Jan Hektik, Neue Internationale 282, Mai 2024
Wieder einmal wird Elon Musk in den Medien rauf und runter gespielt und wieder einmal macht die Gigafactory in Grünheide Schlagzeilen. Diesmal geht es um die Massenentlassungen, die Musk auf X (vorher: Twitter) angekündigt hatte. Rund 10 % aller weltweit Beschäftigten sollen entlassen werden, da sich der Konzern „zwischen zwei Wachstumswellen“ befände. Ursprung der Überlegung sind wohl sinkende Verkaufszahlen, die vor allem auf die steigende Konkurrenz zurückgeführt werden. Wie immer wird in den deutschen Medien viel diskutiert, welche Ursachen der Rückgang haben kann, wie viele Entlassungen wirklich „notwendig“ wären und welches Verhältnis zwischen Entlassungen und Vergütung „fair“ sei.
Der 174-Milliarden-US-Dollar schwere Mensch ficht nämlich gerade in Kalifornien einen Rechtsstreit aus, bei dem es um eine Vergütung im Wert von rund 56 Milliarden US-Dollar geht. Auch wenn der Verweis auf den gigantischen privaten Reichtum von Musk zu kurz greift, um die Probleme von Tesla zu erklären, so verdeutlicht er, welche Profite der Konzern in den letzten Jahren auch mithilfe jener Arbeiter:innen erzielt hat, die nun „abgebaut“ werden sollen. Weltweit sollen ca. 10 % der 140.000 Beschäftigten gefeuert werden – auch in Grünheide mit eine Belegschaft von 12.000 Arbeiter:innen. Und das muss längst nicht alles sein, wie die ursprünglich verlautbarte Zahl von 3.500 dort zu Entlassenden deutlich macht, die Tesla dementiert.
Erste Entlassungen
300 Leiharbeiter:innen haben in Grünheide schon ihren Job verloren. Am Montag, den 15. April, wurden sie von Tesla „abgemeldet“. Das ist die schönere Form von entlassen, weil Leiharbeiter:innen ja niemals bei Tesla angestellt waren. Wie praktisch. Stark kritisiert wurde dies von der IG Metall, die seit den letzten Wahlen Anfang 2024 die größte Fraktion im Betriebsrat stellt. In typisch bürokratischer Manier erinnert sie, dass das Unternehmen verpflichtet sei, Entlassungen nicht nur mitzuteilen, sondern gemeinsam mit dem Betriebsrat abzustimmen, um eine Beschäftigungsperspektive zu ermöglichen.
Doch selbst mit gesetzlichen und sozialpartnerschaftlichen Regularien nimmt es Musk, der in Südafrikas Apartheid aufgewachsene Sohn eines Minenunternehmers und Immobilienentwicklers, nicht so genau. Zahlreiche Unfälle, rechtlich fragwürdige Schweigeklauseln, untertarifliche Bezahlung und die Gefahr für die Umwelt gehören gewissermaßen zum Geschäftsmodell. Gewerkschaftsfeindlichkeit gehört natürlich auch dazu. Nachdem Tesla die erste Betriebsratswahl 2022 noch vor Betriebsbeginn (einen Tag bevor wesentlich mehr Mitarbeitende abstimmungsberechtigt gewesen wären) überfallartig durchzog, wurde sie dieses Jahr wieder kurzfristig durchgeführt, sodass die IG Metall vor Gericht zog, weil sie kritisierte, die Wahl nicht anständig vorbereiten zu können. Nachdem diese dann im März stattfand, stellt die IG Metall nunmehr 16 von 39 Sitzen, oder wie Tesla sagt: „Eine Mehrheit unserer Beschäftigten hat sich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen.” So kann man es auch ausdrücken …
In jedem Fall arbeitet Tesla gezielt daran, die Gewerkschaft aus dem Betrieb zu halten und die unternehmensnahen und gelben Betriebsratslisten verfügen noch immer über eine Mehrheit im Betriebsrat. Das macht es natürlich leichter, selbst die Mitbestimmungsrechte des Gremiums zu „umgehen“.
Immerhin spricht sich die IG Metall gegen die Entlassungen aus und fordert die Einbeziehung des Betriebsrates und, dass die Kolleg:innen in anderen Bereichen eingesetzt bzw. umgeschult werden. Doch eine Kampfperspektive stellt das nicht dar. Im Grunde appelliert auch die IG Metall an die Unternehmensleitung, am runden Tisch der Sozialpartner:innenschaft das Problem zu lösen. Auch der Appell an „die Politik“, also an die brandenburgische Landesregierung, die den Bau und die Genehmigungsverfahren der „Gigafactory“ über Jahre tatkräftig gefördert hatte, wird letztlich wirkungslos bleiben. Schließlich geht in der freien Marktwirtschaft das Recht des Privateigentums über alles. So wird „die Politik“ allenfalls lahme Appelle an den Konzern richten, Personalabbau „fair“ und „verhältnismäßig“ zu gestalten.
Gegen alle Entlassungen!
Wenn alle Entlassungen verhindert werden sollen, braucht es eine gemeinsame Mobilisierung, um die volle Kampfkraft der Belegschaft in die Waagschale zu werfen. Die IG Metall und ihre Mitglieder können die Entlassungen verhindern. Dazu bracht es regelmäßige Mitgliedertreffen, den Aufbau von Vertrauensleutestrukturen, um im Betrieb zu wirken, und die Einberufung von Belegschaftsversammlungen. Die IG Metall im Betriebsrat muss die unternehmensnahen Fraktionen vor sich her treiben, jede Zusammenarbeit mit dem Management aufkündigen und das von den anderen Gruppierungen fordern.
Vor allem aber geht es darum, Kampfmaßnahmen im Betrieb vorzubereiten und durchzuführen – einen unbefristeten Streik, bis alle Entlassungen vom Tisch sind. Dabei muss auch die sofortige Wiedereinstellung der Leiharbeiter:innen und eine Überführung ihrer Verträge in Festanstellungen zu tariflichen Bedingungen gefordert werden. Den Streik und eine etwaige Verhandlungsführung selbst sollten die Kolleg:innen dabei nicht einer vom Apparat ernannten Leitung überlassen, sondern ein Aktions- und Streikkomitee sollte der Belegschaft verantwortlich, von dieser gewählt und gegebenenfalls abwählbar sein.
Dieser Kampf darf zugleich nicht auf Deutschland beschränkt bleiben, sondern sollte möglichst konzernweit gegen die Entlassung von 10 % der globalen Belegschaft geführt werden.
Weitergehende Perspektive
Ein solcher Abwehrkampf stellt natürlich auch die Frage nach der weitergehenden Perspektive für die Produktion und den Standort. Die IG Metall und die Beschäftigen müssen hinterfragen, in welchem Interesse hier produziert, entschieden, gekürzt und umverteilt wird? Ist es gesamtgesellschaftlich sinnvoll, wegen rückgehender Verkaufszahlen von E-Autos (bisher) 300 Menschen zu entlassen, damit einer der reichsten der Welt im gleichen Tempo noch reicher werden kann? Und wo wir gerade dabei sind: „Ist es überhaupt gesamtgesellschaftlich sinnvoll, E-Autos in Grünheide zu produzieren?“
Die heißt nichts anderes, als die Frage nach der Umstrukturierung der Produktion im Sinne der gesamten Arbeiter:innen und der Gesellschaft wie auch ökologischer Nachhaltigkeit aufzuwerfen. Um das umzusetzen, muss Tesla enteignet werden – entschädigungslos und unter Arbeiter:innenkontrolle.
- Gegen jede Entlassung und alle Krisenabwälzungen auf die Beschäftigten!
- Offenlegung der Geschäftsbücher und Bilanzen des Unternehmens!
- Enteignung von Tesla und die Umstellung der Produktion unter Arbeiter:innenkontrolle!