Angriff auf Venezuela

Flugzeugträger und Bomber gegen „Narco-Terroristen“?

Rund um Venezuela haben die USA eine militärische Drohkulisse aufgebaut wie seit der US-Invasion in Panama 1989 nicht mehr. Zu der Streitmacht mit etwa 10 Tausend US Soldaten gehören Kampfbomber, Kampfjets, Kampfdrohnen, ein U-Boot, acht Marineschiffe und der größte Flugzeugträger der Welt.

Wer da glaubt, es geht um die Bekämpfung von Drogenkartellen, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Im folgenden ein Beitrag zu Historie und Hintergründen der aktuellen militärischen Agressionen der USA gegen Venezuela. Die gegenwärtige venezuelanische Regierung ist in keiner Weise die Verwirklichung einer sozialistischen Vision, aber sie verfolgt eine unabhängigere nationale Politik, hält die Hand über die größten Erdölreserven der Welt und entzieht sie dem Zugriff der US Konzerne.

Nicht nur, dass das Imperium nach dem Öl giert für seine eigenen Konzerne, sondern die Kontrolle über solch strategische Ressourcen ist geopolitisch entscheidend für die Aufrechterhaltung einer globalen Dominanz.

In Rahmen dieser „geopolitischen Dominanz“ soll wohl das sogenannte „Umland“ weitmöglichst ökonomisch wie machtpolitisch angebunden werden, sei es von Kanada über Grönland und dem Golf von Mexiko als „Golf von Amerika“ bis Mittel- und Südamerika als Hinterhöfe. Denn wer glaubt, daß Trump bei Venezuela Halt macht, wenn man ihn lässt, hat das Spiel nicht verstanden. (Peter Vlatten)

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poiler-Alarm: Es ist bereits geschehen. Dies ist keine leichtfertige Antwort, sondern ein Kommentar zum Wesen des Konflikts. Die US-Mission, die Bolivarische Revolution Venezuelas an den Wurzeln zu packen, kann auf ein Vierteljahrhundert Geschichte zurückblicken.

Lesen Sie den Artikel bis zum Ende, um eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines offenen militärischen Angriffs in Venezuela zu erhalten. Aber zuerst der historische Kontext in Kürze.“ (Pressenza)

Von Roger D. Harris, Pressenza, 23.Oktober 2025

Regimewechsel ist gescheitert… bisher

Im Jahr 2002 wurde Hugo Chávez durch einen von den USA unterstützten Militärputsch vorübergehend entmachtet. Knappe 47 Stunden später erhob sich spontan das venezolanische Volk und setzte seinen rechtmäßig gewählten Präsidenten wieder ein.

Washington hat sich beharrlich in die inneren Angelegenheiten Venezuelas eingemischt und Millionen von Dollar in Wahlmanipulationen gesteckt. Doch die ständig gespaltene und unpopuläre, von den USA geförderte Opposition ist isolierter und diskreditierter denn je.

Unbeirrt von ihrem gescheiterten Putsch 2002 haben die USA wiederholt Versuche unterstützt, mit Gewalt das zu erreichen, was sie durch eine Einmischung in die venezolanischen Wahlen nicht erreichen konnten. Im Jahr 2020 wurde die sogenannte „Operation Gideon“ entwickelt, um Präsident Maduro zu entführen. Dieser Putschversuch, der spöttisch als „Schweinchenbucht“ bezeichnet wurde, scheiterte zusammen mit zahlreichen anderen. Einheimische Fischer ergriffen die Söldner.

Unter den vielen diplomatischen Bemühungen Washingtons um einen Regimewechsel wurde die Lima-Gruppe im Jahr 2017 zusammengestellt. Die Kabale aus elf rechtsorientierten lateinamerikanischen Staaten und Kanada hatte als Ziel, einen „friedlichen Ausgang“ herbeizuführen, um den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro aus dem Amt zu drängen. Bis 2021 hatte fast die Hälfte der Länder der Lima-Gruppe progressive Regierungen gewählt, und diese diplomatische Offensive verlief im Sand.

Unterdessen haben die USA 2019 den unbekannten 35-jährigen Juan Guaidó zum „Interimspräsidenten“ Venezuelas geweiht. Am 21. Dezember 2022 fand seine eigene Opposition die Marionette so toxisch und korrupt, dass sie ihn rausschmissen.

Bereits im Jahr 2015 bestätigte Barack Obama, dass Venezuela eine „außergewöhnliche Bedrohung“ für die nationale Sicherheit der USA darstellt. Er verhängte unilaterale Zwangsmaßnahmen, um die venezolanische Wirtschaft zu zerstören. Diese Form der kollektiven Bestrafung, euphemistisch als „Sanktionen“ bezeichnet, ist nach internationalem Recht illegal. Unabhängig davon hat jeder nachfolgende US-Präsident den Wirtschaftskrieg fortgesetzt und in unterschiedlichem Maße verschärft.

In Kombination mit dem Einbruch der Ölpreise, der Quelle fast aller Einnahmen aus dem Ausland, erlebte Venezuela den größten wirtschaftlichen Rückgang in Friedenszeiten in der jüngeren Weltgeschichte. Die Inflation erreichte 2.000.000% und die Tage der Bolivarischen Revolution schienen gezählt. Bis 2023 konnte Venezuela jedoch in einer heroischen Anstrengung unter der entschlossenen politischen Führung von Präsident Maduro den wirtschaftlichen freien Fall umkehren und eine BIP-Wachstumsrate von 5 % verzeichnen, und in eine positive Richtung fortsetzen.

USA gefangen in ihrem imperialen Imperativ

Ohne die Vielzahl der illegalen US-Regimewechsel-Machenschaften weiter zu vertiefen, genügt es zu sagen, dass gerade die Erfolge der Venezolaner den US-Fiskus (Uncle Sam) gezwungen haben, den Konflikt zu eskalieren. Gezwungen, weil die Vereinigten Staaten als imperiale Macht strukturell von ihrem inhärenten Streben nach Hegemonie angetrieben werden, über alle potenziellen Herausforderer herrschen zu wollen. Dieser Zwang ist in der offiziellen Sicherheitsdoktrin der „Full-spectrum dominance“ (Überlegenheit auf allen Ebenen) kodifiziert.

Venezuela war in der Tat eine Herausforderung. Bereits 1976 verstaatlichte Präsident Carlos Andrés Pérez die venezolanischen Ölreserven – noch bevor Chávez 1998 gewählt wurde, und damit die größten der Welt. Chávez verschärfte die staatliche Kontrolle über die Ölindustrie und enteignete das Vermögen internationaler Ölgesellschaften.

Chávez‘ Präzedenzfall, die natürlichen Ressourcen des Landes, einschließlich der beträchtlichen venezolanischen Reserven an Erdgas, Eisenerz, Bauxit, Gold, Kohle und Diamanten, zur Finanzierung von Sozialprogrammen zu nutzen, anstatt sie für private Profite zu übergeben, ist für die USA ein Gräuel. Nicht nur, dass das Imperium nach dem Öl giert für seine eigenen Konzerne, sondern die Kontrolle über solch strategische Ressourcen geopolitisch entscheidend ist für die Aufrechterhaltung einer globalen Dominanz.

Venezuela war auch führend in der Förderung einer regionalen Einheit, die von den USA unabhängig ist, und schmiedete Allianzen wie CELAC und ALBA. Es ist ein enger Verbündeter mit Nicaragua und Kuba, beide ebenfalls auf der Feindesliste der USA. Durch die OPECdie Friends in Defense of the UN Charter und andere Initiativen hat Venezuela die Einheit Lateinamerikas mit Afrika und Asien gefördert. Venezuela unterhält „strategische Partnerschaften“ mit China und Russland und steht dem Iran nahe. Als Verfechter Palästinas brach es 2009 die Beziehungen zu Israel ab. Venezuela unterstützt auch eine entstehende multilaterale internationale Gemeinschaft.

Wegen all dieser „Vergehen“ ist die Existenz der Bolivarischen Revolution für die Die US-Hegemonialmacht unerträglich, und muss vernichtet werden.

Die Leitplanken sind heruntergelassen

Trump arbeitet praktisch ohne institutionelle Zwänge. Nur fünf Demokraten im Kongress erwachten kürzlich aus ihrem Schlummer und schickten einen Brief, in dem sie zaghaft andeuteten, dass die „Macht des Präsidenten nicht unbegrenzt ist“. Aber der Senat hat gerade gegen eine Kriegsermächtigungsresolution gestimmt, die die Angriffe auf Venezuela eindämmen soll.

Demokratische Abgeordnete im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses veröffentlichten auf X: „Trump und Rubio drängen auf einen Regimewechsel in Venezuela. Das amerikanische Volk will keinen weiteren Krieg.“ Ihre Kollegen im Senat erteilten jedoch denselben Republikanern, die mit einer „Maduro muss gehen„-Plattform angetreten waren, ein einstimmiges Mandat. Sie beeilten sich, dies zu tun, ohne Debatte, gleich zu Beginn der neuen Regierungszeit.

Innerhalb des parteiübergreifenden Konsenses für einen Regimewechsel in Venezuela sind die Unterschiede kosmetischer Natur. Die Demokraten würden es vorziehen, den souveränen Staat „legal“ zu stürzen. Truthout berichtet, dass einige hochrangige Demokraten „andere Mitglieder davor warnten, sich gegen Trumps Krieg zu stellen, und sagten, dass dies gleichbedeutend damit wäre, sich unterstützend hinter Maduro zu stellen“. Wenn die Republikaner einen Angriff vorantreiben, werden die Demokraten bestenfalls mit den Zielen, aber nicht mit den Mitteln einverstanden sein.

Die patriotische Presse bereitet die öffentliche Meinung auf einen Angriff vor

Am 26. September berichtete NBC News „aus dem Weißen Haus„, dass die USA Angriffe in Venezuela planen. Das einminütige Video zeigt tatsächlich einen Mann, der auf der Straße vor dem Weißen Haus steht und behauptet, er habe mit vier unbenannten „Quellen“ gechattet. Im Nachgang ging diese nicht recherchierte Pressemeldung viral und wurde von fast allen großen Presseunternehmen aufgegriffen.

Die New York Times schrieb in einem Leitartikel: „Herr Trump ist zunehmend frustriert darüber, dass Herr Maduro den amerikanischen Forderungen nicht nachkommt, seine Macht freiwillig aufzugeben, und dass venezolanische Beamte weiterhin darauf bestehen, dass sie nichts mit Drogenhandel zu tun haben.“ Was diesen Pentagon-Schreibern nicht in den Sinn kommt, ist, dass Trump auch keine Begeisterung dafür gezeigt hat, freiwillig auf Macht zu verzichten oder auch nur die dokumentierte Schlussfolgerung der Rolle der USA im Drogenhandel zuzugeben.

In einem ihrer typischen Propagandaartikel in Form eines Versuchs, als Nachrichtenmeldung durchzugehen, erzählt uns die Times, „was wir wissen“ über Washingtons Offensive gegen Venezuela: „Das Endspiel bleibt undurchsichtig.“ Anscheinend haben sie keine Ahnung, denn das Endspiel ist ein Regimewechsel. In an Venezuela gerichteten Bemerkungen drohte Trump: „Wir werden euch vernichten.“

Alle Voraussetzungen für einen Angriff in Venezuela sind bereit
  • Diplomatische Beziehungen mit Venezuela sind seit 2019 abgebrochen.
  • Im Jahr 2020 klagten die USA Präsident Maduro wegen Drogenterrorismus an und setzten ein Kopfgeld von 15 Millionen Dollar auf ihn aus, das später auf 25 Millionen und jetzt 50 Millionen erhöht wurde.
  • Die diplomatische Isolation Venezuelas wurde durch eine Reihe von Sanktionen und internationalen Maßnahmen weiter verschärft. Während die politische Führung in Caracas bemüht war, neue Bündnisse zu schließen, verschlechterte sich die humanitäre Lage im Land zunehmend. Gleichzeitig verstärkten die Vereinigten Staaten ihre militärischen Drohgebärden und setzten auf maximale wirtschaftliche und politische Druckmittel, um einen Regierungswechsel zu erzwingen.
  • Am 20. Januar trat Trump sein Amt an. Die Executive Order 14157 erklärte einen „nationalen Notstand“ und bezeichnete internationale Drogenhandelsgruppen als „ausländische terroristische Organisationen“ (FTOs) und „speziell ausgewiesene globale Terroristen“, wobei sie sich auf die Befugnis des Alien Enemies Act beruft.
  • Bis Februar argumentierte Außenminister Marco Rubio, dass FTOs eine „existenzielle Bedrohung“ darstellten, und legte damit den Grundstein dafür, Kartelle, die angeblich mit Präsident Maduro in Verbindung stehen, als feindliche Kämpfer zu behandeln.
  • Im Mai ebnete die Regierung den Weg für den Einsatz militärischer Gewalt gegen FTOs.
  • Im Juli genehmigte dann eine „Geheimdirektive“ militärische Operationen gegen FTOs auf See und auf fremdem Boden.
  • Bis August starteten die USA einen massiven Marineeinsatz vor der Küste Venezuelas. Bis Oktober erreichte die Truppenaufstellung Berichten zufolge 10.000 Mann.
  • Am 2. September sprengte die USA das erste von vier oder fünf mutmaßlichen Drogenbooten in internationalen Gewässern vor Venezuela, was außergerichtliche Ermordung der Besatzungen zur Folge hatte.
  • Bis Mitte September benachrichtigte das Pentagon den Kongress im Rahmen der War Powers Resolution, dass die US-Streitkräfte in einen „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ mit Drogenkartellen verwickelt seien.
  • Dem folgten am 1. Oktober das „vertrauliche Memo“ des Verteidigungsministeriums und weitere Briefings des Kongresses, dass die USA in einen bewaffneten Konflikt verwickelt seien.
  • Trump beendete daraufhin die letzten inoffiziellen diplomatischen Kontakte mit Venezuela.

Wenn die „internationale Gemeinschaft” den anhaltenden Völkermord der USA und Israels in Palästina nicht stoppen kann, stößt der Yankee-Moloch in der Karibik auf wenig effektiven Widerstand. Ein US-Angriff in Venezuela steht unmittelbar bevor!

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ursula Nollenberger vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Roger D. Harris, Gründungsmitglied des Venezuela Solidarity Network, ist Mitglied des Vorstands der Task Force on the Americas und des Sekretariats des US-Friedensrates.

Der Beitrag in Deutsch ist zuerst erschienen bei Pressenza, 23.Oktober 2025. Wir danken für die Publikationsrechte.

Titelbild: Collage Peter Vlatten

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