Verdi kündigt unbefristeten Streik an, eine zeitnahe Einigung mit dem Senat ist nicht in Sicht
Die Gewerkschaft Verdi ruft für Montag zum unbefristeten Kita-Streik auf. Der CDU-geführte Senat geht weiter auf Distanz und droht gar mit rechtlichen Schritten.
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Von Christian Lelek
Auch wenn Arbeitskämpfe sich mit fortschreitender Zuspitzung durchaus dynamisch entwickeln und die Abwendung des Kita-Streiks in Berlin weiterhin bis zum kommenden Montag eine Möglichkeit bleibt: Wer am Donnerstag die Plenardebatte im Abgeordnetenhaus verfolgt hat, kann nur zu dem Schluss kommen, dass dieses Szenario nicht realistisch ist.
Insbesondere die CDU, die die Koalition dominiert und auch in der Angelegenheit des Kita-Streiks die verantwortlichen Senatsverwaltungen für Bildung und Finanzen besetzt hält, hielt ihre ablehnende Position dem Agieren der Gewerkschaft Verdi gegenüber nicht zurück. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch erklärte »Verdis kompromisslose Haltung« für die Situation verantwortlich. Man behalte sich daher vor, rechtliche Schritte einzuleiten. An die möglicherweise betroffenen Eltern gerichtet erklärte Günther-Wünsch: »Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen mit den Eigenbetrieben an Ihrer Seite stehen und eine Betreuung der Kinder ermöglichen.« Vom Berliner Arbeitsgericht hieß es auf nd-Anfrage, ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung sei noch nicht eingegangen. »Ein solcher Antrag im Verfahren des Eilrechtsschutzes wäre das zu erwartende Mittel der Wahl, sollte das Land – etwa gegen die zum Streik aufrufende Gewerkschaft – rechtliche Schritte gegen einen anstehenden Streik ergreifen wollen«, teilte eine Sprecherin des Gerichts mit.
Die Gewerkschaftsposition war der Sitzverteilung im Abgeornetenhaus gemäß unterrepräsentiert. Die Forderungen von Verdi belaufen sich auf Entlastungsmaßnahmen für Beschäftigte der Kita-Eigenbetriebe. Konkret soll der Personalschlüssel verbessert werden. Sollten sich Beschäftigte in den Einrichtungen mit einer Unterschreitung der Fachkraft-Kind-Relation konfrontiert sehen, sollen zudem Ausgleichsmaßnahmen greifen, vorzugsweise in Form von Freizeit. Zunächst hatte Verdi die Umsetzung in Form eines Tarifvertrags gefordert. Inzwischen ist die Gewerkschaft davon ein Stück weit abgerückt, spricht nur noch von einer Regelung, »die verbindliche, individuell einklagbare Entlastungsregelungen schafft«.
»Ich sage Ihnen, was da drin steht: verkürzte Betreuungszeiten, geschlossene Gruppen bis hin zu geschlossenen Kitas. Das ist ein vergiftetes Angebot.«Katharina Günther-Wünsch (CDU) Bildungssenatorin
Ein letztes Gespräch zwischen Senat und Gewerkschaft war am Mittwoch ergebnislos zu Ende gegangen. Verdi sei bereit gewesen, den Beginn des unbefristeten Erzwingungsstreiks zu verschieben, sofern der Senat verbindliche, konstruktive Verhandlungen zugesagt hätte. Der Senat habe diese Chance jedoch verpasst, wollte sich laut Verdi nicht mal darauf festlegen, ob es eine »Belastung der Beschäftigten« gibt. In der Konsequenz seien die Mitglieder ab Montag zum Streik aufgerufen worden.
Günther-Wünsch erklärte dem Abgeordnetenhaus, dass sie gerne über konkrete Inhalte gesprochen hätte. Verdi sei es jedoch nur darum gegangen, wie Verhandlungen zustande kommen könnten. Die Senatorin appellierte an die Verantwortlichen, zu konstruktiven Gesprächen zurückzukehren. Die CDU-Politikerin erneuerte ihr Argument, dass die Umsetzung der geforderten Entlastungsmaßnahmen in den landeseigenen Betrieben die Kita-Beschäftigten weiter spalten würde. Der Abstand zu den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten freier Träger wüchse. Um dem Abgeordnetenhaus die Tragweite einer Umsetzung der Gewerkschaftsforderungen zu verdeutlichen, übertrug sie diese auf alle Kitas und errechnete den entsprechenden Personalbedarf. Demzufolge arbeiteten lediglich 6000 der 31 000 Erzieher*innen in den Eigenbetrieben. Gäbe man den Verdi-Forderungen nach, bräuchte es in allen Kitas zusammengenommen 4750 zusätzliche Stellen.
Günther-Wünsch offenbarte auch Gesprächspunkte aus den Treffen mit der Gewerkschaft. Da Verdi scheinbar selbst wisse, dass die Umsetzung der Maximalforderungen zum Scheitern verurteilt sei, seien Notfallpläne und Konsequenzenmanagement schon mitgeliefert worden. »Ich sage Ihnen, was da drin steht: verkürzte Betreuungszeiten, geschlossene Gruppen bis hin zu geschlossenen Kitas. Das ist ein vergiftetes Angebot«, schloss die Senatorin. Sie sprach davon, dass es an einzelnen Standorten zwar eine enorme Belastung gebe, aber selbst unter Berücksichtigung der Vakanzen durch Beschäftigungsverbote, Langzeitkrankheit oder Elternzeit sei der Personalbedarf zu über 100 Prozent gedeckt.
Rückendeckung erhielt Verdi von der Linke-Abgeordneten Franziska Brychcy. Sicherlich lasse sich der Betreuungsschlüssel nicht von heute auf morgen senken, Entlastungsmaßnahmen in Form von besseren Arbeitsbedingungen ließen sich aber schon umsetzen, sagt Brychcy. Das sei notwendig, um Beschäftigte zu halten und neue Beschäftigte zu gewinnen. Die derzeitige Situation habe einen hohen Krankenstand verursacht und die Teilzeitquote innerhalb von zehn Jahren verdoppelt.
Erstveröffentlich im nd v. 27.9. 2024
https://nd.digital/editions/nd.DerTag/2024-09-27/articles/14918474
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