Im Ukraine-Krieg geht es weniger um Freiheit als um die Ausbeutung kritischer Bodenschätze

Von Florian Rötzer

Titelbild: Die 34 kritischen Rohstoffe der EU, gelb markiert sind die strategischen Rohstoffe. Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen besitzt die Ukraine Vorkommen von 21 der 30 von der EU benötigten kritischen Rohstoffe, darunter Lithium, Kobalt, Scandium, Graphit, Tantal und Niob. Bild: Wissenschaftliche Dienste: Rohstoffe der Ukraine

Allmählich kristallisiert sich heraus, dass hinter der Emphase, die Freiheit und die Souveränität der Ukraine unterstützen zu müssen, handfeste geopolitische Interessen stecken. Es geht auch nicht primär um die Osterweiterung der Nato und die militärische Eindämmung von Russland, sondern um den Zugriff auf das ressourcenreiche Land, was im Bereich der Landwirtschaft in der „Kornkammer Europas“ schon erfolgreich begonnen wurde (Wer sind die Herren der Ukraine?) und mit der Privatisierung staatlicher Betriebe fortgeführt werden soll (Ukraine sucht Investoren und setzt auf Massenprivatisierung von Staatsunternehmen).

Während vor und zu Beginn des Irakkriegs gab es den Slogan der Kriegskritiker „Kein Blut für Öl!“ Im Ukraine-Krieg geht es ebenfalls um Öl und Gas, aber eben auch um viele weitere Ressourcen, um die Russland und die Ukraine mit der Unterstützung des Westens kämpfen. Die Kriegsbefürworter vermeiden die Thematisierung wirtschaftlicher und finanzieller Interessen, im Westen wird vom „brutalen“, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ohne Vorgeschichte gesprochen und erklärt, dass die Ukrainer für ihre Freiheit und Demokratie, aber auch für die Europas und des Westens kämpfen.

Allerdings hatten schon kurz nach Beginn des offenen Kriegs manche vermutet, dass der Rohstoffreichtum des Landes Motiv für den Krieg und die massiv durch den Westen gestützte Verteidigung seien. So hatten Robert Muggah und Vadim Dryganov von der kanadischen SecDev darauf aufmerksam gemacht und geschrieben, dass die Ukraine über einige der größten Energie-, Mineral- und Agrarressourcen der Welt verfüge, beispielsweise soll es die weltweit drittgrößten Erdgasreserven besitzen, zu 80 Prozent im Osten, Süden und im Meer um die Krim. In einem aktuellen Beitrag schreiben sie und monieren, dass der Kampf um die Ressourcen medial zu wenig Beachtung finde:

„Russlands kalkulierter Fokus auf die rohstoffreichen Provinzen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja sowie auf die Krim und das Schwarze Meer unterstreicht die wirtschaftliche und strategische Dimension des Krieges. Diese Meeresgebiete und Grenzgebiete, die reich an Kohlenwasserstoffen und kritischen Mineralien wie Graphit, Lithium und Uran sind, sind nicht nur für die Souveränität der Ukraine von zentraler Bedeutung, sondern auch für die Energieunabhängigkeit Europas und den Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China um die technologische Vorherrschaft. Die Kontrolle über diese Ressourcen ist ein entscheidender, wenn auch unterschätzter Faktor für den Verlauf des Konflikts und wird mit ziemlicher Sicherheit die Konturen seiner Lösung beeinflussen. Die Ressourcen der Ukraine werden zwar oft nicht in den Schlagzeilen erwähnt, sind aber ein zentrales Element auf einem sich entwickelnden geopolitischen Schachbrett.“

Das Magazin „National Interest“ hat Margus Tsahkna, den Außenminister Estlands, zu Wort kommen lassen, der nun deutlich ausgesprochen hat, was nach Bidens Verschleierung der Interessen durch das Agieren Trumps klar wurde: „Der Sieg der Ukraine wird die Sicherheit wichtiger Mineralien gewährleisten“, ist der Titel seines Pamphlets.

Seltene Erden und Andere Mineralien seien wichtig für Elektronik, Windturbinen, Autobatterien sowie Raumfahrt und Rüstung. Dafür müssen ukrainische (und russische) Soldaten sterben und werden Städte zerstört. Der Krieg muss fortgesetzt werden, weil es um die Herrschaft über die Ressourcen und deren Ausbeutung geht, was natürlich nicht nur das Interesse des Westens ist, sondern auch das Russlands:

„Der Westen muss unbedingt die Souveränität der Ukraine nicht nur über ihr Territorium, sondern auch über ihre Ressourcen sicherstellen. Dies bedeutet, den militärischen Sieg der Ukraine zu sichern. Wenn die Ukraine diese Ressourcen behält, werden sie zum Nutzen der westlichen Volkswirtschaften verwendet, wie der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy selbst vorschlägt. … Es liegt im unmittelbaren Interesse der Vereinigten Staaten und ihrer Partner, der Ukraine zu helfen, die Kontrolle über ihre riesigen Gebiete mit kritischen Mineralien zu sichern. Sollte es uns nicht gelingen, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen, und die Mineralien würden zum Nutzen autoritärer Mächte (gemeint sind: Russland, China, Iran und Nordkorea, F.R.) verwendet, wären die Folgen verheerend und würden weit über die Grenzen der Ukraine hinausreichen, und das über Jahrzehnte hinweg.“

Der Siegesplan Selenskijs als Köder für die Amerikaner

Der ukrainische Präsident Selenskij hatte bereits in seinem im Oktober 2024 propagierten „Siegesplan“ neben dem Beitritt zur Nato oder einem „umfassenden nicht-nuklearen strategischen Abwehrpaket“ wahrscheinlich schon mit Blick auf Trump die Nutzung des wirtschaftlichen Potentials des Landes angeboten (Selenskijs irrealer, teils verrückter “Siegesplan”). Angepriesen wurden natürliche Ressourcen und Bodenschätze wie Uran, Titan, Mangan, Beryllium, Graphit oder Lithium, die Billionen wert seien. Dazu soll es eines der größten Vorkommen von Seltenen Erden wie Yttrium, Neodym, Erbium). Die Ukraine hat 20 der als kritisch erachteten Mineralien. Dazu kommen Energie und die landwirtschaftlichen Produkte. Deren Aneignung sei ein Ziel desrussischen Angriffs gewesen. Genaueres war dazu in einem  geheimen Anhang  angefügt.

Erst einmal hat der „Siegesplan“ keine größere Resonanz hervorgerufen, auch nicht das Angebot an Investoren, Bodenschätze ausbeuten zu können. Obgleich er als höchst dringlich von Selenskij vorgelegt wurde, die meisten Punkte hätten noch bis Ende 2024 umgesetzt werden müssen, beispielsweise die Aufnahme in die Nato, ist erst einmal nichts geschehen, bis Selenskij im Dezember begann, direkt Richtung Trump zu argumentieren, dass die Fortsetzung der Hilfe den ökonomischen Interessen der USA dienen würde, weil die Ukraine reich an wichtigen Bodenschätzen sei, auch an Seltenen Erden, die bislang vornehmlich von China kommen.

Trump: „Ich will das Geld zurück“

Donald Trump ist schließlich auf das Angebot von Selenskij angesprungen, um einen seiner Deals zu machen. Das klang zunächst einmal so, dass für weitere Hilfe die Ukraine der USA bzw. amerikanischen Firmen und Investoren Zugang zu Seltenen Erden und anderen Mineralien geben soll. Man wolle eine Garantie, so Trump. Er sprach von einem 500-Milliarden-Deal: „Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Äquivalent von Seltenen Erden im Wert von 500 Milliarden Dollar haben möchte, und sie haben im Wesentlichen zugestimmt, dies zu tun, so brauchen wir uns zumindest nicht dumm fühlen. … Wir können dieses Geld nicht weiterzahlen.“ Das Angebot oder die Erpressung kam, nachdem Trump alle Auslandshilfen mit Ausnahme von Israel und Ägypten eingestellt hatte. In der Ukraine wurden u.a. auch die Gelder für die Ukraine Serious Crimes Advisory Group (ACA) ausgesetzt, die Kriegsverbrechen in der Ukraine untersucht.

In einem Interview mit Foxnews machte Trump jetzt deutlich, wie er sich den Deal vorstellt. Da die Ukraine womöglich ihre Souveränität verlieren könnte, verlangt er nun, dass das Land schon die bislang geleistete Hilfe zurückzahlen müsse. In seinem einfachen Amerikanisch, vielleicht ein Grund, warum er so gut ankommt, sagte er: „Sie (die Ukrainer) können ein Abkommen schließen. Sie werden vielleicht keine Vereinbarung treffen. Vielleicht sind sie eines Tages russisch, vielleicht auch nicht. Aber wir werden all dieses Geld in der Ukraine haben, und ich sage, ich will es zurück.“

Die Seltenen Erden und Mineralien sind bislang kaum erschlossen, daher gibt es auch keine genauen Schätzungen über die Größe der Vorkommen. Möglicherweise wären die von Trump geforderten 500 Milliarden schon der gesamte Bestand an Seltenen Erden und Metallen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags haben 2023 einen Bericht über die Rohstoffe der Ukraine veröffentlicht.

Ein großer Teil der Ressourcen ist bereits in russischer Hand

Das Problem ist überdies, dass viele Vorkommen in der Ostukraine sind, also teilweise bereits unter russischer Kontrolle. Forbes Ukraine hatte im April 2023 die ukrainischen Bodenschätze auf 111 Milliarden Tonnen geschätzt, die einem Wert von 14,8 Billionen Dollar entsprechen. Der Großteil sei Kohle (62%) und Eisenerz (14%). Nach Forbes seien in den Regionen Dnipropetrovsk, Donezk und Luhansk 70 Prozent der Mineralien zu finden, d.h. sie stehen bereits teilweise unter russischer Kontrolle oder befinden sich nahe an der Front. So haben die russischen Truppen vor kurzem Schewtschenko westlich von Kurachowo eingenommen, wo sich die größte Lithiumlagerstätte der Ukraine befindet.

Noch einmal Robert Muggah und Vadim Dryganov: „Innerhalb weniger Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 kontrollierte Russland ukrainische Bodenschätze und Gas im Wert von über 12,5 Billionen US-Dollar. Zu den lukrativsten Vermögenswerten gehörten mehr als 56 Prozent der ukrainischen Steinkohlereserven, die zu den größten der Welt gehören und mit rund 12 Billionen Dollar bewertet werden. Russland verfügte auch über 20 Prozent der ukrainischen Gasfelder und 11 Prozent der Ölfelder, die zweitgrößten in Europa, im Wert von rund 85 Milliarden Dollar. Darüber hinaus kontrollierte Russland bis Ende 2022 zwischen 50 und 100 Prozent der ukrainischen Reserven an Lithium, Tantal, Cäsium und Strontium, Metallen, die für grüne Energietechnologien und die Verteidigungsindustrie von entscheidender Bedeutung sind. Vor 2022 war die Ukraine ein wichtiger Lieferant von Eisenerz, Lithium, Mangan und Stahl für Europa. Durch die russische Invasion wurden diese Lieferwege jedoch unterbrochen.“

Aus dem Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags

Der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Viktor Muzhenko, erklärte in einem Interview mit Radio Liberty am 28. Dezember 2024, dass die Russen bereits die Hälfte der Bodenschätze in Besitz hätten: „Etwa die Hälfte der gesamten Rohstoffbasis und der Mineralienreserven der Ukraine entfallen auf Donezk, Luhansk und Teile der Oblaste Saporischschja und Cherson. Und sie haben sogar Berechnungen durchgeführt. Meiner Meinung nach beträgt die Gesamtsumme 15 Billionen! Es gab unterschiedliche Einschätzungen. Es sind mehr als 20, 25 Billionen. Die Hälfte davon sind in den derzeit besetzten Gebiete.“

Und er machte deutlich, dass der Krieg eben auch um die Ressourcen geht: „Und jetzt stellt sich eine Frage. Selbst im Falle eines ‚Einfrierens‘ des Konflikts, das heißt einer Kontrolle dieser Gebiete durch Russland, wer würde gewinnen: wir oder Russland? Russland wird die Kosten dieser Operation vollständig und um ein Vielfaches wieder hereinholen. Ich habe einige interessante Statistiken und Schätzungen gelesen, wonach die Erschließung von Mineralien im Wert von einer Billion US-Dollar das BIP innerhalb von 20 bis 30 Jahren um 8 bis 9 Billionen US-Dollar steigern könnte.“

Der republikanische Pro-Trump-Senator Lindsay Graham, der allerdings für die militärische Unterstützung der Ukraine eintrat, hatte im Simmer letzten Jahres erklärt, die Ukrainer würden auf einer Goldmine sitzen: „Sie sitzen auf 10 bis 12 Billionen Dollar an wichtigen Mineralien in der Ukraine. Sie könnten das reichste Land in ganz Europa sein. Ich möchte dieses Geld und dieses Vermögen nicht Putin überlassen, damit er es mit China teilt. Wenn wir der Ukraine jetzt helfen, kann sie der beste Geschäftspartner werden, den wir uns je erträumt haben. Diese 10 bis 12 Billionen Dollar an wichtigen Bodenschätzen könnten von der Ukraine und dem Westen genutzt werden, anstatt sie an Putin und China zu verschenken.“

Nato: „Die strategische Bedeutung der kritischen Materialien der Ukraine kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“

Nicht so deutlich, aber im Kern wird das Kriegsziel auch von der Nato deutlich formuliert. Allerdings nicht vorne, woher die Medien ihre Berichte beziehen, sondern gewissermaßen im Hinterzimmer wie der 2012 gegründeten Nato-Organisation NATO Energy Security Centre of Excellence (ENSEC COE). Dort heißt es in einem Beitrag vom Dezember 2024:

„Die strategische Bedeutung der kritischen Materialien der Ukraine kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese Ressourcen sind entscheidend für Branchen wie Verteidigung, Hightech, Luft- und Raumfahrt und grüne Energie. Es wird erwartet, dass die weltweite Nachfrage nach wichtigen Mineralien aufgrund der Verlagerung hin zu Elektrofahrzeugen und Technologien für erneuerbare Energien rasch steigen wird. Die Fähigkeit der Ukraine, diese Mineralien zu liefern, ist von entscheidender Bedeutung für Länder, die ihre Lieferketten diversifizieren und ihre Abhängigkeit von nicht-demokratischen Ländern wie China, Russland, Iran und anderen nicht-demokratischen Regimen verringern wollen.“

Deutlicher:

„Die durch die russische Aggression und konkurrierende Lieferanten wie China verursachte Disruption hat die Notwendigkeit belastbarer und diversifizierter Lieferketten deutlich gemacht. Dies hat die Europäische Union und die Vereinigten Staaten veranlasst, Strategien zu entwickeln, die darauf abzielen, die Abhängigkeit von nicht-demokratischen Regimen zu verringern. Die Nutzung der ukrainischen Ressourcen kann diese Initiativen verstärken, indem sie den Übergang Europas zu grüner Energie und die Erholung der Länder nach dem Krieg unterstützt.“

Im verschleierten Kampf der ökonomischen geopolitischen Interessen zwischen dem Westen und Russland wäre eine friedenspolitische Bewegung notwendiger denn je. Aber sie ist praktisch nicht mehr vorhanden, weil sich die einst dem Frieden zugewandten, auch systemkritischen Bewegungen und Parteien weitgehend vom Militarismus durch einen scheinbar gerechten Krieg haben einfangen lassen, anstatt dessen Ursachen spätestens ab 2014 auf beiden Seiten zu kritisieren. Mit Trump werden die Interessen offen gelegt, der Schleier der hehren, humanitären, das Völkerrecht angeblich schützenden Doppelmoral, die Frieden durch Waffen predigt, entlarvt. Das könnte den Boden für eine neue Friedenspolitik schaffen, die auch ökonomisch fundiert ist. Aber die Aussichten sind schlecht. Erst einmal bleibt im Westen das Feld dem destruktiven, egoistischen und nationalistischen Charakter und im Osten spiegelbildlich dem konservativen Geist überlassen.

Erstveröffentlichung im Overton Magazin v. 12.2. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/im-ukraine-krieg-geht-es-weniger-um-freiheit-als-um-die-ausbeutung-kritischer-bodenschaetze/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Stimmen aus der Ukraine: Der Ausverkauf meiner Heimat an BlackRock und Co.

In der Ukraine wird ein dramatischer Ausverkauf von landwirtschaftlichem Boden und strategischen Ressourcen an westliche Konzerne wie BlackRock, Cargill und Co. vorangetrieben. Trotz des Krieges und der angeblichen Hilfsmaßnahmen für bedürftige Länder fließt der Großteil des ukrainischen Getreides in die wohlhabende “erste Welt”. Kritiker werfen der Regierung unter Selenskyj vor, den Landverkauf an ausländische Investoren voranzutreiben, während die Bevölkerung und die Zukunft des Landes auf der Strecke bleiben.

Von Maxim Goldarb.

Bild: Screenshot aus einem You Tube-Blackrock-Werbevideo

Amerikanische und saudische Investitions- und Agrarindustrieunternehmen kaufen derzeit massenhaft ukrainisches Agrarland auf. Dabei handelt es sich insbesondere um Bunge Limited, Oaktree Capital Management, BlackRock, ADM und Cargill, die die Kontrolle über einen Großteil der ukrainischen Agrarflächen erlangt haben.“
– Barbara Bonthe, belgische Abgeordnete des EU-Parlaments.

Erinnern Sie sich noch daran, wie Selenskyj und seine Partner vor ein paar Jahren viel Lärm machten und durch alle von ihnen kontrollierten Medien und Diplomaten über die Notwendigkeit eines “Getreidekorridors” schrien, durch den ukrainisches Getreide angeblich in bedürftige Länder gelangen würde? Ich habe damals darauf hingewiesen, dass es bei einem Lärm von solcher Kraft und Lautstärke kaum um bedürftige Länder gehen kann – Selenskyj und seine Partner sind weit entfernt von Hunger und Not.

Und so sah es in der Realität aus: Die bedürftigen Länder erhielten drei Prozent der exportierten Waren, der Rest ging an die nicht so Bedürftigen in der sogenannten Ersten Welt. Es wurde einfach exportiert, und zwar von den von der belgischen Abgeordneten genannten internationalen Konzernen – daher auch das gleichgeschaltete Geheul.

Wissen Sie etwas über die Milliardenbeträge aus den Getreideexporten, die in den Haushalt des Landes fließen? Nein? Und Sie werden es auch nicht wissen – so etwas gab es nicht. Das waren bestenfalls Steuern aus den Umsätzen der Getreidekonzerne, die dann durch korrupte Machenschaften unter dem Deckmantel der Mehrwertsteuerrückerstattung dem ukrainischen Haushalt entzogen wurden.

Schon vor dem Krieg wurden auf Selenskyjs Initiative und unter seiner Kontrolle Gesetze erlassen, die den Verkauf von ukrainischem Land an Ausländer erlaubten. Und der Krieg hat dazu beigetragen, dass diese Idee für die Geschäftsleute und diese Regierung günstiger und mit weniger Widerstand zu realisieren war.

Dies wird von einem anderen anständigen europäischen Politiker, dem ehemaligen Mitglied des Europäischen Parlaments Mick Wallace aus Irland, bestätigt. Er erklärte, an Selenskyj gewandt:

Sie haben zum Verkauf von ukrainischem Land an westliche Konzerne beigetragen. Wir müssen akzeptieren, dass die Städte und das umliegende Land vor langer Zeit von lokalen Oligarchen gestohlen wurden, die mit dem globalen Finanzkapital unter einer Decke stecken. Selenskyj hat diesen Konflikt genutzt, um den Landverkauf zu beschleunigen. Er hat Oppositionsparteien verboten, die gegen das Gesetz zum Verkauf von Land an ausländische Investoren waren.“

Die ukrainischen Behörden unter der Führung von Selenskyj unterzeichneten eine Art globales (so klang es für die Ukrainer) Investitionsabkommen mit dem größten amerikanischen Investitionsräuber – BlackRock. Haben Sie schon einmal etwas über „globale Investitionen” in der Ukraine gehört? Nein, natürlich nicht! Denn es gibt sie nicht und es kann sie auch jetzt nicht geben – niemand, der bei klarem Verstand ist, wird Geld in ein vom Krieg zerrissenes Land investieren, dessen Zukunft für alle Beteiligten eine große Frage ist.

Ich gehe davon aus, dass dieses Pseudo-Investitionsgeschäft ein Vorwand ist, unter dem ukrainische Vermögenswerte an amerikanische “Investoren” für aufgeblasene, erfundene, künstliche Schulden sowie für Waffen übergeben werden. Zunächst einmal – Land plus Schuldverschreibungen der Ukraine, die durch das restliche ukrainische Vermögen und das Einkommen und die Ersparnisse der übrigen Bevölkerung des Landes abgesichert werden sollen. Die Mechanismen der Realisierung eines solchen Vorwands sind sehr einfach: Aufrechnung von Forderungen, Rückzahlung von gegenseitigen Verpflichtungen und so weiter. Dies ist eine Frage der Technik, nicht des Prinzips.

Offensichtlich ist das Ministerkabinett der Ukraine zu diesem Zweck mit der dringenden Privatisierung strategischer Objekte des Landes befasst, insbesondere des Unternehmens “Energoatom”, das die Kernkraftwerke des Landes (die sich noch in Staatsbesitz befinden), die staatlichen Banken und die Häfen vereint: Die Gläubiger, die sich die Situation ansehen, legen Rechnungen zur Zahlung vor.

Im Prinzip ist bereits alles von ihnen entschieden worden. Übrigens ist Selenskyjs Vorschlag an Trumps Team, „den ukrainischen Untergrund gemeinsam zu erschließen” (die Oberfläche wurde offenbar bereits an ein anderes Team vergeben), aus derselben Richtung. Geschäftlich, nicht persönlich. Genauso patriotisch.

Ich fürchte, dass die Bürger der Ukraine, die es schaffen, lebend von der Front nach Hause zurückzukehren, mit den neuen Herren konfrontiert werden, die über alles Wertvolle, das einst dem Land und dem Volk gehörte, verfügen.

Erstveröffentlöich auf den nachdenkseiten v. 2.1. 2025
https://www.nachdenkseiten.de/?p=126566

Wir danken dem Autor für das Publikationsrecht.

„Sterben und Sterben lassen“ – Der Ukrainekrieg als Klassenkonflikt

Hatte die Corona-Pandemie bereits zu fast gegensätzlichen Wahrnehmungen und politischen Schlussfolgerungen geführt, so sorgten Ukrainekrieg und Nahostkonflikt für noch tieftere Gräben innerhalb der Linken, die sie zunehmend handlungsunfähiger machten. Erstmals stand auch die grundsätzliche Ablehnung von Kriegen zur „Lösung“ gesellschaftlicher Probleme offen zur Disposition.

In der Folge entstanden innerhalb der Friedensbewegung nun zwei Hauptströmungen. Die eine kann sich nicht von NATO-Narrativen lösen und wird direkte Kriegspartei. Die andere beschränkt sich darauf, die „Zeitenwende“-Narrative lediglich offen zu hinterfragen, um dann jedoch bei einer Position zu verharren, die die im Westen offizielle Sicht von Täter und Opfer mehr oder weniger nur umdreht. Auch wenn man zum sicher richtigen Ergebnis kommt, dass der fortdauernde Krieg im Osten vor allem der NATO zuzuschreiben ist, können Antimilitarist:innen trotzdem nicht einfach zu „Solidarität mit Russland und China“ aufrufen.  Auch die dort etablierten herrschenden Klassen sind Akteure eines imperialistischen Weltsystems und folgen der Profit- und Klassenlogik kapitalistischer Ökonomien. Solidarität muss eine andere Basis haben.

Kurz- und langfristig geht kein Weg daran vorbei, die Kampfkraft und das politische Selbstbewusstsein der abhängigen Bevölkerungsmehrheiten dies- und jenseits aller Kriegsfronten zu stärken. Nur so können sich nachhaltige Barrieren entwickeln, die den Herrschenden die Krieglust nehmen. Das sollte zumindest für die Linke innerhalb der Friedensbewegung zur entscheidenden Orientierungsmarke werden.

Um an dieses traditionelle Verständnis des Antimilitarismus zu erinnern und zu stärken hat der Berliner Verlag DIE BUCHMACHEREI das Buch „Sterben und Sterben lassen – Der Ukrainekrieg als Klassenkonflikt“ herausgegeben. Dafür wollen wir mit diesem Beitrag werben.

Zu lesen ist im Folgenden eine gekürzte Fassung des Einleitungsbeitrags. In einem PDF gibt es eine Übersicht über den Inhalt. Das Buch kann über die Buchläden, aber auch online direkt bestellt werden. https://diebuchmacherei.de/produkt/sterben-und-sterben-lassen/

Zu diesem Buch

Unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 öffnete sich in den westlichen Ländern in unheimlicher Geschwindigkeit und mit erdrückender Wucht eine ungewohnte Kriegsfront. Der Ruf nach Aufrüstung war plötzlich nicht mehr die Sache der politischen Rechten, sondern fand seine mitunter vehementesten Fürsprecher in linken und linksliberalen Milieus, wo die Remilitarisierung der Deutschen nun offen zur antifaschistischen Pflicht erklärt wurde.

Im Spiegel bezeichnete der Kolumnist Sascha Lobo die Gegner von Waffenlieferungen als »Lumpen-Pazifisten«, die dem »russischen Faschistenführer Putin« die Ukraine zum Fraß vorwerfen wollen. Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel zog auf ARD Parallelen zur spanischen Volksfront gegen Franco: »Eigentlich sollten wir nicht hier sitzen, sondern – wie in Spanien 1936 – in Internationale Brigaden gehen und kämpfen.« Und der Welt-Autor Deniz Yücel begründete die Unterzeichnung eines offenen Briefes an Bundeskanzler Olaf Scholz, der die kontinuierliche militärische Aufrüstung der Ukraine als Interesse Deutschlands stark macht, mit seiner Lektüre von Paul Celans Gedicht Todesfuge. Die Produktion der Todeswaren von Thyssenkrupp, Diehl oder Rheinmetall, die der deutsche Staat, drei Wochen nach der Invasion, mit einem milliardenschweren Sondervermögen ankurbelte und im Grundgesetz verankerte, wurde zur Garantie des freien Lebens erklärt, da der Tod nun ein Meister aus Russland sei.

Doch selbst innerhalb traditionell antimilitaristischer Fraktionen der Linken kam es in Teilen zu einer Revision alter Positionen. Sozialistische Gruppen ließen verlautbaren, dass der Faschismus seine Heimat nun in Moskau habe und die westlichen Gesellschaften sowie die globale Arbeiterklasse bedrohe, weshalb die maximale Bewaffnung der Ukraine durch die NATO und die Niederlage Russlands (d. h. ein Sieg des US-Imperialismus) im Interesse des Weltproletariats wären. Auch das anarchistische Milieu ist tief gespalten. Hier bewegt man sich zwischen der Bereitschaft, mit Asow-Faschisten in die Schützengräben zu gehen, bis zur Propagierung militanter Antikriegspolitik mittels Anschlägen und Sabotageaktionen.

Dieser neue progressive Militarismus befiel selbst Teile der radikalen Linken. Auch hier hat der Kampf gegen die russische Tyrannei nun oftmals Vorrang vor der Kritik am eigenen Imperialismus, da der Hauptfeind für viele nicht mehr im eigenen Land steht, sondern im Osten nur auf ein Zeichen westlicher Schwäche wartet, um loszuschlagen. In der Tageszeitung nd konnte man deshalb kurz nach der russischen Invasion von einer queeren Autorin lesen, dass wir »auch als Linke nicht mehr um die Einsicht herumkommen, dass die destruktive, tödliche Auflösung gegebener Ordnung in mitteleuropäischen Staaten nicht hinnehmbar ist. Zu ihrer Verhinderung gehört auch militärisches Gegengewicht.«

Der britische linke Publizist Paul Mason, Autor von Büchern über postkapitalistische Ökonomie und Faschismus, rief zur Unterstützung von »erhöhten Verteidigungsausgaben, anhaltender Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine, einer gestärkten NATO und nuklearer Abschreckung« auf. Im Lager der prowestlichen Linken wurde das ukrainische Opfer, kaum überraschend, mit großem Applaus begrüßt. So rehabilitierte die Wochenzeitung Jungle World, die sich einst der Kritik des Antiimperialismus verpflichtete, die internationale Solidarität: »Emanzipatorische Kräfte haben sich ausschließlich an den Interessen der Angegriffenen, Unterdrückten und Verjagten zu orientieren […]. Viele Menschen in der Ukraine wehren sich gegen den russischen Imperialismus – unabhängig davon, was die USA oder Deutschland tun. Erst dieser Widerstand eröffnete den Nato-Staaten überhaupt erst die Chance, Russlands Position zu schwächen.« In derselben Zeitung verkündete ein ukrainisch-deutscher Autor, der sich gegen die antimilitaristische Linke richtete, die neuen antifaschistischen Bündnispartner nach der Zeitenwende: »Der Dreck unter einem einzigen Fingernagel eines Asow-Soldaten ist mehr wert als die germanische Linke in ihrer Gesamtheit.«

Auf der anderen Seite treibt Putin das gleiche Spiel. Er begründete die Invasion in der Ukraine mit einer notwendigen »Entnazifizierung«, beschwört einen neuen »Großen Vaterländischen Krieg« und bezeichnet seine Gegner unablässig als »Nazis«. Zugleich wird die russische Erinnerungspolitik, die sich der verbreiteten Sowjetnostalgie bedient, von allem Sozialistischen gereinigt. Schließlich muss der russische Oligarchenkapitalismus, der seine Bürger:innen als willfährige Arbeiter und Soldaten braucht, die Erinnerung an die Arbeiter- und Soldatenräte vernichten. Und auch in Russland kann durch diese bestimmte Erinnerungspolitik, auch unter sogenannten Linken, nicht unerhebliche Zustimmung gewonnen werden.

Im Nebel historischer Referenzen

Der gegenwärtige linke Bellizismus macht die Verteidigungskräfte der Ukraine und die NATO-Armeen zu antiimperialistischen Kampfeinheiten, die im Interesse von bedrohten Minderheiten eine Heimat verteidigen, die durch den russischen Faschismus und Imperialismus existentiell bedroht sei. Man bewegt sich hierbei vollständig im Legitimationsgerüst einer US-Außenpolitik, deren Expansionismus sich in den letzten Dekaden neue Kleider anlegte, um seine militärischen Interventionen, unter Verweis auf die Unterdrückung von Minderheiten, Frauen oder queeren Identitäten, auf der Höhe der Zeit rechtfertigen zu können.

Gleichzeitig werden die machtpolitischen Interessen der Gegenwart des neuen Kalten Krieges unter Unmengen an historischen Referenzen begraben. Je nach politischem Interesse und Lager wird sich fraktionsübergreifend geschichtlicher Schablonen bedient, um mit der Weihe der Historie und dem Ziel ihrer Wiedergutmachung in die Schlacht ziehen zu können. Die Referenzen sind so grenzenlos wie die Schrecken des 20. Jahrhunderts: der Erste oder Zweite Weltkrieg, die sowjetischen Militärinterventionen in Berlin, Budapest, Prag und Afghanistan, oder auch der Kosovokrieg. Anarchisten berufen sich auf den Kampf des ukrainischen Bauernanarchisten Nestor Machno, Sozialisten auf die Volksfrontpolitik von 1936 und Antifaschisten auf die Résistance gegen den Hitlerfaschismus.

Die Schlacht von Mariupol wird mit Stalingrad und die Annexion der Krim mit der deutschen Einverleibung des Sudetenlandes verglichen. Vor dem US-Kongress beschwor Präsident Wolodymyr Selenskij den japanischen Überfall auf Pearl Harbor, im belgischen Parlament die Schlacht von Ypern, in Madrid das Massaker von Guernika und in Tschechien den Prager Frühling. Zugleich wird unermüdlich, unter Verweis auf das Münchner Abkommen von 1938, jede Kompromissbereitschaft mit verhängnisvollem Appeasement und Verrat gleichgesetzt. Um diese Wiederkehr der Vergangenheit abzuwehren, verbünden sich viele Linke mit der eigenen herrschenden Klasse und lassen die NATO die internationale Solidarität erledigen.

Massive Aufwertung des Krieges

Der Vorkrieg schafft das für den Krieg notwendige Rüstzeug: die moralische Rechtfertigung und die psychologischen Voraussetzungen. Die deutsche Rüstungsindustrie, die bis dato als ethisch kaum tragbare Branche galt, zählt heute fraktionsübergreifend als systemrelevanter Lebensretter und rehabilitierte sich quasi über Nacht. »Frieden ist eben kein Normalzustand – sondern eine wertvolle zivilisatorische Errungenschaft, die vor Bedrohungen zu schützen ist und dazu auch einer Wehrhaftigkeit bedarf, die auf militärischen Fähigkeiten beruht«, so ein Pressesprecher von Rheinmetall zum neuen Pazifismus der alten Todesproduzenten.

Diese sogenannte Zeitenwende hatte zugleich zur Folge, dass die Bedeutung anderer zivilisatorischer Errungenschaften verblassen musste: Bildung, Gesundheit, Entwicklung, Wirtschaft/Klima, Wohnen und Umwelt erhalten im geplanten deutschen Haushaltsbudget für das Jahr 2024 zusammen immer noch rund 10 Mrd. weniger finanzielle Zuwendung als das Militär. Gegen diese massive Aufwertung des Krieges gab bzw. gibt es jedoch kaum nennenswerten Widerstand. Im Gegenteil: der Westen, der den Menschen in der letzten Dekade wenig mehr bieten konnte als soziale Prekarisierung, Abstiegsängste und autoritäre Krisenpolitik konnte angesichts der »russischen Gefahr« zunächst neue Lebenskraft schöpfen. So schuf der für die Mehrheit völlig unerwartete russische Angriff auf die Ukraine und die schnelle Eskalation des Krieges, der schnell die ukrainische Zivilbevölkerung mit unerbittlicher Härte traf, im Westen nicht nur Betroffenheit und Angst, sondern zunächst auch einen gesteigerten Patriotismus, der zugleich auf die kämpfenden Ukrainer projiziert wurde.

In den endlosen Kriegsberichterstattungen, die die krisengebeutelte Bevölkerung des Westens aus der Coronakrise in die Schützengräben des Ostens führte, wurde der ukrainische Oligarchenstaat, der neuen manichäischen Vorkriegslogik folgend, zum Bollwerk der Demokratie erklärt und die Ukrainer, wie es der Soziologe Wolodimir Ishenko ausdrückt, »als Kämpfer und Sterbende dargestellt, die für etwas kämpfen, an das zu viele Westler nicht mehr glauben. Dieser edle Kampf bringt (buchstäblich) neues Blut in dessen krisengeschüttelten Institutionen und ist verpackt in eine zunehmend identitäre ‚zivilisatorische‘ Rhetorik.«

Der eurasische Raum nimmt eine zentrale Stellung ein in der US-Geopolitik

Gegen diese neuen Kriegstrommler und ihre zynische Logik, die die schrankenlose Aufrüstung zur Bedingung menschlicher Freiheit und Zivilisation erklären, richtet sich der Sammelband Sterben und sterben lassen. Er richtet sich an alle Antimilitarist:innen, die gegenwärtig wohl leider ähnlich minoritär sind, wie die sozialistischen Kriegsgegner, die sich im September 1915, als Ornithologen getarnt, in der Pension Beau Séjour im Schweizer Zimmerwald trafen, und die angesichts ihrer Zwergenhaftigkeit darüber scherzten, »dass es ein halbes Jahrhundert nach Begründung der Ersten Internationale möglich war, alle Internationalisten in vier Wagen unterzubringen«. Er richtet sich ebenso an alle Unentschlossenen, die an den humanitären Kräften der Aufrüstung und des Westens zweifeln.

Denn schließlich, soviel sollten Linke eigentlich wissen, wird die Aufrüstung durch den Westen nicht betrieben, um Freiheitsrechte von Minderheiten zu schützen, sondern sie ist Ausdruck einer weiteren Eskalationsstufe kapitalistischer Staatenkonkurrenz, die aus der unipolaren US-Hegemonie selbst hervorgegangen ist, die sich einige nun wieder zurückwünschen. Der russische Imperialismus will sich mit Gewalt als Regionalmacht in der Ukraine behaupten, deren Kampf um nationale Souveränität der Westen nutzt, um Russland von der Weltbühne zu verdrängen, zu schwächen oder sogar zu zerschlagen. Denn der eurasische Raum nimmt eine zentrale Stellung ein in der US-Geopolitik.

Der einflussreiche US-Politikberater Zbigniew Brzezinski legte davon in seinem berühmt gewordenen Buch »Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft« offen Zeugnis ab. Er schrieb: »Eurasien ist der größte Kontinent der Erde und geopolitisch axial. Eine Macht, die Eurasien beherrscht, würde über zwei der drei höchstentwickelten und wirtschaftlich produktivsten Regionen reichen. […] Nahezu 75 Prozent der Weltbevölkerung leben in Eurasien, und in seinem Boden wie auch seinen Unternehmen steckt der größte Teil des materiellen Wachstums der Welt. […] Als Ganzes genommen stellt das Machtpotenzial dieses Kontinents das der USA weit in den Schatten.« Wollen die Vereinigten Staaten ihre hegemoniale Stellung behaupten, so darf kein Staatenbündnis zustandekommen, das dieses Potential beherrschen kann. Das Aufkommen einer solchen »dominierenden, gegnerischen Macht« müsse deshalb um jeden Preis verhindert werden. Die Ukraine spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn ohne die Ukraine verliert Russland sein eurasisches Potenzial und seine geopolitischen Optionen werden auf drastische Weise beschnitten.

Garantie für den Weltfrieden

Statt sich für eines dieser kapitalistischen Lager zu entscheiden,, muss jedoch auf die Totalität imperialistischer Auseinandersetzung hingewiesen und nicht zwischen guten und bösen Imperialismen unterschieden werden. Dušan Popović, der Vorsitzende der Serbischen Sozialdemokraten, wusste das bereits im Jahr 1915. Seine Partei stimmte am Vorabend des Ersten Weltkriegs gegen die Kriegskredite, obwohl ihr kleines Land angegriffen wurde:

»Wenn die Sozialdemokratie irgendwo das Recht hatte, für den Krieg zu stimmen, dann vor allem in Serbien. Für uns war aber die entscheidende Tatsache, dass der Krieg zwischen Serbien und Österreich nur ein kleiner Teil einer Totalität war, nur der Prolog zu einem größeren, europäischen Krieg, und dieser hatte – davon waren wir zutiefst überzeugt – einen deutlich ausgeprägten imperialistischen Charakter. Daher hielten wir es als Teil der großen sozialistischen, proletarischen Internationale für unsere Pflicht, uns dem Krieg entschieden entgegenzustellen.«

Popović bezeichnete wenig später die Russische Revolution als die »beste Garantie für den Weltfrieden«. Und auch wir halten die Überwindung imperialistischer Konkurrenz durch eine Klassenbewegung von unten für die einzige und beste Garantie für den Weltfrieden, in so weiter Ferne sie momentan auch liegen mag. Auf die Klassendimension des Krieges hinzuweisen ist Ziel des Buches. Zu diesem Zweck führten wir Interviews mit linken Aktivist:innen aus Russland und der Ukraine, die dem Narrativ eines antiimperialistischen Volkskriegs widersprechen und versammeln antimilitaristische Stimmen aus dem Westen. Das Buch will einen Beitrag leisten zum Aufbau eines neuen linken Internationalismus und Antiimperialismus, der nicht bereits auf den Schlachtfeldern des Vorkriegs fällt.

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