No money, no die

Von Stefan Nold

Stefan Nold hielt die unten stehende Rede auf einer Friedenskundgebung gegen Aufrüstung und Krieg des Antikriegsbündnis FFM in Frankfurt an der Hauptwache. Er kommentierte den Widerhall seiner nachdenklichen Worte wiefolgt: „Die wenigen, die da waren, fanden es gut, aber ansonsten habe ich mich als Prediger in der Wüste gefühlt. Das allgemeine Desinteresse ist schon überraschend, man sieht daran aber, wie gut die Meinungsmanipulation funktioniert.“

Bild: Pxhere

Mein Name ist Stefan Nold. Ich bin 65 Jahre und Elektroingenieur. Damit ein fünffacher Großvater wie ich sich in Frankfurt vor die Hauptwache stellt und eine Rede gegen die Regierung hält, muss da oben verdammt viel schief laufen. Was ist da los? Morgen will ein abgewählter Bundestag jedem von uns 6000 faule Eier ins Nest legen, denn morgen will der Bundestag 500 Milliarden Euro neue Schulden machen. Das sind 500.000 Millionen, geteilt durch 83 Millionen Einwohner, macht pro Kopf rund 6.000 Euro. Für die Rüstungsausgaben soll es gar keine Grenzen, gar keine Haushaltsdisziplin mehr geben. Dann geht der Zins durch die Decke und die Kreditwürdigkeit Deutschlands den Bach runter.  Wenn das wirklich durchgehen sollte, steht die Zukunft des ganzen Landes auf der Kippe.

Wegen der Schuldenbremse darf der Staat jedes Jahr nur so viel ausgeben wie er einnimmt. Nach dem Prinzip würden sich die Eichhörnchen im Sommer dick und rund fressen und im Winter würden sie verhungern. Wenn die Eichhörnchen sich so verhalten würden wie unsere Politiker wären sie ausgestorben. Eine andere Schuldenbremse, die den Staat dazu zwingt, in guten Zeiten Geld zurückzulegen, damit er es in schlechten Zeiten ausgeben kann, wäre sinnvoll. Aber darum geht es nicht. Der abgewählte Bundestag will bloß ganz schnell ganz viel Geld drucken, um einen verlorenen Krieg zu finanzieren. Das Bundesverfassungsgericht nickt das ab. Da frage ich mich: Ist das noch Gewaltenteilung oder schon Arbeitsteilung, um den Willen des Volkes zu vergewaltigen? Ich frage nur. Man muss heute vorsichtig sein.

Was erwartet uns? Kürzen, kürzen, kürzen für Krieg, Krieg und nochmals Krieg?  Haben wir nicht genug zu tun? Das Bildungssystem ist so schlecht, dass die Betriebe den Jugendlichen erst mal den Schulstoff beibringen müssen, bevor sie mit der Ausbildung beginnen können. Die Kommunen sind klamm und wissen nicht, wie sie die wachsenden Aufgaben stemmen sollen. Die Babyboomer gehen bald in Rente, aber wer soll sie  ersetzen, die Busfahrer, die Ärzte, die Lehrer? Die kaputten Brücken sollen saniert werden – ja, aber vor allem, damit die NATO mit schwerem Gerät drüber fahren kann. Die Krankenkassen stehen vor der Pleite, die Menschen haben Angst um ihre Zukunft, aber die Panzer der NATO haben freie Fahrt.

So etwas erträgt man nur mit schwarzem Humor. Frage an die Jungen: Wo wart ihr zuletzt in Urlaub? Wie lange? Wollt ihr mal für ein paar Jahre weit weg fahren und richtig was erleben? Da habe ich gute Nachrichten für euch. Unser Land wird demnächst wieder Erlebnisreisen Richtung Osten anbieten. Mein Vater war dabei. Mit 16 fing es für ihn an, im Frühjahr 43, als Flakhelfer. Bevor es dann richtig losging, hatten die Eventmanager von der Wehrmacht sich etwas Besonderes ausgedacht. Er durfte auf einen fahrenden russischen T34 Beutepanzer aufspringen, dort eine Haftmine anbringen und dann schnell wegrennen. Das war nur eine Übung. Als er an die Front kam, war der Krieg ein paar Monate später schon aus. Aber ihr könnt von Anfang an mitmachen. Als Drohnenpiloten seid ihr mit der Kamera live dabei, wenn ihr Menschen tötet, seht, wie sie sich blutend am Boden wälzen, bevor ihr sie mit eurer Drohne endgültig platt macht. Das sind Bilder, die euch ein Leben lang begleiten werden – sofern ihr nicht selbst dran glauben müsst. Als NATO-Soldaten habt ihr die Hundemarke um den Hals. Das ist ein kleines Stück Blech mit eurem Namen, Geburtsdatum und Blutgruppe. Wenn ihr im Kampf sterbt, killed in action, nennt das die NATO, wird eure Hundemarke in der Mitte durchgebrochen, die eine Hälfte bleibt bei eurer Leiche, die andere geht nach Hause.

Mein Vater hat den Krieg überlebt und war drei Jahre in russischer Gefangenschaft. Er hat oft gesagt: „Die Verhältnisse waren katastrophal, aber man hat uns immer menschlich behandelt.“ Das hat die Heimkehrer tief bewegt. „Ich habe ein Stück Seele in Russland zurück gelassen“ hat einer von ihnen geschrieben. Wenn heute jemand den Russen zuruft „Brennt in der Hölle ihr Schweine“, der bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, hier gleich um die Ecke in der Paulskirche. Ich habe gute Freunde, die gegen Rassismus demonstrieren. Ich frage euch: Wo seid ihr, wenn gegen die Russen gehetzt wird? Wo seid ihr, wenn SS-Verbrecher als Helden gefeiert werden? Wenn die Russen den Deutschen damals Gleiches mit Gleichem vergolten hätten, gäbe es weder mich, noch meine Kinder noch meine Enkel. Ich stehe auch hier, um den Russen Danke zu sagen. Sie sollen wissen: Es gibt hier Menschen, die anders denken und fühlen als die Kriegstrommler.

Aber was ist mit Putin? Als der Krieg ein paar Wochen alt war, haben die Ukraine und Russland in Istanbul miteinander verhandelt. Der leitende Jurist der ukrainischen Delegation hat wörtlich gesagt: „Wir waren einer Einigung sehr nah – very close. Putin wollte wirklich eine friedliche Einigung; es ist sehr wichtig daran zu erinnern.“ Das wird tot geschwiegen. Statt dessen zitieren Faktenchecker aus der Luft gegriffene Behauptungen sogenannter „Experten“, die bei den Verhandlungen gar nicht dabei waren. Fakt ist: In Kiew haben im April 2022 die Sektkorken geknallt. Dann kam  Boris Johnson – und mit ihm der Tod.

Aufhören! Mensch Merz! Aufhören! Nichts geben wir für diesen sinnlosen Krieg. Nicht unser Leben, nicht das Leben unserer Kinder und nicht unser Geld. Die Abgeordneten, die morgen über die Zukunft unseres Landes entscheiden werden, frage ich: Wollt ihr Krieg führen mit unserer Kohle? Wir sagen: Nein – Nein und nochmals nein! Nein zu den Kriegskrediten, die Rheinmetall reich und uns alle bettelarm machen. Nein zu euch Abgeordneten, die ihr in euren bequemen Sesseln sitzt und unser Geld nehmt, um andere damit morden zu lassen.

Hinter jedem Krieg steht jemand, der ihn bezahlt. Wir sind das Volk und sagen: Nein! Wir zahlen nicht für eure Kriege! Keine Raketen mit unseren Moneten! Als Bob Marley 1974 abends in einer Suppenküche gesessen hat und das herzzerreißende Schreien einer Frau hörte, hat er mit dem Betreiber der Suppenküche das Lied geschrieben: „No woman, no cry!“ Wir singen statt dessen:  No money, no die! Ohne Geld gibt es kein Sterben, gibt es keine Kriege. No money – no die.

Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 18.3. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/no-money-no-die/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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