder Gewalt, bedient wird, dadurch die lohnabhängige und sozial benachteiligte Bevölkerung entlang nationaler und religiöser Linien gespalten wird und Widerstand gegen die sozialen Missstände und die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse so erschwert wird.
Wir finden es falsch, dass Ihr eine Partei gegründet habt, die sich von den sozialistischen Traditionen der Arbeiter*innenbewegung, in der Die Linke zumindest ihrem Programm nach steht, abgewendet hat und die die Mär von der sozialen Marktwirtschaft propagiert. Eine Partei, die nicht mehr, die Klassen- und Systemfrage formuliert. Eine Partei, die eine stark zentralistische Struktur aufweist, (zumindest bisher) keine breite Mitgliederpartei ist, die eine Stellvertreter*innenpolitik betreibt und nicht den Aufbau von klassenbezogener Selbstorganisation und Massenmobilisierungen in den Mittelpunkt ihres Tuns stellt. Wir können nachvollziehen, dass Euch die in der Linkspartei existierenden Positionen für eine militärische Unterstützung des ukrainischen Regimes und des Staats Israels in den gegenwärtigen Kriegen in diesen beiden Regionen empören, wenn wir auch der Meinung sind, dass der Antikriegsbewegung mehr geholfen gewesen wäre, den notwendigen Kampf dazu auch innerhalb der Linken auszufechten.
Aber wir können nicht nachvollziehen, dass Ihr zu den migrant*innen- und asylfeindlichen Positionen, die Sahra Wagenknecht vertritt, schweigt. Mit Eurem Schweigen macht Ihr Euch mitverantwortlich für die Verschiebung der gesellschaftlichen Diskurse und Stimmungen zu diesen Themen nach rechts und für den Rückenwind, den die AfD und auch militante Neonazis dadurch erhalten.
Wir fragen Euch, wie Ihr zu diesen Positionen des BSW steht und fordern Euch – in Erwägung, dass Ihr sie eigentlich nicht unterstützt – dazu auf, innerparteilich, aber auch öffentlich dagegen Position zu beziehen und Euch für das Recht auf Asyl, gegen Abschiebungen (nicht nur nach Afghanistan und Syrien), weitere Asylrechtsverschärfungen und Ausweitung staatlicher Kompetenzen einzusetzen und eine eindeutig antirassistische und internationalistische Position zu beziehen.
Sozialistische Grüße
Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher und Mitglied der Linken und AKL
Ursel Beck, Mitglied im Vorstand des Linke Ortsverband Stuttgart-Bad Cannstatt, Delegierte zum Bundesparteitag der Linken
Frank Redelberger, Stadtrat für Die Linke in Lemgo
Wolfram Klein, Mitglied im Vorstand des Linke Ortsverband Stuttgart-Bad Cannstatt und des Landessprecher*innenrats der AKL Baden-Württemberg
Martin Löber, ver.di-Betriebsrat* in Köln und aktiv in der AG B&G der Linke Kreisverbands Köln
Christian Walter, ehemlaiger Landesgeschäftsführer der Linksjugend[‘solid] NRW
Max Klinkner, ehemaliges Mitglied des LSPR der Linksjugend[‘solid] Rheinland-Pfalz
Jasper Proske, ehemaliger Stadtrat für Die Linke in Mainz
Katja Sonntag, Gewerkschaftssekretärin* und ehemalige Delegierte zum Linke Bundesparteitag
René Arnsburg, Mitglied im Landesbezirksvorstand von ver.di Berlin-Brandenburg* und Linke-Mitglied
Alexandra Arnsburg,Mitglied im verdi Landesbezirksfachbereichsvorstand A Berlin-Brandenburg, ver.di Landesfrauenrat*
Jens Jaschik, ehemaliges Mitglied im LSPR der Linksjugend[‘solid] NRW
Tristan Kock, ehemaliges Mitglied des Linke-Kreisvorstands Borken