Internationaler Austausch in Berlin: Die Linke und der Krieg – Wir müssen handeln

Internationaler Austausch am 9. September

Am 9. September werden wir im Versammlungsraum im Mehringhof zunächst mit online zugeschalteten Genoss*innen der RFU (Arbeiter*innenfront der Ukraine) und der RTF (Russische Arbeitsfront) sprechen.

Danach werden zwei antimilitaristische Hafenarbeiter aus Genua (Italien) des autonomen Hafenarbeiter*innen Kollektivs CALP (Collettivo Autonomo Lavoratori Portuali), Aktivist*innen von Non Una di Meno Pisa sowie Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung zu Gast auf dem Podium sein.

Anschließend wollen wir in einer Abschlussdiskussion planen, wie wir uns gemeinsam gegen Kriege, Aufrüstung und Militarisierung organisieren.

Internationaler Austausch und Vernetzung
Samstag * 09.09.2023 * 14:00 Uhr
Versammlungsraum im Mehringhof * Gneisenaustraße 2a

14:00—15:30 Uhr
Gespräch mit Genoss*innen der RFU (Ukraine) und RTF (Russland)

16:00—17:30 Uhr
Podium mit Aktivist*innen von CALP, Non Una di Meno Pisa und Informationsstelle Militarisierung

18:00—19:30 Uhr
Abschlussrunde »Vernetzung und Praxis«

Gruppen und Organisationen auf den Podien
Arbeiter*innenfront der Ukraine (RFU) und Russische Arbeitsfront (RTF): RFU und RTF kämpfen unter extrem repressiven Bedingungen gegen die chauvinistische Propaganda und stellen sich sowohl gegen den Angriffskrieg Russlands als auch gegen die Kriegstreiberei der NATO und der Ukraine. »Wer sich dabei an die Seite einer der beiden kriegführenden Seiten stellt, betrügt die Arbeiter*innenklasse«, so die RFU.
-› www.rfu.red ­­­­­   -› www.rotfront.org

Collettivo Autonomo Lavoratori Portuali (CALP): CALP ist bereits seit 2011 gewerkschaftlich sowie antimilitaristisch und antifaschistisch aktiv. Neben der Organisierung und Unterstützung von Streiks um Arbeitsrechte und dem Straßenkampf gegen Faschist*innen, blockieren sie seit vier Jahren konsequent die Verladungen von Waffen. So stoppten sie in der Vergangenheit unter anderem Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien oder in die Ukraine. Sie unterstützen Arbeiter*innen in Häfen anderer Länder und sind dabei einen transnationalen antimilitaristischen Streik aufzubauen.
­­­­­-› www.facebook.com/calpge

Non Una di Meno Pisa: Die feministische und transfeministische Bewegung Non Una di Meno kämpft seit 2016 gegen alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, gegen alle Formen, die das Patriarchat in der Gesellschaft, in der wir leben, annimmt. Non Una di Meno Pisa übt feministische Kritik an Krieg und militärischer Eskalation und hat erst kürzlich ein Camp gegen eine neue Militärbasis in Italien organisiert.
-› www.facebook.com/nonunadimenopisa

Informationsstelle Militarisierung (IMI)
Die IMI veröffentlicht seit 27 Jahren detaillierte Informationen und Analysen zu militärischen Konflikten und deren politisch-ökonomischen Zusammenhängen. Sie legen ihren Fokus dabei besonders auf die deutsche Kriegsindustrie und die Rolle Deutschlands in der Welt.
-› www.imi-online.deDie BRD ist viertgrößter Waffenlieferant und schürt militärische Konflikte weltweit. Deutsche Waffen werden auch genutzt, um den Aufbau einer befreiten Gesellschaft, wie die Kämpfe der Zapatistas und Kurd*innen, zu zerschlagen. Um die steigenden Exporte als auch die innere Aufrüstung durchzusetzen, sind wir einer massiven Kriegspropaganda ausgesetzt. Stoppen wir diese Entwicklung! Wir sehen den Krieg als eine Notwendigkeit des Kapitals, das über unsere Leichen geht. Für uns ist klar: Für die Klasse derer, die im Krieg sterben müssen, gibt es keinen Frieden im Kapitalismus. Wir – junge und alte sowie migrantische und nicht migrantisierte Arbeiter*innen, Arbeitslose, Obdachlose, Studierende – können darin nur verlieren. Die aktuelle Eskalation verstehen wir als Folge der Zuspitzung der systembedingten Krisen und der Konkurrenz um Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte. Es geht um die Durchsetzung von Macht- und Profitinteressen verschiedener Kapitalfraktionen – statt um ein gutes Leben für alle.

Kommen wir zusammen und tauschen wir uns aus:

    Was können wir vom antimilitaristischen Widerstand unserer internationalen Genoss*innen lernen?
    Wie können wir als linke Anti-Kriegs-Bewegung wieder an Stärke gewinnen?
    Wie stärken wir eine Klassenposition von unten, die ethnonationalistische und chauvinistische Lesarten des Krieges zurückweist?

Lasst uns international zusammenhalten, um den Kriegen der herrschenden Klasse in den Rücken zu fallen. Für eine Welt, in der wir solidarisch und in Frieden miteinander leben!

Historische Führung am 8. September

Am 8. September werden wir uns zum 80. Jahrestag der Kapitulation des faschistischen Italiens für eine historische Führung im Dokumentationszentrum Zwangsarbeit Schöneweide treffen. In das Zwangsarbeiter*innenlager in Schöneweide wurden 500 der 650.000 italienischen Soldaten verschleppt, die in den besetzten Gebieten von den Nationalsozialist*innen festgenommen wurden, da sie sich weigerten, den Krieg an der Seite Nazi-Deutschlands fortzusetzen und die Waffen niederlegten. Sie mussten bei Rheinmetall-Borsig Rüstungsgüter herstellen. Die Profiteure des letzten Weltkriegs, die Unternehmen, die ihr Kapital durch Aufrüstung und Zwangsarbeit akkumulierten, wie Krupp, Bosch, Siemens oder Rheinmetall, wurden in keinem Nürnberger Prozess zur Verantwortung gezogen. Wir wollen erinnern an die massenhafte Ablehnung des Krieges, aus der der Partisan*innenwiderstand in Italien hervorging, und an die Tatsache, dass Akteure wie damals Rheinmetall-Borsig, auch heute noch Kriege befeuern und an Tod und Elend verdienen.

Historische Führung zur Zwangsarbeit der italienischen Militärinternierten bei der Rheinmetall-Borsig AG
Freitag * 08.09.2023 * 16:30—18:00 Uhr
Dokumentationszentrum Schöneweide * Britzer Straße 5

 

Soli-Pizza und Party von Rheinmetall Entwaffnen Berlin
Freitag * 01.09.2023 * 19:00 Uhr
Rote Insel * Nähe Bahnhof Yorckstraße

Demonstration anlässlich des Antikriegs-/Weltfriedenstages
Samstag * 02.09.2023 * 14:00 Uhr
Pariser Platz

­­­­­-› www.antikriegskoordination.de

Hier ist die Website der Veranstalter:innen:
https://interventionistische-linke.org/termin/internationaler-austausch-die-linke-und-der-krieg-wir-muessen-handeln

Ukraine: „Müssen wir den Krieg gewinnen?“

Eine Antwort auf Sotsialny Ruch

Im letzten „express“ (www.express-afp.info) war ein interessantes Interview zu lesen, das ein Genosse der polnischen IP mit Vatali Dudin, dem Begründer der ukrainischen Sozialbewegung Sotsialny Ruch geführt hatte. Gegenstand des Artikels war die Kriegssituation in der Ukraine. Insbesondere ging es um die soziale und politische Sitiuation der arbeitenden Bevöllkerung. Und schließlich darum, wie sich Sotsialny Ruch zum Krieg verhält. Der Artikel ist hier als pdf zu lesen:

Die Positionierung der Gruppe ist für mich sehr verstörend. Deshalb habe ich dem express den folgenden Kommentar geschickt, der auch in der Juni-Ausgabe der Zeitung abgedruckt wurde.

KOMMENTAR

In seiner Situatisationsbeschreibung der gesellschaftlichen Realität der Ukraine lässt Dudin keinerlei Zweifel am arbeiterfeindlichen Charakter des gegenwärtigen politischen Systems seines Landes. Keinen Moment lang käme man dabei auf die Idee, mit seinen Repräsentanten einen solidarischen Schulterschluss zu suchen. Da überrascht es doch, dass er kurz vor Ende des Interviews mit eben diesem Oligarchensystem gemeinsam Krieg führen und in einem militärischen Sieg gegen Russland eine linke Perspektive erkennen möchte.

Ich befürchte, dass genau das Gegenteil der Fall sein wird. Der Verzicht auf eine innergesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Kriegsgründen und seiner Vorgeschichte, deren Verantwortung nicht allein Russland zugewiesen werden kann, wird nur zur Stärkung der tonangebenden neoliberalen und völkischen Kräfte in der Ukraine führen, die diesen Krieg führen und eskalieren wollen. Zudem wird er eine Ermutigung für den konfrontativen Kurs sein, den die USA und mit ihr die NATO steuern, um den Übergang des von den USA dominierten imperialistischen Weltsystems zu einer mulitpolaren Ordnung zu verhindern.

Krieg ist an sich ein Verbrechen. Er ist dies angesichts der ökologischen Existenzkrise der Menschheit noch einmal ganz besonders. Er zerstört und löscht Leben aus, löst keine Probleme, sondern schafft täglich neue, immer unlösbarere, verhindert kooperative Lösungen, ohne die Höllenszenarien auf der Erde nicht zu verhindern sind.

Und: wie stellt sich denn Sotsialny Ruch den militärischen Sieg über eine Atommacht vor, deren staatliche Existenz einige nicht mal garantieren wollen? Liebe Genossen – das sind völlig entrückte Ideen. Einer linken Tradition können sie jedenfalls nicht folgen.

Die Ukraine ist, so Dudin, durch eigene Verantwortung heute Peripherie. Der erhoffte Sieg der Verkünder „der regelbasierten Ordnung“ wird nur die Namen und die Ideologie der „Oligarchen“ ersetzen. Den Peripherie-Status der Ukraine wird er weiter zementieren und der Arbeiterklasse droht dies insbesondere.

Ein Problem der „Ukraine-Solidarität“, der sich ja auch ein Teil der Linken verschrieben hat, ist, dass sie den Kriegskonflikt mit Russland rein auf einer völkerrechtlichen Ebene betrachtet. Die ist natürlich eindeutig. Russland ist des Völkerrechtsbruchs schuldig. Doch daraus lässt sich weder eine „Alleinschuld“ ableiten noch weist sie Perspektiven, die am Ende des Konflikts den Frieden sicherer macht. Denn im Völkerrecht sind nur die Beziehungen zwischen Staaten Gegenstand. Ihre Akteure sind die herrschenden Klassen der Länder, die in einem Gesellschaftssystem agieren, das den Krieg in sich birgt wie die Wolken den Regen (Jaures). Vorwärts geht es nur, wenn sich die Bevölkerungen von deren Logik lösen und sich in Bewegung setzen. Das zu befördern heißt, zu einer Klassenperspektive zu wechseln.

Betrachten wir unter diesem Blickwinkel die herrschenden Klassen Russlands und der Ukraine, so ist doch offensichtlich, dass sie Fleisch vom Fleisch sind – hervorgegangen aus einem staatskapitalistischen System, dessen Produktionsmittel de Jure der Allgemeinheit gehörten, doch realiter den Produzenten entfremdet blieben. Die obsiegenden Nachlassverwalter der KPdSU haben dann in beiden ehemaligen Republiken der Sowjetunion das nominell gesellschaftliche in ihr real privates Eigentum verwandelt. Ihnen gegenüber stehen die jetzt getrennten Abteilungen der vormals politisch unfreien,aber sozial relativ geschützten Arbeiterbevölkerung, die jetzt im neoliberalen Sinne freie Lohnarbeiter geworden sind und um existenzielle gewerkschaftliche Rechte kämpfen müssen. Man kann über den Grad der Entrechtung in den beiden Nachfolgestaaten streiten. Einen wirklich qualitativen Unterschied mag ich nicht erkennen.

Dies aus einer herrschaftskritischen Sicht nüchtern zu konstatieren, bedeutet auch nicht, der in westlichen Medien zur ideologischen Stützung eines pro-westlichen nationabuildings erfundenen Erzählung zu folgen, es habe bereits in Sowjetzeiten eine Art neokoloniale Beherrschung der Ukrainer durch Russland gegeben und diese bestünde jetzt noch verstärkt. In Bezug auf die UdSSR ist das erkennbarer Unsinn. Die Ukraine gehörte zu den industriellen Zentren der SU und im Führungspersonal der KPdSU waren wohl die in der Ukraine Geborenen stärker vertreten als es dem Bevölkerungsanteil der Sowjetrepublik entsprach. Auch in kulturellen Fragen gab es keine Abwertung des Ukrainischen. Und nach der Implosion der Sowjetunion haben die staatlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nie den Charakter angenommen, der etwa mit den Gewaltverhältnissen zu vergleichen wäre, die z. B zwischen den USA und Vietnam oder Nicaragua bestanden haben und der Zementierung von Abhängigkeit und Unterentwicklung dienten.

Auch wenn dies im Augenblick verbauter denn je erscheint, gibt es auch im Ukrainekonflikt perspektivisch nur dann eine Hoffnung spendende Entwicklung, wenn die „postsowjetische“ Arbeiterklasse zur Einsicht kommt, dass sie mehr verbindet als der gemeinsame Pass mit den Repräsentanten ihrer oligarchischen Systeme.

Was die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsperspektiven betrifft, sollte die Ukraine sich aus der Blockkonfrontation lösen. Es gibt weder eine Alternative zu einem militärisch neutralen Status. Noch ist es nach geografischer Lage, Geschichte und Kultur sinnvoll, das Land, das ja auch übersetzt „Brücke“ bedeutet, an einen wirtschaftlichen Block zu binden. Nikolai Asarow, der letzte Ministerpräsident der Ukraine, der nach dem Maidan-Aufstand nach Russland fliehen musste, hatte versucht, diesen Weg – Aufrechterhaltung der traditionellen wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland und Ausbau der Handelskontakte mit der EU – zu gehen. Doch nicht Russland sondern die EU hat – angetrieben durch die USA – diesen Weg blockiert und die Konfrontation gesucht. Auch Selensky hatte noch Wahlkampf gemacht mit dem Versprechen, mit Moskau eine Verhandlungslösung zu suchen, und wurde deshalb wohl auch gewählt. Doch davon löste er sich offenbar, nachdem der Westen ihm signalisierte, dies nicht zu unterstützen – und er selbst von der militanten Nazi-Szene mit dem Tode bedroht wurde, sollte er die im Minsker-Prozess andiskutierte Vereinbarung unterschreiben.

Mit meiner Kritik an Vitali Dudin möchte ich nicht die Versuche innerhalb der Linken infragestellen, die Zusammenarbeit mit Organiationen wie Sotsialny Ruch zu suchen. Dies ist bitter nötig, denn die ukainische Linke ist ja nur noch ein Schatten ihrer selbst. Fast alle Organisationen sind mittlerweile verboten. Wir sollten weiter gesprächsbereit sein und Kontakte knüpfen. Doch heißt Solidarität nicht, zu folgenschweren Fehlentscheidungen zu schweigen, auch wenn wir nachvollziehen können, warum sie zustande gekommen sind.

Der Kurs von Sotsialny Ruch in Richtung „Vaterlandsverteidigung“ erinnert sehr an die deutsche Sozialdemokratie zu Beginn des 1. Weltkrieges, die allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so verbalradikal aufgetreten ist. Die durch die Kriegsunterstützung nicht kompromittierte Linke sammelte sich damals auf der Zimmerwalder Konferenz. Bekannterweise waren unter den klandestin in die Schweiz Angereisten nicht nur linke marxistisch orientierte Sozialdemokraten sondern auch Anarchisten, von denen sich nicht wenige dieser Traditon auch heute durchaus noch bewusst sind. Wer glaubt, dass das anarchistische Spektrum heute durch die Bank der ukrainischen Linken den Gang in die Schützengräben empfielt, in dem Schulter an Schulter mit Asow-Nazis gekämpft werden muss, sollte genauer hinschauen. Die russische „Konföderation der revolutionären Anarchosyndikalisten“, Mitglied der anarchistischen IAA, steht in der Tradition des revolutionären Defäetismus und spricht sich gegen jede Art der Unterstützung der kämpfenden Armeen aus. Aber auch in der Ukraine gibt es linke Organisationen, die einer militärischen „Lösung“ keinerlei Sinn abgewinnen können. Beispiele sind die demokratischen Sozialisten der „Union der Linken Kräfte“ oder auch die Gruppe „Revolutionäre Arbeiterfront“ (RFU). Es ist klar, dass die Kontaktaufnahme hier noch schwieriger ist. Doch verspricht sie eine Kooperation zu sein, die dem proletarischen Internationalismus verpflichtet ist.

Jochen Gester

Auskunft über die Position der „Union der Linken Kräfte“ und zur „Revolutionären Arbeiterfront“ finden sich hier:
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/19671/
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/notizen-von-einem-treffen-mit-der-revolutionaeren-arbeiterfront-rfu-ukraine/

Mehr über die „Konföderation der revolutionären Anarchosyndikalisten gibt Ewgeniy Kasakov in seinem Buch „Spezialoperation und Frieden – Die russische Linke gegen den Krieg“,
UNRAST Verlag, Dezember 2022

In der Ukraine wird unter dem Lärm des Krieges eine oligarchische Diktatur errichtet

Von Maxim Goldarb*

(Red.) Man kann es nicht genug wiederholen: Noch kurz vor Beginn des Krieges im Februar 2022 wurde die Ukraine aus westeuropäischer Sicht richtigerweise als absolut korruptes Land gesehen und auch öffentlich so kritisiert. Man denke etwa an den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes – siehe hier. Aber jetzt verkauft der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sein Land als „Verteidigerin europäischer Werte” – und die EU- und Schweizer Politiker verbreiten diese absurde Propaganda-These ungeprüft weiter. Zum Glück gibt es aber immer noch ukrainische Beobachter, die es wagen, die Realität in der Ukraine darzustellen. Zu ihnen gehört Maxim Goldarb, der der ukrainischen sozialistischen Bewegung vorsteht. (cm)

Der Krieg in der Ukraine, der Verlauf der Feindseligkeiten und ihre Folgen, das Leid friedlicher Ukrainer, die geopolitischen Spielchen der Großmächte – all dies hat viele wichtige Aspekte des innerukrainischen Lebens überschattet. Unterdessen wird im Land vor dem Hintergrund lautstarker Äußerungen der Behörden zum Schutz von Freiheit und Demokratie, die sich an ein externes Publikum richten, mit Hochdruck ein diktatorisches Regime aufgebaut.

In den letzten drei Jahren wurden noch vor Beginn der aktiven Feindseligkeiten (!) durch Entscheidungen des Präsidenten und der Nationalen Fernsehkommission und des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates unter seiner Kontrolle sieben nationale Fernsehsender der Ukraine geschlossen: KRT, 112 Ukraine, NewsOne , ZIK, First Independent, UkrLive und Nash. Die ganze „Schuld“ der verbotenen Fernsehsender bestand darin, dass sie sich gegen die Behörden stellten und ihren politischen Gegnern das Wort gaben. Ihre Aktivitäten wurden absolut rechtswidrig und ohne gesetzlich vorgesehene Gerichtsurteile eingestellt.

Gleichzeitig begann die Sperrung führender unabhängiger Internetpublikationen: Strana.ua, Shariy.net und andere.

Die Behörden haben einfach das Recht von Millionen ukrainischer Bürger auf den Erhalt verschiedener Informationen und auf einen anderen Standpunkt – auf Meinungsfreiheit – aufgehoben und die Zensur im Land eingeführt.

Es ist einfach unvorstellbar, dass ein solcher Artikel heute in den ukrainischen Medien erscheint oder im ukrainischen Fernsehen ausgestrahlt wird. Darüber hinaus sind die ukrainischen Segmente sozialer Netzwerke fast vollständig kontrolliert worden; Facebook, Youtube. Sogar der ukrainische Zweig von Wikipedia wird kontrolliert und zensiert: Artikel über „unerwünschte“ Personen werden verzerrt oder ganz zerstört, vieles wird verändert oder mit Fälschungen gefüllt.

Und nun wurde die Zerstörung der Meinungsfreiheit zum Gesetz erhoben: Im Frühjahr letzten Jahres unterzeichnete der Präsident entsprechende Gesetze und Dekrete, die die verbleibenden Medien tatsächlich dazu verpflichten, den Auflagen und Wünschen der Behörden Folge zu leisten.

In Fortsetzung der Politik des vorherigen Präsidenten, des Oligarchen Petro Poroschenko, hat der derzeitige Präsident die sogenannte „Dekommunisierung“ weiter verschärft, die in Wirklichkeit eine Politik der Verfolgung aller linken Ideologien und Symbole ist – sowohl kommunistisch als auch sozialistisch und sozialdemokratisch. Es wurden Gesetze zur „Dekommunisierung“ erlassen, wonach die öffentliche Aufführung der „Internationale“ durch eine Gruppe von Menschen – der Hymne der internationalen sozialistischen Bewegung – mit einer Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren und mit Vermögenseinziehung geahndet wird.

Die politische Partei „Union der linken Kräfte der Ukraine“ (die im Dezember 2021 einen neuen Namen erhielt – „Für einen neuen Sozialismus“), deren Vorsitzender ich bin, hat sich in den letzten Jahren zur führenden und aktivsten politischen Kraft der linken Richtung in der Ukraine entwickelt. Wir haben uns für eine sozial orientierte Politik im Interesse der Mehrheit der ukrainischen Bürger und nicht für oligarchische Großunternehmen eingesetzt, für die Gewährleistung der Meinungsfreiheit, für Frieden und gegen Krieg.

Indem wir die Rechte der einfachen ukrainischen Bürger und der linken Bewegung verteidigten, kritisierten wir scharf die derzeitige ukrainische Regierung. Als Reaktion darauf entfesselten die Behörden politische Repressionen gegen unsere und andere Oppositionsparteien. Als Vorwand diente der Beginn der Feindseligkeiten in der Ukraine im Februar 2022.

Im Herbst 2022 verboten die Behörden per Präsidialerlass die Aktivitäten aller ukrainischen Oppositionsparteien, einschließlich der Union der linken Kräfte, mit ähnlichen, doppelten, unbegründeten Gerichtsentscheidungen. Solche Entscheidungen wurden am Fließband gestempelt, nur der Name der verbotenen politischen Partei wurde darin geändert. Sie sind aus rechtlicher Sicht absolut unbegründet und unmotiviert. Ihre Illegalität, Verfassungswidrigkeit, Realitätsferne und ihr eklatanter Widerspruch zu europäischen und weltweiten demokratischen Normen und Werten sind für viele europäische, asiatische und amerikanische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Journalisten und Meinungsführer offensichtlich und verständlich.

Die Umsetzung der verfassungswidrigen, rechtswidrigen, usurpierenden Anweisungen des Präsidenten in Gerichtsdokumente verfolgte nur ein Ziel – zumindest einen Anschein von Legalität zu schaffen.

Solche Entscheidungen wurden aufgrund des enormen Drucks der Behörden auf die Unabhängigkeit der Gerichte getroffen. Das Justizsystem der Ukraine ist vollständig dem Amt des Präsidenten unterstellt. Auf seine Anordnung hin wurden mehrere Richter des Verfassungsgerichts (einschließlich seines Vorsitzenden) und des Obersten Gerichts der Ukraine rechtswidrig entlassen, weil sie sich geweigert hatten, rechtswidrige politische Entscheidungen zu treffen. Und vor kurzem wurde aus denselben Gründen das Kiewer Bezirksverwaltungsgericht liquidiert, dessen Richter keine Bediensteten des Präsidialamtes werden wollten.

Nur Schützlinge des Staatsoberhauptes leiten die Ermittlungsbehörden, die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Sonderdienste. Zudem wurde der Parlamentssprecher durch einen (gegenüber dem Staatspräsidenten, Red.) loyalen ersetzt und die Wahl des von ihm kontrollierten Vorsitzenden des Verfassungsgerichtshofs vorbereitet. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist völlig eingeebnet, sie, die Macht, ist an einem Ort konzentriert: im Büro des Präsidenten.

Die Verfolgung von Oppositionspolitikern, Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hat sich wie nie zuvor intensiviert. Viele von ihnen mussten das Land verlassen, und diejenigen, die dies nicht taten, landeten in Kerkern.

Abgeordneten der Oppositionsfraktionen des Parlaments werden rücksichtslos ihre Abgeordnetenmandate entzogen – entgegen der Verfassung und entgegen dem Willen der Menschen, die sie gewählt haben.

Außerdem begannen im säkularen Staat Ukraine die Behörden mit Repressionsmaßnahmen gegen die größte Religionsgemeinschaft des Landes, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche. Der ukrainische Sonderdienst, der Sicherheitsdienst, führt großangelegte Durchsuchungen in orthodoxen Klöstern im ganzen Land durch, es werden Strafverfahren gegen Priester eingeleitet, Kirchengebäude und Eigentum werden gewaltsam beschlagnahmt, gegen Kirchenhierarchien werden illegale Sanktionen verhängt. Und im Parlament wurde ein Gesetzesentwurf registriert, wonach sie die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verbieten wollen.

In der Ukraine kontrollieren mehrere oligarchische Clans seit langem den Löwenanteil der Wirtschaft und des nationalen Reichtums, fast alle wichtigen Medien, die Exekutive, die Strafverfolgungsbehörden und die große Mehrheit der Parlamentsabgeordneten.

Es ist kein Geheimnis, dass hinter jeder großen Wirtschaftsstruktur, hinter jeder Parlamentsfraktion, hinter jedem Spitzenbeamten der eine oder andere Oligarch steht. In den letzten Jahren haben die Oligarchen – die Leute auf der Forbes-Liste aus der Ukraine – ihr Vermögen und die Kontrolle über das Land und seine Ressourcen stetig vergrößert und sie und seine Bürger gnadenlos ruiniert. Jetzt, nachdem sie durch die Feindseligkeiten finanzielle Verluste erlitten haben, haben sie beschlossen, diese zu kompensieren, indem sie ausnahmslos die absolute Kontrolle über alle Finanzströme erlangten: seien es Militärgüter, humanitäre Hilfe, Steuern, Kredite, internationale Hilfe für den Wiederaufbau, Exporteinnahmen, Versorgungszölle, und so weiter.

Dazu werden unter dem Lärm des Krieges die letzten Hindernisse für die Errichtung einer oligarchischen Diktatur beseitigt. Gleichzeitig sind die derzeitigen hochrangigen präsidentennahen Beamten nicht abgeneigt, selbst zu neuen Oligarchen zu werden und den alten Oligarchen den Reichtum gewaltsam wegzunehmen. Es stehen zu viele Milliarden auf dem Spiel, also handeln sie dreist, fast offen (jüngste Videos des stellvertretenden Leiters des Büros des Präsidenten eines kriegsführenden, verwüsteten Landes, der ein Auto für eine Viertelmillion fährt, sind nur eine von vielen Bestätigungen dafür).

Es ist auch offensichtlich, warum der sozialistischen Bewegung der wichtigste Repressionsschlag zugefügt wird: Er erklärt sich aus der Angst vor dem Verlust der Macht und des dem Land gestohlenen Reichtums und der Angst vor rechtlicher Verfolgung. Das derzeitige Regime ist nur einen Schritt von der vollständigen Machtübernahme in der Ukraine entfernt.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist internationale Unterstützung für alle Bürger unseres Landes, die für Meinungsfreiheit, für echte Demokratie und gegen die oligarchische Diktatur in der Ukraine eintreten, äußerst wichtig.

Wahre Informationen über die reale Situation in der Ukraine, internationale Solidarität aller fortschrittlichen Kräfte können die aktuelle Situation beeinflussen, die ukrainischen Behörden dazu zwingen, die rechtswidrigen Entscheidungen zum Verbot unabhängiger Medien und Parteien aufzuheben, die Verfolgung der Opposition zu stoppen und die endgültige Gründung einer oligarchischen Diktatur zu verhindern.

Meinungen in Beiträgen auf Globalbridge.ch entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Erstveröffentlicht in „Globalbridge“ v. 2.4. 2023
Wir danken für die Abdruckgenehmigung

* Über die Union der Linken Kräfte verrät uns Wikepadia das Folgende:

Union der Linken Kräfte (ukrainisch: Союз лівих сил, romanisiert: Sojus livykh syl; SLS) war eine ukrainische politische Partei, die von ihrer Gründung bis 2019 von Vasyl Volha geführt wurde.[1][4] Die Partei wurde am 17. Juni 2022 per Gerichtsbeschluss verboten.[1] Die Partei war nie im nationalen Parlament der Ukraine vertreten.[5]

Geschichte

Bei den ukrainischen Parlamentswahlen 2007 musste die Sozialistische Partei der Ukraine einen Rückgang der Unterstützung hinnehmen. Daraufhin verließ Vasyl Volha die Partei und gründete die Union der Linken.[6] Die Partei wurde am 8. Dezember 2007 gegründet und verfolgte folgende Ziele: Stärkung der lokalen Gemeinschaften, staatliche Unterstützung für arme Regionen, Stopp der Privatisierung strategischer Staatsunternehmen und des Verkaufs landwirtschaftlicher Flächen, geopolitische Neutralität der Ukraine und Einführung des Russischen als zweite Staatssprache.[2]

Im November 2008 wurde die Parteizentrale Ziel eines Brandanschlags. Nach Angaben der Partei stand dies im Zusammenhang mit einer Aktion gegen den radikalen Nationalismus in der Ukraine, die die Partei am Tag zuvor in Simferopol durchgeführt hatte, wo sie Hakenkreuze und Fahnen einiger nationalistischer Parteien verbrannte. [7] Die Partei nahm an den ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2010 als Teil des Blocks der linken und mitte-linken Kräfte teil und unterstützte Petro Symonenko als gemeinsamen Kandidaten dieses Blocks für das Amt des ukrainischen Präsidenten bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2010.[4][8] Die Partei nahm an den ukrainischen Parlamentswahlen 2012 nicht teil,[9] ebenso wenig wie an den ukrainischen Parlamentswahlen 2014.[10]

Im Jahr 2019 wurde der Parteivorsitzende Maxim Goldarb [ru].[1] Die Partei hat ihre Liste für die ukrainischen Parlamentswahlen 2019 nicht angemeldet.[5] Auf dem 7. Parteitag am 18. Dezember 2021 wurde beschlossen, den Namen in Partei Für einen neuen Sozialismus zu ändern.[11] Diese Namensänderung wurde nicht offiziell wieder registriert. Am 18. Februar 2022, im Vorfeld der russischen Invasion in der Ukraine 2022, appellierte Goldarb über die Botschaften der USA und Großbritanniens an die Führung dieser Länder, „den Schaden zu ersetzen, der unserer Wirtschaft durch die von ihnen ausgelöste militärische Panik entstanden ist“. [Am 20. März 2022 war sie eine von mehreren politischen Parteien, die während der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine suspendiert wurden, zusammen mit Derzhava, der Linken Opposition, Nashi, dem Oppositionsblock, der Oppositionsplattform – Für das Leben, der Partei von Shariy, der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine, der Sozialistischen Partei der Ukraine und dem Wolodymyr-Saldo-Block. [Am 17. Juni 2022 verbot das Achte Berufungsgericht die Partei.[1] Das Eigentum der Partei und aller ihrer Zweigstellen wurde dem Staat übertragen.[1] Am 29. September 2022 wurde der letzte Einspruch gegen das Verbot der Partei vom Obersten Gerichtshof der Ukraine abgewiesen, was bedeutet, dass die Partei in der Ukraine vollständig verboten wurde.[3]

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

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