Ein Leuchtturm herrschaftskritischer Vernunft

In ihrem neuen, in der zweiten Jahreshälfte des letzten Jahres erschienenen Buches geht die ostdeutsche Schriftstellerin Daniela Dahn den Ursachen des Krieges in der Ukraine nach und entwickelt Gedanken, wie der Weg zu seinem Ende und zu einer unterstützenswerten Friedensordnung in Europa aussehen könnte. Es zeichnet dieses Buch aus, dass es nicht den Narrativen eines „embedded journalism“ zu Russland und der NATO folgt, sondern gerade die argumentative Tragfähigkeit der letzten einer sorgfältigen Überprüfung unterzieht. Ihre Bilanz beginnt nicht am 24.2. 2022 sondern bereits mit der Wende 1990/91. Doch das Buch geht über diese Fragen hinaus und befasst sich mit der Frage, wie es mit der historischen Verantwortung Deutschlands nach der Nazi-Barbarei aussieht. Die Leser:innen erfahren viel Unbekanntes über die UNO und ihre Charta sowie über Nebelkerzen Nato-konformer Medien. Ihre Rede, die sie auf der IALANA-Tagung „Krieg und Frieden in den Medien“ gehalten hat, ist ein absolutes Highlight herrschaftskritischer Medienbetrachtung. Schließlich befasst die Autorin sich mit der Frage, ob die DDR eine Utopie sein könnte, an der sich anknüpfen lässt. Eigentlich auf dem Standpunkt stehend, bisher nicht auf die Idee gekommen zu sein, die DDR mit einer Utopie in Zusammenhang zu bringen, äußert sie sich wertschätzend über bestimmte historische Errungenschaften, die hier beim letztlich gescheiterten Versuch einer antikapitalistischen Transformation erreicht wurden.

Nachdem sich in der KPdSU die Strategie durchgesetzt hatte, den Warschauer Pakt aufzuösen und eine deutsche Wiedervereinigung zu ermöglichen, geriet die DDR in eine Staatskrise. Es wurde deutlich, dass sich ihre Führung zu lange darauf verlassen hatte, dass die militärische Präsenz der Sowjetarmee ihre Herrschaft sichern werde. Mit der politischen Legitimierung der SED ging es derweil steil bergab. Angesichts dieser Situation entwickelte sich eine Bürgerbewegung, die zunächst an einer nichtkapitalistischen Gesellschaft festhalten wollte und dafür demokratische Reformen forderte. Doch wurde dieser Bewegung das Heft des Handelns aus der Hand genommen durch die, die eben dies nicht wollten und dann auch für die sog. Wende ausreichende Wählermehrheiten finden konnten.

Daniela Dahn war auch im Rahmen des „Demokratischen Aufbruchs“ Teil der Bügerrechtsbewegung, trat jedoch aus der Initiative aus, nachdem diese sich den Unionsparteien annäherte. Heute verkörpert sie ganz prominent den Teil der damaligen Bewegung, der mit dem Ende der DDR nicht das Nachdenken über gesellschaftliche Alternativen aufgegeben hat. Während andere zu forschen Bellizist:innen geworden sind, ihre damalige Oppositionshaltung zum Schwungrad der Karriere machten oder sogar ins AFD-Milieu abgerutscht sind, bleibt Daniela Dahn auch unter veränderten politischen Vorzeichen eine verlässliche Stimme der Kritik an der herrschenden Politik. Dies ist dann mal eine positive Seite der Wiedervereinigung. Ostlinke und Westlinke sprechen die gleiche Sprache. „Es wächst zusammen, was zusammengehört“. Ihr Buch ist unbedingt zu empfehlen.

Hier gibt es das Inhaltsverzeichnis:

Sozusagen zur Einstimmung gibt es es ein zweiteiliges Interview mit der Autorin auf Telepolis:

„Völkerrecht nicht mehr Referenzsystem staatlichen Handelns“

https://www.heise.de/tp/features/Voelkerrecht-nicht-mehr-Referenzsystem-staatlichen-Handelns-7433376.html

Putin und Lawrow hätten vor die UNO gehen müssen“

https://www.heise.de/tp/features/Putin-und-Lawrow-haetten-vor-die-UNO-gehen-muessen-7433382.html

„Daniela Dahn: Im Krieg verlieren auch die Sieger – Nur der Frieden kann gewonnen werden“, rororo 2022, 222 Seiten, 16 Euro

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