Die Ukraine will kämpfen bis zum „Tod des russischen Imperiums“

Von Guido Biland

Am 25. September 2023 ist im Schweizer »Tages-Anzeiger« ein aufschlussreiches Interview mit dem ukrainischen Präsidentenberater Olexi Danilow erschienen. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates macht mit seinen Aussagen klar, dass der russische Präsident Wladimir Putin keine andere Wahl hat, als die Ukraine mit der aktuellen Regierung zu neutralisieren. Dabei könnten auch die westlichen Sponsoren des Krieges erheblichen Schaden nehmen.

Gibt es eine Rechtfertigung für den »brutalen und unprovozierten Angriffskrieg« der Russischen Föderation gegen die Ukraine? Die einhellige Antwort in der transatlantischen Echokammer lautet: »Nein!« In der monotonen und plakativen Erzählung der NATO-Welt ist der russische Präsident Wladimir Putin ein imperialistischer Aggressor, der verlorene UdSSR-Territorien zurückerobern will und bereit ist, dafür über Berge von Leichen zu gehen.

Für die NATO-Welt ist Putin mindestens gleich schlimm, wenn nicht schlimmer als Adolf Hitler und andere Kriegsverbrecher mit wahnhaften imperialen Ambitionen. Vom friedlichen Geschäftspartner irreversibel zum blutrünstigen Kreml-Monster mutiert, gilt der Kreml-Herrscher als ultimativer Zerstörer der regelbasierten Ordnung und des Weltfriedens. Mit dieser zweckdienlichen Begründung kann es die NATO-Welt auch komfortabel ablehnen, auf Russlands Sicherheitsinteressen Rücksicht zu nehmen und mit dem Kreml über einen Waffenstillstand zu verhandeln.

Danilow und wie er die Welt sieht

Noch findet der Krieg auf NATO-externem Territorium statt. Wenn man die jüngsten Äußerungen Olexi Danilows in der Schweizer Tageszeitung »Tages-Anzeiger« zum Nennwert nimmt, muss man sich darauf einstellen, dass das nicht mehr lange so bleibt. Die Ukraine hat ihre Verteidigungsstrategie offenkundig aufgegeben und verfolgt nun eine regelrechte Vernichtungsstrategie gegen die Russische Föderation. Um jedes Missverständnis auszuräumen, sollen hier einige seiner Aussagen im vollen Wortlaut zitiert werden.

Zum unmittelbaren Kriegsziel äussert sich Olexi Danilow wie folgt: »Wir müssen unser Hauptziel erreichen, unsere besetzten Territorien zu befreien und den Krieg zu gewinnen. Wer glaubt, dies sei ein Krieg nur zwischen der Ukraine und Russland, der irrt sich gründlich. Dieser Krieg verändert alles, nach ihm werden wir ebenso in einer anderen Welt leben wie nach dem Zweiten Weltkrieg oder nach dem Kalten Krieg.«

Und weiter: »Wir werden auf jeden Fall alles befreien. Alle Versuche der Russen, sich die Krim einzuverleiben, sind vergeblich. Die Krim wird ukrainisch sein. Und in Sewastopol wird die ukrainische Schwarzmeerflotte als Mitglied eines Nato-Landes stationiert sein. Es ist nur eine Frage der Zeit.«

Sehr deutlich wird Danilow auch beim mittelbaren Kriegsziel: »Es gibt im Westen noch keine einheitliche Haltung, wie mit Russland umzugehen ist. Erst wenn das der Fall ist, kommen wir weiter. Einige glauben immer noch, man könne Russland in seiner heutigen Form bestehen lassen. Diese Leute verstehen nicht, dass es eine Zeit der Geburt, des Lebens und des Sterbens gibt. Jetzt ist die Zeit für den Tod des russischen Imperiums gekommen. In Russland sehen wir schon die Vorzeichen dafür. Russland wird fragmentiert sein und nicht in seinen heutigen Grenzen fortbestehen. Dieser Prozess ist unaufhaltsam, so wie es die deutsche Wiedervereinigung war oder der Kollaps der Sowjetunion.«

Friedensverhandlungen mit dem amtierenden russischen Präsidenten schließt Danilow kategorisch aus: »Putin ist der Mörder unserer Mitbürger, unserer Kinder. Wir haben im Sicherheitsrat formell beschlossen, niemals mit ihm zu verhandeln.«

Und doppelt nach: »Wir werden nicht mit Putin verhandeln. Sein Platz ist vor Gericht, nicht am Verhandlungstisch. Er ist ein moderner Hitler. Und er wird das gleiche Ende nehmen wie Hitler. Oder er wird durch ein Mitglied seines engsten Kreises ersetzt, der genauso ein Bastard ist wie Putin.«

Fazit: Doch, es gibt eine Rechtfertigung für den russischen Waffengang

Fassen wir die offizielle ukrainische Position in den Worten Danilows zusammen:

  • »Wer glaubt, dies sei ein Krieg nur zwischen der Ukraine und Russland, der irrt sich gründlich. Dieser Krieg verändert alles.«
  • »Jetzt ist die Zeit für den Tod des russischen Imperiums gekommen. Russland wird fragmentiert sein und nicht in seinen heutigen Grenzen fortbestehen.«
  • »Die Krim wird ukrainisch sein. Und in Sewastopol wird die ukrainische Schwarzmeerflotte als Mitglied eines Nato-Landes stationiert sein.«
  • »Wir werden nicht mit Putin verhandeln. Sein Platz ist vor Gericht, nicht am Verhandlungstisch. Er ist ein moderner Hitler.«

Das offizielle Kriegsziel der Ukraine (und damit des kollektiven Westens) ist also der Kollaps der Russischen Föderation mit anschließender Fragmentierung.

Das ist genau das, was die russische Führung seit geraumer Zeit immer wieder besorgt konstatiert. Wenn es Putin konstatiert, ist es russische Propaganda. Wenn es Danilow konstatiert, ist es ein legitimes Kriegsziel.

Was immer man von Putin halten mag: Danilows Aussagen belegen eindeutig, dass Putin die Lage richtig einschätzt und keine andere Wahl hat, als die Ukraine zu neutralisieren. Die Ukraine in ihrer heutigen Form mitsamt ihrer bedingungslosen und unlimitierten Unterstützung der NATO-Welt ist ohne jeden Zweifel eine fundamentale Bedrohung für die Russische Föderation. Jeder Staat würde sich gegen die Vernichtungsstrategie eines feindlichen Militärbündnisses dieser Größenordnung mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen.

Nein, Putin ist gewiss kein Gutmensch. Das gilt für alle Staatsoberhäupter. Wie jedes Staatsoberhaupt macht er einfach seinen Job – in diesem Fall als rational denkender Präsident einer existenziell bedrohten Nation. Er vermeidet emotionale Reaktionen, sichert den Landkorridor zur Krim und insistiert verständlicherweise darauf, dass die feindliche NATO – wie seit langem geplant – nicht auch noch das Schwarze Meer erobert. Wahrscheinlich rechnet er damit, dass der NATO-Welt irgendwann die harmonische Lust auf Krieg und Zerstörung vergeht und der ausgebluteten Ukraine nichts anderes übrigbleibt, als sich zur Neutralität zu bekennen. Die NATO-Welt wäre gut beraten, im Kreml kein verheerenderes Kalkül zu provozieren. Leider lässt sie sich längst nicht mehr von der Vernunft und dem Überlebensinstinkt leiten, sondern nur noch vom vulgär-russophoben Reflex, den Tod des russischen Imperiums herbeizuführen. Das lässt Schlimmes befürchten.

Die Ukraine ist nicht nur Opfer

Danke, Herr Danilow, für die unfreiwillige Rehabilitierung Wladimir Putins.

PS: Im Narrativ der NATO-Welt wird die Ukraine nur als Opfer dargestellt. Diese Darstellung ist faktisch nicht haltbar. Die Ukraine ist nicht nur Opfer. Die Regierung hätte es in der Hand gehabt, den Krieg gegen die eigenen Bürger zu beenden und ein gutes Einvernehmen mit dem russischen Nachbarn zu suchen, z.B. durch Abbau der antirussischen Feindseligkeiten, Verzicht auf das NATO-Beitrittsgesuch und ein wenig mehr Distanz zu den westlichen Sponsoren. Die Souveränität der Ukraine wäre heute unbestritten und intakt. Die ukrainische Regierung hat – aus welchen Gründen auch immer – alles unternommen, um den Konflikt mit Russland zu eskalieren. Niemand hat sie dazu gezwungen.

Das Ergebnis ist der totale Verlust der ukrainischen Souveränität. Was genau versteht diese Regierung unter Patriotismus? Ein entvölkertes Land in Ruinen? Wer sich mit den Russen anlegt, bekommt aus Moskau keine Blumen und Pralinen geschickt. Schon gar nicht, wenn er sich mit dem größten antirussischen Militärbündnis der Welt verbündet. Das war der ukrainischen Regierung mit Sicherheit bewusst. Trotzdem hat sie auf deeskalierende Maßnahmen verzichtet. Agiert so eine verantwortungsvolle und friedliebende Regierung? Fakt ist: Kiew hat eine militärische Konfrontation in Kauf genommen. Wer sich mit einer offenkundig provokativen und feindseligen Politik als Opfer der Aggression und Freiheitskämpfer der zivilisierten Welt inszeniert, wirkt bestenfalls melodramatisch. Auf keinen Fall glaubwürdig.

Erstveröffentlicht im overton Magazin v. 28.9.2023
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/die-ukraine-will-kaempfen-bis-zum-tod-des-russischen-imperiums/

Wir danken für das Abdruckrecht.

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung