Richard Lutz: Bahnchef tauschen reicht nicht

Es braucht eine gemeinnützige Bahn, die ihren Vorstand selbst wählt, meint Carl Waßmuth

Bild: pixabay

Nun sollen also Headhunter-Agenturen nach dem nächsten Bahnvorstand suchen. Der wird dann nach der Probezeit sofort Multimillionär. Allein das Grundgehalt beträgt 1,4 Millionen Euro, dazu kommen die Boni. Richard Lutz bekam seit 2017 geschätzt 15 Millionen Euro. Dass er in dieser Zeit zugelassen hat, dass das Schienennetz um mehr als das Hundertfache seines Gehaltes an Wert verloren hat – geschenkt. Lutz wird sich über D&O abgesichert haben. D&O steht für Directors and Officers liability assurance und gewährleistet, dass so gut wie nie ein Manager für Bockmist haftet, den er seiner Firma eingebrockt hat.

Dass Lutz für seine Verantwortungslosigkeit fürstlich entlohnt wird, ist kein Zufall. Es entspricht dem System Deutsche Bahn AG (DB AG), das vor drei Jahrzehnten eingerichtet wurde. Im Jahr 1994 wurde das Grundgesetz geändert: »Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt.« Es war die Zeit, als Privatisierungen mit quasi-religiösen Heilsversprechen beworben wurden. Zuvor hatten Reichsbahn und Bundesbahn 6000 sogenannte Bahndirektoren, bei insgesamt 340 000 Beschäftigten, ein Verhältnis von 1 zu 56. Die DB AG splitterte sich in Hunderte Einzelfirmen auf, alle mit eigener Geschäftsführung. Die Zahl der Manager wuchs auf über 20 000, während 140 000 Stellen abgebaut wurden – auf eine Führungskraft kommen heute neun Beschäftigte. Dieser Wasserkopf kostet geschätzt zwei Milliarden Euro jährlich.

Carl Waßmuth ist Bauingenieur und Mitbegründer von »Gemeingut in BürgerInnenhand«. Der Verein setzt sich gegen die Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge ein und für eine gesellschaftliche Verfügung über Güter wie Wasser, Bildung, Mobilität und Gesundheit. Er ist zudem Teil des Bündnisses »Bahn für Alle«, in dessen Vorstand Waßmuth sitzt.

Das Geflecht aus Firmen ist nicht nur finanziell ein Problem. Es ist die DNA der Lüge, die DB wäre eigenwirtschaftlich am Markt tätig. Jede Einheit soll ein Profitcenter sein. Alle stellen sich gegenseitig Rechnungen. Eine E-Mail-Adresse kostet dann 100 Euro im Monat usw. Aber kein Verkehrssystem der Welt kann rein betriebswirtschaftlich Gewinne erzielen. Der Mehrwert entsteht auch beim Schienenverkehr volkswirtschaftlich. DB-Gewinne kommen also vielfach aus Sondererlösen wie Verkäufe von Grundstücken, Firmen, Marken und vielem mehr. Und – ökologisch kontraproduktiv – aus steigenden Fahrpreisen und Trassengebühren.

Der nach dem Personal größte Produktivfaktor – die Infrastruktur – wurde aus den DB-Bilanzen wohlwissentlich herausgehalten. Geschenktes Geld für Schienen muss man nicht verbuchen, so die Betrachtungsweise. Seit 2009 gibt es sogar einen Schenkungsvertrag: die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Im Gegenzug für geschenkte Milliarden weist die DB jährlich im Netzzustandsbericht nach, dass sie bis zu 99 von 100 möglichen Punkten erreicht. Die Kluft zur Realität im Bahnalltag wird allerdings jedes Jahr größer (Bundesrechnungshof: »für die Outputkontrolle bei der Schienenwegefinanzierung nicht geeignet«). Heute ist klar: Das Netz ist kaputt.

Was tun? Wir benötigen eine kundenfreundliche, zuverlässige Bahn als Alternative zu Auto und Lkw. Nur den Vorstand auszutauschen reicht nicht. Das Firmengeflecht muss zusammengeführt werden, um die Bahn endlich wieder gemeinnützig zu steuern. Über Jahrzehnte vorausschauende Vorgaben müssen die Quartalsberichte ersetzen. Und die Geschäftsführung mit maximal Bundeskanzlergehalt sollte gewählt werden – Bahnkunden und Beschäftigte haben dazu weit mehr Kompetenzen als jeder Headhunter.

Erstveröffentlicht im nd v. 20.8. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193433.nachfolge-richard-lutz-bahnchef-tauschen-reicht-nicht.html?sstr=Bahnchef|tauschen

Für danken für das Publikationsrecht.

„Bildung statt Kanonen! Umverteilung!“

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Es kommt eine bedeutende Entwicklung in Gang: Die gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen empören sich nicht nur über die Kürzungen in den öffentlichen Haushalten, die zu Lasten der abhängig Beschäftigten gehen, sondern prangern auch die Erhöhungen im Rüstungshaushalt an und sehen da einen Zusammenhang: Ein EURO kann nur einmal ausgegeben werden, entweder für Bildung, Soziales und Daseinsvorsorge oder für die Rüstung.

Beispielhaft ist der Protest der Berliner Hochschulangehörigen und ihrer Gewerkschaften. Schon am 14. Juli waren über 3.000 Studierende, Hochschulangehörige und ihre Gewerkschaften vor der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege in der Oranienstraße zusammengekommen und hatten gegen die geplanten Kürzungen protestiert.

Rund 140 Millionen Euro, die in den Verträgen zwischen dem Land Berlin und den Hochschulen zugesagt waren, enthält der Berliner schwarz-rote Senat den Hochschulen allein für das laufende Jahr vor. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass die Kündigung geschlossener Verträge rechtswidrig ist, schlug ver.di vor, gegen das Land Berlin zu klagen. Doch nach anfänglichem Zögern lehnte die Freie Universität ab. Für etwas „mehr Planungssicherheit und kurzfristige Verbesserungen“ soll dem neuen Vertragstext zugestimmt und auf den Klageweg verzichtet werden. Und aus Rücksicht „auf den konstruktiven Dialog mit dem Land Berlin“.

Die ver.di Betriebsgruppe der FU kommentiert: „Dialog? Total destruktiv nimmt der schwarz-rote Senat den Unis die Butter vom Brot und deren Chefs bedanken sich noch unterwürfig für die letzten Krumen, die Czyborra ihnen hinwirft. Ein Vorgang, der eigentlich nur eine Konsequenz zulässt: Weiter Zähne zu zeigen!“

Unter der Überschrift „Die Alternativen: Bildung statt Kanonen! Umverteilung!“ stellt die Ver.di Betriebsgruppe dann fest, dass es nicht an Geld fehlt, sondern dass das Geld an der falschen Stelle ausgegeben wird: „Was hier an den Universitäten und Hochschulen durchexerziert wird, ist kein Zufall. Es ist kein Naturgesetz. Es ist das Ergebnis falscher politischer Prioritäten: Während hier Personal abgebaut, Lehre verschlechtert und soziale Angebote gestrichen werden, Auszubildende nicht übernommen werden, steigen gleichzeitig die Ausgaben für Rüstung und Kriegsvorbereitung in astronomische Höhen. Seit Jahren ist von den politischen Verantwortlichen zu hören: ‚Es ist kein Geld da.‘ Tatsache ist, dass innerhalb weniger Tage Milliarden für Aufrüstung und Krieg, unbegrenzte Kriegskredite, mobilisiert werden, während für die öffentliche Daseinsvorsorge und ihre Betriebe weitere Kürzungen auf der Tagesordnung stehen und viele soziale Einrichtungen vor dem Aus stehen.“

Die ver.di Betriebsgruppe der FU schloss sich am 8. August 2025 auf ihrer Mitgliederversammlung einem Beschluss an, den der ver.di-Bezirksvorstand Berlin auf einer außerordentlichen Sitzung am 7. Juli 2025 gefasst hatte. In diesem Beschluss wird klar auf den Zusammenhang von Streichungen im Bildungs- und Sozialbereich und in der Daseinvorsorge einerseits und den erhöhten Rüstungsausgaben andererseits hingewiesen: „Seit Jahren ist von den politischen Verantwortlichen zu hören:’„Es ist kein Geld da.‘ Tatsache ist, dass innerhalb weniger Tage Milliarden für Aufrüstung und Krieg, unbegrenzte Kriegskredite, mobilisiert werden konnten, während für die öffentliche Daseinsvorsorge und ihre Betriebe weitere Kürzungen auf der Tagesordnung stehen und viele soziale Einrichtungen vor dem Aus stehen.“

Berlin – barrierefreie Mobilität verteidigen!

Mit einer Mobilitätsbeeinträchtigung selbstbestimmt, unkompliziert und flexibel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin unterwegs – das soll Ende des Jahres vorbei sein!
BVG Muva steht auf der Streichliste des Berliner Senats.

BVG Muva ist ein barrierefreier On-Demand-Service der Berliner Verkehrsbetriebe. BVG Muva stellt sicher, dass auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen verlässlich, flexibel und selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilnehmen können – ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und des Berliner Mobilitätsgesetzes.

BVG Muva hat sich zu einem perfekten Service mit ca 1000 täglichen Buchungen entwickelt für alle, die sonst durch Barrieren vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen würden. Für Menschen im Rollstuhl und mit Rollator, fur Personen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen, für Ältere und Schwangere, für Erwachsene mit kleinen Kindern oder schwerem Gepäck.

Dass Inklusionstaxis eine Alternative seien, ist eine Täuschung. Die Barrierefreiheit ist ungenügend, es gibt zuwenige Taxis und keine Integration in den ÖPNV

Der Verein Landesverband Lebenshilfe Berlin e.V. schlägt Alarm und fordert

  1. Sofortige Verlängerung des Betriebsvertrags für den BVG Muva über den 31.12.2025 hinaus!
  2. Finanzielle Absicherung im Haushalt des Landes Berlin!
  3. Beteiligung der Zielgruppe an politischen Entscheidungen – nicht über, sondern mit den Betroffenen reden!
  4. Schrittweise Weiterentwicklung des Services mit Fokus auf Integration, Qualität und Nutzerfreundlichkeit – auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen!
  5. Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Fahrgäste, Angehörige und für die Beschäftigten des BVG Muva! 

Inklusion darf nicht zur Verhandlungsmasse gemacht werden. Sie ist ein Versprechen der Gesellschaft an ihre Mitglieder – und das muss gehalten werden.

Die Berliner Politik des sozialen Kahlschlags macht vor nichts halt. Sie trifft vor allem auch hier wieder die Schwächsten in der Gesellschaft. Die Einschränkung der Mobilität ist angesichts einer alternden Gesellschaft doppelt schändlich. Die Schwächsten sozial ausgrenzen ist ein rechtes Programm. Dagegen kämpfen ist konkret Kampf gegen Rechts.

Es ist noch nicht lange her, da wurde auf einem Veteranentag Kriegsopfern mit bleibenden Gesundheitsschäden und körperlichen Behinderungen eine schöne heile Welt der Vollumsorgung vorgegaukelt.

Die soziale Realität sieht anders aus. Es sei denn wir wehren und solidarisieren uns.

Unterstützt die Petition für ein barrierefreies Berlin, für Inklusion, für Menschenrechte. Macht die Petition bekannt!

Titelbild: Collage Peter Vlatten

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