»Wir ziehen nicht in eure Kriege«

Mahnende Worte zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung

Von Peter Nowak

Bild: connection e.V.

Am Samstagvormittag standen 200 leere Stühle auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Auf jedem Stuhl lag ein Schild mit Namen und Geburtsdaten: Arseni, geboren 1987, Levin, Jahrgang 2001. Sie alle haben den Militärdienst in ihren Ländern verweigert und werden deshalb verfolgt – entweder sitzen sie im Gefängnis oder müssen untertauchen. Das Bündnis Objektwarcampagne erinnerte an diese Menschen, die sich weigern, in kriegerische Konflikte zu ziehen. Im Rahmen einer internationalen Aktionswoche zum Tag der Kriegsdienstweigerung am 15. Mai fanden in mehreren Ländern Veranstaltungen statt, um ein Zeichen gegen die Militarisierung zu setzen.

In Deutschland gingen während der Aktionswoche Aktivist*innen u.a. in Celle, Schwerin, Mannheim und Osterholz-Scharmbeck auf die Straße. In Berlin stand die Veranstaltung unter dem Motto »Musik statt Krieg« – ein antimilitaristisches Bündnis organisierte auf dem Pariser Platz ein Konzert. Das Ensemble Lebenslaute spielte klassische Musik gegen Militarismus, Faschismus und Abschiebungen und intonierte bekannte Antikriegslieder aus aller Welt. Zahlreiche Redner*innen betonten die Notwendigkeit, gerade in Zeiten militärischer Aufrüstung für das Recht jener einzutreten, die keine Waffe in die Hand nehmen wollen.

»Kriegsdienstverweigerung ist kein Schönwetterrecht, das nach Belieben ausgesetzt werden kann.« Rudi Friedrich Connection

»Kriegsdienstverweigerung ist kein Schönwetterrecht, das nach Belieben ausgesetzt werden kann«, betonte Rudi Friedrich von der Organisation Connection, die Kriegsdienst- und Militärverweigerer weltweit unterstützt. »Kriegsdienstverweigerung ist als Menschenrecht anerkannt und muss jederzeit in Anspruch genommen werden können.« Der Podcaster und Publizist Ole Nymoen erklärte in einer kurzen, engagierten Rede: »Ich bin nicht bereit, für deutsche Grenzen und für irgendwelche hehren Werte zu sterben, die gerade hochgehalten werden. Die Staaten benutzen einen als Menschenmaterial, das für die Souveränität im Ernstfall verheizt wird.« Mit seinem Buch »Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde« hat er sich bei Bellizist*innen – auch aus dem grünen Milieu – viel Zorn zugezogen. Bei der Kundgebung am Samstagmittag erhielt er hingegen großen Applaus.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der gemeinsame Auftritt der Kriegsdienstverweigerer Artjom Klyga aus Russland und Andrij Konovalow aus der Ukraine. Beide werden in ihren Ländern verfolgt und leben nun in Deutschland. Gemeinsam zerbrachen sie ein Gewehr aus Pappmaché. »Wenn Menschen wie ihr in der Ukraine und in Russland mehr Gehör fänden, gäbe es längst Frieden zwischen beiden Ländern«, meinte eine Kundgebungsteilnehmerin. Konovalow und Klyga betonten, dass ihre Antikriegshaltung durchaus von Teilen der Bevölkerung in beiden Ländern unterstützt werde – doch die Unterdrückung solcher Positionen verhindere ihre Verbreitung.

Mahnende Stimmen kamen auch aus Afrika: »Traue niemandem, der vom Frieden redet, mit einem Gewehr in der Hand«, sagte der angolanische Antimilitarist Emanuel Matondo. »Krieg und Militarismus sind zwei Geschwister, die nationalistische und rassistische Gesinnung wie Hass und Ausgrenzung fördern und zementieren.« Dabei verwies er auf die kriegerische Geschichte Angolas.

Zum Abschluss der Veranstaltung rief eine Aktivistin aus dem provisorischen Antikriegsrat – einem Zusammenschluss gewaltfreier Anarchist*innen – zu Protesten gegen den für den 15. Juni geplanten Veteranentag auf. »Der Veteranentag dient der Kriegsertüchtigung der Gesellschaft, um mit der weltweiten Militarisierung Schritt zu halten«, erklärte sie. In Berlin und anderen Städten sind für den 15. Juni Proteste gegen den Veteranentag geplant.

Erstpubliziert im nd v. 19.5. 2025
https://nd.digital/editions/nd.DerTag/2025-05-19/articles/18171370

Wir danken für das Publikationsrecht.

Keine Waffenproduktion im Wedding

Über 1500 Menschen demonstrierten gegen Aufrüstung in der Hauptstadt

Von Peter Nowak

Bild: Peter Vlatten

Der Rüstungskonzern Rheinmetall gehört zu den Kriegsgewinnern. Mit der militärischen Zeitenwende hat sich der Wert der Konzernaktien vervielfacht. Nun stellt Rheinmetall an mehreren Standorten in Deutschland die Produktion um: Wo bisher zivile Güter produziert wurden, sollen künftig Rüstungsgüter hergestellt werden. So auch im Berliner Ortsteil Wedding bei der Tochterfirma Pierburg.

Doch dagegen regt sich Widerstand. Am Samstag haben circa 1500 Antimilitarist*innen unter dem Motto »Kein Rheinmetall im Wedding« dafür demonstriert, dass Geld für Soziales statt für Rüstung ausgeben wird. Organisiert wurde die Protestaktion von der Weddinger Basisgruppe der Partei Die Linke sowie von zahlreichen kommunistischen und sozialistischen Gruppen, wie der Stadtteilorganisation »Hände weg vom Wedding« und den linken Kleinstparteien DKP und Mera25.

Kein Schild und kein Firmenlogo weist darauf hin, dass das weitläufige Werksgelände zwischen den S-Bahnstationen Gesundbrunnen und Humboldthain zum Rheinmetall-Konzern gehört. Doch in der letzten Zeit sind dort Kameras errichtet worden. Seit bekannt wurde, dass in der Scheringstraße Rüstungsgüter produziert werden sollen, haben die Proteste zugenommen. Schon am 30. April sind rund 850 Menschen anlässlich der antikapitalistischen Vorabendemonstration von »Hände weg vom Wedding« vor das Werksgelände gezogen.

Zahlreiche Initiativen der Palästina-Solidarität waren mit Fahnen und Sprechchören bei der Demonstration am Samstag nicht zu überhören und zu übersehen, was nicht allen Demonstrationsteilnehmer*innen gefallen hat. »Ich hätte mir gewünscht, dass nach außen deutlicher wird, dass es sich um eine antimilitaristische Demonstration handelt«, sagte die Erika, die mit protestierte. Im Aufruf zur Demonstration heißt es: »Auch das israelische Militär setzt Panzerkanonen und Munition von Rheinmetall im Gaza-Genozid ein, bei dem seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 62 000 Palästinenser*innen getötet und 1,9 Millionen vertrieben wurden.«

In vielen Redebeiträgen gibt es prägnante Kritik an den Erscheinungen der militaristischen Zeitenwende im Alltag. Ein Aufruf an die Beschäftigten des Werks blieb aber ohne Resonanz. Am Samstagnachmittag waren keine Arbeiter*innen auf dem Firmengelände zu sehen. Vertreter*innen des Sozialistischen Deutschen Studierendenbund (SDS) teilten mit, dass auch an den Hochschulen die Zivilklauseln mißachtet werden und die Forschung an Rüstungsprojekten zunimmt.

Ein weiteres Beispiel für den Alltagsmilitarismus gab eine Demonstrationsteilnehmerin: »Ich habe heute in Berlin-Mitte eine Straßenbahn gesehen, die ganz in Tarnfarben bemalt war. Dort wurde für die Bundeswehr geworben«.

Auch eine Gruppe von Gewerkschafter*innen gegen Militarismus waren mit einen Transparent vertreten. Zu ihnen gehörte Jochen Gester, der sich seit vielen Jahren in der Berliner IG-Metall für Internationalismus und gegen Kriegspolitik einsetzt. Die hohe Teilnehmer*innenzahl und die Präsenz vieler junger Menschen auf der Demonstration sieht Gester als ermutigendes Zeichen, dass Antimilitarismus auch junge Menschen bewegt und keine Generationenfrage ist.

In den nächsten Wochen wird es in der Hauptstadt weitere Gelegenheiten geben, das deutlich zu machen. So wurde in einem Redebeitrag zu Protesten gegen den Veteranentag am 15. Juni aufgerufen. Das Bündnis »Rheinmetall Entwaffnen« warb auf einem Transparent für ihr bundesweites antimilitaristisches Protestcamp, dass in diesem Jahr vom 25. bis zum 28. August in Köln stattfindet. Neben Diskussionsveranstaltungen soll es dort auch wie in den bisherigen Camps in Unterlüss, Kassel und Kiel auch um antimilitaristische Praxis gehen.

Erstpubliziert im nd v. 11.5.2025
ttps://www.nd-aktuell.de/artikel/1191131.militarisierung-berlin-keine-waffenproduktion-im-wedding.html

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Stolperstein für Anarchosyndikalisten Walter Schwalba verlegt

Mit Walter Schwalba wurde am Freitag an einen Antifaschisten erinnert, der lange Jahre aktiv in der anarchosyndikalistischen Bewegung war

Von Peter Nowak

Bilder: Jochen Gester

Etwa 40 Menschen versammelten sich am Freitag vor dem Eingang der Bänschstraße 30 im Berliner Ortsteil Friedrichshain, darunter Schüler*innen eines Gymnasiums in der Nachbarschaft. Anlass war die Verlegung eines Stolpersteins für den Antifaschisten Walter Schwalba, der einst hier wohnte.

Zwei Fahnen, die während der Gedenkveranstaltung vor dem Hauseingang hingen, passten dazu, dass der Geehrte in seinem Leben in sehr unterschiedlichen Organisationen der politischen Linken aktiv war: Neben der Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hing dort auch das schwarz-rote Banner der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiter*innen-Union (FAU).


Jochen Gester von der Berliner VVN-BdA ging in seiner Rede auf die Biografie von Schwalba ein, die das erklärt. Der 1896 in Kreuzberg in eine Arbeiter*innenfamilie geborene Mann politisierte sich im Ersten Weltkrieg. Weil er genug vom Morden hatte, desertierte er in der Endphase des Kriegs und lebte illegal bei seiner Schwester in Berlin. Er wurde Mitglied des Spartakusbundes und der frisch gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Doch die verließ er bereits 1920 wieder und schloss sich der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) an. Heute gibt es keine schriftlichen Zeugnisse, die über die Gründe dieser Umorientierung Aufschluss geben.8

Doch Gester benannte in seiner Rede einige Anhaltspunkte. »Im März 1920 gelang es Schwalba, Arbeit in seinem erlernten Beruf als Klaviermacher zu finden. Im neuen Betrieb waren die Libertären der FAUD stark vertreten. Ihre Arbeitsweise imponierte ihm offensichtlich und führte zu einer langjährigen politischen Bindung an diese Strömung der Arbeiterbewegung.«

Schwalba war nicht nur bis zu ihrer Selbstauflösung angesichts des Naziterrors 1933 führendes Mitglied der FAUD. Ab dem Frühjahr 1934 beteiligte er sich in der Illegalität am antifaschistischen Widerstandskampf der Anarchosyndikalist*innen. Walter Schwalba übernahm die Leitung der Berliner Widerstandsgruppe. Unter dem Tarnnamen »Esst deutsche Früchte und bleibt gesund« publizierten die Illegalen eine Broschüre, die zum gewaltsamen Sturz des Naziregimes aufrief.

„Im neuen Betrieb waren die Libertären der FAUD stark vertreten. Ihre Arbeitsweise imponierte ihm offensichtlich und führte zu einer langjährigen politischen Bindung an diese Strömung der Arbeiterbewegung.“ Jochen Gester Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Hansi Oostinga, der für die FAU Berlin das Wort ergriff und über das Leben von Schwalba recherchiert hat, erinnerte an jüngere Forschungsergebnisse zur Widerstandsarbeit von Anarchosyndikalist*innen. Mindestens 600 von ihnen waren aktiv im Widerstand, darunter auch Schwalba. Er wurde 1937 mit anderen FAUD-Mitgliedern verhaftet und zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Anschluss wurde er ins KZ Sachsenhausen deportiert und 1945 von der Roten Armee befreit.

Schwalba trat der KPD bei, die sich 1946 mit der SPD zur SED vereinigte. Er arbeitete bei der Volkspolizei und erhielt mehrere Auszeichnungen. Er starb 1984. Sein Engagement in der FAUD erklärte Schwalba später als Irrweg, den er beschritten habe, weil er damals zu wenig marxistisches Lehrmaterial gehabt habe.

»Ob dies nun eine Entscheidung war, die er traf, weil ihm klar war, dass es dafür keine lebbaren Alternativen in der DDR gab, oder ob er sich von seinen Freiheitsräumen wirklich verabschiedet hatte, bleibt wohl unbeantwortet«, sagte Gester. Auch die anwesenden FAU-Mitglieder erklärten, dass es natürlich kritische Diskussionen bei ihnen gab, dass ein ehemaliger Anarchosyndikalist später bei der Volkspolizei arbeitete. Doch man gedenke Schwalba als eines aktiven Nazigegners und Deserteurs im Ersten Weltkrieg.

Am Schluss der Veranstaltung kündigte Timo Steinke von der Initiative »Wem gehört der Laskerkiez?« eine Gedenkveranstaltung für Paul Schiller am 23. April um 18 Uhr am Rudolfplatz an. Mit Schiller soll dort an einen Antifaschisten erinnert werden, der als Teil der wenig bekannten Kampfgruppe Osthafen wenige Wochen vor der Befreiung vom Faschismus Soldaten zum Desertieren aufforderte und SS-Männer entwaffnete. Er wurde am 23. April 1945 erschossen.

Erstveröffentlicht im nd v. 7.4. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190406.antifaschismus-stolperstein-fuer-anarchosyndikalisten-walter-schwalba-verlegt.html

Wir danken für das Publikationsrecht.

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