Nicaragua: 30.000 vermummte Zivilisten als neue „Freiwillige Polizei“ vereidigt

Von Matthias Schindler

Am 26. Februar 2025 vereidigte das nicaraguanische Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo 30.000 vermummte Zivilisten als neue „Freiwillige Polizei“, um die Macht von Ortega und Murillo im Staat zu festigen. Die Veranstaltung fand auf der Plaza de la Fe in der Hauptstadt Managua statt, aber ähnliche Vereidigungen gab es auch in Matagalpa, Bilwi, Bluefields, Jinotega, León und anderen Städten.

Die Zahl von 30.000 Freiwilligen, die angeblich an der Zeremonie teilgenommen haben sollen, ist nicht sehr glaubwürdig. Denn auf den dazu veröffentlichten Fotos sind 165 Blöcke von jeweils 100 Maskierten zu sehen sind, was einer Gesamtzahl von 16.500 Teilnehmenden entsprechen würde. Außerdem sind offensichtlich nicht nur viele öffentliche Angestellte zur Teilnahme verpflichtet worden, sondern es wurden auch aus der Haft entlassene Kriminelle für diese neue Truppe rekrutiert, und aus vielen umliegenden Gemeinden wurden zusätzlich noch weitere Personen in Bussen nach Managua gekarrt, um so diesen beeindruckenden und bedrohlichen Aufmarsch zustande zu bringen.

Die „Freiwillige Polizei“ ist Teil der Nationalen Polizei und untersteht ihren Befehlen, während Ortega-Murillo die obersten Kommandierenden der Polizei sind. Auf diese Weise wird die Polizei, die im Jahr 2024 über eine Stärke von 20.474 Beamten verfügte, im Jahr 2025 auf 105.285 Polizisten aufgestockt, von denen 28.398 Berufspolizisten und 76.887 Freiwillige sind.

Die Aufgaben der „Freiwilligen Polizei“ sind der „Schutz der öffentlichen Ordnung“ und die „Verteidigung des Friedens, den wir derzeit genießen“, was in Wirklichkeit bedeutet, dass diese neuen Polizeieinheiten ausdrücklich zur Verteidigung des Regimes und der diktatorischen Macht des Präsidentenpaares geschaffen werden. Im April 2018 wurden die Proteste der Bevölkerung gewaltsam unterdrückt, was mehr als 350 Todesopfer forderte. Repräsentanten der Polizei haben sich jetzt in verschiedenen Erklärungen auf diese Demonstrationen bezogen, um zu erklären, dass die „Freiwillige Polizei“ solche Formen des massenhaften Ausdrucks von Unzufriedenheit in der Bevölkerung verhindern und unterdrücken wird.

Ortega erkannte in seiner Rede ausdrücklich an, dass es sich bei den vermummten Männern und Frauen um dieselben Personen handelt, die die friedliche Protestbewegung von 2018 brutal unterdrückt haben.

Die Schaffung der neuen „Freiwilligenpolizei“ bedeutet in Wirklichkeit, dass die Paramilitärs, die die blutige Unterdrückung von 2018 begangen haben, jetzt einen neuen Namen haben, dass sie in der neuen Verfassung verankert sind und dass sie mehr als 75.000 Personen zählen, die dem Präsidentenpaar ihre absolute Loyalität geschworen haben. In ihrer typisch zynischen und euphemistischen Sprache bezeichnete Murillo die „Freiwilligenpolizei“ als die neue „Friedensguerilla“.

Neben der Vereidigung der „Freiwilligenpolizei“ erneuerte Ortega auch das Mandat von Kommissar Francisco Díaz, Chef der Nationalen Polizei und Schwager des Präsidentenpaares. Díaz, der sein Amt 2018 während der Proteste angetreten hatte, wird entsprechend der neuen Verfassung für weitere sechs Jahre im Amt bleiben. Wenige Tage zuvor ist General Julio César Avilés bereits für weitere sechs Jahre als Chef der Streitkräfte vereidigt worden, eine Position, die er seit 2010 unter Verstoß gegen alle militärischen Regeln zur Rotation von Positionen in der Armee innehat. Auf diese Weise haben Ortega-Murillo weiterhin zwei Personen ihres absoluten Vertrauens an die Spitze von Polizei und Armee gesetzt.

Die Formalisierung – nicht Legalisierung, dieser ganze Prozess ist völlig verfassungswidrig! – und die öffentliche Demonstration der Paramilitärs als „freiwillige Polizei“ ist eine offene Drohung gegen jeden Versuch, sich dem derzeitigen Regime zu widersetzen oder Unzufriedenheit zu zeigen. Zugleich ist sie Ausdruck der tiefen Krise der Diktatur, die in der Bevölkerung keine Glaubwürdigkeit mehr besitzt, wirtschaftlich am Ende ist und offensichtliche politische Risse zeigt.

Nicht nur, dass alle politischen Parteien verboten wurden, oder dass alle Führer der politischen Opposition deportiert und ausgebürgert wurden, sondern es finden seit über einem Jahr massive Säuberungen im Justizapparat, bei der Polizei, in der Armee und sogar innerhalb der Anhängerschaft der FSLN statt. Ortega und Murillo wissen, dass ihr Regime am Rande des Zusammenbruchs steht, und sie fürchten das Wiedererstarken einer breiten Volksbewegung, die sie nicht mehr mit den regulären staatlichen Institutionen, der Polizei und – falls nötig – auch der Armee, unterdrücken können.

Deshalb greifen sie jetzt zu dem Instrument einer kleinbürgerlichen Massenbewegung, die bereit ist, jedem Befehl zu gehorchen, den sie vom Diktator bekommt. Diese Organisation hat eine ähnliche Funktion, wie sie die SA unter Hitler hatte. Die Paramilitärs – jetzt „Freiwillige Polizei“ genannt – bilden ein Netz von Informanten und potenziell bewaffneten Truppen, die durch ihre Drohungen und durch ihren Terror jegliche Widerstandsbewegung gegen die Diktatur und gegen die neue Chayo-Bourgeoisie entweder im Keime ersticken oder mit brutaler Gewalt niederschlagen sollen.

Lissabon, 04. 03. 2025

Weitere Infos auf Spanisch:

https://confidencial.digital/nacion/ratificamos-nuestra-lealtad-y-obediencia-jura-director-de-la-policia-ante-dictadores

https://confidencial.digital/nacion/el-ejercito-de-rosario-murillo-en-nicaragua-con-mas-76-800-encapuchados

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