DGB Demo Berlin 1.Mai 2022
Jochen Gester, Peter Valtten
Nach den beiden Corona-Jahren konnten die diesjährigen 1.Mai-Demonstrationen an Strahlkraft und Beteiligung wieder an das Niveau vor der Pandemie anschließen. Nach Polizeiangaben folgten dem Aufruf des DGB am Vormittag 7.500 Menschen und auf der „revolutionären 1.Mai-Demonstration am Abend zählte die gleiche Behörde 14.000. Die Fahrraddemo „My Gruni“, die sich ebenfalls als Tradition etabliert hat und die zahlreihen dort beheimateten Vermögenden über ihre Pflichten aufklärt und ihnen die Probleme der Bevölkerungsmehrheit nahebringt, schaffte es auf die Hälfte der Zahl der Teilnehmer:innen der gewerkschaftlichen Demo. Auf der Abschlusskundgebung des DGB hatte vor allem die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey einen schweren Stand. Sie brach ihre Reden nach starken Buhrufen ab und wurde sogar Zielscheibe einzelner Eierwürfe. Offensichtlich gaben Kundgebungsteilneher:innen hier ihrem Unmut freien Lauf.
Die SPD-Frontfrau steht bei der aktiven Gewerkschaftsbasis und den sozialen Bewegungen Berlins massiv in der Kritik . Eine Schnappsidee, gerade sie am 1.Mai reden zu lassen. So wird Giffey von vielen dafür verantwortlich gemacht, dass die Umsetzung des erfolgreichen Volksbegehrens zum Thema „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in der von ihr geführten Senatskoalition nicht voran kommt. Nicht vergessen die Art und Weise, wie sie die Berliner Krankenhausbewegung lange Zeit ausgebremst hat. Und gar nicht gut an kam ihr Auftritt letzte Woche auf dem Presseball, wo sie sich demonstrativ in enger Verbundenheit mit dem als Verehrer des Hitlergefolgsmannes Bandera bekannten Botschafter der Ukraine zeigte.
Auch der DGB-Vorsitzende musste sich einiger Pfiffe erwehren. Rainer Hofmann sagte laut Presseerklärung des DGB u.a. Folgendes: „Mit dem verbrecherischen Angriff Putins auf die Ukraine ist Krieg als Mittel der Politik nach über 20 Jahren nach Europa zurückgekehrt. Unsere Werte wie Menschenrechte, Frieden und soziale Gerechtigkeit sind keine Selbstverständlichkeit. Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie“, so Hoffmann. Er appellierte an den russischen Präsidenten, den Krieg sofort zu beenden und forderte Hilfe für diejenigen, über die der Krieg Not und Elend gebracht habe. … Angesichts der Frage nach der künftigen Friedens- und Sicherheitsordnung Europas warnte er vor einer neuen Phase der Konfrontation und einer dauerhaften Aufstockung des Rüstungshaushalts: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“ Den Pfeifenden fehlte an diesen Ausführungen wohl eine kritische Auseinandersetzung mit der Ostpolitik der NATO, vor allem aber auch, entsprechend der Beschlusslage der Mitgliedsgewerkschaften, eine klare Ablehnung der gerade im Bundestag beschlossenen Waffenlieferungen. Auch seine Einschätzung, die Berliner Senatskoalition befände sich in ihrer Sozialpolitik auf einem guten Weg war für einen großen Teil der anwesenden Gewerkschafter:innen nicht nachvollziehbar. Der Beifall war mehr als verhalten. Deutlich Zuspruch gab es lediglich für die Position, in den kommenden Tarifrunden für einen vollen Inflationsausgleich streiten zu wollen. Angesichts der beiden Hauptredner taten die Berliner DGB Verantwortlichen ihr Bestes, durch die Veranstaltung zu lotsen. Lokale gewerkschaftliche Initiativen und Beiträge begeisterten dann doch noch das Publikum.
Die mitgetragenen Schilder und Transparente thematisierten neben vielen konkreten sozialen Fragen in den Branchen und Betrieben den Krieg in der Ukraine und sprachen sich für ein Ende des aktuellen Krieges aus. Sie forderten von allen kriegsbeteiligten Parteien eine Politik der Deeskalation , Abrüstung sowie substantielle Verhandlungen auf Augenhöhe. Viel Zuspruch fand auch ein Transparent, das die Freilassung verhafteter Mitglieder der unabhängigen Gewerkschaften in Belarus forderte. Kriegshysterie , Forderungen, den Krieg zu eskalieren und bis zum „Sieg“ zu kämpfen oder Menschen, die glauben, den Brand löschen zu können, in dem sie mit immer mehr Waffen Öl ins Feuer gießen, haben wir nicht gesehen. Das darf man als Zeichen der Hoffnung begreifen.
hier ein Bildportfolio von der DGB Demo


































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