Mietenwahnsinn als globaler Normalzustand

von Maria Wünsche

Die Filmvorführung „PUSH – Für das Grundrecht auf Wohnen“ am 9. Mai 2022 im ACUD-Kino Mitte war gut besucht. Im anschließenden Filmgespräch mit Rouzbeh Taheri, Mitgründer Deutsche Wohnen & Co Enteignen, und Franziska Bychcy, MdA Die Linke, fanden Publikum und geladene Gäste klare Worte.

Ob Toronto, London oder Berlin: Das Problem der steigenden Mieten und Verdrängung eint viele Städte weltweit. Trotz der Nöte der Menschen, sich die Mieten nahe ihrer Arbeitsplätze schlicht nicht mehr leisten zu können, und der zunehmenden Armut und Obdachlosigkeit verweigert die Politik weltweit, Antworten und Lösungen zu finden.

Regisseur Fredrik Gerttens begleitet die Arbeit von Leilani Farha, UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, und dokumentiert in seinem Film, zu welchen Verwerfungen der Ausverkauf urbaner Wohnungsbestände an internationale Spekulanten und Finanzkonzerne führt. Der Film zeigt auf, wie wenig sich die Anbieter ihrem Ur-Zweck der Wohnraumversorgung verpflichtet fühlen und wie sich das System in seiner Blase ernährt – ohne Werte für die Gemeinschaft zu schaffen. Der Mietenwahnsinn in Großstädten wird immer mehr zum Normalzustand und egal, wo man hinblickt, die Politik kümmert es kaum.

Dass Wohnen ein Menschrecht und selbst im Deutschen Grundgesetz verankert ist, merken auch Wohnungssuchende in Berlin kaum. Und so lacht das Publikum im ACUD-Kino im Szeneviertel in Berlin-Mitte schmerzlich, als ein Komiker im Film skizziert, dass das, was wir als Kiezkultur lieben, wie authentische Nachbarschaften, inhabergeführte Cafés und Kulturangebote die Vorboten der Gentrifizierung und des Ausverkaufs sind.

Man wünscht sich, der Film wäre Pflichtprogramm im Berliner Abgeordnetenhaus

Die nachfolgende Diskussion bringt den Frust der Betroffenen und auch der anwesenden Mietaktivist:innen über die Untätigkeit der Politik auf den Punkt.

Man stellt fest, dass die eingeladenen Gäste von der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ und der Berliner Linkspartei die falschen Adressaten für die politische Kritik sind. Vielmehr sollten die konservativen Parteien und die SPD ihre Lehren ziehen, wie die Finanzkrise von 2008 und die daraufhin eingeschlagene Nullzinspolitik, die Geldmenge und den Anlagedruck stetig erhöhten und eine Kapitalflucht in Immobilien und Grundstücke auslösten. Eine Preisspirale kam in Gang und diese dreht Mieten und auch die Kosten für den Neubau immer weiter nach oben.

Dass es Lösungen gibt, die Menschen, ihr Zuhause und ganze Regionen vor der Macht der Finanz- und Immobilienkonzerne zu retten, das wusste das Publikum im Kinosaal nur allzu gut: Rekommunalisierung der Wohnungsbestände, Kampf gegen Leerstand und Spekulation, das Recht auf Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft, bundesweiter Mietendeckel statt Wohngeld für die Haie, Grundsteuer auch bei Unternehmensübernahmen, Mietenkataster usw.

Allein der politische Wille wird vermisst, diese offensichtlichen strukturellen Probleme und die begründeten Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und zu handeln – anstelle nur Absichten zu bekunden und Veranwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern hin- und herzuschieben.

„Es wird weiter den Druck und Protest von der Straße brauchen – mehr noch als bisher“, wünscht sich die Franziska Bychcy (Partei Die Linke) von den anwesenden Berliner Mietaktivist:innen.

Rouzbeh Taheri von der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ erwartet, dass in den kommenden Wochen für Berliner Mieter:innen eine neue Welle von Mieterhöhungen ins Haus steht. Auch die Nebenkosten werden für das Profitstreben der Konzerne noch stärker missbraucht werden.

Die Politik muss sich entscheiden, zu wem sie halten will: zu den mächtigen Finanzinvestoren oder zu der Mehrheit der Menschen in unserem Land, für die es gilt, das Grundrecht auf Wohnen endlich mit Leben zu füllen und sie vor der Ausplünderung zu bewahren.

Die nächste Filmvorführung und -diskussion zum Thema „Wohnen“ gibt es am Montag, den 13. Juni 2022, um 19 Uhr im Acud-Kino am Weinberg (Veteranenstrasse 21, 10119 Berlin-Mitte). Es läuft der Film „Mietrebellen“ – wieder mit anschließendem Filmgespräch und Gästen.

Das „Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin“ und auch die Einzelgewerkschaften wie die IG Metall unterstützen die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“.

Mietendeckel gekippt ! Wessen Recht ist das Recht?

Mitte April hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel regelrecht eingestampft. Wer geglaubt hat oder glaubt, dass die Gerichtsbarkeit in diesem Lande widerstandlos zulässt, dass Eigentum grundätzlich im Bereich Wohnen hinter Gemeinwohlinteressen gestellt werden soll, der hat große Illusionen oder muss schon ziemlich „querdenken“. Einem meiner Freunde fiel spontan der alte provokante Spruch ein „Das Auge des Gesetzes sitzt im Gesicht der herrschenden Klasse“!

Und wer meint, es sei alles hauptsächlich „nur“ eine Frage von Zuständigkeiten, der kann gewaltig irren. Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung am 18.4. dazu : „Das Verfassungsgericht hätte dem Wohl der Allgemeinheit dienen können, wenn es ein paar Wegweiser aufgestellt hätte, wie dieses Allgemeinwohl im Wohnungswesen und im Mietrecht verwirklicht werden kann.“ * Aber es sagte „Nicht Muh, Nicht Mäh!“ * Das Bundesverfassungsgericht hätte sich sehr wohl zum Inhalt , wie in vielen anderen Fällen, äußern können. Seine besondere Sprachlosigkeit in diesem Fall spricht Bände.

Gleichzeitig wird der Mietedendeckel von denen, die immer mehr Macht und Deutungshoheit über das Recht in unserem Land beanspruchen, explizit , wie andere Regulierungen zum Schutz des Allgemeinwohls auch, als Angriff auf „Freiheit“ und „Grundrechte“ umgedeutet und gebrandmarkt. „Eine staatliche Politik, die mit einem Mietendeckel auf derartige Grundrechtseingriffe und Fehlsteuerungen setzt, kann die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sicher nicht lösen.“ (20.4.2021, Welt) ². Aus dem AFD nahen Umfeld machen sich schon Unworte wie „Mieterdiktatur“ breit. Und viele alternative Wohnprojekte gerade auch in Berlin können ein trauriges Lied davon singen, wie Gerichtsbarkeit und Sichehreitsorgane nicht gerade „augenzwinkernd“, wie jüngst bei Querdenkerauftritten, mit ihnen umgesprungen sind.

DGB-Vorstandsmitglied Körzel bedauerte die Karlsruher Entscheidung und forderte: “ Ein bundesweites und auf sechs Jahre befristetes Verbot für Mieterhöhungen „…. „Bund und Länder müssen diese Zeit nutzen, um jährlich 100.000 Sozialwohnungen zu bauen. Dafür müssen Bund und Länder zusammen sechs Milliarden Euro bereitstellen.“ (15.4.2021, Funk Medien Gruppe) ³

Es ist richtig. Ein Stopp der Mietpreisexplosion muss bundesweit kommen. Das wird aber in erster Linie nicht über Wahlen oder Gerichte entschieden, sondern vor allem durch eine breite Basisbewegung , an der sich möglichst viele Schichten der gesamten Gesellschaft (bis hin zum kleinen Wohneigentümer selbst) und die arbeitende Bevölkerung (einschließlich der Gewerkschaften) beteiligen. Die spontanen breiten Proteste nach dem Bekanntgeben der Karlsruher Entscheidung müssen der Auftakt für eine solche nachhaltige breite bundesweite und auch illusionslose Protestbewegung bilden .

Etwas Hoffnung gibt, dass die 100 Tausend Marke an Unterstützerunterschriften für „Deutsche Wohnen enteignen“ inzwischen überschritten wurde. 47 % der Berliner stehen laut einer aktuellen Umfrage dem Enteignungsvorhaben der „‚Großen Wohnkonzerne“ positiv gegenüber. Aber wie sieht es bundesweit aus? Für einen härteren Lockdown als den des gegenwärtigen Regierungkurses sprechen sich deutlich mehr als 50% der Menschen in ganz Deutschland aus. Seit Jahren schon gibt es eine Zweidrittel Mehrheit gegen steigenden Rüstungsexporte. In praktische Politik wird davon wenig bis gar nichts umgesetzt. Der Lobbyismus, wie wir ihn aktuell hautnah bei Wirecard und Maskenbeschaffungskandalen erleben, braucht spürbar Gegengewicht und Gegendruck.

Der Protest muss den Fokus voll auf das mit Wohnimmobilien spekulierende Finanzkapital und die großen Wohnkonzerne richten. Und thematisch ausreichend breit und lösungsorientiert aufgestellt sein. Zum „Deckeln“ und „Enteignen “ gehört unmittelbar ein Maßnahmenpaket dazu, das endlich der preistreibenden Spekulation in die Parade fährt, Bauen billiger macht und der öffentlichen Hand die erforderlichen Finanzspielräume verschafft (siehe unsere Grußbotschaft an die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“, wo wir entsprechende Forderungen aufgestellt haben: https://www.arbeitskreis-internationalismus.de/wir-unterstuetzen-die-kampagne-deutsche-wohnen-enteignen-und-sagen-stopp-fuer-die-gesamte-heissgelaufene-protitwirtschaft-um-bauen-und-wohnen/ )

Nicht nur Mieten müssen erschwinglich sein, sondern auch Bauen, allem voran Grund und Boden, muss endlich wieder erschwinglich werden, damit es für alle genügend bezahlbaren und auf die Bedürfnisse von uns Menschen zugeschnittenen Wohnraum gibt.

Wir müssen „Stopp sagen für die gesamte heißgelaufene Profitwirtschaft rund um

Boden, Bauen und Wohnen!“

Grußbotschaft an die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“:

https://www.arbeitskreis-internationalismus.de/wir-unterstuetzen-die-kampagne-deutsche-wohnen-enteignen-und-sagen-stopp-fuer-die-gesamte-heissgelaufene-protitwirtschaft-um-bauen-und-wohnen/

Petition von Campact zum Mietendeckel:

https://aktion.campact.de/mietendeckel/appell/teilnehmen?utm_medium=recommendation&utm_source=rec-um&utm_term=rec-email

Quellen:

*) https://www.sueddeutsche.de/politik/prantl-berlin-miete-mietendeckel-1.5268261

²) https://amp.welt.de/debatte/kommentare/article230525115/Mietendeckel-Die-Folgen-des-Verfassungsgerichtsurteils.html?fbclid=IwAR0-0ZR5jKY9KEsKYohiCxm1FzESwi-AEJLJC88bg9jVoErQMFz77Y1QkZ8

³) https://presse-augsburg.de/dgb-fordert-bundesweiten-mietenstopp/713080/?fbclid=IwAR1W8z58GPh-e6AfeZkfwysyS4-ZTDEWRUe9aKk186PKBW0jWFsKaammoG8

Wir unterstützen die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“ und sagen Stopp für die gesamte heiss gewordene Profitwirtschaft um Bauen und Wohnen

Beitrag von Peter auf verschiedenen Kundgebungen der Kampagne

Der Arbeitskreis Internationalismus IGM Berlin wünscht der Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“ einen durchschlagenden Erfolg!

Viele unserer arbeitenden Kollegen, ihre Familien , ihre Kinder oder Rentner lebten in Angst vor der nächsten Mieterhöhung. Der Mietendeckel hat tatsächlich für viele, die eine Wohnung haben und sich nicht verändern müssen, Erleichterung gebracht. Aber diese Erleichterung muss nachhaltig werden. Auch über 5 Jahre hinaus.

Energie- und Verkehrswende oder Digitalisierung ziehen in unserer Metall Branche viele talentierte Arbeitskräfte nach Berlin. Wenn sie eine Wohnung finden wollen, stehen sie vor dem NICHTS. Die Mietpreise der noch „freien“ Wohnungen, die nach 2014 fertiggestellt wurden, schießen weiter ins Unendliche. Sie fressen auch die höchsten unserer Löhne und Gehälter auf. Auszubildende, die endlich von zuhause ausziehen wollen, finden immer schwerer eine eigene Bude. Junge Paare, die zusammen ziehen oder sich wegen Nachwuchs vergrößern müssen, stehen ebenfalls buchstäblich vor dem NICHTS! Opa und Oma, die nicht mehr 6 Treppen steigen können, finden keine Wohnung in Parterre oder mit Fahrstuhl. Was sich einige ältere Kollegen noch leisten konnten, die Anschaffung eines kleinen Eigenheims aus jahrzehntelanger Schufterei, das bleibt für die meisten Jungen nur noch ein unerreichbarer Hollywood Traum.

Nicht nur Mieten müssen erschwinglich sein, sondern auch Bauen muss endlich wieder erschwinglich werden, damit es für alle genügend bezahlbaren und auf die Bedürfnisse von uns Menschen zugeschnittenen Wohnraum gibt.

Wohnraum ist längst zum reinen Finanz- und Spekulationsobjekt verkommen. Der ursprüngliche Zweck der Immobilie, Wohnraum für Menschen zur Verfügung zu stellen, interessiert immer weniger. Die Aussicht auf Wertsteigerungen von 400% und mehr binnen 10 Jahren lockt massenhaft das vagabundierende Kapital von Superreichen an, das fieberhaft rund um den Erdball nach Anlagemöglichkeiten sucht. So treibt die Spekulationsspirale von Kauf und Verkauf der großen international agierenden Immobilienkonzerne und Beteiligungsgesellschaften die Preise in abenteuerliche Höhen. Die Aktienkurse der großen Berliner Immobilienkonzerne sind auch nach den Plänen zum Mietendeckel um durchschnittlich 30% weiter angestiegen.

Für die IG Metall ist Wohnen wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Alle Menschen müssen geeigneten Wohnraum finden und sich auch in zentral gelegenen Stadtteilen leisten können. Dazu muss aber der riesige Bestand an Wohnungen, die zum Spielball des Finanzkapitals geworden sind, unter öffentliche und soziale Kontrolle gestellt werden. Deshalb unterstützt die IG Metall die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“. Und nicht nur das. Es muss auch ausreichend neuer Wohnraum geschaffen werden. Das wird nur möglich, wenn die Preisspekulation selbst als Ganzes gebrochen wird:

  • „Enteignen“ darf nicht „Abkaufen zu aktuellen Spekulationspreisen“ bedeuten, was der öffentlichen Hand die finanziellen Spielräume zur Schaffung von neuem zusätzlichen Wohnraum gefährlich einengen würde. Es darf bestenfalls zu Einstandspreisen und tatsächlichen geleisteten Instandhaltungsmaßnahmen entschädigt werden. Die Konzerne haben in den vergangenen Jahren genug Gewinne aus den Mieten abgeschöpft.
  • Die Gewinne aus der Bodenspekulation, der wahre Hauptpreistreiber, der Bauen immer teurer macht, sind steuerlich konsequent abzuschöpfen.
  • Und die großen Wohnkonzerne müssen wie jeder Normalbürger endlich Grunderwerbssteuer zahlen. Als Beteiligungsgesellschaften sind sie von dieser Steuer bisher ausgenommen. Diese Bevorzugung ist nicht nur eine schreiende Ungerechtigkeit , sie heizt die Spekulations- und Preisspirale mit Kauf/Verkauf von Immobilien geradezu an und der öffentlichen Hand entgehen Hunderte von Millionen Steuereinnahmen.

Wir müssen Stopp sagen für die gesamte heißgelaufene Profitwirtschaft rund um das Bauen und Wohnen!

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