Wer den Kapitalismus nicht ehrt…

Solidarität mit Benjamin Ruß – Nein zu Berufsverboten!

Die Fälle von Berufsverboten gegen linke kapitalistisch kritische Menschen und Angriffe auf die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit nehmen bedenkliche Ausmaße an. Wir publizieren hier den Bericht über den aktuellen Fall des Geowissenschaftlers Ruß und rufen mit zur Solidarität auf. Das erste Mal rief ich zu einer solchen Solidarität auf, als vor mehreren Jahrzehnten der heutige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann im Zuge des damaligen „Radikalenerlasses“ ebenfalls vom Berufsverbot bedroht war. (Peter Vlatten)

Von Chiara Stenger, Solidarität Info

Berlin, 25. Juli 2024

Die Personalabteilung der Technischen Universität München will den Geowissenschaftler Benjamin Ruß nicht einstellen. Und das, obwohl er für die Stelle am Lehrstuhl für Kartographie fachlich geeignet ist und vom Institut eine Zusage erhalten hat.

***26. Juli 2024 – Prozesstermin von Benjamin Ruß am Münchner Arbeitsgericht ab 11:00 Uhr***

Begründet wird seine Nicht-Einstellung mit “fehlender Verfassungstreue” laut dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Vorgeworfen werden dem Wissenschaftler, der sich auch als Marxist versteht, Gewaltorientierung, Ablehnung des Kapitalismus und Absichten zur Veränderung des Systems. So begründete der Kanzler der Universität Ruß’ Anwältin gegenüber, dass ihr Mandant sich “in der Gesamtheit seiner Äußerungen […] klassischer Begriffe wie Faschismus, Rassismus, Kapitalismus, Polizeigewalt/-willkür, mittels derer auch die Gegnerschaft zur bestehenden Ordnung betont und begründet wird” bediene. Hintergrund dessen ist ein in Bayern üblicher Fragebogen zur Mitgliedschaft in sogenannten “extremistischen Organisationen” für die Einstellung von Personen im öffentlichen Dienst. In diesem Fragebogen werden von anarchistischen Gruppen über die DKP oder SDAJ auch die Linksjugend, der SDS, die Rote Hilfe sowie wie wir, die Sol, als extremistische Gruppen bewertet. Bewerber*innen sind verpflichtet, aktuelle wie ehemalige Mitgliedschaften in diesen Organisationen anzugeben. Das erinnert an den “Radikalenerlass” von 1972, bei dem Bewerber*innen im Öffentlichen Dienst ebenso jahrelang auf ihre Verfassungstreue geprüft wurden. Und auch damals lag der Fokus insbesondere auf “Linksextremismus”.

Vorwürfe widerlegen. Die Universitätsleitung versuchte jedoch,  mit weiteren falschen Anschuldigungen Stimmung gegen den linken Wissenschaftler zu machen und ihn negativ darzustellen. In einem Antwortschreiben zitierte der Kanzler der TUM Benjamin Ruß’ Stellungnahme falsch und stellte falsche Behauptungen auf, ohne diese zu belegen. Zudem übernahm die Universitätsleitung einfach die Argumentation des Verfassungsschutzes, indem die kritische Auseinandersetzung mit Kapitalismus, Rassismus oder Polizeigewalt vom Kanzler als Verfassungsfeindlichkeit dargestellt wird.

Besonders absurd ist diese Situation zudem mit Blick darauf, dass sogar das Bundesverfassungsgericht 2022 entschieden hat, dass das bayerische Verfassungsschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist, da Persönlichkeitsrechte durch gängige Überwachungsmethoden beschnitten wurden. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass fragwürdige Methoden dieser Institution wahrscheinlich nicht nur im Fall von Benjamin Ruß zum Einsatz kamen. Zugleich stärkt der Verfassungsschutz aktiv wie passiv rechte Strukturen, wie das Beispiel des NSU zeigt, anstatt sie effektiv zu bekämpfen. Dies wird auch deutlich mit Blick auf den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, Hans-Georg Maaßen, der für seine rassistischen und arbeiter*innenfeindlichen Politik bekannt ist. Ebenso zeigt sich bei dem “Extremismus-Fragebogen” die Gleichstellung von sozialistischer und faschistischer Weltanschauung, die sogenannte Hufeisentheorie.1 Der Verfassungsschutz sollte also keine Grundlage für die Beurteilung der Ansichten einer Person sein. Solche Gesinnungsprüfungen und -untersuchungen werden immer wieder gegen Linke und Sozialist*innen eingesetzt und führen zu Schikanen, Nicht-Einstellung und Berufsverboten. Rechte hingegen bleiben in vielen Fällen verschont.

überraschend – Universitäten und Bildung im Kapitalismus sind nicht frei, sondern letztlich Mittel der Herrschenden. Nötig wäre eigentlich, dass Ämter wie die einer Unikanzler*in durch Mitarbeiter*innen und Studierende demokratisch gewählt – und auch abgewählt werden können, und zwar mit einer gleichwertigen Stimme pro Person und nicht in einem feudal anmutenden System, in dem auf Professor*innen viel mehr Entscheidungsgewalt pro Kopf entfällt als auf die anderen Beschäftigten und die Studierenden.

  • Die Sol steht solidarisch hinter dem Kollegen Benjamin Ruß! 
  • Wir stehen für ein Ende aller Repressionen und Berufsverbote ein!
  • Die Befragung zur Verfassungstreue an bayerischen Universitäten sowie anderen staatlichen Einrichtungen muss sofort enden!
  • Für wirklich demokratische Strukturen an Universitäten und Bildungseinrichtungen! Für eine wirklich unabhängige Wissenschaft und Lehre!
  • Wir fordern daher alle auf zur Kundgebung zu Benjamins nächstem Prozesstermin am 26.07. zu gehen und sich solidarisch zu zeige

Titelfoto: Benjamin Ruß (c) Sophia Lukasch Photography)

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