Ukraine: „Ein langer Krieg ist eine Katastrophe für die Gesellschaft“

Von Florian Rötzer

Bild: pixabay

„Ein Mann rennt wie ein Hase die Straße entlang, wird von Soldaten verfolgt, zertrümmerte Gesichter, Menschen springen aus dem Fenster eines fahrenden Kleinbusses – solche Szenen sind heute in den sozialen Netzwerken zu sehen. Der Staat versprach, die Vorgänge zu untersuchen, unternahm aber nichts, und stattdessen begannen sie, in den Militärregistrierungs- und Einberufungsbüros (TCC) zu töten. Mehrere Menschen starben im TCC. Im Vergleich zu den Opfern an der Front oder durch russische Bombenangriffe mag das unbedeutend erscheinen. Für die Bevölkerung sind diese Fälle jedoch sehr demotivierend.“

Glaubt man dem deprimierenden Bericht des russischen Journalisten Shura Burtin, der nicht für russische Staatsmedien schreibt, sondern für oppositionelle Medien wie Meduza, hat sich die Situation in der Ukraine in den letzten anderthalb Jahren nicht nur wegen der russischen Angriffe, sondern wegen der Mobilisierung und der Jagd auf wehrfähige Männer stark verändert. An der Front herrscht bekanntlich Personalmangel, der Strom der Freiwilligen ist versiegt. Desertion geschieht massenhaft, ebenso wie Panik auf den Straßen herrscht wegen der Militärpatrouillen der Rekrutierungszentren TCC, die gewaltsam Männer verschleppen. Burtin war zwei Monate in der Ukraine, besuchte Kiew und den Donbass, sprach mit vielen Ukrainern und berichtet von seinen Erfahrungen. Auch in Kiew herrsche Angst, die Männer meiden die Straßen.

„Zu Beginn des Krieges hatte die Ukraine keinen Mangel an Soldaten – eine große Zahl Freiwilliger ging an die Front. Doch viele starben, und die Zahl der Menschen, die bereit waren, in den Krieg zu ziehen, wurde deutlich kleiner. Zunächst verteilten TCC-Patrouillen auf den Straßen Vorladungen und die Strafen für Flucht wurden strenger. Aber das half nichts, dann begannen sie, die Leute mit Gewalt zu fangen. Eine Patrouille hält einen an, schubst einen in einen Kleinbus und bringt einen zur ärztlichen Untersuchung ins Wehrmeldeamt, wo jeder für diensttauglich erklärt wird. Dieser Prozess wurde im Volksmund als „Busifizierung“ bekannt, das zweitbeliebteste Wort im Land. Noch am selben Abend oder am nächsten Morgen ist man bereits auf dem Weg ins Trainingslager.“ Und dann ist man schnell an der Front.

Man fragt sich, wo die Journalisten der ukrainischen Medien und vor allem die der Westmedien sich aufhalten oder warum sie die düstere Wirklichkeit in der Ukraine verschweigen, wenn die Schilderungen von Burtin stimmen: „Mir scheint, dass in der Ukraine ein Gefühl der Erschöpfung und Sinnlosigkeit herrscht“, schreibt er. Man darf allerdings davon ausgehen, dass Meduza den Bericht nicht veröffentlicht hätte, wenn der Journalist nicht vertrauenswürdig wäre, er also nicht russische Narrative verbreitet und Geschichten erfindet.

„Flucht aus dem Land ist ein Massenphänomen und ein großes kriminelles Geschäft. In den Nachrichten ist zu sehen, wie Grenzbeamte einige Männer, die versuchten, näher an die Grenze zu gelangen, aus ihren Autos zerrten, sie zu Boden warfen und auf sie eintraten. Die Moderatoren kommentieren etwa: Das haben die Betrüger verdient.“

Burtin gibt die Gespräche mit Ukrainern wieder, aber er macht auch deutlich, dass die ukrainische Führung ihr strategisches Spiel mit den Soldaten treibt:

„Wir erinnern uns: Als die Gegenoffensive im Herbst im Sande verlief, erschien im Economist ein Artikel von Salushnyi , in dem er von einer strategischen Sackgasse sprach. Danach äußerte sich Selenskij und sagte, er brauche keine Generäle, die von einer Sackgasse reden. Eine Kampagne gegen Salushnyi begann und er wurde entlassen. Und danach begannen alle Patrioten im gesamten Informationsfeld zu sagen, dass der Krieg lang sein würde. Niemand sprach über irgendwelche Friedensoptionen. Den Menschen wurde einfach eingetrichtert, dass wir unweigerlich auf einen langen Krieg gefasst seien, dass wir mit Putin nicht reden könnten und dass wir kämpfen müssten, solange wir könnten. Und jetzt stellt sich heraus, dass sie zwei Jahre lang gelogen haben? Wie viele Menschen sind in dieser Zeit gestorben? Zu welchem ​​Zweck?“

Viel hat sich Burtin an der Front aufgehalten, etwa in der Nähe des scho lange umkämpften Pokrowsk, wo er seinen Journalistenkollege Kostya begleitet, der sich freiwillig gemeldet hat und als Fahrer eines Drohnenteams arbeitet. Nach den Berichten geht es im Militär hoch korrupt zu:

„Sie verstehen, dass ich nichts tue und wir alle nichts tun“, sagt Kostja. „Was wir auf den Markt bringen, ist ein Kinderspielzeug. Die Hälfte der Flugzeuge stürzt einfach irgendwo auf den Feldern ab, die andere Hälfte fliegt hinter die Frontlinie; in drei Monaten, so scheint es, haben wir zweimal jemanden getroffen. Und wir sind jeden Tag ausgeflogen – was halten Sie von den Statistiken? Ihre Lenkbarkeit lässt so stark nach, dass es einem Wunder gleicht, mit ihnen etwas zu treffen. Uns wurden die besten Flugzeuge versprochen, aber die Armee hat ihre Versprechen nicht eingehalten. Mit der Anzahl der Kampfeinsätze zu prahlen, die wir geflogen sind, ist, als wäre man stolz darauf, wie oft man sich einen runtergeholt hat.“

Die Wirklichkeit an der Front ist furchtbar nach den Erzählungen. Schützengräben und Unterstände sind kein Schutz mehr, sondern Fallen. Drohnen werfen Granaten anders als Artillerie zentimetergenau in die Gräben ab oder fliegen direkt in die Unterstände. Jeder Schritt auf offenem Gelände ist ein Todesrisiko. Ein Soldat berichtet:

„Über den Unterständen, in denen sich die Infanterie versteckt, schweben ständig Aufklärungsdrohnen. Es sind so viele von ihnen über den Stellungen, dass die Luft wie ein Bienenschwarm summt. Die Drohnen agieren in einem Karussell: Wenn einer von ihnen die Batterie ausgeht, fliegt eine andere ein, um ihren Platz einzunehmen. Von Zeit zu Zeit schleichen FPVs, Kamikaze-Drohnen, über Stellungen, um einen Soldaten zu töten, der hinausschaut, oder fliegen in einen Unterstand und explodieren dort. Wenn sie scheitert, explodiert sie und verwandelt sich in einen zufälligen Müllhaufen. Drohnen halten rund um die Uhr Wache, wenn Verwundete aus dem Unterstand geborgen werden (um sie zum Evakuierungspunkt zu bringen). Sobald sie dies bemerken, fliegen FPVs oder Drohnen ein und werfen Granaten ab. Drohnen können sowohl bei Tag als auch bei Nacht sehen, haben jedoch eine schlechte Sicht im Graubereich, also in der Dämmerung. Dies ist eine kleine Zeitspanne von etwa 20 Minuten morgens und abends, auf die die Infanterie wartet.“

Man gewinnt den Eindruck, dass die Verluste sehr groß sein müssen, oft scheinen die Einheiten nur noch aus einem Fünftel ihrer normalen Stärke zu bestehen. Schlimm ist auch, dass die Verletzten nur unter Mühen und oft zu spät evakuiert werden können:

„Die größte Tragödie der gegenwärtigen Kriegsphase besteht wahrscheinlich darin, dass es nicht möglich ist, die Verwundeten schnell zu evakuieren. Jeder Medevac wird von Drohnen gejagt, daher ist ein Transport nur ‚im Graubereich‘ oder im Nebel möglich. Drei bis fünf Tage liegen die Verwundeten in ihren Stellungen, leiden und sterben: Das Überleben hängt vor allem von der Geschwindigkeit der Einlieferung ins Krankenhaus ab. Der Angriff auf medizinische Evakuierungsfahrzeuge ist ein Kriegsverbrechen, aber Drohnen tun nichts anderes.“

Burtin hat während einer Zugfahrt erfahren, dass sich die Stimmung verändert hat. Er erlebt Frauen, die ernüchtert vom Krieg sind, und Soldaten, die zwar am Kampf festhalten, aber die Kritik akzeptieren. Es herrsche trotz der Auseinandersetzung eine freundliche Stimmung, schreibt Burtin:

„Im Dezember 2024 galt es immer noch als Hochverrat, öffentlich zu erklären, der Krieg müsse beendet werden. Obwohl in privaten Gesprächen viele Leute sagten: ‚Sie sollen an ihrem Donbass ersticken, wenn das alles nur bald aufhören würde!‘ Aber natürlich konnten nur wenige Menschen so etwas laut sagen. Und schon im Februar wurde ich Zeuge folgender Szene: In einem Abteilwagen saßen auf der unteren Pritsche Militärs – ein muskulöser junger SA-Soldat und ein älterer Pionier, ihnen gegenüber saß eine Frau. ‚Lasst uns dem Ganzen ein Ende setzen!‘, sagt sie laut. ‚Für Sie ist es bequem zu kämpfen, Sie werden dafür bezahlt.‘ … ‚Es wird noch schlimmer‘, stimmt der Sturmtruppler plötzlich zu. ‚Weil jeder, der zur Armee eingezogen wird, sagt: ‚Was bin ich für ein Idiot?‘ Lasst die Söhne der Abgeordneten kämpfen!‘“

Über die Wirklichkeit des Kriegs wird bei uns nicht gesprochen. Politiker und die meisten Medien schüren die Angst vor den Russen und propagieren, dass die Ukrainer weiterkämpfen müssen, auch wenn Trump die Militärhilfe einstellen sollte. Die Europäer meinen, sie sind die Guten, wenn sie Militärhilfe leisten, um der Ukraine, die zudem angeblich für Europa kämpft, zu helfen, Stärke für Friedensverhandlungen zu zeigen, während das Land ausblutet. Anstatt alles zu tun, um den Krieg zu beenden und eine für alle Seiten akzeptable Friedensordnung zu schaffen, sollen die Ukrainer weiter in einem aussichtslosen Kampf sterben, dem wir aus der Ferne zuschauen, ohne die schreckliche Wirklichkeit wahrnehmen zu wollen. Und wir sollen uns kriegstüchtig machen, um gegen die Russen oder die Chinesen zu kämpfen.

Schauen wir uns die vielen Videos über den Einsatz von Drohnen und dem grausamen Schrecken, den sie verbreiten, endlich an. Niemand will und niemand soll so abgeschlachtet werden, niemand soll so andere Menschen jagen und ermorden. Und für was? Manche wissen auch noch, was ihre Väter, die überlebt haben, vom Zweiten Weltkrieg erzählt haben, die nachts immer wieder schreiend von Albträumen aufgewacht sind. Schonungslose Berichte wie die von Shura Burtin wecken auf. Aber das sollen wir offensichtlich nicht, wenn uns solche Berichte vorenthalten werden, wir sollen tötungstüchtig in den Krieg taumeln und diesen informationsbetäubt unterstützen.

Erstveröffentlicht im Overton Magazin
https://overton-magazin.de/top-story/ukraine-ein-langer-krieg-ist-eine-katastrophe-fuer-die-gesellschaft/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Im Ukraine-Krieg geht es weniger um Freiheit als um die Ausbeutung kritischer Bodenschätze

Von Florian Rötzer

Titelbild: Die 34 kritischen Rohstoffe der EU, gelb markiert sind die strategischen Rohstoffe. Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen besitzt die Ukraine Vorkommen von 21 der 30 von der EU benötigten kritischen Rohstoffe, darunter Lithium, Kobalt, Scandium, Graphit, Tantal und Niob. Bild: Wissenschaftliche Dienste: Rohstoffe der Ukraine

Allmählich kristallisiert sich heraus, dass hinter der Emphase, die Freiheit und die Souveränität der Ukraine unterstützen zu müssen, handfeste geopolitische Interessen stecken. Es geht auch nicht primär um die Osterweiterung der Nato und die militärische Eindämmung von Russland, sondern um den Zugriff auf das ressourcenreiche Land, was im Bereich der Landwirtschaft in der „Kornkammer Europas“ schon erfolgreich begonnen wurde (Wer sind die Herren der Ukraine?) und mit der Privatisierung staatlicher Betriebe fortgeführt werden soll (Ukraine sucht Investoren und setzt auf Massenprivatisierung von Staatsunternehmen).

Während vor und zu Beginn des Irakkriegs gab es den Slogan der Kriegskritiker „Kein Blut für Öl!“ Im Ukraine-Krieg geht es ebenfalls um Öl und Gas, aber eben auch um viele weitere Ressourcen, um die Russland und die Ukraine mit der Unterstützung des Westens kämpfen. Die Kriegsbefürworter vermeiden die Thematisierung wirtschaftlicher und finanzieller Interessen, im Westen wird vom „brutalen“, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ohne Vorgeschichte gesprochen und erklärt, dass die Ukrainer für ihre Freiheit und Demokratie, aber auch für die Europas und des Westens kämpfen.

Allerdings hatten schon kurz nach Beginn des offenen Kriegs manche vermutet, dass der Rohstoffreichtum des Landes Motiv für den Krieg und die massiv durch den Westen gestützte Verteidigung seien. So hatten Robert Muggah und Vadim Dryganov von der kanadischen SecDev darauf aufmerksam gemacht und geschrieben, dass die Ukraine über einige der größten Energie-, Mineral- und Agrarressourcen der Welt verfüge, beispielsweise soll es die weltweit drittgrößten Erdgasreserven besitzen, zu 80 Prozent im Osten, Süden und im Meer um die Krim. In einem aktuellen Beitrag schreiben sie und monieren, dass der Kampf um die Ressourcen medial zu wenig Beachtung finde:

„Russlands kalkulierter Fokus auf die rohstoffreichen Provinzen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja sowie auf die Krim und das Schwarze Meer unterstreicht die wirtschaftliche und strategische Dimension des Krieges. Diese Meeresgebiete und Grenzgebiete, die reich an Kohlenwasserstoffen und kritischen Mineralien wie Graphit, Lithium und Uran sind, sind nicht nur für die Souveränität der Ukraine von zentraler Bedeutung, sondern auch für die Energieunabhängigkeit Europas und den Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China um die technologische Vorherrschaft. Die Kontrolle über diese Ressourcen ist ein entscheidender, wenn auch unterschätzter Faktor für den Verlauf des Konflikts und wird mit ziemlicher Sicherheit die Konturen seiner Lösung beeinflussen. Die Ressourcen der Ukraine werden zwar oft nicht in den Schlagzeilen erwähnt, sind aber ein zentrales Element auf einem sich entwickelnden geopolitischen Schachbrett.“

Das Magazin „National Interest“ hat Margus Tsahkna, den Außenminister Estlands, zu Wort kommen lassen, der nun deutlich ausgesprochen hat, was nach Bidens Verschleierung der Interessen durch das Agieren Trumps klar wurde: „Der Sieg der Ukraine wird die Sicherheit wichtiger Mineralien gewährleisten“, ist der Titel seines Pamphlets.

Seltene Erden und Andere Mineralien seien wichtig für Elektronik, Windturbinen, Autobatterien sowie Raumfahrt und Rüstung. Dafür müssen ukrainische (und russische) Soldaten sterben und werden Städte zerstört. Der Krieg muss fortgesetzt werden, weil es um die Herrschaft über die Ressourcen und deren Ausbeutung geht, was natürlich nicht nur das Interesse des Westens ist, sondern auch das Russlands:

„Der Westen muss unbedingt die Souveränität der Ukraine nicht nur über ihr Territorium, sondern auch über ihre Ressourcen sicherstellen. Dies bedeutet, den militärischen Sieg der Ukraine zu sichern. Wenn die Ukraine diese Ressourcen behält, werden sie zum Nutzen der westlichen Volkswirtschaften verwendet, wie der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy selbst vorschlägt. … Es liegt im unmittelbaren Interesse der Vereinigten Staaten und ihrer Partner, der Ukraine zu helfen, die Kontrolle über ihre riesigen Gebiete mit kritischen Mineralien zu sichern. Sollte es uns nicht gelingen, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen, und die Mineralien würden zum Nutzen autoritärer Mächte (gemeint sind: Russland, China, Iran und Nordkorea, F.R.) verwendet, wären die Folgen verheerend und würden weit über die Grenzen der Ukraine hinausreichen, und das über Jahrzehnte hinweg.“

Der Siegesplan Selenskijs als Köder für die Amerikaner

Der ukrainische Präsident Selenskij hatte bereits in seinem im Oktober 2024 propagierten „Siegesplan“ neben dem Beitritt zur Nato oder einem „umfassenden nicht-nuklearen strategischen Abwehrpaket“ wahrscheinlich schon mit Blick auf Trump die Nutzung des wirtschaftlichen Potentials des Landes angeboten (Selenskijs irrealer, teils verrückter “Siegesplan”). Angepriesen wurden natürliche Ressourcen und Bodenschätze wie Uran, Titan, Mangan, Beryllium, Graphit oder Lithium, die Billionen wert seien. Dazu soll es eines der größten Vorkommen von Seltenen Erden wie Yttrium, Neodym, Erbium). Die Ukraine hat 20 der als kritisch erachteten Mineralien. Dazu kommen Energie und die landwirtschaftlichen Produkte. Deren Aneignung sei ein Ziel desrussischen Angriffs gewesen. Genaueres war dazu in einem  geheimen Anhang  angefügt.

Erst einmal hat der „Siegesplan“ keine größere Resonanz hervorgerufen, auch nicht das Angebot an Investoren, Bodenschätze ausbeuten zu können. Obgleich er als höchst dringlich von Selenskij vorgelegt wurde, die meisten Punkte hätten noch bis Ende 2024 umgesetzt werden müssen, beispielsweise die Aufnahme in die Nato, ist erst einmal nichts geschehen, bis Selenskij im Dezember begann, direkt Richtung Trump zu argumentieren, dass die Fortsetzung der Hilfe den ökonomischen Interessen der USA dienen würde, weil die Ukraine reich an wichtigen Bodenschätzen sei, auch an Seltenen Erden, die bislang vornehmlich von China kommen.

Trump: „Ich will das Geld zurück“

Donald Trump ist schließlich auf das Angebot von Selenskij angesprungen, um einen seiner Deals zu machen. Das klang zunächst einmal so, dass für weitere Hilfe die Ukraine der USA bzw. amerikanischen Firmen und Investoren Zugang zu Seltenen Erden und anderen Mineralien geben soll. Man wolle eine Garantie, so Trump. Er sprach von einem 500-Milliarden-Deal: „Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Äquivalent von Seltenen Erden im Wert von 500 Milliarden Dollar haben möchte, und sie haben im Wesentlichen zugestimmt, dies zu tun, so brauchen wir uns zumindest nicht dumm fühlen. … Wir können dieses Geld nicht weiterzahlen.“ Das Angebot oder die Erpressung kam, nachdem Trump alle Auslandshilfen mit Ausnahme von Israel und Ägypten eingestellt hatte. In der Ukraine wurden u.a. auch die Gelder für die Ukraine Serious Crimes Advisory Group (ACA) ausgesetzt, die Kriegsverbrechen in der Ukraine untersucht.

In einem Interview mit Foxnews machte Trump jetzt deutlich, wie er sich den Deal vorstellt. Da die Ukraine womöglich ihre Souveränität verlieren könnte, verlangt er nun, dass das Land schon die bislang geleistete Hilfe zurückzahlen müsse. In seinem einfachen Amerikanisch, vielleicht ein Grund, warum er so gut ankommt, sagte er: „Sie (die Ukrainer) können ein Abkommen schließen. Sie werden vielleicht keine Vereinbarung treffen. Vielleicht sind sie eines Tages russisch, vielleicht auch nicht. Aber wir werden all dieses Geld in der Ukraine haben, und ich sage, ich will es zurück.“

Die Seltenen Erden und Mineralien sind bislang kaum erschlossen, daher gibt es auch keine genauen Schätzungen über die Größe der Vorkommen. Möglicherweise wären die von Trump geforderten 500 Milliarden schon der gesamte Bestand an Seltenen Erden und Metallen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags haben 2023 einen Bericht über die Rohstoffe der Ukraine veröffentlicht.

Ein großer Teil der Ressourcen ist bereits in russischer Hand

Das Problem ist überdies, dass viele Vorkommen in der Ostukraine sind, also teilweise bereits unter russischer Kontrolle. Forbes Ukraine hatte im April 2023 die ukrainischen Bodenschätze auf 111 Milliarden Tonnen geschätzt, die einem Wert von 14,8 Billionen Dollar entsprechen. Der Großteil sei Kohle (62%) und Eisenerz (14%). Nach Forbes seien in den Regionen Dnipropetrovsk, Donezk und Luhansk 70 Prozent der Mineralien zu finden, d.h. sie stehen bereits teilweise unter russischer Kontrolle oder befinden sich nahe an der Front. So haben die russischen Truppen vor kurzem Schewtschenko westlich von Kurachowo eingenommen, wo sich die größte Lithiumlagerstätte der Ukraine befindet.

Noch einmal Robert Muggah und Vadim Dryganov: „Innerhalb weniger Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 kontrollierte Russland ukrainische Bodenschätze und Gas im Wert von über 12,5 Billionen US-Dollar. Zu den lukrativsten Vermögenswerten gehörten mehr als 56 Prozent der ukrainischen Steinkohlereserven, die zu den größten der Welt gehören und mit rund 12 Billionen Dollar bewertet werden. Russland verfügte auch über 20 Prozent der ukrainischen Gasfelder und 11 Prozent der Ölfelder, die zweitgrößten in Europa, im Wert von rund 85 Milliarden Dollar. Darüber hinaus kontrollierte Russland bis Ende 2022 zwischen 50 und 100 Prozent der ukrainischen Reserven an Lithium, Tantal, Cäsium und Strontium, Metallen, die für grüne Energietechnologien und die Verteidigungsindustrie von entscheidender Bedeutung sind. Vor 2022 war die Ukraine ein wichtiger Lieferant von Eisenerz, Lithium, Mangan und Stahl für Europa. Durch die russische Invasion wurden diese Lieferwege jedoch unterbrochen.“

Aus dem Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags

Der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Viktor Muzhenko, erklärte in einem Interview mit Radio Liberty am 28. Dezember 2024, dass die Russen bereits die Hälfte der Bodenschätze in Besitz hätten: „Etwa die Hälfte der gesamten Rohstoffbasis und der Mineralienreserven der Ukraine entfallen auf Donezk, Luhansk und Teile der Oblaste Saporischschja und Cherson. Und sie haben sogar Berechnungen durchgeführt. Meiner Meinung nach beträgt die Gesamtsumme 15 Billionen! Es gab unterschiedliche Einschätzungen. Es sind mehr als 20, 25 Billionen. Die Hälfte davon sind in den derzeit besetzten Gebiete.“

Und er machte deutlich, dass der Krieg eben auch um die Ressourcen geht: „Und jetzt stellt sich eine Frage. Selbst im Falle eines ‚Einfrierens‘ des Konflikts, das heißt einer Kontrolle dieser Gebiete durch Russland, wer würde gewinnen: wir oder Russland? Russland wird die Kosten dieser Operation vollständig und um ein Vielfaches wieder hereinholen. Ich habe einige interessante Statistiken und Schätzungen gelesen, wonach die Erschließung von Mineralien im Wert von einer Billion US-Dollar das BIP innerhalb von 20 bis 30 Jahren um 8 bis 9 Billionen US-Dollar steigern könnte.“

Der republikanische Pro-Trump-Senator Lindsay Graham, der allerdings für die militärische Unterstützung der Ukraine eintrat, hatte im Simmer letzten Jahres erklärt, die Ukrainer würden auf einer Goldmine sitzen: „Sie sitzen auf 10 bis 12 Billionen Dollar an wichtigen Mineralien in der Ukraine. Sie könnten das reichste Land in ganz Europa sein. Ich möchte dieses Geld und dieses Vermögen nicht Putin überlassen, damit er es mit China teilt. Wenn wir der Ukraine jetzt helfen, kann sie der beste Geschäftspartner werden, den wir uns je erträumt haben. Diese 10 bis 12 Billionen Dollar an wichtigen Bodenschätzen könnten von der Ukraine und dem Westen genutzt werden, anstatt sie an Putin und China zu verschenken.“

Nato: „Die strategische Bedeutung der kritischen Materialien der Ukraine kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“

Nicht so deutlich, aber im Kern wird das Kriegsziel auch von der Nato deutlich formuliert. Allerdings nicht vorne, woher die Medien ihre Berichte beziehen, sondern gewissermaßen im Hinterzimmer wie der 2012 gegründeten Nato-Organisation NATO Energy Security Centre of Excellence (ENSEC COE). Dort heißt es in einem Beitrag vom Dezember 2024:

„Die strategische Bedeutung der kritischen Materialien der Ukraine kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese Ressourcen sind entscheidend für Branchen wie Verteidigung, Hightech, Luft- und Raumfahrt und grüne Energie. Es wird erwartet, dass die weltweite Nachfrage nach wichtigen Mineralien aufgrund der Verlagerung hin zu Elektrofahrzeugen und Technologien für erneuerbare Energien rasch steigen wird. Die Fähigkeit der Ukraine, diese Mineralien zu liefern, ist von entscheidender Bedeutung für Länder, die ihre Lieferketten diversifizieren und ihre Abhängigkeit von nicht-demokratischen Ländern wie China, Russland, Iran und anderen nicht-demokratischen Regimen verringern wollen.“

Deutlicher:

„Die durch die russische Aggression und konkurrierende Lieferanten wie China verursachte Disruption hat die Notwendigkeit belastbarer und diversifizierter Lieferketten deutlich gemacht. Dies hat die Europäische Union und die Vereinigten Staaten veranlasst, Strategien zu entwickeln, die darauf abzielen, die Abhängigkeit von nicht-demokratischen Regimen zu verringern. Die Nutzung der ukrainischen Ressourcen kann diese Initiativen verstärken, indem sie den Übergang Europas zu grüner Energie und die Erholung der Länder nach dem Krieg unterstützt.“

Im verschleierten Kampf der ökonomischen geopolitischen Interessen zwischen dem Westen und Russland wäre eine friedenspolitische Bewegung notwendiger denn je. Aber sie ist praktisch nicht mehr vorhanden, weil sich die einst dem Frieden zugewandten, auch systemkritischen Bewegungen und Parteien weitgehend vom Militarismus durch einen scheinbar gerechten Krieg haben einfangen lassen, anstatt dessen Ursachen spätestens ab 2014 auf beiden Seiten zu kritisieren. Mit Trump werden die Interessen offen gelegt, der Schleier der hehren, humanitären, das Völkerrecht angeblich schützenden Doppelmoral, die Frieden durch Waffen predigt, entlarvt. Das könnte den Boden für eine neue Friedenspolitik schaffen, die auch ökonomisch fundiert ist. Aber die Aussichten sind schlecht. Erst einmal bleibt im Westen das Feld dem destruktiven, egoistischen und nationalistischen Charakter und im Osten spiegelbildlich dem konservativen Geist überlassen.

Erstveröffentlichung im Overton Magazin v. 12.2. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/im-ukraine-krieg-geht-es-weniger-um-freiheit-als-um-die-ausbeutung-kritischer-bodenschaetze/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Stimmen aus der Ukraine: Der Ausverkauf meiner Heimat an BlackRock und Co.

In der Ukraine wird ein dramatischer Ausverkauf von landwirtschaftlichem Boden und strategischen Ressourcen an westliche Konzerne wie BlackRock, Cargill und Co. vorangetrieben. Trotz des Krieges und der angeblichen Hilfsmaßnahmen für bedürftige Länder fließt der Großteil des ukrainischen Getreides in die wohlhabende “erste Welt”. Kritiker werfen der Regierung unter Selenskyj vor, den Landverkauf an ausländische Investoren voranzutreiben, während die Bevölkerung und die Zukunft des Landes auf der Strecke bleiben.

Von Maxim Goldarb.

Bild: Screenshot aus einem You Tube-Blackrock-Werbevideo

Amerikanische und saudische Investitions- und Agrarindustrieunternehmen kaufen derzeit massenhaft ukrainisches Agrarland auf. Dabei handelt es sich insbesondere um Bunge Limited, Oaktree Capital Management, BlackRock, ADM und Cargill, die die Kontrolle über einen Großteil der ukrainischen Agrarflächen erlangt haben.“
– Barbara Bonthe, belgische Abgeordnete des EU-Parlaments.

Erinnern Sie sich noch daran, wie Selenskyj und seine Partner vor ein paar Jahren viel Lärm machten und durch alle von ihnen kontrollierten Medien und Diplomaten über die Notwendigkeit eines “Getreidekorridors” schrien, durch den ukrainisches Getreide angeblich in bedürftige Länder gelangen würde? Ich habe damals darauf hingewiesen, dass es bei einem Lärm von solcher Kraft und Lautstärke kaum um bedürftige Länder gehen kann – Selenskyj und seine Partner sind weit entfernt von Hunger und Not.

Und so sah es in der Realität aus: Die bedürftigen Länder erhielten drei Prozent der exportierten Waren, der Rest ging an die nicht so Bedürftigen in der sogenannten Ersten Welt. Es wurde einfach exportiert, und zwar von den von der belgischen Abgeordneten genannten internationalen Konzernen – daher auch das gleichgeschaltete Geheul.

Wissen Sie etwas über die Milliardenbeträge aus den Getreideexporten, die in den Haushalt des Landes fließen? Nein? Und Sie werden es auch nicht wissen – so etwas gab es nicht. Das waren bestenfalls Steuern aus den Umsätzen der Getreidekonzerne, die dann durch korrupte Machenschaften unter dem Deckmantel der Mehrwertsteuerrückerstattung dem ukrainischen Haushalt entzogen wurden.

Schon vor dem Krieg wurden auf Selenskyjs Initiative und unter seiner Kontrolle Gesetze erlassen, die den Verkauf von ukrainischem Land an Ausländer erlaubten. Und der Krieg hat dazu beigetragen, dass diese Idee für die Geschäftsleute und diese Regierung günstiger und mit weniger Widerstand zu realisieren war.

Dies wird von einem anderen anständigen europäischen Politiker, dem ehemaligen Mitglied des Europäischen Parlaments Mick Wallace aus Irland, bestätigt. Er erklärte, an Selenskyj gewandt:

Sie haben zum Verkauf von ukrainischem Land an westliche Konzerne beigetragen. Wir müssen akzeptieren, dass die Städte und das umliegende Land vor langer Zeit von lokalen Oligarchen gestohlen wurden, die mit dem globalen Finanzkapital unter einer Decke stecken. Selenskyj hat diesen Konflikt genutzt, um den Landverkauf zu beschleunigen. Er hat Oppositionsparteien verboten, die gegen das Gesetz zum Verkauf von Land an ausländische Investoren waren.“

Die ukrainischen Behörden unter der Führung von Selenskyj unterzeichneten eine Art globales (so klang es für die Ukrainer) Investitionsabkommen mit dem größten amerikanischen Investitionsräuber – BlackRock. Haben Sie schon einmal etwas über „globale Investitionen” in der Ukraine gehört? Nein, natürlich nicht! Denn es gibt sie nicht und es kann sie auch jetzt nicht geben – niemand, der bei klarem Verstand ist, wird Geld in ein vom Krieg zerrissenes Land investieren, dessen Zukunft für alle Beteiligten eine große Frage ist.

Ich gehe davon aus, dass dieses Pseudo-Investitionsgeschäft ein Vorwand ist, unter dem ukrainische Vermögenswerte an amerikanische “Investoren” für aufgeblasene, erfundene, künstliche Schulden sowie für Waffen übergeben werden. Zunächst einmal – Land plus Schuldverschreibungen der Ukraine, die durch das restliche ukrainische Vermögen und das Einkommen und die Ersparnisse der übrigen Bevölkerung des Landes abgesichert werden sollen. Die Mechanismen der Realisierung eines solchen Vorwands sind sehr einfach: Aufrechnung von Forderungen, Rückzahlung von gegenseitigen Verpflichtungen und so weiter. Dies ist eine Frage der Technik, nicht des Prinzips.

Offensichtlich ist das Ministerkabinett der Ukraine zu diesem Zweck mit der dringenden Privatisierung strategischer Objekte des Landes befasst, insbesondere des Unternehmens “Energoatom”, das die Kernkraftwerke des Landes (die sich noch in Staatsbesitz befinden), die staatlichen Banken und die Häfen vereint: Die Gläubiger, die sich die Situation ansehen, legen Rechnungen zur Zahlung vor.

Im Prinzip ist bereits alles von ihnen entschieden worden. Übrigens ist Selenskyjs Vorschlag an Trumps Team, „den ukrainischen Untergrund gemeinsam zu erschließen” (die Oberfläche wurde offenbar bereits an ein anderes Team vergeben), aus derselben Richtung. Geschäftlich, nicht persönlich. Genauso patriotisch.

Ich fürchte, dass die Bürger der Ukraine, die es schaffen, lebend von der Front nach Hause zurückzukehren, mit den neuen Herren konfrontiert werden, die über alles Wertvolle, das einst dem Land und dem Volk gehörte, verfügen.

Erstveröffentlöich auf den nachdenkseiten v. 2.1. 2025
https://www.nachdenkseiten.de/?p=126566

Wir danken dem Autor für das Publikationsrecht.

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