Stimmen für einen nachhaltigen Frieden – Ukrainische und russische Antikriegsaktivisten im Gespräch

Eine Veranstaltung des Wuppertaler Friedensforums

Diese Veranstaltung des Wuppertaler Friedensforums bekommt ihre besondere Bedeutung dadurch, dass hier russische und ukranische Antikriegsgegner gemeinsam aufgetreten sind und sich für ein Ende des Krieges ausgesprochen haben. Dies macht Hoffnung. Denn bisher hatten diese zwar Beziehungen zur Antikriegsbewegung in Westeuropa, aber wenig zueinander. Die Stärkung dieser Verbindung ist der entscheidende Schlüssel zu nachhaltigem Frieden zwischen den ehemaligen Republiken der Sowjetunion. (Jochen Gester).

Für den 3. Mai hatte das Wuppertaler Friedensforum zu einer besonderen Veranstaltung eingeladen. Das Café Prio am Werth war bis auf den letzten Platz besetzt, so groß war das Interesse daran, zwei Antikriegs- und Menschenrechtsaktivisten aus Russland und der Ukraine zu hören. Beide leben aus politischen Gründen im Exil, weil sie den Militärdienst verweigern, für die Beendigung des Krieges sind und zuvor Aktivitäten gegen reaktionäre Vorkommnisse in ihren Ländern organisiert hatten. Sie sind gemeinsam im Bündnis Post Sowjetische Linke BPL oder auch PSL (Post Soviet Left) aktiv.

Beide Redner machten klar, dass sie den Überfall Russlands auf die Ukraine scharf verurteilen. Dennoch positionieren sie sich für einen baldigen Waffenstillstand. Andrej aus der Ukraine sieht nach mehr als drei Jahren Krieg keine Lösung in der Fortführung der Kämpfe. Der Krieg sei kontraproduktiv, bedeute weitere Verluste an Menschenleben und Territorium und von demokratischen Rechten.

Er beklagte auch den zunehmenden Nationalismus und den größer werdenden Einfluss von ultrarechten Kräften und eine autoritäre Regierungspolitik. Am Ende bleibe ein zerstörtes Land, unvorstellbare Schulden und ein starker ausländischer Einfluss. Andrej schilderte, dass die Zwangsrekrutierung in der Ukraine mit immer drastischeren Mitteln durchgeführt wird. Männer im wehrfähigen Alter werden von der Straße weg in Busse gezerrt, bei Widerstand brutal geschlagen. Bussifizierung wird das genannt. Es gibt Fälle von Misshandlungen mit Todesfolge. Außerdem wurden Webseiten zur Denunziation der „Vaterlandsverräter“ eingerichtet. Er fragte, warum dies in Deutschland nicht berichtet wird, wie auch der Abbau von demokratischen Rechten, für die die Ukraine ja stehen soll. Eine Vertreterin der Grünen habe ihm einmal gesagt: „Wir wissen genau was in der Ukraine geschieht, würden dies aber niemals publizieren.“

Die Motivation der gegen ihren Willen eingezogenen Soldaten sei gering, viele desertieren. Nach einer aktuellen Umfrage sprechen sich in der überfallenen Ukraine mittlerweile 52% der Bevölkerung für sofortige Friedensverhandlungen aus.

Auch wenn die Aufnahme von Ukrainerinnen in westeuropäischen Ländern weniger ein Problem ist, bleibt die Sorge, dass das Verlassen des Landes die verbliebenden Familien Repressionen aussetze und zur Enteignung des Besitzes im Heimatland führt. Alexander, der russische Gast, berichtete von der nach 2014 (Stichwort Maydan) immer nationalistischer und autoritärer werdenden Entwicklung in Russland und ein Erstarken von gewalttätigen rechtsradikalen Kräften. Linke und Kriegsgegner seien zunehmender Repression ausgesetzt. Demonstrationen wurden verboten. Zur Rekrutierung werde u.a. Gefangenen angetragen, ihre Haftzeit durch Kriegsdienst für das Vaterland abzugelten. Durch die zunehmende Zahl an politischen Gefangenen bietet sich dadurch auch die Gelegenheit sich dieser zu entledigen. Liberale russische Oppositionsgruppen treten pro-westlich auf, sie befürworten die Nato und unterstützen den westlichen Kriegskurs. Alexander kritisiert, dass Kriegsgegner aus Russland große Probleme haben im Ausland aufgenommen zu werden.

Sie stehen in Deutschland unter Generalverdacht Spione und Agenten zu sein, obwohl sie von der russischen Regierung und ihrem Geheimdienst verfolgt worden waren. Im Rahmen ihres Bündnisses BPL (PSL) organisieren sie Treffen mit Linken aus anderen ehemaligen sowjetischen Republiken, aber auch westeuropäischen Linken. Mit der größten linken Oppositionspartei in Frankreich La France Insoumise (LFI) wollen sie versuchen, die Repression und Menschenrechtsverstöße in der Ukraine im französischen und EU-Parlament einzubringen. Abschließend rufen die beiden Aktivisten zur internationalen Solidarität gegen Krieg, Aufrüstung, Faschismus und Nationalismus und der Beendigung des Hasses der im Krieg befindlichen Bevölkerungen auf. In der anschließenden Fragerunde wurde eine Einschätzung zum „Rohstoff-Deal“ zwischen Trump und Selensky erbeten. Andrejs Antwort war, dass dieser eher den Interessen der USA diene und keinerlei Sicherheitsgarantien beinhalte. Er lehne den Ausverkauf der Ukraine ab. Auf die Frage, was ihre Vorschläge für die Zukunft der Ukraine wären, antwortete Andrej, dass es einen sofortigen Waffenstillstand geben sollte, auch wenn dies erst einmal Verlust von Territorium bedeuten würde. Dem müssten dann Verhandlungen über einen dauerhaften gerechten Frieden mit Sicherheitsgarantien folgen.

Sie wünschen sich eine unabhängige Ukraine, die weder ein Spielball von Großmächten sei, in der demokratische und Arbeitsrechte (wieder) hergestellt werden und in der selbstbestimmt über ihr Land und ihre Rohstoffe entschieden wird. Eine weitere Frage war, wie die Gäste die Ausladung von russischen Vertretern zu den Feierlichkeiten des 80. Jahrestages der Befreiung und des Kriegsendes sehen. Alexander: Putin und die ultranationalen Kräfte vereinnahmen den Sieg über den deutschen Faschismus komplett für sich. Daher wollen sie von ihrem Bündnis auch eigene Veranstaltungen organisieren, um den 27 Mio. von Deutschen getöteten Sowjetbürgerinnen und -bürgern zu gedenken. In diesem Zusammenhang sprach Alexander über die zunehmende Sorge in der russischen Bevölkerung, die durch die NATO-Osterweiterung, nach dem Scheitern der Minsker- und Abrüstungsabkommen und der „Übernahme“ der Ukraine durch den Westen um ihre Sicherheit besorgt sind. Andrej hält es nicht für angemessen, Vertreter aus Russland oder anderen ehemals sowjetischen Republiken von den Gedenkveranstaltungen auszuschließen.

Diese Veranstaltung gab den Zuhörerinnen die Gelegenheit von Betroffenen auf beiden Seiten des Krieges Informationen zu erhalten, die uns deutsche Medien vorenthalten. Es ist wohltuend zu erleben, dass sie sich nicht als Feinde gegenüber stehen, sondern als Menschen, die für eine emanzipatorische Politik in ihren Herkunftsländern eintreten.

Siehe auch unseren Beitrag:
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/43960-2/

Wir danken dem Wuppertler Friedensforum für das Publikationsrecht.

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