Leben auf einem Kriegsplaneten

Und wie man es erreicht, es nicht zu bemerken.

Bild: Britische Kanonen im Ersten Weltkrieg: public domain.

Vom David Bromwich

Ein neuer Krieg, ein neues Alibi. Wenn wir über unseren jüngsten Krieg nachdenken – den, der mit der russischen Invasion in der Ukraine begann, nur sechs Monate nachdem unser Afghanistankrieg so katastrophal endete -, gibt es einen versteckten Vorteil. Solange sich die Amerikaner mit der Ukraine befassen, denken wir nicht über die planetarische Klimakatastrophe nach. Diese Technik der Ablenkung gehorcht dem bekannten Mechanismus, den Psychologen als Verdrängung bezeichnen. Ein scheinbar neuer Gedanke oder ein neues Gefühl wird zum Ersatz für schwierigere Gedanken und Gefühle, die man unbedingt vermeiden möchte.

Jede Nachricht über die jüngste Forderung des ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskij nach amerikanischen oder europäischen Waffen dient auch einer anderen Funktion: der Verdrängung einer Geschichte über, sagen wir, die kanadischen Brände, die in diesem Sommer eine Waldwildnis von der Größe des Bundesstaates Alabama vernichtet haben und von denen bei Redaktionsschluss dieses Artikels noch 1000 brennen. Natürlich besteht immer die schreckliche Möglichkeit, dass die Ukraine von einem „eingedämmten“ zu einem Atomkrieg übergehen könnte, der ebenso außer Kontrolle gerät wie die kanadischen Brände. Dennoch wird uns regelmäßig versichert, dass der Konflikt nahe dem Herzen Europas unter sorgfältiger Aufsicht stehe. Der Krieg hat einen genau erkennbaren Bösewicht (Wladimir Putin) und – dank der USA und der NATO – sehr viele gute Leute, die ihn aufhalten. Was kann da schon schief gehen?

Unter wohlmeinenden Liberalen hat sich eine Fantasie entwickelt. Die Ukraine, so glauben sie, ist der „gute Krieg“, nach dem Menschen wie sie seit 1945 gesucht haben. „Das ist unser Spanien“, hörte man junge Enthusiasten sagen, die sich auf den Krieg der spanischen Republikaner gegen den Faschismus bezogen. In der Ukraine der frühen 2020er Jahre werden die atlantischen Demokratien, anders als im Spanien der späten 1930er Jahre, nicht zögern, sondern weitermachen, „so lange es nötig ist“. Auch die Klimaproblematik wird damit unterstützt werden, denn Russland ist ein großer Lieferant von Erdgas und Erdöl, und die Welt muss sich von beidem loslösen.

Diese Theorie wurde vor einem Jahr durch die Unterwasser-Sabotage der russischen Nord Stream-Erdgaspipelines in der Ostsee auf die Probe gestellt. Präsident Biden, der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan und die stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland begrüßten diese Umweltkatastrophe. In einem später gelöschten Tweet dankte der ehemalige polnische Außenminister und Kriegsbefürworter Radislaw Sikorski den USA für eine seiner Meinung nach transparente amerikanische Operation. Die amerikanischen Medien behandelten den Angriff jedoch als ein unfassbares Rätsel, und einige Berichte suggerierten sogar, dass Russland seine eigene unschätzbare Pipeline aus noch zu ergründenden Gründen zerstört haben könnte.

In einem Artikel vom Februar 2023 führte der unabhängige Enthüllungsjournalist Seymour Hersh den Anschlag auf die USA zurück, und spätere westliche Berichte kamen auf halbem Weg zu seiner Schlussfolgerung, indem sie die Ukraine oder eine pro-ukrainische Gruppe verantwortlich machten. Seit dem Spätsommer scheint die Berichterstattung über die Nord Stream-Katastrophe beendet worden zu sein. Was nicht aufgehört hat, ist das Töten. Die Zahl der Toten und Verwundeten im Ukraine-Krieg wird inzwischen auf fast eine halbe Million geschätzt, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Nord Stream-Katastrophe war nur eine aufsehenerregende Katastrophe innerhalb des größeren Horrors, den ein Krieg immer darstellt. Es handelte sich nicht nur um einen Akt der Industriesabotage im großen Stil, sondern auch um einen Akt des Umweltterrorismus, der das größte Methanleck in der Geschichte des Planeten verursachte. Nach einem Bericht von Forbes „entsprach der anschließende Anstieg der Treibhausgase 32 % der jährlichen Emissionen Dänemarks“.

Die russische Invasion in der Ukraine war ein illegaler und unmoralischer Akt, aber das Adjektiv, das normalerweise auf illegal und unmoralisch folgt, ist „unprovoziert“. In Wahrheit wurde dieser Krieg provoziert. Eine nicht zu vernachlässigende Ursache war die Osterweiterung der NATO, die in den Jahren von 1991 bis 2022 immer näher an die westlichen Grenzen Russlands heranrückte. Diese Ausdehnung erfolgte schrittweise, aber unerbittlich. Man bedenke, wie eine solche Politik auf das Land wirkt, das nicht mehr kommunistisch und kaum noch eine Großmacht ist und das ab 2013 von amerikanischen Politikern wieder als Gegner bezeichnet wurde.

Mit dem Ende des Kalten Krieges im Jahr 1991 (des globalen Konflikts, der der NATO ihre Existenzberechtigung gab) beschleunigte sich die Ausdehnung des Bündnisses nach Osten dramatisch. Ungarn, Polen und die Tschechische Republik, allesamt ehemalige Mitglieder des sowjetischen Blocks, wurden 1999 in die NATO aufgenommen, und 2004 gab es eine noch reichere Ernte an ehemaligen Satelliten der UdSSR: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, die alle entweder in der Nähe von Russland liegen oder an Russland angrenzen. Dann kam die Bukarester Gipfelerklärung vom April 2008: Georgien und die Ukraine, so kündigten die NATO-Staatschefs an, würden die Möglichkeit erhalten, zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wenn man wissen wollen, warum Putin und seine Berater dies als Sicherheitsproblem für Russland betrachtet haben könnten, kann man sich eine Karte anschauen.

Gefälschte Solidarität

Die Vereinigten Staaten haben die Ukraine mit umfangreichen Waffenspenden, Truppenausbildern sowie logistischen und technischen Beratern unterstützt, die die interoperablen Zielausrüstung bedienen, die wir mit diesem Land „teilen“. Zwischen 2014 und 2022 hat die NATO jährlich mindestens 10.000 ukrainische Truppen in fortschrittlichen Methoden der Kriegsführung geschult. Im Krieg selbst sind die Waffenlieferungen stetig gestiegen, von Stinger- und Javelin-Raketen über Abrams-Panzer (deren Treibhausgasbilanz bei 0,6 Meilen pro Gallone/3,8 l Benzin oder 300 Gallonen alle acht Stunden liegt) bis hin zu Streubomben und seit kurzem auch zu den versprochenen F-16.

All dies hat den Waffenproduzenten des amerikanischen militärisch-industriellen und kongressiven Komplexes neuen Wind in die Segel gegeben. Im Mai 2022 bedankte sich der CEO von Lockheed Martin persönlich bei Präsident Biden für seine Freundlichkeit. Mit F-16s lässt sich schließlich viel Geld verdienen. Was den zusätzlichen Treibstoff angeht, den die Ukrainer benötigen, so wird er jetzt von ukrainischen Rohstoffhändlern unter enormen Umweltrisiken im Untergrund gelagert.

Kriege und ihre Eskalation – die massenhafte Zerstörung menschlichen Lebens, die fast immer mit der Zerstörung der natürlichen Welt einhergeht – finden statt, weil die Kriegsvorbereitungen die Führer immer näher an den Abgrund bringen. Und zwar so nahe, dass es selbstverständlich erscheint, weiterzumachen. Das war sicherlich der Fall bei Russland, der Ukraine und der NATO und der darauf folgenden Eskalation. Beispiele für eine solche Eskalation sind in Kriegszeiten tatsächlich die Regel und nicht die Ausnahme.

Man denke nur an die Erfindung, Erprobung und strategische Planung, die zum Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945 führten. In Jon Elses außergewöhnlichem Dokumentarfilm The Day After Trinity liefert der Physiker Freeman Dyson eine nüchterne Analyse der Beweggründe für den Einsatz der Bombe:

„Warum wurde die Bombe auf die Menschen in Hiroshima abgeworfen? Ich würde sagen, dass es fast unvermeidlich war, dass dies geschah – einfach, weil der gesamte bürokratische Apparat zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden war, um dies zu machen. Die Luftwaffe war bereit und wartete. Auf der Insel Tinian im Pazifik waren große Flugplätze vorbereitet worden, von denen aus man operieren konnte. Die ganze Maschinerie war bereit.“

Auch für den Krieg in der Ukraine war die ganze Maschinerie bereit. Joe Biden, ein klassischer kalter Krieger, hatte schon immer ein Temperament, das dem von Präsident Harry Truman ähnelte. Der Biden des Jahres 2023 wirkt wie der Truman von 1945 impulsiv, nicht überlegt. Er rastet gerne aus, glaubt, dass er dafür geschätzt wird, Risiken einzugehen, und hält sich für besonders belastbar. Diese Geisteshaltung erklärt zum Teil seine Entscheidung, Wladimir Putin als „Kriegsverbrecher“ zu bezeichnen. Dabei ist es egal, dass eine solche Beschreibung genauso gut auf George W. Bush und Dick Cheney zutreffen würde, weil sie 2003 die Invasion des Irak gestartet haben – ein Krieg, den Biden als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats vorbehaltlos unterstützt hat. Sein Beharren darauf, dass „dieser Mann [Putin] um Himmels willen nicht an der Macht bleiben kann“ und seine Überzeugung (Stand Mitte Juli 2023), dass „Putin den Krieg bereits verloren hat“, zeigen dasselbe Muster von überschwänglichem Moralismus bei gleichzeitiger Leugnung unbequemer Fakten.

Eine andere Sichtweise vertritt Anatol Lieven auf der Website Responsible Statecraft:

„Uns wird immer wieder gesagt, dass der Krieg in der Ukraine ein Krieg zur Verteidigung der Demokratie und zu ihrer Sicherung in der ganzen Welt ist. Unseren amerikanischen, französischen und britischen Vorfahren (und sogar den Russen von März bis Oktober 1917) wurde das Gleiche über die alliierte Seite im Ersten Weltkrieg gesagt. Es hat nicht ganz so funktioniert, und nichts garantiert, dass es in der Ukraine auch so sein wird.“

Im Falle der Ukraine wurden solche falschen Hoffnungen von den Medien sehr viel freimütiger verbreitet als vom Militär. Krieg ist eine Droge, und sie haben sich entschieden, die Dealer zu sein.

Die Airbrush der Medien

Kriegspropaganda kann sowohl auf pittoreske als auch auf populäre Weise verbreitet werden. Ein Paradebeispiel für den ersteren Ansatz war Roger Cohens am 6. August auf der Titelseite der New York Times erschienene Geschichte „Putins ewiger Krieg“, die auf einem Besuch kurz zuvor beruhte. („Ich habe einen Monat in Russland verbracht.“) Die apologetische Absicht wird durch die Überschrift unterstrichen, die ein Epitheton aufgreift, das einst auf die katastrophalen amerikanischen Kriege in Afghanistan und im Irak angewandt wurde und listig auf Russland übertragen wird. Die Berichterstattung erfolgt in der gleichen Tonart, über sechs volle Seiten der Times, angereichert mit Farbfotos von Cheerleadern, Kirchen, feuchten Treppen, Militärprozessionen, Statuen, Gräbern und Models bei einem Modeshooting.

Von Anfang an nimmt Cohen die Stimme eines prophetischen Beobachters eines neuen Krieges an, auch wenn er ihn ganz nach dem alten Krieg mit der Sowjetunion klingen lässt. „Auf dem Weg dorthin“, schreibt er, „begegnete ich der Angst und leidenschaftlicher Kriegslust, aber auch der hartnäckigen Geduld, einen langen Krieg zu überstehen. Ich stellte fest, dass der Homo sovieticus keineswegs ausstirbt, sondern in abgewandelter Form weiterlebt, zusammen mit den Gewohnheiten der Unterwürfigkeit. Mit Hilfe der unerbittlichen Propaganda des Staatsfernsehens hat das alte Putin-Drehbuch – Geld, Mythenbildung und Morddrohung – so gut wie gehalten.“

Der Name Putin taucht im weiteren Verlauf des Artikels mit großer Regelmäßigkeit auf und leistet einen zusätzlichen Beitrag zur historischen Analyse und Darstellung, die meist fehlen.

„Ich besuchte Moskau zum ersten Mal vor vier Jahrzehnten“, schreibt Cohen, „als es eine Stadt ohne Primärfarben war, die in der Armut des Kommunismus ihr Dasein fristete.“ Aber Moskau hat sich verändert, und der Grund dafür ist Putin: „Er hat Russland geöffnet, nur um vor dem Westen die Tür zuzuschlagen; er hat es auch modernisiert, während er den Faden zu Russlands Vergangenheit nicht abreißen ließ.“ Wie in vielen westlichen Darstellungen stellt sich also auch hier heraus, dass das Problem nicht nur Putin ist, sondern die Tatsache, dass er ein rückständiges, natürlich rachsüchtiges Land und dessen unwiederbringliche Vergangenheit verkörpert. Die Menschen in Russland sind verloren und – mit Ausnahme einiger mutiger Dissidenten – dem Primitivismus, der hoffnungslosen Nostalgie und natürlich der Aggression verfallen. Putin ist ihr Inbegriff.

Er „regiert aus dem Schatten heraus“ – die Vampir-Anspielung darf man nicht auslassen – „im Gegensatz zu Stalin, dessen Bild überall zu sehen war. Es gibt keinen Führerkult, wie ihn die faschistischen Systeme pflegten. Doch das Geheimnis hat seine eigene Anziehungskraft. Die Reichweite von Herrn Putins Macht berührt alle.“ Mit anderen Worten: Es gibt einen Personenkult ohne die Persönlichkeit oder die Zurschaustellung, die zu einem solchen Kult gehören: „Der Putinismus ist eine postmoderne Ansammlung von Widersprüchen. Er verbindet rührselige Sowjetnostalgie mit mafiösem Kapitalismus, Hingabe an die orthodoxe Kirche mit der Ausbreitung zerrütteter Familien.“ Es dauerte keinen Monat in Russland, um diese Sätze zu schreiben. Ein Tag bei der New York Times hat ausgereicht.

Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow taucht schließlich als Held dieser Geschichte auf. Nirgendwo wird jedoch der Gorbatschow zitiert, der zwischen 2004 und 2018 acht Meinungsbeiträge für die New York Times verfasst hat, von denen sich der sechste auf den Klimawandel und der achte auf die gefährliche Erneuerung des atomaren Wettrüstens konzentrierte. Gorbatschow war zutiefst beunruhigt über die Entscheidung von George W. Bush, aus dem ABM-Vertrag von 1972 auszusteigen (was Putin als „Fehler“ bezeichnete), und über die ähnliche Entscheidung von Donald Trump, aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen auszusteigen. Bezweifelt irgendjemand, dass Gorbatschow über den praktischen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland durch die Biden-Administration ebenso beunruhigt gewesen wäre?

In einem Meinungsartikel vom 25. Oktober 2018 fasste Gorbatschow die amerikanische Tendenz der letzten zwei Jahrzehnte zusammen: „Die Vereinigten Staaten haben faktisch die Initiative zur Zerstörung des gesamten Systems internationaler Verträge und Abkommen ergriffen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Grundlage für Frieden und Sicherheit dienten.“ Man beachte, dass die kriegerische amerikanische „Initiative“ lange vor dem Aufstieg Wladimir Putins begann und nach Gorbatschow – ebenso wie die Ausweitung der NATO – eine Dynamik besaß, die unabhängig von den Entwicklungen in Russland verlief.

Rückkehr zur Erde

Die wichtigste Nachricht des Sommers war – neben dem offensichtlichen Misserfolg der ukrainischen Gegenoffensive – die plötzliche Aufkündigung des Schwarzmeergetreideabkommens durch Russland, eine Entscheidung, die in gewissem Maße durch einen ukrainischen Drohnenangriff auf die Brücke von Kertsch am 17. Juli ausgelöst wurde. Diese Brücke diente nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 als Verbindung zwischen Russland und der Krim. Der Drohnenangriff war Teil der anhaltenden Bemühungen der Ukraine und der NATO, Russlands Getreideexporte unter anderem durch Sanktionen zu untergraben. Ein typischer westlicher Medienbericht über diese Entwicklungen in der Washington Post lehnte es ab, die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen; als ob der ukrainische Angriff zufällig nur „Stunden vor“ der russischen Aufkündigung des Abkommens und seinen eigenen Angriffen auf ukrainische Getreidelagereinrichtungen stattgefunden hätte. Die Ereignisse werden als „Zwillingsentwicklungen“ bezeichnet, und das ist alles.

In einem kürzlich erschienenen Artikel bei TomDispatch erinnerte Michael Klare an die öffentliche Schande, die den US-Energieunternehmen nie richtig anhaftete, weil „sie sich dafür entschieden, Praktiken aufrechtzuerhalten, von denen bekannt war, dass sie den Klimawandel und die globale Verwüstung beschleunigen. Zu den ungeheuerlichsten gehört die Entscheidung der Topmanager der ExxonMobil Corporation – des größten und reichsten privaten Ölkonzerns der Welt -, endlose Jahrzehnte lang weiter Öl und Gas zu fördern, nachdem ihre Wissenschaftler sie vor den Risiken der globalen Erwärmung gewarnt hatten.“

Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt hielt, wie Klare zu Recht anmerkt, noch lange an, nachdem die Verursacher die Realität der Klimaerwärmung erkannt hatten. Nicht weniger unverantwortlich ist die Entscheidung, die Kriegstradition fortzusetzen, auch wenn wir wissen, dass Kriege schon immer eine untrennbare Rolle bei der Zerstörung des Planeten gespielt haben. Der Krieg in der Ukraine wurde von Russland aus brutalem, kurzfristigem Opportunismus angezettelt, aber er wurde auch von den Vereinigten Staaten als Teil einer langen Reihe von Kriegen und Regimewechsel-Operationen provoziert, die den USA die unangefochtene Führung in einer unipolaren Welt sichern sollten.

Wir alle leben heute auf einem Kriegsplaneten, der auch auf andere verheerende Weise bedroht ist. Unsere Rettung wird nicht durch eine neue „normenbasierte“ internationale Ordnung erreicht werden, in der die NATO mit den USA an der Spitze die Vereinten Nationen als globale Autorität ersetzt, die über Krieg und Frieden wacht. Der „nächste Krieg am Horizont“, sei es in der Ostsee, im Persischen Golf oder in Taiwan, ist eine Angelegenheit von großem Interesse für die Bürger in all diesen Horizonten, die alles andere wollen, als als sein Übungsfeld zu dienen. In der Zwischenzeit sollte die Lektion für die Vereinigten Staaten einfach genug sein: Das Überleben des Planeten kann nicht darauf warten, dass die letzte Supermacht der Welt unser endloses Geschäft des Krieges beendet.

Der Artikel ist zuerst im englischen Original auf TomDispatch.com von Tom Engelhardt erschienen, einer Partnermagazin von Overton.

David Bromwich ist der Herausgeber einer Auswahl von Edmund Burkes Reden, On Empire, Liberty, and Reform, hat über die Verfassung und Amerikas Kriege für The New York Review of Books und The Huffington Post geschrieben und ist der Autor von „American Breakdown: The Trump Years and How They Befell Us“.

Erschienen im overton Magazin
https://overton-magazin.de/top-story/leben-auf-einem-kriegsplaneten/

Wir danken für das Abdruckrecht.

Für und gegen den Krieg – in Russland ist die Linke in der Kriegsfrage weitgehend gespalten

Von Ewgeniy Kasakow

Leonid Raswosschajew hält sich mit seiner Meinung nicht zurück. Der ehemalige politische Gefangene, der viereinhalb Jahre für seine Teilnahme an den Protesten gegen die Wahlmanipulation 2011-2012 im Gefängnis verbrachte, wirbt unermüdlich für die Unterstützung der „Spezialoperation“. Raswosschajew, Mitglied der Linken Front (LF), beruft sich dabei auf Marx und Lenin, Russland führe einen antiimperialistischen und antikolonialen Krieg. In seinem Telegramkanal wendet sich Raswosschajew auch an die ukrainischen Soldaten, die ruft er auf, nicht für die „Freiheiten der Perversen“ zu kämpfen, die der Westen überall oktroyiere.

Homophobe Äußerungen dürften bei Raswosschajews Bündnispartnern auf wenig Widerspruch stoßen – denn Raswosschajew ist regelmäßig Gast beim „Klub der verärgerten Patrioten“ (KRP) um den ehemaligen Geheimdienstoberst, Donbass-Kämpfer und überzeugten Monarchisten Igor Girkin-Strelkow. Dieser befindet sich allerdings seit dem 21.Juli in Untersuchungshaft. Ihm wird „Extremismus“ vorgeworfen, die Details der Untersuchung wurden vom Inlandsgeheimdienst FSB zur Verschlusssache erklärt.

Für die Linke Front ist das eine äußerst unangenehme Entwicklung. Denn seit längerem bemüht sich ihr Anführer Sergei Udalzow, der ebenfalls viereinhalb Jahre in Putins Gefängnis verbrachte, um ein Bündnis zwischen der Kommunistischen Partei der Russländischen Föderation (KPRF), anderen „linkspatriotischen“ Kräften und dem KRP für die kommenden Wahlen. Doch die Hardliner-Kritik derer, die eine Intensivierung der Kriegsbemühungen fordern, scheint genauso kriminalisiert zu werden wie die Kritik der liberal-prowestlichen oder linken Kriegsgegner:innen.

Die 2008 gegründete Linke Front war früher für ihre radikale Kritik an der KPRF bekannt. Jetzt wird sie zunehmend zu einem Juniorpartner der Partei, die formell zwar als die größte Oppositionskraft gilt, aber immer wieder ihre Loyalität zum Kreml unter Beweis stellt. Zwar darf Udalzow selbst aufgrund seiner Vorstrafe nicht zu Wahlen kandidieren, aber seine Ehefrau Anastasia Udalzowa sitzt als Nachrückerin für die KPRF in der Duma. Die ehemalige Aktivistin der inzwischen verbotenen Nationalbolschewistischen Partei (NBP), eine wichtige Figur in der Moskauer Underground-Musikszene, stimmte zusammen mit ihrer Fraktion für alle Gesetze zur Verschärfung der Zensur und der Repressionen.

Durcheinandergewirbelt

Die Haltung der KPRF zur Repression gegen die Kriegsgegner sorgt zunehmend für Unmut in linken Kreisen. Während die „verärgerten Patrioten“ sich offiziell mit ihrem ideologischen Gegner, dem linken Soziologen Boris Kagarlitzki, der wegen „Rechtfertigung des Terrorismus“ im Gefängnis sitzt [siehe Seite 17] solidarisiert haben, bewahrt die Parteiführung um Gennadi Sjuganow eisiges Schweigen.

Dabei arbeitet die KPRF punktuell mit linken Organisationen zusammen, die den Krieg ablehnen, wie die trotzkistische Revolutionäre Arbeiterpartei (RRP). Während Jewgeni Prigoschins „Privates Militär- und Sicherheitsunternehmen ‚Wagner‘“ am 24.Juni auf Moskau zumarschierte, sprach sich Gennadi Sjuganow für die „Konsolidierung um den Präsidenten“ auf, die RRP aber rief zur Gründung von Arbeitermilizen zur „Selbstverteidigung“ auf und prangerte sowohl Putin als auch Prigoschin als bürgerliche Kräfte an.

Prigoschins „Marsch der Gerechtigkeit“ hat die Opposition kalt erwischt. Während einige Liberale aus dem Exil heraus für die Unterstützung von „Wagner“-Kämpfern plädierten und Prigoschin als kleineres Übel bezeichneten, befürchteten andere liberale und linke Kriegsgegner eher eine Entfesselung des Terrors durch die frustrierten Kriegsrückkehrer und den Übergang zur offen faschistischen Regierungsform.

Der Putsch

Am Tag von Prigoschins Meuterei, respektive Putsch, streamte die von Boris Kagarlitzki gegründete Internetplattform „Rabkor“ ein Livegespräch zwischen linken Aktivisten, die zur möglichst schnellen Selbstorganisation angesichts der drohenden Gefahr mahnten. Die Leichtigkeit, mit der Prigoschins Truppe sich auf 200 Kilometer der Hauptstadt nähern konnte, die offensichtliche Ratlosigkeit der staatlichen Stellen demonstriere, so die einstimmige Meinung der linksoppositionellen Beobachter, wie fragil in Wirklichkeit die viel gepriesene „Stabilität“ von Putins System sei. Was allerdings auch bedeute, dass rechte Hardliner oder liberal-prowestliche Kräfte sich diese Schwäche bei der nächsten Erschütterung schnell zunutze machen könnten.

Den Linken mangelt es immer noch an Agitation, Strukturen und Vernetzung, wie die Teilnehmer des Rabkor-Streams konstatierten. Kagarlitzki begegnete den Spekulationen, was eine starke Kaderpartei in so einer Situation hätte machen können, mit dem berechtigten Einwand, man könne es nicht aus dem Boden stampfen, wenn „Wagner“-Kolonnen nur noch Stunden von Moskau entfernt seien.

Dass Prigoschin bei seinen Verlautbarungen von „Gerechtigkeit“ (primär für sich und seine Kämpfer) sprach und sich über die Eliten im Hinterland ausließ; dass er sich noch vor kurzem um die Kontrolle der „linkspatriotischen“ Duma-Partei „Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit“ bemüht hatte, wird in der linken Opposition vor allem als Anzeichen von faschistischer Demagogie wahrgenommen. Allerdings zeigten die Ereignisse, dass Prigoschins Ruf als „Mann fürs Grobe“ die Bevölkerung zwar nicht abschreckt, er aber auch über keine politische Basis jenseits der eigenen Truppen verfügt, die bisher als outgesourcter Teil des staatlichen Gewaltapparates fungierten.

Die Spaltungslinie

Weiterhin besteht in der linken Antikriegsopposition die Spaltung zwischen denjenigen, die für die Unterstützung Ukraine eintreten, und denjenigen, die sich gegen beide Kriegsparteien wenden. Zur ersten Fraktion gehören die trotzkistisch geprägte Russländische Sozialistische Bewegung (RSD), die trotzkistischen Gruppen Sozialistische Alternative (Sektion der ISA) und Sozialistische Tendenz (Sektion der RCIT) sowie das Netzwerk Feministischer Widerstand gegen den Krieg (FAS) und die militante Kampforganisation der Anarcho-Kommunisten (BOAK).

Die zweite Fraktion ist vertreten durch die aus Lesezirkeln entstandene Union der Marxisten, der trotzkistischen Organisation der Kommunisten-Internationalisten (OKI, Sektion der IMT); die Konföderation der revolutionären Anarchosyndikalisten (KRAS) sowie durch eine Reihe von linksstalinistischen Gruppen wie ROT FRONT und den Jugendverband RKSM(b) um Alexander Batow oder Nowosibirsker Plattform „Krasny Poworot“.

Auch gemäßigtere Linke wie die „Rabkor“-Plattform oder die durchaus vorhandenen Kriegsgegner in der KPRF haben keine Illusionen bezüglich der ukrainischen Seite. Teilweise greifen linke Stalinisten auch Stichworte der offiziellen Propaganda gegen die Ukraine auf, doch die Haltung „gegen alle bürgerliche Regierungen“ nimmt allmählich Konturen an. Es gibt weiterhin Versuche, mit Kriegsgegnern in der Ukraine und dem Westen Kontakt aufzunehmen. Die Union der Marxisten und die OKI bauen weiterhin eigene Lesekreise und Ortsgruppen in verschiedenen Regionen auf. Weiterhin sind linke Kriegsgegner im Gewerkschaftsverband Konföderation der Arbeit Russlands (KTR) aktiv.

Im Exil

Häufig wird Kriegskritik eher verklausuliert formuliert, ohne plakative Verstöße gegen die Gesetze, die eine euphemistische Wortwahl wie „militärische Spezialoperation“ aufzwingen. So spricht der Wirtschaftswissenschaftler Oleg Komolow, ehemaliges KPRF-Mitglied, heute Aktivist von ROT FRONT, ein Anhänger der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, auf seinem You-Tube-Kanal „Prostyje Zifry“ („Einfache Zahlen“) über die ökonomischen Folgen der Sanktionen und die Interessen des russischen Kapitals in der Welt. Sein Fazit ist eindeutig: Russlands Außenpolitik im postsowjetischen Raum und in der „Dritten Welt“ wird durch kapitalistische Interessen bestimmt und kann nicht als Fortsetzung des sowjetischen Antiimperialismus mit seinen Entwicklungsidealen gelten. Der Historiker Alexander Schtefanow, ein gemäßigter Sozialdemokrat und Pazifist, hat nicht nur einen Dokumentarfilm über das Leben im „befreiten“ Donbass gedreht, in dem er die Bewohner selber über ihre Erlebnisse zu Wort kommen lässt, sondern analysiert regelmäßig die historischen Exkurse der russischen und ukrainischen Propaganda.

Aufgrund der aktuellen Repressionslage wächst die Zahl linker Aktivisten im Exil. Aktuell sind es vor allem rechtsliberale Akteure, die im Exil im Namen der russischen Opposition sprechen. Selbst im liberalen Lager wird kritisiert, dass die „sprechenden Köpfe“ des Exils, die über keine Organisationen in Russland verfügen, sich in den Vordergrund drängen und dabei zum Beispiel die Anhänger von Alexei Nawalny, die zahlenmäßig stärker seien, ausgrenzen. Tatsächlich sind Figuren wie Garri Kasparow oder Michail Chodorkowski lange vor Kriegsbeginn exiliert und interessieren sich wenig für die Nöte derjenigen, die Russland kriegsbedingt verlassen haben.

In letzter Zeit werden Schritte zur Vernetzung der linken Exilanten und Migranten unternommen. Linke aus Kasachstan, Kirgisien, Armenien kämpfen gegen die Auslieferung russischer Aktivisten nach Russland. Einige Organisationen wie FAS, RSD oder die Union der Marxisten haben auch Ortsgruppen im Westeuropa gegründet. Erst vor kurzem sprach Michail Lobanow, der als parteiloser Linkssozialist bei den letzten Dumawahlen für die KPRF kandidierte und nur mithilfe offensichtlicher Wahlfälschungen am Sieg gehindert wurde, von der Perspektive der Gründung einer neuen „linken radikal-demokratischen Partei“. Doch die Teilnahme einer im Exil gegründeten Organisation an den politischen Prozessen in Russland wird sich wohl schwer gestalten.

Der Autor wurde 2017 an der Universität Bremen in Philosophie und Geschichte promoviert. Von ihm erschien im Juli 2023 im Unrast-Verlag das Buch „Spezialoperation und Frieden: Die russische Linke gegen den Krieg“.

Erstveröffentlichung in der SoZ
https://www.sozonline.de/2023/09/fuer-und-gegen-den-krieg/

Wir danken für die Zustimmung zum Abdruck des Textes

Eine unrühmliche Geschichte des ukrainischen Nationalismus – ein Anti-Kriegs-Entwurf

Einige, zu oft ausgeblendete Aspekte aus antimilitaristischer Perspektive in gebotener Kürze.

Der Autor hat diesen Text schon am 11. April 2022 geschrieben. Er hat nichts an Aktualität eingebüßt. (Jochen Gester)

Von Ziegelbrenner

1. Es gibt keine Legitimation für einen Angriffskrieg. Das versteht sich eigentlich von selbst und das schliesst den von Putin nun angezettelten Krieg gegen die Ukraine mit ein. Komisch, dass man das heutzutage überhaupt betonen muss.

2. Kein Krieg fällt vom Himmel. Kriege sind immer das Resultat von ökonomischem, politischem und/ oder religiösem Machtstreben, oft begleitet von persönlicher Machtgier. Ein Putin ist vor dem Hintergrund kein Ausrutscher der Geschichte, kein historischer „Unfall“, sondern eine Konsequenz. Das macht ihn auch nicht charmanter, entschuldigt auch nichts. Ohne den Gesamtzusammenhang aber wird man Kriege nicht verstehen – und ist also dazu verurteilt, die gewalttätige Geschichte immer wieder neu zu durchleben.

3. Der Kitt, mit dem die „eigene“ Bevölkerung in den Krieg getrieben wird, mit dem also der Krieg ideologisch vorbereitet wird, heisst Nationalismus. Wer gegen Kriege ist, muss dementsprechend den ideologischen Unterbau, den Nationalismus, ablehnen. 4. Kriegführende Politik) handelt nicht irrational, sondern rational, wenn man die Grundlagen akzeptiert (kapitalistische Ausbeutung und Expansionslogik, Aufteilung der Welt in Staaten und daraus resultierender nationalistischer Konkurrenzkampf gegen andere Staaten, hierarchisierende Weltordnungs- und Wahnphantasien á la „wir sind auserwählt, unsere Interessen zählen mehr, wir haben den vorrangigen Zugang zu Rohstoffen verdient“, missionarisches Denken, aggressive Männlichkeitskonzepte). Wer von Staat, Nation, Kapitalismus und Patriarchat schweigt, der sollte auch im Ukraine-Krieg die Klappe halten.

5. Es geht in Kriegen um geostrategische Interessen (so Putin in der Ukraine um Öl, Gas, Getreide) – übrigens auch in denen, in die die NATO involviert ist. Mehr noch: die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ der Bundeswehr definieren bereits seit 2010 den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen als legitimen Kriegszweck – wie will man mit einer solchen Agenda im Armeerucksack ethisch glaubwürdig gegen eine Kriegserklärung Putins agieren? Es geht der NATO im Krieg nicht um die Ukraine – diese ist nur das Spielfeld im Kampf um die globale Hegemonie, die man gegen Russland endgültig durchsetzen will, nachdem Putin dazu einen Vorwand lieferte. Nicht zuletzt geht es dabei im Grunde um einen innerkapitalistischen Konkurrenzkampf um Ressourcen.

6. Entsprechend sind Politiker – Frauen kommen hier bisher kaum vor -, die Kriege anzetteln, nicht einfach „irre“ oder „verrückt“ (die Verrücktheit müsste dann auch plötzlich vom Himmel fallen, denn meist sind diese zugegeben unsympathischen Gestalten ja solange nicht verrückt, wie man mit ihnen gute, d.h. den eigenen Interessen dienende, Geschäfte machen kann). Vergessen wir nicht: Krieg ist die Fortführung von Politik mit anderen Mitteln. Und vice versa.

7. Das einzelne Politiker überhaupt so viel Zustimmung und Macht erhalten können, hängt damit zusammen, dass die meisten Menschen diesen Herrschern zu eben dieser Macht verhelfen, weil sie sich eigene Vorteile versprechen (vgl. das 500 Jahre alte Manifest von Etienne de La Boetie, siehe. Tyrannen fallen nicht plötzlich in die Welt, sie sind ein Produkt von Interessenkämpfen.

8. „Wer hat angefangen?“ – diese Frage ist Sandkasten-Niveau, sie hilft in der derzeitigen Lage nicht weiter. Festzuhalten ist aber: von ukrainischer Seite aus ist jahrelang nichts gegen einen drohenden Krieg unternommen worden, im Gegenteil. Es ist interessant, wie gerade Linke nun die jahrelange Pro-NATO-Politik der Ukraine und die massiven Bemühungen der hochgerüsteten NATO um eine Osterweiterung „vergessen“. „Vergessen“ sind auch die kriegerischen Rückeroberungsversuche der „freien“ und „friedlichen“ und nun so unterstützenswerten Ukraine in der Donbass-Region, die laut UN über 14.000 Tote forderten.

9. Es rechtfertigt keinen Krieg, festzuhalten ist aber auch, dass 1. die NATO-Expansionspläne von Putin vor dem Hintergrund staatlicher Logik als Bedrohung betrachtet werden mussten, zumal angesichts des 20fachen Waffenarsenals der NATO gegenüber Russland und angesichts des Umstandes, dass Russland auch weltwirtschaftlich immer mehr unter Druck gerät und an den Rand gedrängt wird; und dass 2. die ukrainischen Provokationen der letzten Jahre in erster Linie einem ukrainischen nation building dienten. Ein Lesetipp dazu ist „Die Erfindung der Nation“ von Benedict Anderson. Staaten aber, siehe oben, sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

10. Der Krieg ist nicht „gesichtswahrend“ (unter Maskulinisten ist so was ja immer wichtig) zu gewinnen. Die noch unblutigste Option: die Ukraine wird neutral á la Schweiz (ein Vorschlag, den u.a. der Ex-Innen- und Überwachungsminister Otto Schily vertritt – oder zweigeteilt. Die blutigere Option: die Ukraine wird nicht mehr sein, und Russland befindet sich in einem Bürgerkrieg nach Putin. Die NATO ist so oder so ein Gewinner. Sie wird hochgerüstet, und die Militarisierung der Köpfe wird voranschreiten. Der Westen hat sich im Krieg gegen die Ukraine vorerst zusammengeschweisst. Dies allerdings mit noch ungeahnten, jedenfalls alles andere als angenehmen Folgen für eine Menschheit, deren Interessen den ausufernden Militäretats untergeordnet werden. Ganz abgesehen davon, dass die NATO für den von ihr herbeigesehnten „Epochenbruch“ allerdings auch die Gefahr eines Atomkrieges nicht scheut. Nicht nur Putin ist eine Gefahr für die Welt – die NATO ist es auch.

11. So viel Faschismus wie derzeit war seit 1945 nicht mehr in Europa. In den ukrainischen Streitkräften kämpft bereits seit 2014 ein faschistisches (und teils von der NATO ausgebildetes) Freiwilligen-Regiment, das schon vor Jahren durch massive Menschenrechtsverletzungen bekannt wurde und das beste Beziehungen zu europäischen Neonazis unterhält. Die Seiten des Asow-Regiments und ihres politischen Armes waren zeitweise bei Facebook nicht zugänglich, das hat sich nun vor dem Hintergrund des Krieges wieder geändert – der Zweck heiligt offenbar die Mittel. Vorangetrieben wird in der Ukraine derzeit eine Politik der Ethnisierung. So soll u.a. das Russische aus der Öffentlichkeit verbannt werden (während zu Zeiten der Sowjetunion in der Ukraine auch ukrainisch gesprochen werden konnte).

12. Generell zeigt sich das Ausmass des ukrainischen Nationalismus derzeit wieder deutlich. Er hat eine unrühmliche Geschichte, immerhin kämpften schon im zweiten Weltkrieg ukrainische „Freiheitskämpfer“ an der Seite der Nazis gegen die Russen. Alleine die Waffen-SS-Division „Galizien“ umfasste 22.000 ukrainische Freiwillige. Kaum irgendwo sonst hatte der Nationalsozialismus ausserhalb des deutschen Reiches in der Zivilbevölkerung so viele willige Unterstützer. Deutsche haben im Nationalsozialismus über 25 Millionen russische Menschen umgebracht. Dass die Ukraine nun offensiv Deutsche im Kampf als Freiwillige gegen Russland anwirbt (darunter haben sich auch bereits etliche Neonazis gemeldet), ist vor diesem Hintergrund mehr als nur pikant.

13. Bereits der in der Ukraine mythenumworbene „Euromaidan“-Protest 2013/ 2014 war eine stark von den Rechtsextremen betriebene Bewegung, der für die Faschisten einen neuen Aufschwung bedeutete. Bis heute gibt es, nicht zuletzt ausserhalb des Asow-Regiments, reichlich Neonazis in der Ukraine. 2019 wies Amnesty International darauf hin, dass Präsident Selenskyj kein Interesse hatte, etwa Roma vor rassistischen Angriffen zu schützen (https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/ukraine-regierung-hat-rechtsextreme-nicht-unter-kontrolle). Selenskyj traf 2019 Mitglieder der neofaschistischen, antisemitischen C14-Bewegung, die u.a. für Angriffe auf Roma-Lager verantwortlich ist (https://en.wikipedia.org/wiki/S14_(Ukrainian_group). Und noch 2022 traf sich Selenskyj mit Angehörigen der rechtsextremen, homophoben, rund 10.000 Mitglieder zählenden Bewegung „Rechter Sektor“ (zur Bewegung siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Prawyj_Sektor).

14. 2019 wurde in der Ukraine zum „Stepan Bandera Jahr“ ausgerufen, zur Erinnerung an den Nazi-Kollaborateur, der als Nationalheld verehrt wird und nach dem in den letzten Jahren grosse Strassen benannt wurden. Die intensiven Beziehungen zwischen den ukrainischen Neonazis, der Regierung und der Gesellschaft sind hier nachzulesen. Angesichts dieser Tatsachen sind die Rechtsextremen kein „Fake-Narrativ“ (der ukrainische Botschafter in Berlin, auch er übrigens bekennender Bandera-Fan). Putins Verweise auf ukrainische Faschisten haben also eine sehr reale Grundlage – auch wenn die „Entnazifizierung“ ein vorgeschobenes Argument ist, zumal auch in Russland viele Rechtsextreme aktiv sind. Einziger Vorteil der allgegenwärtigen Rechtsextremen und des überbordenden Nationalismus auf beiden Seiten: die deutschen Rechten sind echt verwirrt, welcher Seite sie sich zuschlagen sollen – so viele Angebote überall, das erschwert die Einigkeit.

15. Natürlich gibt es auch eine andere Seite der Ukraine, tatsächlich emanzipatorische Traditionen der Freiheit und des libertären Sozialismus etwa (vgl. https://www.ziegelbrenner.com/produkt/freiheit-und-gerechtigkeit-die-geschichte-der-ukraine-aus-libertaerer-sicht/. Zu wenig davon ist bekannt, weshalb ich auf dieses Buch nur verschärft hinweisen kann. Auch dieses Buch, ein Zeugnis eines antibolschewistischen Sozialismus, erschienen in der von mir sehr geschätzten Edition Nautilus, will ich nicht verschweigen: https://edition-nautilus.de/programm/erinnert-euch-an-mich-ueber-nestor-machno/.

16. Kriege lassen sich nicht mit noch mehr Waffen bekämpfen. Das nun erstmals nach 1945 ganz offiziell deutsche Waffen Russen töten sollen ist eh schräg, gelinde gesagt. Es gibt auch keinerlei Garantie, dass die Waffen am Ende in der Ukraine den – international bestens vernetzten und in der Ukraine staatlich hofierten – Neonazis in die Hände fallen. Eine sehr reale Gefahr angesichts der oben skizzierten Verbindungen. Und das wird durch die Verbindungen des CIA zu den Neonazis nicht besser. Aber Geheimdienste und NATO, das ist eh eine unselige Allianz.

17. Obwohl man noch gar nicht so genau weiss, wofür das Geld eigentlich eingesetzt werden soll, warf man nun die gigantische Summe von 100 Milliarden Euro in den Ring, die als Sondervermögen der Bundeswehr zufliessen soll. Da schon die bisher üppigen Bundeswehr-Etats wenig effizient scheinen, ist von der jetzigen Planlosigkeit, mit der Geld verschleudert wird, nichts Gutes zu erwarten, einmal abgesehen davon, dass die Losung „Frieden schaffen mit noch mehr Waffen“ noch nie aufgegangen ist. Denn friedlicher ist die Welt auch nach über 20 Jahren ununterbrochenen Bundeswehr-„Engagements“ in aller Welt nicht geworden, im Gegenteil.

18. 100 Milliarden Euro, man vergleiche diese Summe mit den deutschen Etats für Ressorts wie Gesundheit (16,03 Mrd.), Bildung und Forschung (19,36 Mrd.), Innen, Bau und Heimat (18,52 Mrd.), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Mrd.) sowie Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Mrd.), dann hat man eine Ahnung, was in der neuen rot-grünen Regierung – die künftig zudem jährlich 70 Milliarden Euro für Rüstung ausgeben will – zählt. Gesundheit, Bildung und Umwelt sind es jedenfalls schon einmal nicht. Wem dies nicht gefällt: https://derappell.de. Wenn schon so viel Geld da ist sollte es, aufgrund von steigenden sozialen Gegensätzen (der berühmten, immer weiter auseinanderklaffenden Schere), Klimawandel etc. doch wohl eher für einen sozial-ökologischen Umbau ausgegeben werden.

19. Wer sich nun über die SPD oder die Grünen wundert, der hat nicht nur die Geschichte der letzten 100 Jahre vergessen (z.B. die Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten, vgl. https://www.ziegelbrenner.com/produkt/sozialdemokratie-krieg-und-frieden-die-stellung-der-spd-zur-friedensfrage-von-den-anfaengen-bis-zur-gegenwart/), sondern auch der letzten gut 20 Jahre. Der NATO-Krieg gegen Serbien (übrigens völkerrechtswidrig wie der Krieg Putins) war immerhin von deutscher Seite aus ein rot-grüner Krieg. Noch beunruhigender ist, dass nicht nur das Geschichtsbewusstsein auf den Hund gekommen ist, sondern sich kaum jemand mehr aus dem rot-grünen Milieu ernsthaft über die Kriegstreiberei aufzuregen scheint. Unverhohlen tobt die SPD-nahe Friedrich Ebert-Stiftung etwa, dass Putin die NATO-Erweiterung und die „europäische Sicherheitsordnung“ nun „untergraben“ will.

20. Die Grünen haben nun als erklärtes Ziel: „Russland ruinieren“ (Baerbock). Da holt man nun das Gas lieber aus Katar – einem autoritär-patriarchalen Staat, der auf Seiten des blutigen, hierzulande kaum wahrgenommenen Bürgerkrieges im Jemen islamistische Gruppen unterstützt und den Krieg damit seit Jahren regelrecht „anheizt“ (Die Presse. 3.9.2020). Bisher gab es dort weit über 200.000 Tote (https://www.deutschlandfunk.de/jemen-krieg-huthi-katastrophe-100.html ). „Viele islamistische Terroristen leben seit Jahren trotz internationaler Proteste unbehelligt in Katar… Die katarische Regierung räumt ein, die palästinensisch-islamistische Terrororganisation Hamas zu unterstützen ( https://de.wikipedia.org/wiki/Katar-Krise_2017_bis_2021). Aber Katar und Jemen sind ja weit weg, im Gegensatz zu der Ukraine und Russland…

21. Warum schlagen sich so viele in einem Land, das nach 1945 aus Gründen starke antimilitaristische Strömungen hatte, nun derart offensiv auf die Seite der rot-grünen Kriegsführungslinie? Es ist eine noch unbewiesene These: ich habe in meinen Publikationen darauf hingewiesen, dass gegenüber dem Coronavirus seit 2020 ein innerer Krieg erklärt wurde, der auch von den Medien massiv mit inszeniert wurde (https://www.ziegelbrenner.com/produkt/corona-gegenwart-und-zukunft-unter-dem-virus/). Im Pandemie-Regime wurde dabei auch die Staatsgläubigkeit unzähliger vormals scheinbar „kritischer“ Menschen offenbar. Die – von Ausrottungsphantasien begleitete – Kriegsanalogie, die Medieninszenierung und die Staatsfixierung von 2020/ 2021 scheinen mir die gegenwärtige Kriegszustimmung mit ermöglicht zu haben.

22. Warum soll oder muss mensch sich im Interessenkampf zwischen zwei Nationalstaaten nun überhaupt auf eine Seite schlagen? Warum verteilt eine zivilgesellschaftliche Organisation wie „Campact“ (Online-Petitionen u.a. gegen Atomenergie) nun Aufkleber in den Nationalfarben? Warum nun „Solidarität mit der Ukraine“, wie es bis weit in die Kreise der Impflings-Linken hineinschallt? Ja, es sind auffallend exakt jene, die während der Pandemie ständig „Solidarität“ einforderten (und dabei aggressiv Menschen ausschlossen, also ein sehr exklusives Solidaritätsverständnis an den Tag legten), die nun wieder besonders entschieden parteiergreifend sind.

23. „Solidarität mit der Ukraine“, das ist immer auch Solidarität mit der NATO, denn beides ist untrennbar verbunden. Ein Lesetipp zur NATO-Geschichte: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/die-nato-anatomie-eines-militaerpaktes/. In einem Land, das einst eine grosse Friedensbewegung hatte (vgl. z.B. https://www.ziegelbrenner.com/produkt/was-nun-die-friedensbewegung-nach-der-raketenstationierung/) ist daran zu erinnern, dass z.B. das „verbündete“ US-Militär grundsätzlich bei Auslandseinsätzen im Voraus eine uneingeschränkte Straflosigkeit von US-Soldaten zur Bedingung macht. Wie verträgt sich ein solcher Blankoscheck mit vermeintlich „humanitären“ Anliegen? Die Antwort kann nur lauten: weder Putin, noch NATO!

24. Wer die Medien beobachtet kann sehen, wie um die Unterstützung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge dort ein regelrechter Hype ausgebrochen ist. Warum lassen sich aber Flüchtlingsinitiativen vor diesen Karren spannen, anstatt freien Zugang auch für Geflüchtete aus dem Mittelmeer zu fordern? Wer erinnert sich noch daran, wie Geflüchtete aus Belarus Anfang 2022 in Polen festhingen und einem staatlichen Machtkampf ausgeliefert wurden? Wer erinnert sich an das schäbige Gerangel um Aufnahmekontingente für ein paar Tausend Geflüchtete nach dem Durchmarsch der Taliban in Afghanistan? Warum besetzen Linke nun Häuser nicht einfach für wohnungssuchende Menschen, nicht einfach für Geflüchtete, nein, für „ukrainische Flüchtlinge“? Offenkundig gibt es nun Geflüchtete erster und zweiter Klasse, und je mehr ukrainische Geflüchtete unterstützt werden (was an sich ja positiv ist), umso mehr werden nicht-weisse Geflüchtete (auch aus der Ukraine kommende) schikaniert und diskriminiert (https://www.proasyl.de/news/angriffskrieg-auf-die-ukraine-rassismus-auf-der-flucht/).

25. Die Ukraine nimmt alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren in Geiselhaft. Sie dürfen das Land nicht verlassen. Nur Frauen und Kinder dürfen raus. Wo bleibt der Aufschrei dagegen, wie selbstverständlich Menschen, ob sie wollen oder nicht, als Kriegsfutter und Material eingeplant werden? Wo bleibt der Aufschrei jener, die in Deutschland doch sonst immer auf Menschenrechte verweisen? Warum endet hier das sonst immer wieder betonte Mitgefühl gegenüber der Zivilbevölkerung in kriegerischen Auseinandersetzungen? Warum nun stattdessen überall an den Rathäusern blau-gelbe Flaggen (auch in Italien z.B., so bei der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna)? Zynisch gefragt: weil es endlich wieder gegen Russland geht? Anders kann ich mir diese derart einseitige Parteinahme kaum erklären.

26. In dem Masse, in dem die Solidarität mit der Ukraine eingefordert wird, schwindet sie mit allem, was als „russisch“ identifiziert wird. Das ist natürlich kein Zufall, sondern das eine Folge des anderen. Logische Konsequenz eines „entweder/ oder“. In der – laut Eigenwerbung – „Zeitung für kluge Köpfe“, der FAZ, wütet ein Leser mit voller Namensnennung (sich also wohl der Volksmeinung sicher fühlend) am 20.3., man könne doch für „jeden Russenskalp eine Prämie zahlen“. Das ist in den „seriösen“ Medien zu lesen – ich erspare mir hier Zitate aus diversen Internet-Seiten.

27. Menschen in Deutschland trauen sich kaum noch, russisch zu sprechen (https://www.nachdenkseiten.de/?p=81936). Sie werden beschimpft und bedroht, und es nutzt ihnen wenig, dass die meisten von ihnen gegen den Krieg sind (Der Spiegel, 11/ 2022). Eine antirussische Volksgemeinschaft aber ist immer noch vor allem eines: nämlich Volksgemeinschaft. Wie kann es angehen, dass der Präsident des deutschen Schriftstellerverbandes PEN das Verbot aller russischen Literatur fordert (von da ist es nicht weit bis zur Bücherverbrennung)? Warum entschuldigt sich ein Dirigent, wenn er das Werk eines russischen Komponisten spielt (so geschehen in Berlin bei einem Schostakowitsch-Konzert)? Warum wird russischen Menschen nun überall ein „Gegen Putin“-Bekenntnis abgefordert? (übrigens wählen die Russlanddeutschen zu 15-17% die AfD – fordert man ihnen deshalb ein Bekenntnis gegen den Faschismus ab?)

28. Schon vor Putin gab es in der damaligen Sowjetunion Oppositionsbewegungen (vgl. https://www.ziegelbrenner.com/produkt/das-unterirdische-feuer-texte-der-russischen-gewerkschaftsopposition-smot-sammlung-von-artikeln-aus-informations-bulletin-und-poiski/). Wer regelmässig Nachrichten liest oder sieht weiss: seit Jahren gibt es in Russland auch eine massive Kritik an Putin. Wer nun alles Russische meint boykottieren zu müssen, der erweist Putin allerdings einen Bärendienst, denn da wird die Opposition gleich mit entsorgt. Ein Beispiel von linker Putin- und Faschismuskritik und deren Verfolgung gibt der ehemalige Diplomat Nikolai Platoschkin in dieser deutschsprachigen Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=O9F4I0ZbqAg&cbrd=1 (auch wenn er irrt mit seiner Aussage, dass rätoromanisch in der Schweiz nur eine Sprache der Wissenschaftler sei…).

29. Die einzige emanzipatorische Position scheint mir darin zu bestehen, sich eben nicht auf eine (immer zugleich nationalistische) Seite zu schlagen, sondern die antimilitaristischen Kräfte in der Zivilbevölkerung und die Deserteure beider Seiten zu unterstützen. Jeder Nationalismus (russisch, ukrainisch…) ist dabei selbstverständlich ebenso abzulehnen wie die Osterweiterung der NATO. Nicht Staaten – oder Staatsangehörige – sind zu unterstützen, sondern Menschen. Diese entschieden antimilitaristische Haltung beinhaltet auch einen Generalstreik gegen den Krieg (siehe die über 100 Jahre alte Idee von Gustav Landauer, vgl. https://www.ziegelbrenner.com/produkt/nation-krieg-und-revolution/) innerhalb aller kriegführenden Staaten, mithin eine umfassende Verweigerung gegen den Krieg. Das schliesst ein, jene Kräfte zu einen, mit denen wir gemeinsam „verrückt“ (gemessen an den oben skizzierten Logiken) sein können, „um gegen den Wahnsinn der bestehenden Herrschaftsordnung zu bestehen“, wie es Jonathan Eibisch schrieb (https://www.untergrund-blättle.ch/gesellschaft/panorama/georges-sorel-ukraine-krieg-bibliothek-6936.html). Gerade zu Redaktionsschluss bekam ich noch den Hinweis auf ein Papier zur Ukraine aus Sicht – marginalisierter – ukrainischer Anarchist*innen, auf das ich gerne verweise: https://wolfwetzel.de/index.php/2022/03/30/der-krieg-und-die-anarchistinnen-in-der-ukraine/?fbclid=IwAR2pRs_v3K5IviQ9tlz4OBcWs-qAdowhX4VsCpZ8pFg2fEF6ssF_9rYgDI4

30. Eine antimilitaristische Kritik an Militär und Krieg müsste sich dabei auch mit den globalen Klimakämpfen verbinden, denn einer der grössten Klimakiller ist der Krieg, samt der Waffenproduktion (oder wird es demnächst klimaneutrale Waffen geben, versehen mit dem Öko-Siegel der kriegführenden Grünen?). Die Klimakatastrophe ihrerseits wird weit mehr Menschen auf die Flucht treiben als es jetzt in der Ukraine sind. Das ist wirklich verrückt: Waffen vernichten Klima vernichten Menschen vernichten Ressourcen erzeugen neue Kriege um Ressourcen vernichten Klima… Wann wird diese Spirale endlich durchbrochen?

Erstveröffentlicht im „Untergrundblättle“ v. 11. April 2022
Wir danken dem Autor für das Abdruckrecht.

Im November erscheint ein neues Buch des Autors im Mandelbaum Verlag.
Bücher sind die Software für´s Hirn!
Letzte Veröffentlichungen:
– G. Grüneklee/ C. Heni/ P. Nowak: Nie wieder Krieg ohne uns – Deutschland und die Ukraine (2022), ISBN 978-3-946193-38-8, 20 Euro
– G. Grüneklee: Wider den Impfzwang (Plädoyer gegen Impfpflicht, 2022), ISBN 978-3-935716-81-9, 5 Euro
– Johann Most: Kapital und Arbeit (Biogr. Nachwort von G. Grüneklee, 2021), ISBN 978-3-935716-80-2, 7 Euro
– G. Grüneklee: Corona – Gegenwart und Zukunft unter dem Virus (2021), ISBN 978-3-935716-79-6, 15 Euro

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung