Neue Maaßen-Partei: Brückenschlag zur AfD

Die Werteunion könnte in Thüringen Baustein eines Rechtsrucks werden

Niemand mag bislang auf Landesebene mit der AfD koalieren und ihr damit zu Regierungsämtern verhelfen. Hans-­Georg Maaßen will das mit seinem Plan ändern, aus der rechtskonservativen Werteunion eine Partei zu machen.

Von Wolfgang Hübner

Wenn eine der ostdeutschen Landtagswahlen in diesem Jahr das Prädikat »Besonders brisant« verdient, dann jene in Thüringen. Gewiss, auch in Sachsen und Brandenburg ist die AfD auf dem Sprung, stärkste Partei zu werden. Aber nirgendwo ist sie so offen rechtsradikal wie in Thüringen, nirgendwo sonst hat sie einen so aggressiven Faschisten wie Björn Höcke an der Spitze, und nirgendwo sonst führt sie derzeit die Umfragen mit einem solchen Vorsprung an.

Bleibt das bis zur Landtagswahl im September so, dann stellt sich die Frage der Regierungsbildung mit neuer Schärfe. Zwar geht Die Linke mit dem Anspruch ins Rennen, wieder stärkste Kraft zu werden und Rot-Rot-Grün zu verteidigen, aber dazu müsste sie erstens gegenüber der AfD 15 bis 20 Prozent aufholen, und zweitens müsste sich das Mitte-links-Bündnis insgesamt deutlich steigern. Laut jüngsten Umfragen finden Linke, SPD und Grüne gemeinsam weniger Zuspruch als die AfD allein.

Noch darf man der Thüringer CDU glauben, dass sie nicht mit der AfD kooperieren würde. Aber sie laviert, sucht ihrerseits einen Ausweg aus der seit Jahren anhaltenden Tolerierung von Rot-Rot-Grün. Und nun glaubt Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sogar, bei einem Streitgespräch mit AfD-Frontmann Höcke punkten zu können. Voigt wird wohl sein blaues Wunder erleben und Höcke am Ende nur ein Podium für dessen Naziparolen bieten, denn der ist ein dreister, unverfrorener Demagoge.

Derzeit bilden sich im Freistaat aber Kräfte im rechten Spektrum, die jenseits der CDU die Machtverhältnisse beeinflussen wollen. Eine maßgebliche Figur dabei ist Hans-Georg Maaßen. Der ehemalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, längst nach rechts außen abgedriftet, kandidierte bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen noch für die CDU. Gegen den Widerstand der Bundesspitze, aber mit Unterstützung der Christdemokraten vor Ort. Inzwischen hat er sich politisch selbstständig gemacht, und das ist auf seinem Weg immer weiter nach rechts folgerichtig. Als Aktivist der Werteunion hat er die CDU schon seit Längerem von rechts attackiert.

Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Bündnis von eher rechten Kleinparteien angekündigt, bei der Landtagswahl zu kandidieren. Zu diesem sogenannten Bürgerbündnis gehören die Bürger für Thüringen, Die Basis und die Freien Wähler. Bei der ersten großen Veranstaltung im Oktober letzten Jahres hat sich auch Maaßen das Projekt angesehen. Überzeugt hat es ihn offenbar nicht, denn inzwischen will er aus der Werteunion eine Partei machen, die in Thüringen ebenfalls antreten soll. Zu seinen Unterstützern gehört die frühere Bürgerrechtlerin und Grünen- und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, die längst weit nach rechts abgedriftet ist. Wie sie versammeln sich in der Werteunion Leute, denen die CDU nicht mehr konservativ genug ist – unter Angela Merkel sowieso, aber auch jetzt nach der deutlichen Rechtsverschiebung unter Friedrich Merz.

Um eine weitere Zersplitterung des rechten Lagers zu verhindern, sei man im Gespräch mit anderen Gruppierungen, sagte Maaßen jüngst. Ob das Bündnis von Kleinparteien zu seinen Gesprächspartnern gehört, ließ er offen. Sollte die Werteunion in den Erfurter Landtag kommen, würde sie natürlich keinerlei Abgrenzung gegen die AfD betreiben und Höcke den braunen Teppich ausrollen. Er kenne keine Brandmauer und rede mit allen, sagte Maaßen dazu. Mit der AfD könne man einen Deal machen.

Dass es bei der Werteunion keinerlei Hemmungen gibt, wurde zuletzt deutlich, als bei dem skandalösen Nazi-Treffen in Potsdam über Pläne zur Deportation von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wurde. Anwesend waren auch Mitglieder der Werteunion. Immerhin hat die CDU den Teilnehmern, die bisher ihre Mitglieder sind, den Ausschluss angedroht. In Erinnerung ist auch noch, dass der frühere Chef der Werteunion, Max Otte, bei der letzten Wahl des Bundespräsidenten für die AfD kandidierte

Zuspruch für seine Parteipläne erhält Maaßen von Ex-AfDlern. Deren frühere Parteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen begrüßten in der neurechten Zeitung »Junge Freiheit« die Überlegungen. Meuthen sprach von einer Repräsentationslücke zwischen Union und AfD. Wenn es die tatsächlich gibt, dann wohl am ehesten in einem Land wie Thüringen mit extrem rechter AfD.

Ob die Maaßen-Rechten stark genug werden und zwischen CDU und AfD genügend Wähler abgreifen können, steht in den Sternen. Es ist eine Rechnung mit noch vielen Unbekannten. Ebenso unklar ist, ob und in welchem Ausmaß die Wagenknecht-Partei BSW die Thüringer Wahlarithmetik durcheinanderbringen kann. Dass sich aber die politische Stimmung nach rechts verschiebt und selbst antidemokratische Leute wie Höcke und Maaßen Zulauf bekommen, damit muss man leider rechnen. Das Gefährliche an dem Maaßen-Plan ist nicht, dass er eine Massenpartei aus dem Boden stampfen könnte, sondern dass daraus eine Brücke entstehen könnte, der AfD eine parlamentarische Mehrheit zu beschaffen.

Erstveröffentlicht im nd v. 17.1. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179247.neue-maassen-partei-die-werteunion-als-verbindungsglied-zur-afd.html?sstr=Maa%C3%9Fen-Partei

Wir danken für das Publikationsrecht.

Protestwelle gegen Faschismus

AfD laviert im Umgang mit Treffen zur Massendeportation

Die Protestwelle gegen die AfD reißt nicht ab. Auch am Montagabend gingen Tausende gegen die Partei auf die Straße. Derweil hat sich Alice Weidel von ihrem Chefberater getrennt, der am Treffen der Rechtsremisten teilnahm.

Von Sebastian Weiermann

Es sind Bilder die allen Antifaschist*innen Mut machen. Bei einer Demo ziehen 10 000 Menschen durch Leipzig. Bei einer Kundgebung halten sie ihre Telefone mit eingeschalteter Lampe in die Höhe und rufen »Alle zusammen gegen den Faschismus!« Jule Nagel, Leipziger Landtagsabgeordnete der Linken, sagte gegenüber dem »nd«, die Demo sei »überwältigend« gewesen. Man habe gegen die Deportationspläne der extremen Rechten protestiert, es sei aber auch Kritik an der Migrationspolitik der Ampel laut geworden. Nagel hofft, »dass diese großartigen Impulse keine Eintagsfliegen bleiben«. Ähnliche Bilder gab es aus Rostock und Essen. Seitdem das Rechercheteam Correctiv über ein Treffen berichtet hat, bei dem Kader der extremen Rechten, AfD-Politiker, CDU-Mitglieder und Unternehmer über Massendeportationspläne gesprochen haben, nimmt der Protest gegen die Rechten nicht ab.

Während Antifaschist*innen protestieren, versucht sich die AfD im richtigen Umgang mit dem Skandal. Dabei arbeitet sie nach ihrem gewöhnlichen Muster und laviert durch den Skandal. Am Montagabend gab ein Parteisprecher nach einer Vorstandssitzung bekannt, dass sich Parteichefin Alice Weidel von ihrem Referenten Roland Hartwig trennt. Das Arbeitsverhältnis sei »in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst« worden. Hartwig hatte am Treffen in Potsdam teilgenommen. Eine Begründung nannte die Partei nicht.

Konfrontiert mit Recherchen der »Zeit«, die eine Teilnahme an einem Vorgängertreffen im Oktober 2021 nahelegen, antwortete AfD-Chef Tino Chrupalla, es gehe ihm wie Olaf Scholz in Sachen Cum-Ex: Er könne sich an »nichts mehr« erinnern. Allerdings liegt der »Zeit« ein Schreiben vor, in dem sich die Veranstalter für Chrupallas Teilnahme bedanken. Ziel des Treffens soll es gewesen sein, Akteure der extremen Rechten mit Unternehmern zusammenzubringen. Es sollten gemeinsame Projekte entwickelt werden, die den Einfluss und die Wahrnehmbarkeit der Rechten steigern.

Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, teilte der Nachrichtenagentur dpa am Dienstagmorgen mit, er gehe davon aus, dass bei der Fraktionssitzung »in irgendeiner Form« über das Treffen in Potsdam gesprochen werde. Die öffentliche Reaktion auf das Treffen hält Baumann für übertrieben. »Das war kein Geheimtreffen«, sagte er, sondern eine »private Verabredung«.

Das Treffen, bei dem sich Politiker, Unternehmer und extrem rechte Aktivisten austauschten, zu einer privaten Veranstaltung herunterzuspielen, die die Öffentlichkeit nichts angehe, scheint die Linie zu sein, auf die sich der Mainstream der AfD geeinigt hat. In den sozialen Netzwerken verknüpfen viele Funktionäre diese Erzählung mit Beschwerden darüber, dass »Geheimdienstmethoden« gegen die Teilnehmer des Treffens angewendet worden seien. Dass Correctiv für Projekte zu Fakenews Gelder von Stiftungen des Milliardärs George Soros bekommen hat, wird im Dunstkreis der AfD gerne genutzt, um an antisemitische Verschwörungstheorien anzuknüpfen.

Andere Funktionäre der AfD gehen deutlich offensiver mit der Recherche um. Von Matthias Helferich gibt es nur Spott für die Enthüllungen. Es sei »empörend«, dass er nicht eingeladen worden sei. Der Dortmunder ist Bundestagsabgeordneter, aber nicht Teil der AfD-Fraktion. Äußerungen wie die, dass er »das freundliche Gesicht des NS« sei, waren der Fraktionsführung zu heikel. Helferichs Beliebtheit in der Partei schadet das allerdings nicht. Bundesweit wird er von AfD-Gliederungen zu Vorträgen eingeladen.

Helferichs wichtigste Machtbasis in der AfD ist die Junge Alternative; sein Dortmunder Wahlkreisbüro stellt er der Jugendorganisation gerne zur Verfügung. So auch am kommenden Freitag. Die Rechercheplattform IBdoku hat am Dienstag eine »persönliche Einladung« von Helferich und anderen Funktionären zu einem Vortrag von Götz Kubitschek veröffentlicht. Der Verleger ist eine zentrale Figur der intellektuellen Rechten. In Dortmund soll er zehn Thesen vorstellen. Es geht um die Frage, ob 2024 das Jahr der »politischen und kulturellen Wende« wird. Kubitschek hofft, Wahlsiege der AfD könnten zu einer »patriotischen Erneuerung unserer Verhältnisse« beitragen. Gleichzeitig sieht er Gefahren, die Partei könne verweichlichen. Als Beispiel nennt er Italiens rechtsextreme Regierungschefin Giorgia Meloni.

Gegen Helferichs Büro planen Antifaschist*innen aus Dortmund eine Demonstration. Für Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomen Antifa 170, ist klar: »Die AfD ist noch genauso rechts wie die letzten Jahre. Sie paktiert noch genauso offen mit jenen, die noch weiter rechts stehen. Sie vertritt immer noch genauso offen eine menschenfeindliche Ideologie.« Mit ihrem Protest wollen die Antifaschist*innen sich der Selbstinszenierung der AfD als »unaufhaltsam« entgegenstellen. Die Partei habe »nur so viel Raum, wie die Gesellschaft ihr gibt, und diesen Raum werden wir einschränken«, so Kim Schmidt.

Erstveröffentlicht im nd v. 17.1. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179246.antifaschismus-protestwelle-gegen-faschismus.html?sstr=Leipzig

Wir danken für das Publikationsrecht.

Brandstifter

Jana Frielinghaus über Lindners Rede vor den Bauern

Die Landwirte, Spediteure und Handwerker dürften von Christian Lindners Rede nicht viel gehört haben. Denn sie beschallten ihn gnadenlos mit Tröten und »Hau ab«-Rufen. Insofern war der Aufwand, den der Bundesfinanzminister betrieben hatte, um von den Kürzungen der Regierung zulasten der Bauern abzulenken, erst einmal für die Katz. Und dennoch ist das Gesagte skandalös. Von »linksextremistisch unterwanderten Klimaklebern« bis zu vom Staat »fürs Nichtstun« bezahlten Erwerbslosen und »uns« auf der Tasche liegenden Asylbewerbern: Alle bekamen vom Chef der Liberalen ihr Fett weg. Daneben das Übliche zur angeblichen Notwendigkeit von Schuldenbremse und Aufrüstung zum Schutz »unserer Freiheit«.

Tiraden dieser Art sind weder bei Lindner noch bei seiner Partei neu. Man erinnere sich nur an seinen Amtsvorgänger Guido Westerwelle, der 2010 mit Blick auf Sozialleistungen von »anstrengungslosem Wohlstand« sprach, der zu »spätrömischer Dekadenz« einlade. Allerdings haben auch zahlreiche prominente Sozialdemokraten der Nachwelt Bonmots dieser Art hinterlassen, und ein SPD-Minister hat die von Lindner gepriesenen Totalsanktionen beim Bürgergeld auf den Weg gebracht. Gleichwohl stellt die Rede des FDP-Vorsitzenden einen neuen Tiefpunkt in Sachen Verantwortungslosigkeit dar. Denn in der aktuell von rechts aufgeheizten Stimmung dürfte mancher Frustrierte seine Einlassungen als Ermunterung zur Gewalt verstehen.

Erstveröffentlicht im nd v. 17.1. 2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179262.standpunkt-christian-lindner-ein-brandstifter.html?sstr=Brandstifter

Wir danken für das Publikationsrecht.

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung