Berliner Ostermarsch 2024: „Kriegstüchtig“ – nein. Wir sind „friedenssüchtig“

Mit den Worten „Wir sind mehr als im letzten Jahr, aber immer noch nicht genug!“ kommentierte Jutta Kausch-Henken von der Berliner Friko die Resonanz auf den Aufruf des Bündnisses zum diesjährigen Ostermarsch, der diesmal in der Karl-Marx-Alle begann und endete. 5 000 Teilnehmer:innen wurden gezählt. Die bei geradezu frühlingshaftem Wetter durchgeführte Antikriegsaktion stand unter der Losung „Kriegstüchtig – nie wieder“. Sie war getragen vom Selbstbewusstsein, die unverzichtbare Stimme zu sein, die auf die großen Gefahren und auf das Leid hinweist, die insbesondere der Krieg in der Ukraine und der im Nahem Osten nicht nur für die direkt betroffenen Menschen sondern für eine zukunftsfähige Entwicklung der Menschheit überhaupt bedeuten. Mit Sorge nehmen wir zur Kenntnnis, wie in der deutschen Politik und in den meinungsbildenden Medien Aufrüstung und Krieg als alternativlose Antworten auf Konflikte zwischen Staaten rehabilitiert werden – in einem Land, in dem lange die Einsicht gepflegt wurde, dass von deutschen Boden nie wieder ein Krieg ausgehen dürfe. Nicht zu Unrecht wies Christoph Krämer als Vertreter der Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung eines Atomkriegs (IPPNW) in seiner Kundgebungsrede darauf hin, dass der mit großer Mehrheit gefasste Beschluss des Bundestages, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, die tief in das russische Territorium reichen, wie eine Kriegserklärung an Russland klingen. Großen Beifall erhielt auch ein Redner der Gruppe Eye4Palestine, der u.a. daran erinnerte, dass die Vertreibung der Palästinenser auch eine Folge der deutschen NS-Politik gewesen ist und die aktuellen Waffenlieferungen Deutschlands an Israel, das damit einen Genozid durchführt, eher diese Tradition fortsetzt als dass daraus die richtigen Konsequenzen gezogen würden.

Auch wenn es in den Parlamenten eine große Mehrheit gibt, die eine Eskalation des Krieges zwischen Russland und der NATO befürwortet, trifft dies keineswegs für die Bevölkerung zu, die sich nach jüngsten Umfragen in großer Mehrheit für Deeskalation und für diplomatische Initiativen ausspricht. Da kann man es nur als irreführend und als absolut selbstbeschädigend bezeichnen, wenn der Berliner Tagesspiegel im Vorfeld des Ostermarsches kommentierte: „Niemand braucht diesen Ostermarsch!“ Eher könnte man zu dem Schluss kommen, dass alle, die sich an diesem Kriege nicht bereichern können, mutige zivilgesellschaftliche Initiativen benötigen, um eine Zeitenwende zu erkämpfen, die ihren Namen verdient und nicht die Zukunft von Generationen verspielt. Die Opfer des Krieges gehen inzwischen in die Hundertausende. Die Ukraine selbst wird zunehmend verwüstet. Soll dieser Wahnsinn nun über Monate, oder gar Jahre fortgesetzt werden, nur damit die sicher geglaubten Renditeerwartungen der Markt beherrschenden und auch die Politik dominierenden Kapitalgruppen durch das drohende Ausbleiben des erhofften „Siegfriedens“ nicht verhagelt werden?

In der Tat stehen wir hier immer noch am Anfang. Die Größe der Herausforderungen und unsere Fähigkeit, diese zu bestehen, stehen in einem schmerzhaften Missverhältnis zueinander. Das zeigte sich auch am Altersdurchschnitt der Teilnehmer:innen, die in ihrer großen Mehrheit noch als Kinder mit Kriegsfolgen zu tun hatten oder deren Spuren im Leben der Eltern miterleben konnten. Bei den großen Demonstrationen gegen die geplante Stationierung von US-Atomraketen der 1980er-Jahre trug die junge Generation noch diese Aktionen. Die heutige scheint eher handlungsunfähig. Offensichtlich führt die emotionale Wucht, mit der vor allem medial hier zu Lande Kriegsnarrative gepflegt werden, dazu, dass sich die junge Generation nur sehr sehr zögerlich den real existierenden Gefahren stellt, die ja insbesondere sie treffen.

Im folgenden erste mediale Eindrücke der Aktion vom Samstag.
Hier sind alle Reden als Video und als Text nachzuhören und nachzulesen:
https://widerstaendig.de/30-03-2024-ostermarsch-2024-berlin/

Bilder: Ingo Müller & Lotte Roiztsch & Klaus Ihlau

Geringverdiener an die Front

Die Ukraine benötigt Steuereinnahmen und Soldaten, nach Auskunft eines Abgeordneten der Präsidentenpartei sollen die Gutverdiener und die Beamten zahlen, aber keinen Kriegsdienst leisten müssen.

Von Florian Rötzer

An der Front sieht es derzeit weiterhin nicht gut für die Ukraine aus. Langsam rücken russische Truppen an einigen Abschnitten wie bei Bachmut, Ugledar oder Awdijiwka vor, die Ukrainer leisten Widerstand, während in fieberhafte Eile viel zu spät Verteidigungslinien aufgebaut werden, was die Russen bereits 2023 gemacht hatten. Drei Linien über 2000 km Länge sollen es werden, ähnlich wie die russischen mit Drachenzähnen, Panzergräben, Minenfeldern und Stützpunkte.

Die russische Artillerie ist derzeit weit überlegen und kann 10.000 Schuss abfeuern, die ukrainische 2000. Dazu kommen die Fliegerbomben, die kaum abgwehrt werden können. Besonders furchtbar müssen die eineinhalb Tonnen schwerden, zur Hälfte aus hochexplosiven Sprengstoff bestehen FAB-1500-Bomben sein, die von Flugzeugen aus der relativ sicheren Entfernung von 50-60 km abgeworfen werden und eine ziemlich gute Treffergenauigkeit haben sollen. Für viele sei das kaum auszuhalten und verursache einen Schock. “Das ist die Hölle“, berichtete ein ukrainischer Soldat.

Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Budanow kündigte eine große Offensive auf der Krim an. Dis bislang erfolgten Angriffe mit Wasserdrohnen und Raketen seien nur das Vorspiel gewesen. Was geplant ist, wenn es sich nicht nur um einen Blöff handelt, sagte er nicht. Hingewiesen wird auf die Spezialeinheit „Shaman“, die den Dnjepr überquerte und bei Krynky unter hohen Verlusten einen Brückenkopf einrichten konnte. Unklar ist, ob die wenigen ukrainischen Soldaten, die nicht wirklich versorgt werden können, inzwischen den Brückenkopf geräumt haben oder ihn noch verteidigen. Das ist eher eine symbolische Aktion, nicht strategisch wichtig. Möglicherweise sollen Einheiten in einer Art Selbstmordaktion einen Brückenkopf auf der Krim einrichten. Auch das wäre ein zeitweiser symbolischer und medialer Erfolg, aber vermutlich ohne anhaltende Wirkung. Wahrscheinlich werden solche vereinzelten Erfolge derzeit als wichtig erachtet, um die Kampfmoral auch in der Bevölkerung und bei den Unterstützerländern der Ukraine aufrechtzuerhalten.

Das Mobilisierungsgesetz, mit dem neue Soldaten an die Front gebracht werden sollen, um die Verluste zu ersetzen und Einheiten an der Front, die seit langem kämpfen, abzulösen, ist weiter in Bearbeitung und höchst umstritten. Die Rada drückt sich vor der Verabschiedung, es ist nicht bekannt, wann das Parlament wieder tagen wird. Wer sich bislang nicht freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat, wird nicht begeistert sein, unter Zwang eingezogen zu werden. Die Abgeordneten und der Präsident erwarten, dass die Wehrpflichtigen und deren Angehörigen revoltieren könnten.

Aber jetzt kommt noch eine Initiative dazu, die die Stimmung im Land endgültig zerrütten könnte. Das Ministerkabinett plant, wie der Abgeordnete Alexej Gontscharenko von der Präsidentenpartei Diener des Volks berichtet, dass Männer ab einem bestimmten Einkommen vom Wehrdienst befreit werden sollen. Hintergrund ist, dass die Kriegsführung mit Steuergeldern bezahlt werden muss, da die westlichen Unterstützerstaaten bislang nicht direkt das Militär finanzieren, sondern nur Waffen und Munition liefern und die staatlichen Strukturen aufrechterhalten. Für die benötigten Hunderttausende von neuen Soldaten fehlt das Geld, die Steuereinnahmen werden auch sinken, wenn so viele nicht mehr arbeiten sollten. Eine Idee ist daher, dass sich diejenigen, die relativ viel verdienen und auch Steuern zahlen, sich vor Wehrdient freikaufen können. Den Krieg führen würden dann die Armen, die ihre Arbeitgeber nicht überreden können, ihren Lohn entsprechen zu erhöhen.

Gontscharenko spricht von Sozialdarwinismus, wenn Beamte und Reiche ihr Leben nicht riskieren müssen. Offenbar ist geplant, dass alle, die mehr als 35.000 UAH (ungefähr 830 Euro)  im Monat, das Doppelte des Durchschnittslohns, verdienen, nicht eingezogen werden. Auch wer eie Einkommensteuer in Höhe von mehr als 6300 UAH zahlt oder eine Sozialsteuer von 7700 UAH entrichtet, soll weiter zahlen, aber nicht kämpfen müssen. Das würde u.a. IT-Spezialisten betreffen. Ausgenommen werden sollen auch höhere Beamte, Polizisten und Angestellte in Verteidigungs-, Industrie- und Treibstoff, Energie- und Telekommunikationsunternehmen.

Das kommt selbst bei den Freiwilligenverbänden wie Asow nicht an. Maxim Zhorin, der stellvertretende Kommandeur der 3. Angriffsbrigade, eine Eliteeinheit, die aber Awdijiwka nicht verteidigen konnte, erklärt, die Situation an der Front werde katastrophal. Die Kritik an der Regierung folgt: „Anstatt die Herangehensweise an Rekrutierung und Ausbildung zu ändern, beschlossen sie, das Prinzip ‚Krieg nur für die Armen‘ zu legitimieren. Jetzt steht die Ukraine an der Front vor sehr ernsten Prüfungen. Aufgrund verschiedener beschissener Initiativen und der Verzögerung des Prozesses werden wir eine katastrophale Situation haben.“

Erstveröffentlicht im Overton Magazin
https://overton-magazin.de/top-story/ukraine-geringverdiener-an-die-front/

Wir danken für das Publikationsrecht.

Maidan 2014: „Unter falscher Flagge“

Der kanadische Politikwissenschaftler Ivan Katchanovski, hat das bisher wohl umfassendste Gutachten erstellt, das Ereignisse rund um den ukrainischen Maidan 2014 in Kiew entschlüsselt. In einem Interview mit der Zeitschrift Multipolar fasste er die wesentlichen Erkenntnisse seines von Fachleuten begutachteten Zeitschriftenartikels mit dem Titel „The ‚snipers‘ massacre‘ on the Maidan in Ukraine“ wie folgt zusammen:


„Synchronisierte Videos, Zeugenaussagen von mehreren hundert Personen, Geständnisse von 14 Mitgliedern von Scharfschützengruppen auf dem Maidan und die Lage der Einschusslöcher zeigen, dass sowohl die Polizei als auch die Demonstranten von Scharfschützen des Maidan massakriert wurden, die sich in den vom Maidan kontrollierten Gebäuden und Bereichen befanden. Eine inhaltliche Analyse der synchronisierten Videos ergab, dass der Zeitpunkt und die Richtung der Schüsse durch die Polizei-Spezialeinheit der ‚Berkut‘, die für das Massaker verantwortlich gemacht wurde, nicht mit der Tötung bestimmter Demonstranten übereinstimmte. Aussagen der absoluten Mehrheit der verwundeten Demonstranten und von etwa 100 Zeugen sowie gerichtsmedizinische Untersuchungen von ballistischen und medizinischen Experten für den Prozess und die Untersuchung des Massakers auf dem Maidan in der Ukraine bestätigen dies. Der Artikel zeigt, dass das Massaker unter falscher Flagge gezielt organisiert und unter Beteiligung von oligarchischen und rechtsextremen Elementen der Maidan-Opposition durchgeführt wurde, um die amtierende Regierung in der Ukraine zu stürzen.“

Das gesamte Interview ist hier nachlesen.
https://multipolar-magazin.de/artikel/katchanovski-maidan-scharfschutzen

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