System Change: Mehr nur als eine Parole

Hier ein Bericht vom Camp „System Change not Climate Change“ des Bündnisses Ende Gelände in Hannover. Wir danken dem Aktivisten Massi im Bündnis Ende Gelände. 

Einladungsflyer

Angelehnt an die Parole „System Change not Climate Change“ fand vom 30.07. bis 06.08. das System Change Camp in Hannover statt. Initiiert wurde das Camp vom Bündnis Ende Gelände, wobei jedoch eine Vielzahl von Gruppen und Menschen an der aktiven Umsetzung beteiligt waren. Schon 2022 gab es ein System Change Camp, damals in Hamburg und damals auch noch mit einer für Ende Gelände charakteristischen Massenaktion zivilen Ungehorsams im Hamburger Hafen (https://www.ende-gelaende.org/news/pressemitteilung-vom-13-08-2022-um-1330-uhr/). Dieses Jahr wurde sich auf Weiterbildung, Austausch und Vernetzung als Bewegung fokussiert und es gab keine zentrale Aktion. Das hat der Teilnehmer*innen Zahl trotz immer wiederkehrenden Regenschauern jedoch wenig abgetan. Zum Höhepunkt waren schätzungsweise über 1000 Menschen auf dem Camp.

Mit teilweise 12 verschiedenen Angeboten gleichzeitig und 4 Programmslots täglich, wurde auf dem Camp eine ganze Bandbreite verschiedenster Themen behandelt, die sich innerhalb der gemeinsamen Klammer des System Changes wieder fanden. So gab es zum Beispiel Veranstaltungen zu: Überwinden des Kapitalismus; Neokoloniale Wasserstoff Zukünfte; Klimakämpfe und Arbeitskämpfe; How-to-Block a Kohlekraftwerk; Soziale Ökologie; Climate Change and Migration; Steinkohleabbau in Kolombien; um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Neben einem expliziten „Lernraum Antikolonialismus“, in dessen Rahmen das Voneinander Lernen und sich Solidarisch aufeinander beziehen im Mittelpunkt stand, gab es unter anderem zahlreiche praktische Skillshares – von Erste-Hilfe bis zu Paddel-Workshop -, einen Programmstrang, der sich mit dem Umgang mit Repression auseinandersetzte, und nicht zuletzt die Möglichkeit beispielsweise auf dem Markt der Möglichkeiten oder Regionalvernetzungstreffen verschiedene Gruppen und Kämpfe kennenzulernen und aktiv zu werden. Dabei war stets besonders die Verknüpfung und Vernetzung verschiedener Kämpfe zentral, denn den meisten auf dem Camp war klar: Alle diese Kämpfe hängen zusammen und haben eine gemeinsame systemische Wurzel, die wir angehen müssen, um als progressive Bewegung erfolgreich zu sein. Und nur im solidarischen Miteinander können wir von unten eine Gegenmacht aufbauen, die das Potenzial hat die uns betreffenden unterdrückenden und ausbeuterischen Systeme zu zerschlagen.

Viele der Veranstaltungen, beteiligten Gruppen und anwesenden Menschen kamen aus Klimakontexten, was bei einem von Ende Gelände initiiert Camp nicht wirklich verwunderlich ist. Deswegen ist besonders heraus zu stellen, das auch viele Veranstaltungen, Gruppen und Menschen aus anderen Kontexten kamen, wie zum Beispiel: Antikoloniale Kämpfe, Flucht- und Asylkämpfe, Kommunismus, Anarchismus, kurdische Bewegung, feministische Kämpfe, Abolitionismus, antirassistische Kämpfe, Kämpfe für nachhaltige Landwirtschaft, antiableistische Kämpfe, Friedensbewegung und noch viele weitere. Vernetzung und Verknüpfung von Gruppen hat also auch ganz praktisch stattgefunden, teils mit extra dafür angelegten Veranstaltungen, aber auch einfach im gemeinsamen Leben auf dem Camp. Es wurde aber auch, unter anderem in einem eigens dafür geschaffenen Programmstrang, viel über Strategien und Taktiken geredet und kontrovers – aber produktiv – diskutiert, etwas was in bewegungsübergreifenden Kontexten viel zu selten der Fall ist.

Das gesamte Camp lief selbstorganisiert. Das heißt, dass alle anfallenden Aufgaben von allen übernommen wurden. Es gab Schichtpläne fürs Abspülen, Klos putzen, Nachtwache, Schnippeln in der Küche, Betreuung von externen Referent*innen, Übersetzung in verschiedene Sprachen, Müll entsorgen, Awareness-Team (Ansprechstelle bei diskriminierendem und übergriffigem Verhalten) und noch einiges mehr.  So haben die Teilnehmer*innen auch ganz praktisch erlebt, wie Selbstorganisierung abseits des bisherigen Systems funktionieren kann. Da es sich um ein Camp handelte, haben die meisten Menschen dort auch gezeltet und geschlafen, um die volle Camp Erfahrung mit zu bekommen. Und für 3 Mahlzeiten pro Tag war durch die KüfA (Küche für alle) auch gesorgt, sodass man tatsächlich die ganze Woche nur auf diesem Camp verbringen konnte. Aber neben ganz vielen politischen Inhalten, gab es auch Raum für Kultur und Spaß. Es gab gemeinsamen Frühsport und Yoga, Konzerte, Filmvorführungen und entspannte gemeinsame Abendessen, bei denen nicht unbedingt über Aktivismus geredet werden musste. Insgesamt war es also ein sehr erfolgreiches Camp, was Menschen und Bewegungen auf verschiedenen Ebenen zusammen gebracht hat, wichtige Themen in die Bewegung getragen hat, ein wichtiger Austauschraum war und einfach gesagt, die Bewegung politisch weiter gebracht hat.

Klimagerechte Arbeitsplätze sind eine Alternative zu Werksschliessungen in der Automobilbranche !

Deutsche Automobilbranche aktuell: Supergewinne ! Aber morsch, klimafeindlich, perspektivelos!

Im Windschatten exorbitanter Gewinne der deutschen Automobilindustrie wird zunehmend Personal abgebaut. Insbesondere bei der Zulieferindustrie kommt es mehr und mehr zur Schliessung ganzer Werke. Neben der zur Geisel gewordenen Preissteigerung gesellt sich das schon verschwunden gedachte Gespenst Arbeitslosigkeit. Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen nach vielen Jahren zum ersten Mal in einem Sommermonat wieder angestiegen.

Im Wettlauf um Marktanteile bei der E-Mobilisierung wurden, angefeuert durch riesige staatliche Steuersubventionen, weltweit immense Überproduktionskapazitäten geschaffen. Es mehren sich die Anzeichen, dass die Rückabwicklung dieser Überkapazitäten vor der Tür steht. Die verwöhnte deutsche Automobilindustrie hat beim aktuellen Technologietransfer gar nicht mehr die Nase vorn. Zusätzlich neigt sich die aufgrund Coronabedingter Lieferengpässe entstandene Sonderkonjunktur dem Ende zu. Ein Hauen und Stechen zwischen den nationalen Automobilbranchen zeichnet sich ab. VW hat gerade alle bisherigen Umsatzziele in diesem Jahr verfehlt und verkündet den totalen. Sparkurs.[1]. Handelsblatt 15.7. Insbesondere kleinere Zulieferer werden dabei von den Großen der Branche bis zum letzten Tropfen ausgepresst. Das alles kommt die betroffenen Belegschaften teuer zu stehen.

Gleichzeitig nimmt die gesellschaftliche Debatte, dass ein grenzenloser Ausbau eines -E-mobilisierten Individualverkehrs klimapolitisch in die Sackgasse führt, Fahrt auf. Die spürbaren Auswirkungen der Klimakatastrophe könnten schon bald den Traum vom „Zukunfsmodell E-Mobilität“ zerplatzen und sündhaft teure Investitionsruinen entstehen lassen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich direkt betroffene Belegschaften die Frage: warum nicht produzieren, wo echter langfristig gesellschaftlicher Bedarf besteht? Wer langfristig klimagerechte Produkte produziert, sichert der sich damit nicht auch umso nachhaltiger seine Arbeitsplätze ?

Wir berichteten von Bosch München, wo die Beschäftigten sich für eine klimagerechte Produtkion einsetzten und damit auch für eine eigene Arbeitsplatz Perspektive.

Die ehemaligen Arbeiter der Autoteilefabrik GKN in Florenz Italien halten ihr Werk besetzt und kämpfen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und dafür, etwas ökologisch Sinnvolles produzieren zu können. Als „widerständiges Dorf von Asterix und Obelix“ in einerm Ozean kapitalistischer Zerstörung. Künftig wollen sie nicht mehr Achswellen für Luxusautos und Nutzfahrzeuge, sondern Photovoltaik-Anlagen, Batterien und Lastenräder herstellen. Für ihre Anliegen, Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze und eine sozial ökologische Transformation, konnten sie 10 Tausende im Umfeld von Florenz mobilisieren! [2]https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/verkehrswende-von-unten-automobilzulieferer-gkn-in-florenz-ein-beispiel-das-schule-machen-sollte/ [3]Fabrikbesetzung for future

Auch das Mahle Werk Neustadt soll auf kaltem Weg beerdigt werden. Es regt sich Widerstand und die Frage nach gesellschaftlich sinnvoller Produktion und Transformation stellt sich den Kollegen auch hier.

Werks- und Konzernübergreifend schliessen sich Kollegen zusammen. In einem Flugblatt von Beschäftigten aus 6 verschiedenen Werken heisst es :“Wenn die Tarifrunden der IG Metall , in denen Streiks möglich waren, auch genutzt worden wären, um andere Zugeständnisse zu erzwingen. Wenn die IG Metall endlich alle bedrohten Belegschaften der Auto- und besonders der Zulieferindustrie zusammenbringen würde, um ein gemeinsames, verbindliches Kampfprogramm zu vereinbaren, anstatt auf Konferenzen „soziale und ökologische Transformation“ zu fordern, während die Konzerne das Gegenteil tun – Dann kommen wir alle als Metaller und Metallerinnen wieder auf die Siegerstrasse!“ Und weiter heisst es : „Die Autokonzerne haben bisher nichts dazu beigetragen, dass der Verkehr klimagerechter wird. Im Gegenteil, der CO2-Ausstoß beim Verkehr steigt. Sie haben beim Abgasmessen betrogen und ihre Werbung auf „grün“ getrimmt. Dafür haben sie noch Mil­liarden erhalten. Zurecht empören sich Millionen, vor allem junge, Menschen darüber. Warum kämpfen wir Metaller/innen nicht mit ihnen für eine ökologische Umstellung der Produktion auf klimagerechte Verkehrsysteme?“ [4]Flyer zu Mahle Neustadt

Der Gedanke nach klimagerechter Produktion flammt erst vereinzelt bei einigen Belegschaften auf. Aber es werden immer mehr. Stärken wir ihnen den Rücken. Propagieren wir Ihren Kampf. Ohne breite konzernübergreifende Auseinandersetzungen und Streiks wird es keine sozialgerechte Verkehrswende geben. Aber eben auch immer weniger zukunftsfähige Arbeitsplätze!

Siehe auch „Aufruf an die Klimagerechtigkeitsbewegung – Alle rein in die Gewerkschaft!“

Arbeiter*innen und Klimaaktivist*innen sitzen im gleichen Boot

Ein Aufruf Fridays For Future Italien und des Collectives der ehemaligen Betriebes GKN. Wir berichteten u.a. „Fabrikbesetzung – wie weiter?“

vom 7.-9. Juli fahren ca 50 Leute aus dem Unterstützer_innenkreis nach Campo Bisenzio bei Florenz,
um den 2. Jahrestag der Fabrikbesetzung zu feiern und dabei sich auch mit italienischen Gewerkschafter_inne und Aktiven von FFF Italien auszutauschen.

„Wir sitzen alle im gleichen Boot.
Sie versuchen uns zu spalten und zum Schweigen zu bringen: Arbeiter*innen gegen Klimaaktivist*innen und Menschen gegen Menschen.
Aber wir lassen uns nicht spalten, sondern rücken zusammen und suchen nach neuen Wegen im Arbeitskampf für die sozial-ökologische Transformation.

Dieser Sommer wird der kälteste der nächsten zwanzig Jahre sein. Deshalb stellen wir die Arbeiter*innen- und Klimabewegung gemeinsam auf starke Füße:  Gemeinsam mit unseren österreichischen, schweizerischen und deutschen Genoss*innen. Über 50 Aktivist*innen von Gewerkschaften und der Klimabewegung werden uns einen Solidaritätsbesuch abstatten. Wir feiern gemeinsam den Auftakt des dritten Jahres der „unbefristete Betriebsversammlung“ der Arbeiter*innen des ehemaligen GKN!

Eine Versammlung um 11.00 Uhr am Samstag, den 8. Juli ermöglicht den kollektiven Austausch über zukünftige Kämpfe auf europäischer Ebene. Am Abend, um 21.00 Uhr freuen wir uns auf das Solikonzert von Assalti Frontali, Willie Peyote und weiteren Künstler*innen. Es folgt die „Caravan of Mutualism“ und ein gemeinsames Mittagessen am Sonntag.

Das Ziel bleibt das Alte: In Zeiten des Wiedererstarkens des Nationalismus in Europa kann nur die internationale Arbeiter*innenbewegung, die Ketten sprengen.
Gegen Isolation und für Solidarität formen wir ein gemeinsames Bündnis.
Jetzt bestimmen wir die Richtung!“

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