Jules El-Khatib: »Diese Solidarität verändert uns alle«

Der Rheinländer Jules El-Khatib über zwei Jahre Staatsräson und neue Verbündete

Interview Raul Zelik

Bild: Kölner Friedensforum

Andere Palästinenser hätten es in den vergangenen zwei Jahren schwerer gehabt, betont Jules El-Khatib gleich zu Beginn des Gesprächs. »Ich wurde in einige Medien eingeladen, um dort über meinen Schmerz zu reden. Die meisten Palästinenser*innen dagegen haben die Erfahrung gemacht, dass für ihre Perspektive kein Platz ist.«

Für den 33-jährigen El-Khatib, der an einer Hochschule im Ruhrgebiet Sozialarbeit unterrichtet und an seiner Doktorarbeit schreibt, ist die Ungleichbehandlung offenkundig. »In Deutschland haben wir die größte palästinensische Diaspora Europas. Trotzdem hat sich uns gegenüber kein einziger Bürgermeister, kein Minister solidarisch gezeigt. Und in den Medien wird die Situation in Gaza wie eine Naturkatastrophe dargestellt – dabei werden die Menschen dort gezielt ausgehungert und ermordet.« Besonders schockierend für ihn sei gewesen, als Polizisten auf einer Veranstaltung Gedenkkerzen austraten. »Wir machen ständig die Erfahrung, dass das Leben von Palästinensern weniger zählt als das anderer Menschen.«

Offiziell ist El-Khatib Deutsch-Israeli. Der Vater, der in der palästinensischen Linken aktiv war, emigrierte nach Deutschland, nachdem er in Israel in »Administrativhaft« gesessen hatte – eine Inhaftierung ohne Anklage, die von israelischen Gerichten unbegrenzt verlängert werden kann. Weil auch El-Khatibs deutsche Mutter politisch interessiert war, fand er als Jugendlicher zur Linken. Zehn Jahre lang war er Mitglied in der Partei, vorübergehend auch Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen.

Zu seiner Familie befragt, beginnt El-Khatib sofort eine Fluchtgeschichte zu erzählen. »Das Dorf meines Vaters wurde drei Monate vor Kriegsbeginn 1948 zerstört. Mein Großvater floh in die Nähe von Nazareth, ein Großteil seiner Geschwister nach Gaza, das damals eine reiche Handelsstaat war.« Wie viele palästinensische Familien wurden auch die El-Khatibs durch die Nakba, die Vertreibung 1948, in alle Welt zerstreut. »Von den Verwandten in Gaza sind inzwischen mindestens 20 Angehörige von Israel ermordet worden. Der erste war ein Großcousin im November 2023. Seitdem ist alle paar Wochen jemand gestorben.«

Dabei sei die Gewalt, anders als in Deutschland oft behauptet, nicht erst am 7. Oktober 2023 eskaliert. »In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 wurden 600 Palästinenser von israelischen Militärs oder Siedlern getötet«, sagt er. »Die Lage der Palästinenser*innen war auch schon vor dem Ausbruch des Gazakriegs verzweifelt.«

Aber wie ist eigentlich die Situation palästinensischer Israelis? »Wer die Staatsangehörigkeit besitzt, wird nicht einfach erschossen – wie es in den besetzten Gebieten leider Alltag ist«, erklärt El-Khatib. »Doch die Ungleichbehandlung ist trotzdem enorm. Als Kind dachte ich immer, Israel sei ein sehr armes Land – weil es in den palästinensischen Ortschaften kaum Infrastruktur gibt. In dem Dorf, aus dem die Familie meines Vaters stammt, gibt es eine der höchsten Quoten an ausgebildeten Ärzten pro Bevölkerung, aber keine asphaltierten Straßen. Und über jeder palästinensischen Ortschaft liegt eine jüdische Siedlung – von der die Bewohner im Notfall herunterschießen können.«

»Es kann niemals antisemitisch sein, gegen Menschenrechtsverletzungen zu protestieren.« Jules El-Khatib  Hochschuldozent

Auf die umstrittenen Vergleiche Israels mit dem Apartheid-Regime in Südafrika angesprochen, bemüht sich der Rheinländer um eine differenzierte Antwort. Was die Behandlung der Bevölkerung im Westjordanland angehe, seien sich Experten einig, dass der Begriff Apartheid berechtigt sei. Für die Menschen in Israel sei es komplexer. »Es gibt seit 2019 Gesetze, die es Israelis mit arabischer Herkunft untersagen, in jüdische Ortschaften umzuziehen. Und auch in anderer Hinsicht unterscheidet der israelische Staat ganz offiziell zwischen Juden, Araber und Drusen. Dass Menschen mit derselben Staatsbürgerschaft nicht dieselben Rechte besitzen, hat man in den vergangenen 50 Jahren eigentlich nur in einem Land erlebt, nämlich in Südafrika«, erklärt El-Khatib. Insofern weise Israel durchaus Merkmale eines Apartheid-Regimes auf. »Aber es gibt natürlich auch wichtige Unterschiede: In Israel kann man zum Beispiel immer noch auf gemeinsame Schulen gehen, auch wenn Rassismus und Diskriminierung Alltag sind. Und auch Arbeitsverbote gibt es für Palästinenser nur im militärischen und in einigen industriellen Bereichen.«

Trotzdem unterscheide sich die Realität der drei Bevölkerungsgruppen enorm. »Die Aufklärungsrate von Morden liegt in jüdischen Communitys bei 95 Prozent, in palästinensischen bei unter zwanzig«, sagt El-Khatib und verweist auf Gaza, wo die israelische Armee unlängst sogar kriminelle Banden mit Waffen ausrüstete, um die Bevölkerung kontrollieren zu können. »Außerdem gibt es große Unterschiede bei der Finanzierung sozialer Infrastrukturen. Für Schulen in palästinensischen Vierteln gibt Israel beispielsweise nur ein Viertel dessen aus, was für Schulen in jüdischen Ortschaften vorgesehen ist.«

Hat sich sein Blick auf jüdische Israelis mit dem Gazakrieg verändert, will ich wissen. »Mit der Mehrheitsgesellschaft, die rechts wählt, verbindet mich nichts«, sagt er. »70 Prozent der Israelis befürwortet die ethnische Säuberung des Gaza-Streifens. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben – das sind Rassisten. Aber kein palästinensischer Abgeordneter war in der Knesset so mutig wie Ofer Cassif – ein jüdischer Israeli. Und auch die jungen Menschen, die lieber in den Knast gehen, als sich als Soldaten am Genozid zu beteiligen, machen mir Mut.«

Überhaupt seien mit dem Krieg neue Bündnisse entstanden. »Unsere verlässlichsten Partner sind heute progressive Jüdinnen und Juden. In Berlin wurden antizionistische Juden von der Polizei verprügelt, in den USA haben Organisationen wie Jewish Voice for Peace das Kapitol blockiert. Was wir bei ihnen an Empathie und Nächstenliebe gespürt haben, ist unglaublich.« Auch die queere Bewegung erwähnt El-Khatib. »Viele von ihnen waren auf der Straße und haben allen, die vom Genozid betroffen sind – nicht nur den progressiven Palästinensern –, ihre Solidarität gezeigt. Das hat ihnen sicherlich Überwindung gekostet. Aber diese Art von Solidarität verändert uns alle. Wenn man zusammen für Gerechtigkeit kämpft, baut das Vorurteile massiv ab.«

Auf einmal klingt der 33-Jährige fast ein wenig enthusiastisch. »Auf Palästina-Demos sieht man heute keine saudischen oder ägyptischen Fahnen mehr, sondern Symbole des Internationalismus, Friedensfahnen, Banner jüdischer Organisationen.« Trotz allen Leids könne das die Geburt einer internationalistischen Bewegung sein, meint er.

Und welche Rolle hat die deutsche Linke gespielt? Der ehemalige nordrheinwestfälische Landesvorsitzende ringt um eine Antwort. »Es gibt wichtige Ausnahmen, aber die meisten haben sich nicht getraut, eine klare Position zu beziehen – aus Angst, als Antisemiten bezeichnet zu werden.« Für El-Khatib war das Ausdruck mangelnder Zivilcourage. »Es kann niemals antisemitisch sein, gegen Menschenrechtsverletzungen zu protestieren«, sagt er. Dass führende deutsche Linke noch auf Pro-Israel-Demonstrationen sprachen, als schon Tausende in Gaza ermordet worden waren, macht ihn immer noch fassungslos.

Unter Generalverdacht

Verbote palästinensischer Symbole und Veranstaltungen gibt es nicht erst seit dem Hamas-Angriff im Oktober 2023. Bereits eineinhalb Jahre zuvor untersagte die Berliner Polizei mehrere Kundgebungen zum Gedenken an die Vertreibung der Palästinenser 1948.
Mit der Eskalation des Gazakriegs hat der Druck allerdings deutlich zugenommen. Nachdem ein Jugendlicher im Tumult …

Und was ist mit der innerpalästinensischen Entwicklung? Als linkem Palästinenser müsse ihm das Erstarken der Hamas doch auch Sorgen machen. »Für uns geht es im Augenblick nur darum, den Genozid zu beenden«, sagt El-Khatib. »Alle politischen Konflikte sind demgegenüber in den Hintergrund getreten. Ich glaube allerdings auch nicht, dass die palästinensische Gesellschaft so weit nach rechts gerückt ist.« Wenn Israel Marwan Barghouti, der ein linker Sozialdemokrat sei, aus der Haft entlassen und Wahlen zulassen würde, würde Barghouti sie gewinnen, gibt sich El-Khatib überzeugt. »Die Stärke der Hamas bei den letzten Wahlen, vor fast 20 Jahren, beruht auf dem Scheitern des Oslo-Prozesses und dem teilweise unnachvollziehbaren Verhalten der Autonomiebehörde.« Die palästinensischen Autoritäten unternähmen nichts gegen die Willkür der Siedler und hätten die Bevölkerung dadurch in die Arme der Hamas getrieben. »Im Westjordanland übrigens noch stärker als in Gaza.«

Aber wird die Hamas von Teilen der Palästina-Solidarität nicht regelrecht gefeiert, wende ich ein und verweise auf die Verwendung roter Dreiecke in sozialen Medien. »Gewalt gegen Zivilisten ist für mich absolut inakzeptabel«, stellt El-Khatib klar. »Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Gewalt in der palästinensischen Community gefeiert oder romantisiert wird. In der Diaspora beobachte ich eigentlich nur Verzweiflung.«

Es dauert über eine Stunde, bis wir auf die obligatorische Frage nach möglichen Auswegen aus dem Nahostkonflikt zu sprechen kommen. »In Verteidigung der Zweistaatenlösung muss man wohl sagen, dass heute leider alle Lösungen unrealistisch erscheinen«, antwortet El-Khatib. »Jeder positive Ansatz – Zweistaatenlösung, Ein-Staat-Lösung, Konföderation, demokratische Union – ist heute schwer vorstellbar. Das Einzige, was realistisch erscheint, ist die Zerstörung Palästinas.«

Also sei er nicht mehr von dem gemeinsamen laizistischen Staat für alle überzeugt, den die palästinensische Linke einst propagierte? »Das war vielleicht ein aussichtsreiches Vorhaben, als der Hass noch nicht so groß war«, sagt El-Khatib. »Aber wie soll das heute funktionieren, wo 70 Prozent der Israelis den Palästinensern das Lebensrecht absprechen? Umgekehrt aber kann die Idee, dass Nationalstaaten ethnisch homogen sein sollten, nirgends in der Welt progressiv sein. Weder in Deutschland noch in Palästina.« Wahrscheinlich sei es für solche Debatten einfach der falsche Augenblick, schiebt er nach einer Pause hinterher. »Heute geht es darum, den Massenmord zu stoppen und die Menschenrechte für Palästinenser wieder durchzusetzen.«

Jules El-Khatib

privat

Jules El-Khatib ist Hochschullehrer und Mitinitiator der Demonstration »All Eyes on Gaza«.

Erstveröffentlicht im nd v. 25.9. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194308.palaestina-jules-el-khatib-diese-solidaritaet-veraendert-uns-alle.html?sstr=Zelik

Wir danken für das Publikationsrecht.

SOLIDARITÄTSERKLÄRUNG DER ITF MIT DER GLOBALEN SUMUD-FLOTTILLE

Presseerklärung der Internationalen Transportarbeiterföderation

Von Jochen Gester & Kurt Weiss

Mo ist Hafenarbeiter in Hamburg, Gewerkschaftsmitglied, politisch engagiert – und Palästinenser. In einem Interview mit „Perspektive“ online erzählt er, was er seit der Eskalation in Gaza bei ver.di erlebt: Schweigen, Ausweichen, Ausschluss. Klare Worte und Taten angesichts der katastrophalen Lage und genozidalen Kriegsführung der israelischen Armee in Gaza bleiben von der DGB-Gewerkschaft weiter aus. Mitunter befleißigen sich einzelne Funktionäre sogar der Denunziation. Besonders hervorgetan hat sich hier der Geschäftsführer der dju, der palästina-solidarische Gewerkschaftskollegen in den sozialen Medien als Antisemiten stigmatisiert. In der internationalen Gewerkschaftsbewegung dürfte dieses Verhalten auf absolutes Unverständnis stoßen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Stellungnahme der ITF, der internationalen Transportarbeiterföderation, zu der auch ver.di gehört. Sie spricht auch im Namen des deutschen Verbandes, der es aber offensichlich vorzieht, darüber im eigenen Land Stillschweigen zu praktizieren. Umso mehr sollten es unsere Kolleginnen und Kollegen von ver.di als Ermutigung empfinden und am Samstag auf der Demo „All Eyes on Gaza“ deutlich Gesicht zeigen.

„Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), die über 16,5 Millionen Transportarbeiter in 150 Ländern vertritt, steht in unerschütterlicher Solidarität an der Seite der Globalen Sumud-Flottille und all jener, die mit dem einzigen humanitären Ziel in See stechen, lebensrettende Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.

Wie so viele andere internationale Initiativen ist die Globale Sumud-Flottille ein rechtmäßiger, friedlicher Akt der Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen die vom Staat verhängte Kollektivstrafe für mehr als zwei Millionen Palästinenser – ein klarer und anerkannter Verstoß gegen das Völkerrecht.

Paddy Crumlin, Präsident der ITF, erklärte: „Die Global Sumud Flotilla kommt zu einem außerordentlich wichtigen Zeitpunkt für die internationale Gemeinschaft, um das bedrängte und unterdrückte Volk Palästinas zu unterstützen.

Die Flottille verkörpert Mut und Entschlossenheit, Hilfe zu leisten und die schrecklichen, anhaltenden Folgen militärischer Aktionen zu lindern. An Bord befinden sich auch Mitglieder der ITF – darunter auch meine eigene Gewerkschaft, die Maritime Union of Australia –, die dort aktiv werden, wo Regierungen ihrer Verantwortung für die Menschenrechte nicht nachkommen.

Wir sind uns der entscheidenden Bedeutung dieser und vieler ähnlicher Aktionen für die Förderung eines dauerhaften Friedens bewusst. Internationale Verbrechen müssen beendet, Völkerrecht und Menschenrechte gewahrt werden, und das palästinensische Volk muss Gerechtigkeit und Frieden erfahren, einschließlich der Anerkennung seines eigenen Staates. Allen, die entschlossen sind, dieses Ergebnis zu erreichen, senden wir unsere volle Kraft, Unterstützung und Solidarität.“

Zivilgesellschaftliche Konvois wie die Madleen und die Handala wurden bereits von israelischen Streitkräften in internationalen Gewässern gewaltsam abgefangen – ein unrechtmäßiges Vorgehen, das gegen das Völkerrecht verstößt. UN-Sonderberichterstatter haben es klar formuliert: Die Bevölkerung von Gaza hat das Recht, in ihren Hoheitsgewässern Hilfe zu erhalten, und Israel darf die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) garantierte Freiheit der Schifffahrt nicht beeinträchtigen.

Das humanitäre Völkerrecht, einschließlich der Genfer Konventionen, verlangt den freien Durchgang humanitärer Hilfe und verbietet die Behinderung von Hilfsmaßnahmen. Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu Gaza seit 2023 bekräftigen die Notwendigkeit eines ungehinderten humanitären Zugangs. Im Rahmen der Völkermordkonvention hat der Internationale Gerichtshof (IGH) verbindliche einstweilige Maßnahmen erlassen, die Israel verpflichten, Völkermord zu verhindern, direkte und öffentliche Anstiftung zum Völkermord zu ahnden und humanitäre Hilfe sicherzustellen. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) stellt klar, dass das Aushungern von Zivilisten und die vorsätzliche Behinderung von Hilfslieferungen als Kriegsverbrechen strafbar sind.

Stephen Cotton , Generalsekretär der ITF, erklärte: „Jeder Versuch, die Globale Sumud-Flottille zu blockieren, anzugreifen oder zu kriminalisieren, ist illegal, unmoralisch und nicht zu rechtfertigen. Die ITF steht an der Seite derjenigen, die ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Sicherheit riskieren, um der vom Hunger bedrohten Zivilbevölkerung Hilfe zu leisten. Das Völkerrecht ist eindeutig: Die Menschen in Gaza müssen ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe haben. Regierungen, Institutionen und die Industrie müssen jetzt aktiv werden, um sicherzustellen, dass Hilfe geleistet und Leben gerettet werden.“

Die ITF verurteilt die jüngsten Drohnenangriffe auf die Globale Sumud-Flottille aufs Schärfste – darunter die nächtlichen Angriffe, über die in den internationalen Medien berichtet wurde, sowie frühere Angriffe in der Nähe von Tunesien. Sie gefährden das Leben von Besatzung und Freiwilligen und gefährden die sichere Lieferung humanitärer Hilfe. Diese Angriffe stellen einen direkten Angriff auf das Völkerrecht, die Freiheit der Schifffahrt und die Sicherheit auf See dar.

Wir fordern Israel auf, das Völkerrecht zu respektieren, indem es der Global Sumud Flotilla freie Durchfahrt gewährt und die Kriminalisierung von Besatzung, Freiwilligen und humanitären Aktivisten beendet. Wir bekräftigen die palästinensische Selbstbestimmung und lehnen die Kriminalisierung von Solidarität ab. Unsere Bewegung steht an der Seite palästinensischer Arbeiter und Mitglieder der Zivilgesellschaft, die ihr Recht auf Leben, Würde und Bewegungsfreiheit einfordern.

Unsere Forderungen für die Globale Sumud-Flottille:

  • Respekt vor dem Völkerrecht – UNCLOS, Genfer Konventionen, Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und die verbindlichen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs.
  • Ungehinderter humanitärer Zugang – die kostenlose und sichere Lieferung lebenswichtiger Hilfsgüter an die belagerte Bevölkerung des Gazastreifens.

Wir wiederholen außerdem unsere früheren Forderungen nach Frieden, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht:

  • Fordern Sie alle Staaten auf, die Entscheidungen des IGH unverzüglich umzusetzen.
  • Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand.
  • Die bedingungslose Freilassung aller Geiseln und Gefangenen, die ohne ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren festgehalten werden.
  • Ein Ende der illegalen Besetzung der palästinensischen und arabischen Gebiete, die seit 1967 besetzt sind.
  • Umsetzung der Resolutionen 242 und 338 des UN-Sicherheitsrates und einer Zweistaatenlösung auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Frieden.
  • Volle Rechenschaftspflicht für alle internationalen Verbrechen, auch durch den Internationalen Strafgerichtshof.
  • Ein Ende der Straflosigkeit der Unternehmen, die von Besatzung und Krieg profitieren.
  • Eine sofortige Öffnung aller Grenzen, um Konvois mit Nahrungsmitteln und humanitärer Hilfe in alle Teile des Gazastreifens zu ermöglichen.“

Presseerklärung der ITF vom 23. 9. 2023
https://www.itfglobal.org/de/node/201398

Deutsche Übersetzung des Textes

DHL: Von der Arbeit ausgeschlossen wegen Antimilitarismus

Leipzig: Gewerkschafter nach Rede auf Demo gegen Waffenexporte freigestellt

Von Peter Nowak

Bild: pixabay

»Mein Name ist Christopher, ich komme gerade aus der Nachtschicht.« Mit diesen Worten wandte sich Christopher T. am 23. August an die Teilnehmer eines »March to Airport« gegen die Militarisierung am Flughafen Halle-Leipzig und insbesondere gegen Waffenlieferungen an Israel.

Rund 700 Menschen hatten sich an dem warmen Sommertag auf eine 15 Kilometer lange Wanderung vom Leipziger Hauptbahnhof zum Flughafen begeben. Weil er sich daran beteiligte, hat T. nun Schwierigkeiten mit seiner Firma, dem Logistikkonzern DHL, bekommen.

An der sechseinhalbstündigen Aktion beteiligten sich auch andere Arbeiter*innen. Christopher T. begründete in seinem kurzen Redebeitrag, warum er sich daran beteiligte, und begrüßte Kolleg*innen. »Es ist uns als Flughafenarbeiter ein großes Anliegen, dass unsere Arbeit nicht dem Krieg dient«, betonte T., der auch als Vertrauensmann bei der Gewerkschaft Verdi aktiv ist.

T. äußerte auch die Hoffnung, dass der Marsch ein starkes Zeichen setzt und sich mehr Kolleg*innen am Airport der Kritik an der Militarisierung anschließen. »Wir können uns nicht darauf verlassen, dass DHL auf eigene Bestrebung auf Waffenlieferungen verzichten wird«, betonte T. Schließlich seien für den Konzern Rüstungsaufträge ein Geschäft wie jedes andere. Der Gewerkschafter beendete seine Rede mit den Slogans »Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter« und »Kein Transport für Völkermord«. Von den Demonstrant*innen wurde der Beitrag mit viel Applaus aufgenommen und in den sozialen Medien geteilt.

Doch für T. hat sein kurzer Auftritt gravierende Folgen. DHL hat ihn freigestellt. Seitdem darf er den Betrieb nicht mehr betreten und bekommt rund ein Viertel weniger Lohn. Denn ihm fehlen seine Nachtschichtzulagen, die er sonst für seine Arbeit zwischen 22 und sechs Uhr morgens bekommen hatte.

Seine Rede bereut er trotzdem nicht. Es gebe noch mehr Kolleg*innen, die Aufrüstung und Militarisierung kritisch gegenüberstehen, sagte er im Gespräch mit »nd«. Viele seien sauer über seine Freistellung und Sanktionierung. Ein Solidaritätskomitee im Betrieb hat sich aber bisher nicht gebildet. Die Disziplinarmaßnahme dürfte so manchen auch einschüchtern.

T. will gegen seine Freistellung juristisch vorgehen. Dafür braucht er den Rechtsschutz seiner Gewerkschaft. Zum Umgang von Verdi mit seinem Fall äußert er sich differenziert. Lobend erwähnt er die Unterstützung durch den DHL-Betriebsrat. Von der Verdi-Verwaltung sei allerdings noch niemand aktiv auf ihn zugegangen.

Angriff auf die Meinungsfreiheit

Er rechnet allerdings mit der Unterstützung seiner Gewerkschaft bei den juristischen Auseinandersetzungen. Dabei wird es auch um die Frage der freien Meinungsäußerung gehen. Denn T. hat auf der Demonstration zwar ausdrücklich als DHL-Arbeiter gesprochen. Er tat dies aber nicht in seiner Arbeits-, sondern in seiner Freizeit.

Er hat auch keineswegs DHL angegriffen, sondern ausdrücklich betont, dass die Kolleg*innen Welthandel betreiben und die Welt verbinden wollen. Er hat sich nur dagegen gewandt, dass diese Arbeit dem Krieg dient. Er verweist auch darauf, dass es bei DHL schon vor dem Marsch ein Flugblatt kämpferischer Gewerkschafter*innen gab, die erklärten, dass ihre Arbeit nur friedlichen Zwecken dienen soll.

DHL begründet die Freistellung damit, dass T. angeblich Betriebsgeheimnisse preisgegeben habe, weil er gesagt hat, dass er auch schon Pakete von DHL in der Hand gehabt habe, bei denen einem »richtig anders« werde, und dass man diese eigentlich nicht befördern wolle.

Mittlerweile haben sich zahlreiche Gruppen, die den Marsch organisiert haben, mit T. solidarisch erklärt. Für sie ist es auch ein Präzedenzfall. Denn künftig könnten auch andere Arbeiter*innen von Repressalien betroffen sein. T. hatte in seiner Rede auch auf antimilitaristische Streiks und Proteste in griechischen und italienischen Häfen in den vergangenen Monaten verwiesen. Bei DHL sei er nicht der Einzige, der wegen rüstungskritischer Äußerungen sanktioniert wird, sagt er. Ihm sei ein weiterer Fall bekannt.

Die Gruppen, die zum Airport-Marsch aufgerufen hatten, sind sicher, dass über den zweitgrößte Frachtflughafen Deutschlands Waffen in Kriegsgebiete auf der ganzen Welt geschickt werden. Aktuelle Lieferungen gingen zu einem großen Teil nach Israel und trügen so zum Völkermord an den Palästinensern bei.

Erstveröffentlicht im nd v. 24.9. 2025
Ausgeschlossen …

Wir danken für das Publikationsrecht.

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